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Die Slovaken im Lon K. Allgemein bekannt ist, welche Schwierigkeiten der Regierung des österreichischen Staates durch das Bestreben einzelner dem Zepter des österreichischen Monarchen gemeinsam unterworfener Nationa litäten bereitet werden. Der Verlauf und das Ziel dieser Wirren ist dem Uneingeweihten schwer verständlich. Es liegt auch nicht in meiner Absicht, etwa näher hierauf einzugehen. Ich will nur bemerken, daß meines Er achtens das Auftreten der Nationalitäten als politischer Faktoren innerhalb eines geschlossenen Staatswesens einem Anachorismus gleichkommt, der überdies das Gepräge des Gemachten trägt. Immerhin jedoch bleibt es eine interessante und selbst von den wissenschaftlichen Forschern nicht zu unterschätzende Aufgabe, einzelne dieser „Nationalitäten" näher ins Auge zu fassen. Wenden wir beispielsweise den Slovaken des südöstlichen Mährens unsere Aufmerksamkeit zu, so entgeht uns nicht die That- sache, daß sich in diesem Völkchen das Ursprüngliche so rein wie in wenigen anderen Stämmen der großen slavischen Rasse erhalten hat, und dieses Ursprüngliche Gemeingut nicht bloß der Slovaken, sondern des größten Theiles der in Mähren, dem Norden Ungarns und in Schlesien wohnenden Slaven ist, woraus ein Rückschluß auf die frühere Zusammengehörigkeit dieser Stämme nahe gelegt ist. Wir empfangen bei der Beobachtung der Slovaken den Eindruck: was wir hier sehen, das war vor tausend Jahren gerade ebenso. Dies bestimmt mich, einiges aus dem Leben und Treiben dieses Völkchens, wie ich es aus eigener Anschauung kennen lernte, (wenn auch nur skizzenhaft) aufzuzeichnen. — Was zuvörderst dieäußereErscheinungder Slovaken betrifft, so fällt es auf, daß die Frauen von Gesicht häßlicher sind, als die Männer. Den letzteren gibt das lange dunkelbraune schlichte Haar, das sie hinter die Ohren zu streichen und in der Mitte zu scheiteln pflegen, einen fünften Ausdruck. Von Gestalt sind die Männer schlank und kräftig, und in ihren Bewegungen prägt sich eine gewisse Ungezwungenheit aus, während die eigenthümlich schwerfällige Tracht der Weiber dazu beiträgt, daß diese ein plumpes, unbeholfenes Aussehen haben. Die Gesichtszüge der Slovaken verrathen nicht die glückliche geistige Begabung, die ihnen in der That eigen ist. Es ist im allgemeinen eben der Typus, wie er auch bei dem ge meinen Manne in Polen gefunden wird und welcher mehr als eine Folge geringer Kultur, denn als der Ausdruck natürlicher Unfähigkeit erkennbar ist. Die Slovaken sind gelehrige Leute, als Handarbeiter geschickt und fleißig. Auch zeichnet sie ein gewisser ästhetischer Sinn aus, wenn auch ihre Wahl der Farben die vorherrschende Neigung aller slavischen Völkerschaften zu schrillen Farbentönen nicht verleugnet.*) Eine rühmenswerthe Eigenschaft ist insbesondere die Sauberkeit ihrer Landhäuschen. Dieselben sind aus Backstein erbaut, und, so weit sie aus früherer Zeit herrühren, mit Strohschauben gedeckt. An dieser Art Häuser, die durchweg auf das Erdgeschoß beschränkt sind, gibt es keine Giebel. Das Strohschaubendach bedeckt vielmehr alle vier Seiten. — Es macht einen freundlichen Eindruck, daß man die Gebäude mit Kalk oft übertüncht und über jedem Fenster so wie über der Eingangsthür an der äußeren Wandfläche des Hauses ein bunt gemaltes Blümchen anbringt. Eine fernere Eigenthümlichkeit einer großen Anzahl dieser sonst so einfachen Gebäude ist die: daß die Fensteröffnungen und die Eingangsthür nach oben im Rundbogen fchließen, so wie, daß letztere noch besonders mit einem 30 bis 60 Centimeter heraustretenden massiven, ebenfalls mit Rundbogen ver sehenen Vorbau überdeckt ist, innerhalb dessen 2 bis 3 Stufen zur Thür hinaufführen. Thüren und Fensterläden, sowie Fensterkreuze sind blau oder roth angestrichen, die Fensterläden außerdem noch mit einem gemalten Blümchen ausgeschmückt. "h Daß die Slovaken für die bildenden Künste beanlagt wären, ist mir nicht bekannt. Ihre Poesie ist großtentheits Volkspoesie. Lon Dichtern in sta- vonischer Sprache werden Plachy, Tablitsch und Holly hervorgehoben. Die Volkslieder sind bereits zum großen Theil gesammelt (Pest, 2 Bände 1823—27 und Ofen 1834) Mehrere slovalische Märchen und Volkslieder finden wir über setzt in dem Werle „Westslavischer Märchenschatz" von Joseph Wenzig. Leipzig, G. Sens's Verlag 1870. Aus allen Welttheilen. V. Jahrg. südlichen