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WImMn-Mlnbeiger Tageblatt. -.llll.-.-. > ... 3». Jahrgang. —-— . , > Beilage zu Nr. 296. Freitag, den 20. Dezember 1889. Der Erbe des Hauses. Roman von Hermine Franken st e i n. - — (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) Nichtsdestoweniger wurden die jungen Leute im ganzen Hause als ein Liebespaar betrachtet. Alles war Jasper Lowder geglückt. Er hatte sich ruhig auf Hugh Tressitian's Platz festgesetzt und genoß Reichtümer und Ehren im Ueberfluß. Die alten Freunde und Nachbarn Sir Arthur's, welche ans den ersten Familien des Landes bestanden, kamen, um ihn zu besuchen. Und er erwiderte diese Besuche in Begleitung Blanche's und Sir Arthur's, Bälle und Festmahle wurden ihm zn Ehren veranstaltet und überall war er der Held des Tages. Aber obgleich seine schlechten Pläne gelungen waren, gab es doch Augenblicke — besonders in der einsamen Nacht, wenn er im Bett lag und die Schatten um ihn her voll düsterer Gespenster waren — wo Angst und Gewissensbisse sich seiner bemäch tigten. Er war noch so ganz vertrant mit der Schuld, um vollkommen unempfindlich gegen die Gewissens bisse zu sein. Zuweilen dachte er an den armen Hugh Trcssilian — an den edlen, großmütigen und guten Hugh, der zu einer furchtbare» Existenz, in einem fremden Lande schmachtend, verdammt war; und in solchen Momenten wünschte der Eindringling aus tiefster Seele, daß Hugh Tressilian unverletzt zurück gekommen wäre und , daß er als sein Freund und Begleiter mit ihm Hütte kommen können. Aber dennoch dachte Lowder nicht einmal daran, seinen Betrug einzugestehen und den Sohn des Ba ronets zu seinen Freunden zurückzubringen. Er schätzte den Wohlstand und Ueberfluß im Tressilian-Hvfe zn sehr, um ihm so leicht zu entsagen. Und jetzt liebte er die schöne Blanche Jrby mit einer Glut und Stärke, die jede Fiber seines Wesen ausrcgte. Um sie zu seiner Gatlin zu machen, wäre er willig ge wesen, seine Seele für alle Zeiten zu verkaufen und zu seinen jetzigen Fälschungen Verbrechen hinznzusügen, deren er sich noch vor einem Monat für unfähig ge halten hatte. So vergingen zehn Tage. Eines Morgens bald nach dem Frühstücke, als Sir Arthur sich mit dem Verwalter in das Studier zimmer zurückgezogen hatte, um Rechnungen durchzu- sehen, und Blanche im Treibhause mit dem alten Luke bezüglich der Winterpflanzen eine Unterredung hatte, ließ sich Jasper Lowder sein Pferd satteln und ritt in der Richtung nach Gloucester fort. Seine Absicht war, einen Brief von Jacopo Palestro, dem Schreiber von Palermo, abzuholen, welchen er mit Bestimmtheit unter seiner satschen Adresse in der genannten Stadt zu finden hoffte. Der Weg führte Lowder zumeist den Severn entlang. Der Morgen war neblig und durch den grauen Dunst waren die Umrisse der Landschaft nur schwer zu erkennen. Aber Lowder kümmerte sich wenig um die Gegend um ihn her. Er war in seine eigenen Gedanken ver tieft und diese waren, wie man aus dem Charakter und der gegenwärtigen Stellung des Mannes schließen konnte, sehr angenehm. Ein ziemlich scharfer Ritt von zwei Stunden brachte Lowder nach Gloucester. Er ging in einen Gasthof, stellte dort sein Pferd ein, schlenderte dann auf die Straße hinaus und er kundigte sich nach dem Wege zum