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MMWMWM Wochen- und Nachrichtsblati zugleich 8cschiists-Aiizcizer siir Hohniiorf, Nöklitz, BernÄorf, Whorf, Zt. KBlen, Heiyrichsort, Moricmu u»h Mülsen. Amtsblatt für den Stadttat zu Lichtenstein. — 40. Jahrgang. — Nr. 14. Sonnabend, den 18. Januar 1890. Dieses Blatt erscheint täglich (außer Sonn- und Festtags) abends für den folgenden Tag. Vierteljährlicher Bezugspreis 1 Mark 25 Pf. — Einzelne Nummer 10 Pfennige. — Bestellungen nehmen außer der Expedition in Lichtenstein, Markt 179, alle Kaiserl. Postanstalten, Postboten, sowie die Austräger entgegen. — Inserate werden die viergespaltene Korpuszeile oder deren Raum mit 10 Pfennigen berechnet. — Annahme der Inserate täglich bis spätestens vormittag 10 Uhr. Heute städtische Volkstüdliothek geöffnet von 11—12 Uhr. Zwangsversteigerung. Das im Grundbuche auf den Namen des Webers Karl Eduard Martin, z. Z- in Gohlis eingetragene Haus- und Gartengrundstück, Folium 7 des Grund buchs für Mülsen St. Jacob, vormaligen Lichtensteiner Amtsanteils, Nr. 240 des Brandkatasters und Nr. 1290 des Flurbuchs, ausweislich des letzteren 14,s Ar enthaltend, mit 116,0? Steuereinheiten belegt und ortsgerichtlich auf 15 250 Mark geschätzt, soll im hiesigen Amtsgericht zwangsweise versteigert werden und ist der 1. Februar 1800 Vormittags 10 Uhr als Bersteigerungstermin, sowie der IS. Februar 1800 Vormittags 10 Uhr als Termin zu Verkündung des Verteilungsplans anberaumt worden. Eine Uebersicht der auf dem Grundstücke lastenden Ansprüche und ihres Rangverhältnisses kann in der Gerichtsschreiberei des unterzeichneten Amtsgerichts eingesehen werden. Lichtenstein, am 2. Dezember 1889. Königliches Amtsgericht. Gehler. Jahre schon reichlich zufrieden, und es gehören somit sehr, sehr viele Jahre unverdrossener. Arbeit dazu, um es zu einigen hundert Thalern Zinsen zu bringen. Das Brot eines Rentiers ist heute in ganz Europa sehr oft kein sonderlich süßes mehr; von einem Wirt schaften aus voller Hand ist nicht oft die Rede mehr, und dafür sind Einschränkungen eingetreten. Wollte man nun noch die schon hinlänglich Eingeengten noch mals durch eine Zinsreduktion von ihrem angeblichen Ueberflusse befreien, nun, dann blieb für die gewerb- treibende Bevölkerung aller Art überhaupt keine Aus sicht mehr, einmal sich ausruhen zu können. Zehn tausend Thaler dreiprozentiger Anleihe geben drei hundert Thaler Zinsen, und wie davon eine Familie leben soll, wenn sie nicht gerade schlechter leben will als früher, ist unempfindlich. Aber wir haben oben schon gesagt, die Folgen würden noch viel schlimmere sein, wenn eine Zinsreduktion beschlossen würde; auf die Rentiers braucht ja das Reich, wenn es nicht will, keine Rücksicht zu nehmen. Aber was soll dann aus den tausenden von deutschen Sparkassen, aus den Millionen Sparern werden, die sich doch fast alle aus den ganz kleinen Leuten rekrutieren? Diese Frage ist kurz zu beantworten, aber in sehr unheilvollem Sinne : die Sparkassen würden gezwungen werden, ihre Zinsen ebenfalls zu reduzieren und schließlich soweit, daß den Unsere Reichsschuld. In der Budgetkommission des Reichstages ist dieser Tage über die Reichsschuld verhandelt worden und dabet auch der Prozentsatz der Reichsschuld zur Sprache gebracht worden. Es wurde