Volltext Seite (XML)
Wochen- und Kachrichlsblatt zugleich Wüsts-AWIM fiir HchnSarf, ZHidlitz, Beriishorf, Niisdorf, St. Wilm, SmmchMt, Uariemil mid RHIsc». Amtsblatt für den Stadtrat zu Lichtenstein. — — —— —- »». Jahrgang. — — — —— —— Nr. 274. Sonntag, den 24. November 1889. Dieses Blatt erscheint täglich (nutzer Sonn- und Festtags) abends für den folgenden Tag. Vierteljährlicher Bezugspreis 1 Mark 25 Pf. — Einzelne Nummer 10 Pfennige. — Bestellungen nehmen außer der Expedition in Lichtenstein, Markt 179, alle Kaiserl. Postanstalten, Postboten, sowie die Austräger entgegen. — Inserate werden die viergespaltene Korpuszeile oder deren Raum mit 1V Pfennigen berechnet. — Annahme der Inserate täglich bis spätestens vormittag 10 Uhr. (^UM Totenfeste! Wir denken Derer, die von uns gegangen, Für die der Frühling Gottes schon erstand; Einst gaben wir Geleit mit nassen Wangen Bis an die Pforte vor dem Heimatsland. Die Engel der Verklärten aufwärts tragen Die lieben Toten zu den lichten Tagen; Sie sind nicht fremd im Reich der Sel'gen droben, Sie finden viele, die sie liebten, oben. Nus aber ließen sie im Schmerz hienieden, Denn wehmutsvoll riß sichs vom Herzen los. Das Scheiden unsrer Lieben brach den Frieden In weitem Kreis, und unser Leid war groß. Wohl blieb uns noch ein Pfand des Trosts auf Erden: Daß gute Menschen nie vergessen werden! — Ach, tausend Bande knüpften Euch ans Leben, Denn Lieb' zu pflanzen war Euch Pflicht und Streben. Da winkte Gott. Ihr fielt gehorsam nieder Und spracht: „Herr, wie Du willst, so soll's gescheh'n!" Es sandte heimwärts Euch der Weltgebieter, Und viele mußten ohne Abschied geh'». Zu Eurem Grab heut manche wiederkehren, Die jetzt der Liebe warmen Hauch entbehren; Doch klaget nicht, daß sie uns einst genommen, Wir wissen sie im Himmel, Gott willkommen! Am Totenfest umwehts wie Geistergrüße Das Menschenkind, das sich zum Lichte sehnt; Und Traumgestalten, längstvermißte, süße, Liebkosen uns, an unsre Brust gelehnt. Mit Euch riß einst ein Glied der großen Kette, Zusammen fügt sie Gott an Himmelsstätte. Drum Heil dem Fest, das Denen, tue noch wallen, Den Blick der Hoffnung hebt zu sel'gen Hallen! O. G. Tagesgeschichte. *— Lichtenstein, 23. Nov. Der morgende Sonntag ist der Erinnerung unserer lieben Toten geweiht. Geschäftige Hände sind bemüht, ihren lieben Heimgegangenen wiederum Zeichen der Liebe auf das Grab zu legen und überall in unsrem großen deutschen Vaterlande pflegt man diese schöne Sitte auf das regste. Möge sie immer so bleiben! O lieb' so lang du lieben kannst, O lieb' so lang du liebeu magst, Es kommt die Zeit, es kommt die Zeit, Wo du an Gräbern stehst und klagst. *— Am vergangenen Donnerstag wurde hier ein Flug Schneegünse in hoher Luftregion be obachtet, welche in nördlicher Richtung wieder verschwanden. Durch das eigentümliche Geschrei derselben wurde man erst darauf aufmerksam. — Von der großen Reise Sr. Königl. Hoheit des Prinzen Friedrich August, die er bekanntlich kurz nach Beendigung des Manövers in dem Inkognito eines Grafen v. Weesenstein angetreten hat und die z. Z. nach dem südlichen Spanien geführt hat, treten nur wenige, vereinzelte Mitteilungen in die Oesfent- lichkeit. Mitte nächsten Monats soll die Reise von Gibraltar über Tunis, Malla, Sizilien nach Egypten fortgesetzt werden, wo die Ankunft auf Mitte Januar in Aussicht genommen ist. Wie man hört, ist das Befinden Sr. Königl. Hoheit und seiner Begleitung ein gutes. Seine hohen Verwandten nnd die Königl. Majestäten werden hinsichtlich der interessanten Reise des Prinzen immer auf dem Laufenden erhalten. — Aus dem Erzgebirge schreibt man, daß Prof. Mitscherling, der sich bereits durch sein Cellulose-Patent einen Namen gemacht hat, mit einer neuen Erfindung an die Oefientlichkeit trete. Er erfand einen Stoff, „Holztuch" genannt, das aus den Pflanzenfasern des Holzes hergestellt wird. Wenn dieses Tuch vorläufig auch noch nicht zu Kleidungsstücken verwendet werden kann, so ist doch dessen Vervollkommnung nicht aus geschlossen und es dürfte wohl eine Zeit kommen, wo neben unseren Cellulosefabriken auch Holztuchwebereien entstehen. — Die von dem Mörder Schneeberger seinem Opfer, dem unglücklichen Hetz, abgenommenen und noch vermißten drei Hundertmarkscheine sind nun end lich gefunden worden. Der Mörder hatte sie wahr scheinlich, als er sich entdeckt sah, schnell noch in die Leeredes Eisenbahnkoupeefensters versteckt, wo sie beim Reinigen der Wagen gefunden wurden. — Den