Pvstamtc. Als er bei demselben angelangt war, blieb er einen Augen blick stehen, um seinen Rockkragen hinanfzuschlagen, so daß der untere Teil seines Gesichtes verborgen blieb und sich die Mütze so hinunterzuschlagen, daß seine Stirn samt den Augen vollkommen bedeckt war. Da der Tag sehr unfreundlich und düster war, fielen dicke Veränderungen in seinem Aeußeren gar nicht auf und überdies hatte er sich durch dieselbe gänzlich unkenntlich gemacht. Er trat in das Bureau ei», wo die Briefe aus gegeben wurden und fragte mit heiserer, verstellter Stimme nach einem Briefe für John Javille. Wie Lowder es erwartet hatte, war ein Brief für ihn da. Er nahm denselben und eilte damit wie der in die kolhigeu nebligen Straßen hinaus. Ein kleines, ärmliches Kaffeehaus, das sich in der Nähe befand, zog Lowders Anfmerksamkeit auf sich. Er ging in dasselbe hinein und fand in einer entfern ten, unbenutzten Ecke einen kleinen Tisch. Er setzte sich an denselben nnd bestellte sich etwas zu esseu. Während man das Bestellte bereitete, öffnete er seinen Brief nnd überflog hastig den Inhalt. Er war von Palermo datiert und mit dem Namen „Palestro Schreiber" unterzeichnet. Er war italienisch und schlecht geschrieben, aber es gelang Lowder, denselben zu entziffern. Er berichtete, daß der arme, unglückliche junge Engländer Signore Lowder in demselben beklagens werten Zustande war, in welchem ihn Milord Trese- linv zuletzt gesehen hatte. Es bekommt ihn gar Niemand zn sehen, außer eine gutherzige Englän derin, die zweimal bei ihm war, nnd welche, wie es heißt, auch wahnsinnig sein soll, die Aermste. Er hatte nur ein einziges Mal das Vorgebirge verlassen und bei dieser Gelegenheit hatte ihn Signora Vicini zur Grotte der heiligest Rosalie gebracht. Aber die Pilgerfahrt hatte ihm nicht gut gethan. Nicht ein mal eine Berührung der Reliquien konnte ihm hel fen. Er war immer still und traurig und vollstän dig blödsinnig! Dies war der Hauptinhalt des Briefes. Er schloß mit einer überschwenglichen Erklärung von der Ergebenheit und Treue des Schreibers. Ein finsteres Lächeln leuchtete in Lowder's Gesicht, als er diesen interessanten Brief zu Ende gelesen. „Alles geht gut," dachte er, nnd das Herz schwoll ihm in der Brust mit einem triumphierenden Gefühle. „Hugh Tressilian ist so gut wie tot, und ich stehe fest auf seinem Platze! Ich bin der aner kannte Erbe eines stolzen, alten Namens und einer großen Besitzung! Wenn Sir Arthur diese Nacht stürbe, würde ich Sir Hugh Tressilian sein. Ich kann sehen, daß Blanche errötet und erzittert, wenn ich näher komme. Sie wird in meine Arme sinken, wenn ich um sie werbe, wie schüchtern, stolz und bescheiden sie auch ist. Und ich will sie noch heute darum bitten. Ich mochte wissen, was sie sagen würde, wenn sie wüßte, daß sie von zwei Männern geliebt wird — wenn sie wüßte, daß Sir Arthur sie heimlich liebt!" Seine Lippen verzogen sich zu einem cynischen Lächeln. In diesem Augenblicke wurde ihm die bestellte Erfrischung gebracht. Er trank nur ein Glas Bier, ließ alles andere unberührt stehen, bezahlte seine Zeche und verließ das Kaffeehaus. Etwas weiter unten an der Straße befand sich eine Papierhandlung. Lowder begab sich in dieselbe nnd ersuchte um Schreibmaterialien. Dann schrieb er in dem an die