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Po. ^5. Wöchentlich eine Nummer. Leipzig, 12. Januar 1870.->- Vierteljährlich 18 Sgr. I. Jahrgang. ^amilienbintt für Landn- uud Döllrtrkuudo. Zn beziehen durch alle Buchhandlungen des In- ».Auslandes sowie Postämter. Redigirt von vr. Ttto Delitsch, Privat-Docent und Nealschul-Oberlehrer. Der Jahrgang (52 Nummern oder 12 Monatshefte) läuft von Oktober zu Oktober. Sitten und Gebrauche -er Port-Lincoln-Eingeborenen in Australien. Bon tzhartcs Wilhelmi *). . Obgleich Australien eine geraume Zeit der Welt bekannt ist, st ist verhältnißmäßig doch wenig hinsichtlich der Sitten und Gebräuche der Urbewohner dieses Erdtheils nicdergeschricben und veröffentlicht worden. Meine botanischen Reisen seit 184!) haben mich oft genö tigt, mit den Eingeborenen zu verkehren, »nd es war mir stets interessant, ihre Sitten und Gebräuche zu beobachte« ; in- stnderhcit habe ich bei meinem zweimaligen Besuche von Port- Lincoln Gelegenheit gehabt, Beobachtungen der dortigen, da- uials nur wenig von der Civilisatiou berührten Eingeborenen unzustcllen. Höchst interessante Mittheilungen verdanke ich Herrn Pastor Schürmann, der im September 1840 als Beschützerder Ein geborenen in Port-Lincoln angestellt wurde, 1846 als Missionär »ach Adelaide nnd der Enconnter-Bai ging und einige Jahre darauf in seine alte Stellung nach Port-Lincoln zurückkehrte, ^cr Sprache vollkommen mächtig, vermochte er volle Ansknnft über das Leben und Treiben der dort lebenden Stämme zu "halten. Als ich 1851 bei ihin wohnte, hatte er 24 Kinder in seiner Schule, welche ziemlich weit im Lesen, Schreiben rc. vorgerückt waren; sie lernten nm so schneller, weil ihnen der tüchtige Mann alles in ihrer Muttersprache erklären konnte. Man hat bemerkt, daß die Zahl und der Zustand der Urbe wohner Australiens im allgemeinen von der Beschaffenheit der Gegend abhängt, die sie bewohnen; wo die letztere dürr und unsruchtbar ist, wird man die Eingeborenen gering an Zahl und Uon elender äußerer Beschaffenheit finden, während sie im um gekehrten Falle verhältnißmäßig zahlreich, schön gebaut und kräftig zu fein pflegen. Die Richtigkeit dieser Beobachtung füllt jedem in die Augen, der Gelegenheit gehabt hat, die Urbe wohner Port-Lincolns mit denen von Adelaide und noch mehr wit den Murray-Stämmen zu vergleichen. Erstere sind kleiner, *) Verfasser war 20 Jahre in Australien nnd hat theils auf eigene «osten, theils — 14 Jahre lang — im Auftrage der Regierung von -mctoria als Assistent des Rcgicrungsbotanikers die Kolonie bereist. weniger an Zahl, schwächer, weniger kunstfertig und nicht so vereinigt in geselliger Beziehung als letztere. An Größe über trifft ein Schwarzer Port Lincolns selten einen Weißen mittler Statur, und in Bezug auf Körperkräfte ist der Vergleich noch ungünstiger für sie. Hingegen findet man unter den Murray- Stämmen prachtvolle, große nnd schön gebaute Figuren. Als körperliche Eigenheiten fallen bei allen dürre Arme und Beine, weiter Mund, tiefliegende Augen, platte Nafe auf. Ist letztere nicht von Natur breit, so bewirken sie dies durch ein Stück Knochen, Holz oder was es sei, welches durch den Nasen steg gesteckt iwird und die Wirkung hat, die Seiten der Nase breit zu ziehen. Sie haben gewöhnlich eine hochgewölbte Stirn, breite Schultern und besonders hohe Brust. Die Männer besitzen einen ungesuchten Anstand in ihrer Haltung, ihr Gang ist frei und aufrecht und ihre Geberden sind natürlich. Unter allen Umständen, sei es beim Tanzen, Sprechen oder im Kampfe, gebührt ihnen in Bezug auf Leichtigkeit und Schnel ligkeit der Körperbewegungen der Preis vor den Europäern. Vom weiblichen Geschlechte kann man bei weitem nicht so Vortheilhaft sprechen. Ihre Körper sind gewöhnlich verunstaltet durch dürre Arme und Beine, dicke Leiber und herabhängende Brüste, ein Zustand, welcher in frühem Heirathen, geringer Nahrung, Tragen schwerer Bürden und langem Säugen der Kinder hinreichend Erklärung findet; denn es ist keineswegs ungewöhnlich, daß selbst Kinder von drei Jahren und darüber noch die Mutterbrust genießen. Obgleich der vorübergehende Beobachter kaum einen Unter schied wahrzunehmen Pflegt, wegen der großen Aehnlichkeit, welche unter ihnen herrscht, so bemerkt man doch bei längerer Bekanntschaft bedeutende Abweichungen in Gesichtszügen, Ge stalt und Hautfarbe. Während die nördlichen Stämme, die eine dürre, mit Ge strüpp überzogene Gegend bewohnen, eine schwärzere und trockner aussehcnde Hautfarbe haben, trifft man unter den süd- lichen und westlichen Stämmen oft auf Gesichter, die fast kupfer farbige genannt werden können. Ob dies der Haupteinfluß des Klima's oder der Nahrung ist, ist schwer zu ermitteln. Schür- 15