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Bilder aus dem Sächsischen Erzgebirge. Bon Di. Ätto Delitkck. I. Das erMbirgischc Stcinkohlcnbnlfln von Werdau und Zwickau bis Chemnitz, seine Oberfläche und seine Bevölkerung. In einem oft mehrere Meilen breiten flachen Hochkamme, der nur wenig von sanftgerundeten, meist bewaldeten Bergkuppen über ragt wird, erstreckt sich das Erzgebirge längs der böhmisch-sächsischen Grenze an den Quellen der Zwickauer Mulde bis zu den Quellen der Müglitz und Gottleuba. Langgezogene breite Querrücken laufen von ihm nach Norden und Nordnordwesten aus, an Höhe langsam abnehmend, und zwischen ihnen ziehen in zahlreichen Parallelen Tha lern die Bäche und Flüsse dem Tieflandc zu. Eine bedeutendere Unterbrechung dieser im ganzen regelmäßigen Form findet nur einmal statt: durch die Steiukohlenformation des erzgebirgischen Kohlenbassins. Unter Steinkohlenformation versteht der Geolog bekanntlich eine Reihe von Schichten verschiedener Gesteine: Kohlensandstein, Kohlen kall, Kohlenschiefer, Konglomerate, Steinkohlen, wohl auch Roth liegendes, so weit nicht dieses letztere der permischen Formation ange hört, die über den Steinkohlen lagert. Die Unterlage der Steinkohlen- sormation aber bilden ältere Gesteinsschichten, namentlich Thonschiefer und Glimmerschiefer. Häufig liegen alle diese Schichten in weiten muldenförmigen Einsenkungen, innerhalb deren sich die Steinkohlen lager gebildet haben. Da über und unter den Steinkohlenschichten der Kohlenschiefer oder Kohlensandstein eine unendliche Menge von Pflanzenabdrücken — Farnkräuter, Nadelholzstämme, Schachtelhalme, Sigillarien rc.— zu enthalten pflegt, so zieht man den Schluß, daß die Kohlen das Produkt mächtiger Schichten von Baumstämmen sind, mögen dieselben nun an Ort und Stelle gewachsen oder im Wasser als Treibholz massenhaft abgelagert worden sein. Senkungen der Erdoberfläche, Ueberflutung jener Holzmassen durch Wasser, Bedeckung mit neuen Erd- und Steinschichten müssen wiederholt stattgefuuden haben, in folge deren jene eingeschlossenen Holzmassen nicht durch Feuer, sondern durch große Wärme unter starkem Drucke sich allmählich in Kohle verwandelten; klar ist aber, daß nicht überall, wo man von Stein kohlenformation redet, auch wirklich Kohlen vorhanden sein müssen, denn die Wälder jener alten Zeit, deren mächtigen Reste wir noch anstaunen, müssen nicht über das ganze Land gewachsen sein, und Treibholz kann sich nur an gewissen Stellen in Massen abgelagert haben. Unter den Steinkohlenbecken ist das erzgebirgische dem innern Bau nach besonders deutlich ausgeprägt. Im Norden wie im Süden tritt der Thonschiefer in ununterbrochener Linie hervor und bildet zwei Bergzüge, von denen aus das tieferliegende Becken überschaut werden kann. Der nördliche Rand ist durch eine Linie von Remse an der Mulde über Hohenstein, Ernstthal, Wüstenbrand, Oberraben stein bis Glösa an der Chemnitz und darüber hinaus bezeichnet, und deutlich tritt eiu Höhenzug mit schönen Ferusichten namentlich in der Richtung von Lobsdorf und Tirschheim über Hohenstein und Wüsten brand bis Rabenstein hervor. Die südliche Grenzlinie des Kohlen beckens beginnt bei Gottesgrüu und Fraureuth und zieht sich über Schönfels, Cainsdorf, Niederhaßlau, Wildenfels, Hartenstein, Stoll berg, Klaffenbach bis Harthau, wo sie die Chemnitz überschreitet; die unregelmäßige schmale Verlängerung des Kohlenbeckens über Franken berg, Hainichen bis jenseit Roßwein lassen wir hier bei Seite. Der bezeichnete Südrand ist höher gehoben als der Nordrand, weil er an das höhere Erzgebirge sich aulehnt; bei den Höhen von Schönfels, Cainsdorf, namentlich aber in dem 500 — 600 Meter hohen Thon schieferrücken von Stollberg bis über Klaffenbach ist er am schärfsten ausgeprägt; auch von diesen Höhen hat man liebliche Aussichten auf die Thäler, Feldflächen, Dörfer nnd Städte des Steinkohlenbeckens. Der Kohlenbergbau bei Zwickau ist Jahrhunderte alt. Die Auf- sindung der Kohlenschichten war mühelos, indem beim Ackern das schwarze Brennmaterial zum Vorschein kam. Die Fluren von Ober hohndorf und Planitz deckten sich allmählich mit Kohlenschichtcn; doch blieb die Ausbeute wie der Verbrauch, der sich anfangs auf die Schmiedefeuer beschränkte, nur gering. Erst die Erfindung der Dampfmaschinen gab der Kohlenausbreitung einen rascheren Auf