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Wache»- und Kachrichtsblatt zugleich MD-Anzeiger sir Hohk^rf, MW, Periskr!, Niiskorf, St. Wie», Heimlhmt, Msriena« nd Müls«. Amtsblatt für den Sta-trat M Lichtenstein. — 4«. Jahrgang. — Nr. 134. Freitag, den 13. Juni 1890. Dieses Blatt erscheint täglich (außer Sonn« und Festtags) abends für den folgenden Tag. Vierteljährlicher Bezugspreis 1 Mark 25 Pf. — Einzelne Nummer 10 Pfennige. — Bestellungen nehmen außer der Expedition in Lichtenstein, Markt 179, alle Kaiser!. Postanstalten, Postboten, sowie die Austräger entgegen. — Inserate werden die viergespalten« Korpuszeile oder deren Raum mit 10 Pfennigen berechnet. — Annahme der Inserate täglich bis spätestens vormittag 10 Uhr. Deutscher Reichstag. Sitzung vom 11. Juni, 12 Uhr. Am Tische des Bundesrates: von Bötticher. Auf An trag des Abg. Auer wird das gegen den Aüg. Stadthagen (Soz.) schwebende Strafverfahren beim Landgericht II. in Berlin, sowie das gegen den Abg. Schmidt-Sachsen (Soz.) beim Amtsgericht Burgstädt schwebende Strafverfahren wegen Beleidigung für die Dauer der Session sistiert. Es folgt die erste Beratung des vom Abg. Auer (Soz.) beantragten Gesetzentwurfes betr. die Ergänzung des Unfall versicherungsgesetzes. Abg. Grillenberger (Soz.) befür wortet den Antrag. Der Zweck nuferer Forderung ist, daß bei längerer Dauer der d^irch Unfall verursachten Krankheiten eine Rente gezahlt werden soll, und zwar von Anfang an, und nicht wie jetzt, erst von der 14. Woche ab. Die Forder ung wird durch zahlreiche Fälle aus der Praxis begründet. Ich will gern zugeben, daß die Unfallversicherung für den Arbeiter gewisse Vorteile gebracht hat, aber in feiner sozialen Lage ist er dadurch bisher nicht gebessert worden. Auf eine Besserung will unser Antrag hiuwirken. Redner behauptet noch, daß die Unfall-Schiedsgerichte bisher nicht günstig für die Arbeiter entschieden haben. Staatssekretär ».Bötticher: Ich räume ein, daß das Unfallversicherungsgesetz verbesserungsfähig ist, aber die Revisionsbedürftigkeit erstreckt sich auch noch auf andere Teile des Gesetzes, als auf die vom Vorredner berührten. Es finden im Schooße der Verbündeten Regierungen auch bereits Erwägungen statt, wie diese Uebelstände am besten abzustellen sind. Wenn unsere Bemühungen zu einem Resultate bisher noch nicht geführt haben, so liegt es daran, daß die Unfall versicherung noch nicht in ihrem ganzen Umfange in Kraft getreten ist. Wir werden also in absehbarer Zeit selbst Ver änderungen des Gesetzes in Vorschlag bringen, doch liegen die Dinge nicht so einfach, wie der Vorredner meint. Der An trag Auer ist nicht so besonders dringlich, auch er kann bleiben, bis die allgemeine Revision der Unfallversicherung erfolgen wird. Abg. Hempel (kons.): Ich erkenne die Forderungen des Antrages Auer nicht nur als gerechtfertigt an, ich bin sogar geneigt, über einzelne Punkte desselben zu Gunsten der Arbeiter hcranszugehen. Doch ist die Angelegenheit nicht so dringlich und wir können recht wohl bei der allgemeinen Aenderung desUufallversicherungsgefetzcs daraufzurückkommeu- "Abg. Rösicke (lib.): Auch ich erkenne die Forderung des Antrages Auer als gerechtfertigt an und glaube, daß auch die Mehrzahl der Arbeitgeber demselben sympathisch gegen