dabei der Wunsch ausgesprochen, die nun zu begebenden Reichs anleihen möchten nur dreiprozentige sein statt der drei einhalbprozentigen. Es ist ganz zweifellos, daß das deutsche Reich auch mit drei Prozent Zinsen so viel Geld erhalten wird, wie es gebraucht; kleinere Staaten als Deutschland haben längst diesen Weg eingeschlagen, und Deutschland könnte ihnen folgen und würde dabei sparen. Denn es ist Thatsache, daß das Reich nicht dazu da ist, um den Inhabern seiner Schuldscheine eine hohe Rente zu gewähren, sondern bei allen finanziellen Operationen ist Rücksicht auf die Ge samtheit der Wähler zu nehmen und in deren Interesse fo viel wie möglich zu sparen. Würde Deutschland seine gesamte Schuldenlast, für die heute zur größeren Hälfte 3sts Prozent, zur kleineren Hälfte 4 Prozent Zinsen gezahlt werden, in eine dreiprozentige Anleihe umwandeln, so wäre die jährliche Ersparnis, da die Reichsschuld eine Milliarde bereits überschritten hat, nicht gering. Ein direkter Vorteil für die Reichs finanz-Verwaltung wäre unstreitig vorhanden, aber es müßte die Frage aufgeworfen werden, ob der in direkte wirtschaftliche Nachteil nicht unendlich viel größer wäre, als der direkte finanzielle Nutzen. Jeder private Gewerbtreibende weiß, daß nichts schädlicher wirken kann, als gar zu weitgehende Sparsamkeit, und so würde auch das Reich durch eine plötzliche Zinsenreduktion der Reichsschuld sehr weiten und gerade sehr wenig bemittelten Kreisen einen Schlag versetzen, der auf Jahre hinaus nicht verschmerzt werden würde. Die Dinge liegen in dieser Beziehung so einfach, daß sie für Jeden leicht verständlich sind. In wessen Händen sind denn die Reichsschuldscheine zumeist? Nicht etwa in denen der hohen Finanz- und der Börsenbarone, überhaupt verhältnismäßig wenig in den Händen von wirklich reichen Leuten. Die Reichs schuldscheine geben bei ihrem hohen Koursstande sehr geringe Zinsen, und wem es auf ein paar taufend Thaler im schlimmsten Falle nicht ankommt, der hat Gelegenheit, fein Geld anderswo nutzbringender an zulegen. Der Mittelstand ist es, besser situierte Ar beiterkreise und endlich der Landmann, welche die Hauptabnehmer der Reichsschuldscheiue sind. Allen diesen Leuten ist es nicht leicht möglich, im Laufe eines Jahres auch nur tausend Thaler zurückzulegen; häufig ist man mit hundert Thalern Ueberschuß im Der Erbe des Hauses. Noma» von Hermine F r a n k e n st e in. — (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) Die Gedanken an seine schöne Zukunft zerstreu ten Lowders Besorgnisse gar bald. „Wenn mit Tressilian etwas geschehen wäre, würde Palestro geschrieben haben," dachte er. „Es war einfach nichts zu schreiben. Ich war thöricht, mich nur einen Augenblick lang beunruhigen zu lassen. Thatsache ist, daß ich von meinen Erfolgen be rauschtbin." Er lächelte befriedigt, als er weiter ging, wäh rend Palestro unermüdlich hinter ihm drein ging, ohne ihn aus den Augen zu verlieren. Lowder näherte sich einem Modemagazin, vor welchem die Tressilian-Equipage stand. Als er den Wagen erreicht hatte, kam Sir Arthur von einer anderen Richtung auf denselben zugeschritten. Bei dem Wagenschlage trafen die Beiden zusammen. „Hast Du alle Deine Geschäfte erledigt, Hugh ?" fragte der Baronet.s. „Ja. Vater. Ich hatte sehr wenig zu thun," war die