Papierhandlung stoßenden Kvmp- tor eine Antwort auf den Brief seines sizilianischen Verbündeten. Diese Antwort war kurz und mit verstellter Schrift geschrieben. Es lag nicht in Jasper Lowder's Natur, sich in irgend einem Punkte eine Blöße zu geben. Er wollte jede Möglichkeit ver hüten, daß seine Korrespondenz ausgespürt werden könnt.e. Unglücklicherweise schätzte er die Ver schmitztheit und Schlauheit des hinterlistigen Sizilia- uer's nicht nach ihrem vollen Werte. Sein Brief, in welchem er Palestro und den Vicini's die große Sorgfalt und Wachsamkeit für ihren unglücklichen Pflegling aufgab und worin er sein Versprechen der reichlichen Bezahlung für aus führliche und fleißige Berichte über den Zustand Jasper Lowder's wiederholte, war bald vollendet. Er unterschrieb sich als John Harroville, versiegelte den Brief nnd gab ihn dann auf die Post. Dann kehrte er in den Gasthof zurück, wo er sein Pferd eingestellt hatte, bestieg dasselbe und war bald in bester Laune auf dem Heimwege nach Tressilian-Hof. Alles war bisher gut gegangen. Er hatte noch keine Klippen auf dem Wege der Schuld gefunden, welche sein findiger Geist und sein rücksichtsloser Wille nicht zu besiegen im Stande gewesen wären. „Und jetzt gilt die Losung: Tressilian-Hof und Blanche!" dachte er, als er die Stadt verließ. „Ich muß mich mit meiner Bewerbung beeilen. Ich bin ungeduldig, das holdselige, goldlvckige Mädchen meine Gattin zu nennen. Mein romantischer Papa hat mir das Feld geräumt. Ich habe nichts zu thun, als zu kommen und zu siegen. Ehe der Tag um ist, muß ich Bräutigam dieser reizenden, kleinen Erbin sein." — Er erreichte das Dorf Ardleigh zur rechten Zeit nnd sprengte galoppierend der Straße zu, die nach Tressilian-Hof führte. Er war noch nicht weit gekommen, als er einen Korbwagen eiuhvlte, der denselben Weg zurücklegte. Dieser Korbwagen wurde von zwei feurigen, schwarzen Ponnies gezogen. Auf den blauen Seidenkissen desselben saß die reizende Blanche Jrby und hielt die Zügel in ihren mit weißen Handschuhen bekleideten Händen. Sie war allein in den Wagen, aber ein Reitknecht zu Pferde folgte in einiger Entfernung. (Fortsetzung folgt.) Vermischtes. * „Ist der infolge der besonderen Art des Ge werbebetriebes entstandene Rheumatismus ein ver sicherungspflichtiger Betriebsunfall?" Dies war die dem Schiedgericht im Fall des Müllergesellen Wallmann vorliegende Frage. Kläger will sich im Laufe der Jahre während einer fortgesetzten Hantier ung im Wasser einen heftigen, seine Eriverbsfähigkeit gunz erheblich beeinträchtigenden Rheumatismus zu- gezvgeu haben. Nach der Ansicht des Schiedsgericht ist Rheumatismus kein Betriebsunfall, sondern eine Berufskrankheit, auf welche sich das Unfallversicher- nngsqesetz nicht erstreckt. * Was sich nicht die Franzosen Alles ein bilden? Bei seiner letzten Anwesenheit in Frankfurt a. M. hat der Kaiser bekanntlich bestimmt, daß die 13. Husaren in Bockenheim bleiben, und nicht, wie es früher hieß, nach dem Reichslande verlegt werden sollen. Daraus machen nun Pariser Blätter die schöne Mär, König Humbert von Ita lien, der Chef der Hnsareu ist, habe den deutschen Kaiser gebeten, sein Regiment nicht nach dem Reichs lande zn verlegen. * Eine merkwürdige Erscheinung wird durch den Direktor der