übersteht. lieber Einzelheiten des Antrages kann Man aller dings verschiedener Meinung sein und empfehle ich darum, seine Beratung durch eine Kommission von 14 Mitgliedern. Abg. Goldschmidt (freis.) stimmt ebenfalls dem Anträge zu. Wir haben die Aufnahme der jetzt geforderten Verbesserung schon bei der Beratung des Unfallversicherungs- gesetzes befürwortet, drangen aber damals nicht durch. Es freut mich, daß nun noch nachträglich unsere Vorschläge Billigung finden. Abg. Hitze (Ztr.) tritt dem Anträge auf Kommissions- Leratung bei. Abg. Frhr. v. Stumm (freikons.) betont die Not wendigkeit der Ausdehnung der Unfallversicherung auf weitere Betriebe. Aus dem gegenwärtigen Zustande ergeben sich mancherlei Unzuträglichkeiten, die der Abhilfe dringend be dürfen. Die Debatte wird geschlossen. Im Schlußwort bezweifelt Abg. Singer (Soz.) als Mitantragsteller, daß die Arbeitgeber in ihrer Mehrzahl die vorgeschlagene Aenderung des Gesetzes wünschen. Redner bemängelt dann noch Angaben in den Berichten der Fabrik inspektoren, und fordert die schleunige Erledigung des An trages Auer. Die bei der Sache interessierten Arbeiter haben nicht so lange Zeit zu warten, wie die verbündeten Regierungen. Die Sache muß darum schnell erledigt werden. Um aber der Regierung zu zeigen, daß wir ihr nicht absolut feindlich gegenüberstehen, wollen wir, in der Erwartung, daß zum Herbst ein bezüglicher Gesetzentwurf dem Hause zugehen wird, den Antrag zurückziehcu. Es folgt die Beratung des Antrages des Abg. B römel (freis.) auf Vorlage eines Gesetzes betr. die Entscheidung von Rechtsfragen in Zollsachen auf dem Rechtswege oder im Ver- waltungsstreitverfahren. Der Antragsteller wünscht die Schaff ung einer Behörde, welche völlig unabhängig vom Bundes rat ist, zur Entscheidung der genannten Streitigkeiten. Die Behörde soll namentlich berechtigt sein, ihre Entschließungen in Zollsachen selbständig zu fassen, ohne Rücksicht auf die Entschließungen des Bundesrates und ohne diesen fragen zu müssen, denn sonst würde der Geschäftsgang zu kompliziert werden. Der Antrab ist nötig, weil sich bei uns die Ein richtung anderer Länder, wonach Zoll- und Steuerfragen von den ordentlichen Gerichten entschieden werden, nicht durchführen läßt. Dagegen sind bei uns in einer Reihe von Einzelstaaten die Verwaltungsgerichte mit der Schlichtung der Steuersachen betraut. Auf die Dauer wird die Einricht ung einer solchen Zentralbehörde nicht berücksichtigt bleiben können. Denn der gegenwärtige Zustand, wo dieselbe Be hörde, welche administrative Bestimmungen erläßt, auch end- giltig Entscheidungen in Streitsachen trifft, ist unhaltbar. Abg. Kurz (konl.): Die Durchführung des An trages würde auf Schwierigkeiten stoßen, da die Einführung der Verwaltungsgerichte noch nicht in allen deutschen Bundes staaten stattgefunden hat. Aber auch ein sogenannter selbst ständiger Gerichtshof würde kaum in der Lage sein, in Zoll- streitigkeitcu selbständig zu entscheiden. Er wäre immer auf das Urteil von Sachverständigen angewiesen. Abg. Witte (freis.) empfiehlt den Antrag Brömel, der namentlich den jetzigen unliebsamen Verzögerungen von Streitigkeiten ein Ende machen wurde. Hierauf vertagt das Haus die Weiterberatung des Antrages auf Donnerstag 1 Uhr. Tagesgeschichte. *— Lichtenstein, 