Mähren. Die ländlichen Wohnhäuser liegen selten dicht an der Straße, sind vielmehr in die zugehörigen Gärten etwas ein gerückt. In den jenigen Gegenden, wo Wein gebaut wird, haben auch die kleineren Grundbesitzer besondere Keller für den Wein. Diese Keller liegen an der Straße und kehren dieser die Front mit der Pforte zu. Die Tracht der Männer in der mährischen Slovakei ist nicht überall gleich. In einigen Ortschaften tragen dieselben weite Bein kleider von grober Leinwand, ohne Saunt, in anderen Dörfern eng anliegende Lederbeinkleider mit schmalem Latze, worein sie (seltsam genug) des Sonntags ihr Taschentuch stecken, so daß es zur Hälfte heraushängt. Ebenso sind auch bei den Männern die drallen Jacken mit Aermeln und kurzen Schößen nicht weniger beliebt, wie die Jacken ohne Aermel und Schöße, eine Art Weste, die nm die Taille mit einem Gürtel gehalten wird. Die Weste bedingt saubere Hcmd- ärmel, die an der Handwurzel gewöhnlich geschlossen und mit einem bunten (meist rothen) seidenen Bändchen geschmückt sind. Auch iu der Kopfbedeckung herrscht eine gewisse Manigfaltigkeit. Bald finden wir den runden breitkrämpigen Filzhut mit buntem Bande oder bunter Schnur, bald eine den Kolpaks der preußischen Husaren ähnliche hohe Mütze, um welche verschiedenfarbige breite Bänder so angebracht sind, daß deren Enden frei flattern; endlich sehen wir auch hier und da eine hohe oben breitere Mütze von Pelz werk. Ein Bräutigam trägt vorn am Hute ein Sträußchen. Ueber- hanpt Pflegen sich die Slovaken beiderlei Geschlechts sehr gern mit Blumen zu schmücken, wie schon die Vorliebe für Zierath aller Art in ihrem Wesen liegt. So sind ihre Jacken und Westen und die Franen- mieder mit metallenen Knöpfen und Schnuren dicht besetzt. Schnur- bcsatz nnd schwarze Stickerei bringt man zuweilen mich an den Bein kleidern und namentlich an den Hemdärmeln auf den Achseln an. Zu alledem kommt die Halina, ein Paletot von weißem grobem Tuche mit rothem Saume und einem unförmlich herabhängenden Kragen. Diese Halina schließt um den Hals nicht an. Die Männer tragen um den letzteren anstatt eines Tuches ein farbiges Band; meist ist der Hals frei. Die Weiber haben kurze rothe oder blaue Röcke und ein blaues oder rothes, vorn sich öffnendes, fast bis zur Hälfte des Busens aus geschnittenes Mieder. Das Hemd (von geringer Leinwand) schließt am Halse mit einem ziemlich breiten Kragen und ist vorn in Falten gezogen. Die Weiber werden durch die langschäftigen oft weiß aus- genühten Stiefeln und die bunten über den Kopf geschlungenen großen wollenen Tücher verunstaltet. Es ist eine merkwürdige Gewohnheit der Slovaken, daß sie, die doch in einem sehr erträglichen Klima angesessen sind, die schwere Halina und den mit blauem Tuche überzogenen Pelz in jeder Jahres zeit als Staatsgewand tragen. Ich bin im heißesten Sommer in jenen Gegenden gewesen und habe des Sonntags Männer und Weiber, ja sogar Kinder in Halina oder Pelz nach der Stadt kommen sehen. In früheren Zeiten war es Sitte, daß derjenige, welcher nicht das Glück hatte, einen Pelz zu besitzen, sich auch einen solchen nicht verschaffen konnte, ihn Behufs des Kirchenbesuches von einem Bekannten entlieh, wobei die herkömmliche Formel folgendermaßen lautete: „Wie glücklich ist das Kleid, welches von der Kirche Gottes beleuchtet wird. Gelobt sei der Herr Jesus Christus! Ich bitte Euch schönstens, leihet mir Euren Pelz!" Es gewährt einen malerischen Anblick, wenn in dem freundlichen Städtchen Gaya (mährisch Kigow), ! das nur eine Hauptstraße hat, die sich zum Marktplatze erweitert, die bunte Menge vor der Pforte der in der Mitte der einen Markt seite belegenen Kirche dicht gedrängt ans den zahlreichen langen Stu fen derselben bis an die entgegengesetzte Marktseite auf den Knien liegt. Das Pittoreske dieses Bildes wird dadurch nicht wenig erhöht, daß die Weiber sich, ob sie gleich — wie man wenigstens vermuthen sollte, durch ihre blauen Tuchpelze — die Pelze der Weiber sind ringsum mit blaugefärbtem Pelzwerk verbrämt — beschwert genug sind, noch in große weiße Leinentücher hüllen. Die unverehelichten Frauenspersonen unterscheiden sich im Fest- tagsgewande — nicht in der Alltagstracht — von den verheirateten dnrch den mit breiten, bis an die Fersen reichenden, meist rothen Bän dern geschmückten Haarzopf. Eine andere bemerkenswerthe Modifikation der Tracht kommt 41