Erwiderung. „Bist Du bereit, nach Hause zu fahren?" „Vollkommen bereit. Blanche sagte, sie brauche diesen Morgen nur zwei Stunden; sie wird also bald kommen. Wir können einstweilen einsteigen." Sir Arthur stieg, während er sprach, in den mit Seide ausgeschlagenen Wagen und legte sein Päckchen mit den Büchern unter den Sitz. Lowder stand zögernd mit einem Fuße auf dem Schlage. „Ich werde ein wenig in den Laden gehen und nach Blanche sehen," sagte er. „Wir haben keine Eile und ich sehe nichts lieber, als ein junges Mäd chen zwischen Seide und Spitzen kramend und ganz und gar in den Einkauf vertieft." Sir Arthur lächelte und Lowder trat in die Handlung ein. Der Baron nahm eines seiner Bücher zur Hand und versuchte es, sich in den Inh llt des selben zu vertiefen; aber statt der gedruckten Worte gaukelte ihm immer das liebliche Gesichtchen Blan ches vor den Augen, so daß er nicht lesen konnte.. Palestro ging langsam an dem Wagen vorbei und schaute den schönen, stattlichen Baronet auf- m .ksam i nd forschend an. Dann schleuderte er wieder zurück, seine Prüfung fortsetzend und blieb in einiger Entfernung, an einen Ladenpfahl gelehnt, stehen, scheinbar Jemanden erwartend, dabei unver wandt nach der Thüre schauend. Plötzlich kam Lowder wieder mit Blanche heraus, die an seinem Arm lehnte. Palestro schaute das junge Mädchen durch dringend an und seine Augen leuchteten, als er ihre Schönheit und ihre elegante Kleidung wahr nahm. In ihrem violetten Sammetanzuge mit dem gleichfarbigen, mit weißen Federn geschmückten Hüt chen, das auf den goldblonden Zöpfen saß, mit ihrem reizenden, holdseligen Gesicht bot Blanche ein allerliebstes Bild dar, bei dessen Betrachtung sich der breite Mund des Exschreibers zu einem bewun dernden Grinsen verzog. „Eine echte Aristokratin," murmelte er. „Sollte sie seine Schwester sein ? Sie sehen wie Liebende aus." Er trat etwas näher auf den Wagen zu, hielt sein Gesicht abgewandt und lauschte in der Hoff nung, einige Worte zu hören. „Habe ich Dich lange warten lassen, Onkelchen ?" hörte er das junge Mädchen in hellklingendem Tone mit liebreicher Stimme fragen, als Lowder ihr in in den Wagen half. „Ich war unschlüssig zwischen zwei Schattierungen in Blau, von denen eine schöner war als die Andere. „Hugh kam mir freundlich zu Hilfe und löste mir das schwere Problem. Bist Du bereit nach Hause zu fahren?" Sie sank nachlässig in die Seitenkissen zurück, und sah bezaubernd aus in ihrem violetten mit Hermelin besetzten Sammetkleide. Lowder stieg hinter ihr in den Wagen und setzte sich ihr gegenüber. Ein Kommis kam mit einem Pakete aus dem Laden heraus; dasselbe wurde in den Wagen gelehnt und Lowder rief dann dem Kutscher in befehlendem Tone zu: „Nach Hanse!" Im nächsten Augenblicke setzten sich die schönen, kräftigen Pferde in einen leichten Trab. W Palestro näherte sich dem Kommis, welcher noch vor dem Laden stand und dem Wagen ehrer bietigst und bewundernd nachschaute. „Mein Herr," sagte der Exschreiber, den Hut lüftend und sich tief verbeugend, „könnt Ihr vielleicht so freundlich sein, mir den Namen des Gentlemans in dem Wagen dort mitzuteilen?" Palestro's Höflichkeit schmeichelte den Kommis. „Das ist Sir Arthur Tessilian von Tressilian- Hof," sagte er. „Ah!" entgegnete Palestro, und wer ist der junge Mann?"