12. Juni. In den Mit teilungen aus der Stadtverordnetensitzung in gestriger Nummer ist unter Punkt 1 „M. 6V" anstatt 600 M. zu lesen. *—- Vor längerer Zeit wurden beim vormaligen Gastwirt Kolbig in Mülsen St. Jacob circa 1100, Mark verdachtlos gestohlen. In diesen Tagen ist es nun der Gendarmerie gelungen, den Thater in einem früheren Dienstmädchen Kolbigs, T. aus Neu dörfel, zu ermitteln und zur Haft zu bringen. Ebenso wurde das gestohlene Geld, bez. die davon gekauften Waren, zur Stelle gebracht. — Es sind angestellt beziehentlich befördert worden: Immanuel Paul Werner, Pfurrvikar zu Lichtenstein, als Pfarrer zu Mülsen St. Michael(Glau chau), PaulNeumann, Hilfsgeistlicher zu Schön bach bei Colditz, als Pfarrer zu Callnberg (Glauchau), Friedrich Hermann Löscher, Diakonus zu Zwönitz (Stollberg), als Pfarrer daselbst, Bruno Paulus Hase, Predigtamtskandidat, als HWgeistlicher zu Marienthal (Zwickau). — Die bedauerliche Zunahme der Geistes kranken im Königreich Sachsen äußert sich beson ders in der starken BelegschaftderHeilanstaltSonnenstein, woselbst die Zahl der Neuaufgenommenen jetzt wieder weit größer, als in den Vorjahren war. Da nun mehr alle verfügbaren Räume besetzt sind, so mußte zur erforderlichen Platzbeschaffung notwendig eine Ausmusterung der Kranken und die Unterbringung der Betreffenden in andere Landesanstalten, als z. B. Hubertusburg und Colditz, vorgenommen werden. — Am vorigen Sonntag hielten die Vorturner des niedererzgebirgischen Turngaues ihre Uebuugs- stnnde unter Leitung des Gauturnwartes Selbmann- Ernstthal auf dem Turnplätze des Turnvereins in Altstadt-Waldenburg ab. Begonnen wurde das Turnen mit einem Aufmarsch von 64 in Viererreihen aufgestellten Turnern, dem sich dann die Freiübungen anschloffen. Aufmarsch und Freiübungen wurden sehr mustergiltig ausgeführt und werden bei ihrer Vor führung als Allgemeinübung bei dem am 29. Juni in Lug au stattfindenden Gauturnfest gewiß einen recht schönen Anblick gewähren. Hiernach folgte das Geräteturnen. Es wurde in sieben Riegen mit ein maligem Wechsel des Gerätes geturnt. Leiter dieser Riegen waren die Vorturner des Turnvereins zu Alt stadt-Waldenburg, welche sich ihrer Aufgabe mit sehr vielem Geschick entledigten. Nach Schluß des Riegen- turnens wurden von Geübteren die Pflichtübungen für das beim Gauturnfest stattfindende Wettturnen vor geturnt. Die richtige Darstellung dieser Uebungen erforderte ein hohes Maß turnerischer Fertigkeit, gleich wohl wurden sie aber mit größter Sicherheit und sehr guter Haltung ausgeführt. Alsdann folgte das Kür turnen, bei welchem man Uebungen sah, wie man sie sonst nur in Vereinen größerer Städte, die ja in der Regel über vortrefflich eingerichtete Turnhallen ver fügen, sieht. Nach Schluß des Turnens und kurzer Mittagspause verfügten sich die Teilnehmer nach dem jetzt im herrlichsten Frühlingskleid prangenden Grün- stlder Park, um in der daselbst gelegenen Winkler'schen Wirtschaft das stattgefundene Turnen und andere turnerische Angelegenheiten zu besprechen. Hierzu hatte auch der an allen turnerischen Veranstaltungen regen Anteil nehmende Königliche Turndirektor Bier- Dresden seinen Gruß entboten, der begeisterten Wider hall fand. Bei dieser Gelegenheit sei noch der Hoffnung Ausdruck