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Uo. Wöchentlich eine Nummer. --4 Leipzig, 22. Dezember 1869.>- Vierteljährlich lSSgr. l. Jahrgang. MMlj Alluslrirlcs FiliuilicilblnU für Midrr- und Uölkerkiliidt Zu beziehen durch alle Buchhandlungen des In- ». Auslandes sowie Postämter. Redigirt von vr. ^)tto Delitsch, Privat Docent und Realschul-Oberlehrer. Der Jahrgang (52 Nummern oder 12 Monatshefte) läuft von Oktober zu Oktober. Die Nheinschiffahrt. I. Von Kommerzienrath Adolph von Carnap. Wenn nach einem hartnäckigen, blutigen Kampfe die Fürsten endlich den Frieden wiedergefunden und dem Völkerrechte neue Bahnen geschaffen haben, so sollte man glauben, der Hadersei zu Ende und das neue Recht unantastbar; doch in der Ge schichte des Rheinstroms liegen andere Erfahrungen. Kaum hatte die Welt-Friedens-Akte zu Paris und Wien dem Rheine das seit zwei Jahrhunderten genommene Recht zurück gegeben, ein Recht, wonach kölnische Schiffe einst die wallo nischen und rheinischen Streiter eingenommen und nach der ägyptischen Alexandra gebracht hatten, um an der Belagerung von St. Jean d'Acre Theil zu nehmen, als die nieder ländischen Staaten, so unglaublich es auch scheinen mag, neuen Anlaß nahmen, dem Rheinstrom seine Freiheit vorzu- enthalten. Tas Schlachtfeld, wo diese Gewaltthat zunächst verhandelt wurde, liegt in den Sitzungen der Rhcinschiffahrts-Zcntral- Kommission zu Mainz. Diese Kommission sollte nach der Wiener Konvention vom 24. März 1815 bereits am 1. Juni desselben Jahres sich versammeln; der Wiederansbruch des Krieges ver hinderte indes; diesen Zusammentritt zur beschlossenen Zeit; er sand zuerst am 15. August 1816 statt, und die Abgeordneten der verschiedenen Rheinuferstaateu sanden sich ein, nm das Auf heben des alten und das Einrichten des neuen Zustandes zu bewirken, sowie die Oberaufsicht zu übernehmen. So einfach die Geschäftsaufgabe auch war, so sehr verwickelte sie sich den noch gar bald, denn die nndeutschen Theilnehmer an der Ver handlung, Holland und Frankreich, mischten ihre fremden Interessen ein, trübten den Gesichtskreis, und in ganz anderer Rrt, als die nantisch-merkantilische Politik den Weg zeigte, ge staltete sich nach kurzer Zeit der persönliche Verband der Kom- wissionäre nach fremdartigen politischen Rücksichten. Frankreich berechnete sehr gut, daß, wenn cs die natürliche Berbindung der Rheinlande mit der Nordsee und ihrem Welt handel erschweren oder vereiteln half, es mehrere Zwecke zu gleich erreiche. Erstlich vertrat dann sein eigener Handel in künstlicher Weise jenen natürlichen Dienst: seine unbelasteten Chausseen und seine schon eröffneten Kanäle verbanden den Ozean und das Mittelmeer mit chem Oberrheine, und der Elsaß fand in Havre und Marseille seine Seehäfen. Zum andern entwand es dem Niederrheine den Dreizack und schwächte physisch und moralisch die Vorhut, welche das neue Staatensystcm hier aufgestellt hatte. Die Pforten von Deutschland konnten ihm nur um so zugänglicher sein, je mehr Frankreichs Schiffahrt auf dem Oberrheine erstarkte und je enger seine Interessen mit den jenigen des einen oder anderen der dortigen kleinen Uferstäaten verknüpft und befreundet waren. Die Niederlande wollten die Freiheit der Rheinschiffahrt nur bis an das Meer und nicht bis in die See, wollten im übrigen die Reform der Rheinschiffahrt, ja wollten sich sogar mit freuen über das große Opfer, welches Preußen im Betrage von andert halb Millionen Franken durch die Tarifumlegung und die Auf hebung des Kölner Stapels darbringen sollte; sie wollten den großen daraus entspringende« Gewinn sich aneignen, aber nichts dafür geben; vielmehr die Alleinherrschaft an den Aus- mündungeu des Rheins und den Tribut, den es Deutschland mit so vieler Willkür anferlegt hatte, wie ein rechtmäßiges Gut bewahren und festhalten. Von 1816 an bis etwa 18 Monate später, als der Fürst- Staatskanzler an die Ufer des Rheins kam, wurde Preußen unaufhörlich zugemuthet, die Reform damit zu beginnen, daß es seinerseits mit der Darbringung seiner Opfer gleichsam die Verhandlungen eröffne. Dieser Staatsmann erkannte indeß die obwaltende Gefahr und der erste entscheidende Schritt erfolgte durch das Votum, welches Preußens Kommissar bei der Mainzer Zentral-Kommission am 27.Februar 1818 abgab und darin er klärte: daß Opfer und Ersatz gleichen Schrittes gehen müßten. Wenngleich schon der erste Artikel der Wiener Konpention sich ganz deutlich dahin aussprach: „die Schiffahrt auf dem ganzen Laufe des Rheines, von dem Punkte an, wo er schiffbar wird, bis in's Meer, es sei abwärts oder aufwärts, soll gänz lich frei sein," und wiewohl der Gedanke widersinnig erscheint, daß die einzelnen stipulirenden Theile des Pariser Friedens, Preußen, Rußland, England und Oesterreich, die nie bestrittene