schwung: während der Bedarf an Kohlen sich reißend schnell vermehrte, ermöglichte sie zugleich die Bewältigung des Wassers in den Tiefen Aus allen Welltheilen. V. Jahrg. der Kohlenschächte. Mit der Erbauung von Eisenbahnen — seit etwa dreißig Jahren — nahm die Ausbreitung Maße an, die man früher nicht im entferntesten geahnt hatte. Wir müssen hier einen vergleichenden Blick auf die deutsche» Steinkohlengebiete überhaupt werfen, um ihre Bedeutung für die Industrie und den Verkehr zu erkennen und daraus auf das sächsische Steinkohlengebiet Schlüsse zu ziehen. Die Steiukohlengebiete von Oberschlesien, Mittelschlesien, Dresden, Zwickau, das westfälische-au der Ruhr, das Gebiet von Aachen nnd das Saarbrückener Becken — nebst einigen kleineren bei Wettin, Bückeburg rc. — liefern jetzt jährlich an 600 Millionen Zentner Kohlen, zu denen in Oesterreich- Ungarn noch die Kohlengebietc von Buschtiehrad und Kladno, von Köflach und von Fünfkirchen kommen, zusammen mit 100 Millionen Zentner jährlich. Das benachbarte Belgien gewinnt jährlich 275» Millionen Zentner, Großbritannien hat seine Ausbeute auf 2506 Millionen Zentner gebracht. Die Nordseeküsten werden am bequemsten von Newcastle und Sunderland im nördlichen England versorgt. An der Ostsee begeg nen sich englische und oberschlesische Kohlen; von Oberschlesieu werden auch Kohlen über die österreichische Grenze geführt. Bis Berlin und weiter gegen Nordwesten geht der Verbreitungsbezirk der schlesischen Kohlen, von denen daher nicht genug übrig bleibt, um eine groß artige eigene Industrie erwachse» zu lassen. Saarbrücken versorgt mit seinen Kohlen nicht bloß die südliche Rheinprovinz, sondern Lothringen, Elsaß, Baden, Württemberg, ja die gesammte Schweiz, und so mächtig auch die Ausbeute jener Werke gestiegen ist, die schon im Jahre 1866 Frankreichs begehrenden Blick auf sich zogen, so bleibt doch nur wenig für die Saarbrückener Gegend übrig, so daß dort ein verhältnißmäßig geringer Jndustriebezirk ent standen ist und kein Ort desselben es bis auf 10,000 Einwohner gebracht hat. Anders bei Aachen und in Westfalen. Von Norden grenzt der Ver- breituugsbezirk der englischen Kohlen, im Süden der Saarbrückener- Bezirk, im Osten grenzt bei Kassel und Eisenach der sächsische Ver breitungsbezirk. Infolge dessen ist zwischen Aachen und Hamm einer der großartigsten Jndnstriebezirke entstanden; auf kleinem Raume drängen sich dort 7 Städte mit mehr als 50,000 Einwohnern, 7 Städte von 20- bis über 40,000, 30 Städte von 10- bis 20,000 und zahl lose kleinere industrielle Ortschaften zusammen. In Sachsen begegnen wir ähnlichen, wenn auch nicht so großar tigen Erscheinungen. Haben auch die Kohlen des Plauenschen Grun des ein Absatzgebiet, welches der Produktion entspricht, so liefert doch das Zwickauer Becken gegenwärtig so viel Kohlen, daß eine Reihe lebhafter Industriestädte, Chemuitz voran, dann Zwickau, Glauchau, Meeraue, Crimmitzschau, Werdau, Reichenbach, Plauen, Greiz, Gera auf diesem Boden emporgewachsen ist, und zwar so rasch, daß z. B. die Bewohnerzahl von Zwickau iu 37 Jahren vou 67l>1 auf 27,322 - Meerane - - - - 1172 - 19,187 - Glauchau - - - - 6296 - 22,036 - Chemnitz - - - - 21,137 - 68,229 gestiegen ist, während z. B. die durch ihre Baumwollenfabriken blü hende, aber mit dem Eiseiibahuban und der Kohlcnzufuhr zwei Jahr zehnte lang in unverantwortlicher Weise vernachlässigte Industrie stadt Eilenburg es im gleichen Zeiträume nur von 6200 auf 10,286 Einwohner gebracht hat. Das Zwickauer Steinkohlenbecken gibt jetzt eine jährliche Ausbeute von mehr als 40 Millionen Zentner. Rechnen wir einen bedeutenden Verbrauch für die Kohlen- und Eisenwerke der Gegend selbst ab, so müssen noch immer in täglichem Durchschnitt 120,000 Zentner täg lich mit der Eisenbahn versandt werden: dieses Quantum verlangt täglich eine Zahl von 1200 Lowries, die iu wenigstens 20 besonderen Zügen täglich nach allen Richtungen aus einander gehen. Rechnet man, daß jeder Wagen acht bis neun Tage Zeit braucht, bis er wieder beladen versandt werden kann, so sind ein Wagenpark von 10,000 Lowries und eine entsprechende Anzahl von Lokomotivführern, Schaff nern, Auflädern u. s. w. zu dieser Beförderung nothwendig. Es genügen diese wenigen Zahlen, um zu zeigen, was für eine mächtige Bewegung des Lebens schon der Transport der Kohlen hervorruft 13