gegeben, daß die Bestrebungen der Turn vereine, welche ja nicht nur auf die Erziehung einer wehrkräftigen Jugend, sondern auf die leibliche Er tüchtigung und die geistige Erfrischung unseres Volkes überhaupt abzielen, die Unterstützung und Anerkennung immer weiterer Kreise finden und sich ihnen auch solche Männer zuwenden möchten, die nicht nur Herz und Sinn für eine gute und edle Sache, sondern auch die materiellen Mittel haben, dieselbe zu fördern. Solcher opferbereiter Männer sind aber insbesondere Turn vereine kleinerer Städte und Dörfer dringend benötigt, denn viele von ihnen ermangeln noch eines bedeckten und umschlossenen Raumes, der sie vor den Unbilden der Witterung schützt und sie in Stand setzt, ihre Uebungen auch während der langen Wintermonate zu betreiben. Hier bietet sich also dem wahren Volks freund ein reiches Feld zur Bethätigung seiner Opfer freudigkeit. Hier sollte Jeder sein Scherflein auf dem Altar der Liebe für das Vaterland opfern. Eine gesunde, wehrkräftige, gesinnungstüchtige und vater landsliebende Jugend ist nicht nur die beste Waffe gegen innere und äußere Feinde, sondern überhaupt der Grund und Boden, auf dem sich die Macht und Größe unseres Volkes aufbaut. — Dresden, 9. Juni. Einen guten Witz hat der Druckfehlerteufel dem Hoftheaterzettel vom Sonnabend beschert. Nach Aufführung des Personals von Moser's Schwank „Nervös" war da zu lesen: „Zwischen dem 2. und 3. Akte liegen 6 in Wochen." — Dresden, 11. Juni. Heute früh wurde in einem hiesigen Hotel infolge eines von Berlin ein gelangten Telegramms, ein mit 9000 Mark unter schlagenen Postgeldern aus Storkow flüchtig gewor dener, 34 Jahre alter Beamter ermittelt und mit seiner Begleiterin festgenommen. Er hatte etwa 200 Mark verbraucht. — Eine prachtvolle Rad fahrt wird in D r e sd ner Radfahrerkreisen geplant und zwar soll am 18. d. M. eine Reise nach dem Böhmisch-Bayrischen Wald angetreten werden. Die Reisetour geht über Freiberg, Sayda, Olbernhau, Brüx, Saaz, Pilsen, Prestitz, Klattau, Neuern, Eisenstein, Zwiesel bis Cham und Furth a. Wald und berührt alle hervor ragenden Punkte; sie ist auf ca.8Tage berechnet und wird bei günstiger Witterung für die Teilnehmer viel Genuß versprechen. Die wunderherrlichen Gegenden, wo der moosbewachsene Arber seine riesigen Glieder streckt, der zweizackige Osser seine beiden Hochroman - tischen Seen trägt, der Rachel seine kahlen Gipse' taufendjährigen Urwald erhebt und das Blöckensteingebirge an seiner Felsenbr>" besungenen See wiegt; die schäum^ des Riesloches, die wunderb»' In dem Konkursverfahren über das Vermögen des Brauereibesitzers Bernhard Weyrauch in Hohndorf ist zur Prüfung der von dessen Ehefrau Rosalie Weyrauch nachträglich angemeldeten Einbringenforderung der 3. Juli 18S0, Vorm. 11 Uhr vor dem Königl. Amtsgerichte hierselbst bestimmt. Lichtenstein, am 9. Juni 1890. Heilmann, Gerichtsschreiber des Königl. Amtsgerichts das. Auktion. Dienstag, den 2T. Juni 18SV, Nachmittags 3 Uhr sollen in dem Hausgrundstücke des Herrn Strumpfwirkermeisters Otto Ihle in Riisdorf drei Rundstuhlmaschiuen und drei gut gehaltene Strick maschinen gegen Baarzahlung öffentlich versteigert werden. Lichtenstein, am 11. Juni 1890. Der Gerichtsvollzieher des Königl. Amtsgerichts daselbst. Oeser.