Elektrizitätswerke von Pontevedra in Spanien berichtet. Bei Hellem Himmel erschien eines Abends in der ersten Hälfte des November eine Feuerkugel iu der Größe einer Orange. Sie stürzte sich auf die Lestungsdrühte und drang dann in ein Zimmer der Anstalt, wo sie gegen das Dyna mometer anprallte. Nach dem Stroße sprang das Meteor zweimal zurück und zerplatzte in meh rere Teile, ohne jedoch Schaden auzurichten oder Ueberreste zurückzulassen. Nach dieser Beschrei bung ist es wahrscheinlich, daß es sich nicht eigent lich um eiu Meteor, eine sogenannte Boläde, son dern um einen der ziemlich seltenen Kugelblitze handelt. * Neues Brennmaterial. Pfirsich- und Aprikosenkerne werden in Kalifornien jetzt als Feuer ung benntzt. Erstere kosten 6 Dollar die Tonne; letztere etwas weniger. Früher betrachtete man sie als wertlosen Abgang der großen Fruchtkonserven fabriken, jetzt sind sie zu einem wertvollen Handels artikel geworden. Man stellt die Pfirsichkerne für den Hausgebrauch deu besten kalifornischen Kohlen gleich. * Eine englische Stimme über die chemische In dustrie Deutschlands. In einem Bericht des ameri kanischen Konsuls iu Mannheim über den Ausfuhr handel Deutschlands in Droguen und Chemikalien heißt es n. a. : „Die deutsche» arbeiten mit unauf hörlicher Energie, um die Herrschaft über diesen iiutzbringeiidcu und wichtigen Handelszweig zu erlange». Zeit, Geld »nd Mmineskraft werde» aufgewendel, in stets wiederholten Anstrengungen andere zu schlagen und neue Entdeckungen zu sichern. In Mannheim und den benachbarten Städten ist eine große Anzahl geschickter Chemiker beständig mit Expedieren und Produzieren beschäftigt. Die Goldgruben eines Eldo rado oder die Silberminien Colorados sind nicht reicher in ihrem Erträgnis als die Laboratorien dieser Anlage. Ihre Destillierkolben liefern mehr Reichtum, als die Zauberer des Mittelalters aus den ihrigen zu erlangen sich träum n ließen." Nach dem Bericht des Konsuls exportierte Deutschland im vorigen Jahre für 233 Millionen Mk. rohe und für 236 Millionen Mk. fabrizierte Chcmckalen. Dieser Han delszweig blldet siebe» Prozent des Gesamthandels des Reiches. * Auf der Jagd erschossen wurde nach einer Nachricht aus Freiburg iin Breisgan der Geschäfts führer des Römerbades in Badenweiler, namens Favarger. Eine Jagdgesellschaft hatte bei Herzbolz heim eine Jagd veranstaltet. Plötzlich entlud sich das Gewehr eines Baseler Herrn, und Favarger fiel tot nieder. Man sagt, es sei der betreffende Herr gestolpert und dabei das Gewehr losgegangen. * Briefe nach den britischen Colonien in Aus- stralien und Süd-Afrika, sowie nach dem Oranje- Freistaat und der Süo-Afrikanischen Republik (Transvaal) müsse», da diese Gebiete dem Weltpost verein noch nicht beigetreten sind, mit 40 Pf. für je 15 § frankiert werden. Zu nidrige Frankierung verursacht den Empfängern hohe Portokosten. Die ermäßigte Taxe des Weltpostvereins von 20 Pf. für je 15 § findet auf Briefe nach den australischen Hafenplützen Adelaide, Melbourne und Sydney nur dann Anwendung, wen» die Sendungen als Schiffs briefe über Bremen mittelst des deutschen Dampfers direkt zur See »ach den genannten Orten befördert werden. Derartige Briefe müssen frankiert und mit der Bezeichnung „Schiffsbrief über Bremen" verse hen sein.