Afrikareisenden Dr. Hans Meyer aus Leipzig und L. Purtscheller aus Salzburg ist es nach einem in Leipzig eingetroffenen Telegramm ge lungen, den höchsten Gipfel des Klima Ndscharo von Marangu aus zu ersteigen. Damit ist das Ziel, welchem Dr. Meyer seit Jahren nachstrebt, endlich erreicht. Die Expedition schlug diesmal den direkten Weg von Mombas nach Taveta ein und hatte vor dem Ausbruch mannigfache Schwierigkeiten zu überwinden. — Die rege Teilnahme, der sich die Königliche Altersrentenbank zu Dresden (Landhaus, König Jo- Hannstraße) bei der Sächsischen Bevölkerung zu erfreuen hat, rührt unter anderem von dem Umstande her, daß infolge des hohen Kurses der Wertpapiere der Zinsfuß vieler derselben herunter gesetzt, auch der von Sparkasseneinlagen, hypothekarischen Darlehen usw. geringer geworden ist. Die davon Betroffenen nehmen daher Veranlassung, sich nach einem Ausgleich umzu sehen und richten ihre Blicke auf die Königliche Al tersrentenbank, weil bei derselben Renten erworben werden, welche wegen der Staatsgarantie niemals geschmälert werden können. — Zu den glücklichen Gewinnern des zweiten Hauptgewinnes der Sächsischen Laudeslotterie von 300,000 Mk. gehören auch zwei Brüder, welche zusam men ein Zehntel des betreffenden Loses inne hatten und von denen der eine als Schlosser in der Fabrik der Herren Gebrüder Barnewitz in Dresden arbeitet, der andere in Gittersee als Bergarbeiter lebt. Dem Letzteren wird die gewiß unerwartete Einnahme beson ders willkommen sein, da er eine zahlreiche Familie zu ernähren hat. Der Vater der Beiden gehörte übri gens zu den Opfern der bekannten großen Grubenka tastrophe im Plauenschen Grunde. — Eine komische Erfahrung hat in diesen Tagen eine Fabrik chemischer Produkte in Reudnitz-Leipzig gemacht, welche in ganz verbindlicher Fassung ihre Anerbietungen eines neuen Artikels auch nach Frank reich sendete. Die Rendnitzer Firma empfing ihr Schreiben zurück und ans der Rückseite war folgen des geschrieben: Mein Herr! Am 16. September 1870 war ich 19sis Jahre alt und war ich Soldat, nm die Feinde meines Vaterlands zu bekämpfen. Zwanzig Jahre sind seitdem verflossen, aber mein Haß ist nicht weniger lebhaft. Indem ich den Krieg mit Pulver und Blei erwarte, erkläre ich vor der Hand den Krieg mit dem Gold, das ich Ihnen niemals geben werde, als Austausch für Ihre Er zeugnisse und Ihre Arbeit. Bellys in Algerien, 10. November 1889. Das National-Lehrer-Jnstitut für Künste und Gewerbe. Der Direktor: E. Lamouche. — Eine von der in Zwickau seßhaften Sektion Vlld er Knappschaftsberufs-Genossenschaft veranstaltete statistische Erhebung über die in den Betrieben der Sektion (Königreich Sachsen) beschäftigten einäugigen Arbeiter und deren Arbeits- und Lohnverhältnisse hat ergeben, daß gegenwärtig im Königreich Sachsen 143 einäugige Bergarbeiter beschäftigt werden, daß von diesen nur der geringere Teil einen Lohnrückgang erlitten, viele sogar noch höhere Löhne erreicht haben und daß selbst Einäugige zur Arbeit angenommen worden sind. Bei sämtlichen deutschen Baugewerken giebt es übrigens zur Zeit 1339 einäugige Arbeiter, von denen 245 Lohnverlust, 834 dagegen nach Verlust des einen Auges höhere Löhne erreicht haben. Unter den Einäugigen befinden sich Beamte und Arbeiter aller Bergarbeitskategorien vertreten. — In Schandau kam jetzt der Fall vor, daß bei einer Untersuchung von Schweinefleisch erst im 25. Präparate Trichinen bemerkt wurden. Ein neuer Beweis dafür, wie gründlich die Untersuchung stets vorgenommen werden muß. — Von einer zur Zeit in Poppitz bei Riesa aufhältlichen Frau Brandt wurden in Pirna Nach forschungen über den Verbleib ihres Kindes, eines neunjährigen Mädchens, gehalten. Dasselbe hat sich bisher in Schandau bei einer Familie in Ziehe be funden. Letztere ist angeblich Tags vorher nach Böhmen ausgewandert, hat das ihr anvertraut ge wesene Kind, um sich desselben zu entledigen, auf ein stromabwärts fahrendes Dampfschiff gebracht, das Fahrgeld bis Pirna bezahlt und das Kind ange wiesen, in Pirna das Schiff zu verlassen, nm einen angeblich daselbst wohnenden Onkel aufzusuchen. Das Kind welches in Pirna nicht bemerkt worden ist, wird seitdem vermißt. — Bräunsdorf bei Limbach, 21. November. Gestern nachts in der 12. Stunde brach in der Scheune des Gutsbesitzers Ernst Weber hier Feuer aus, wo durch in kürzerer Zeit das ganze Gut vollständig nie- derbraunte. Gerettet wurde nur das Vieh, die Betten und 3 Leiterwagen. Die Entstehungsursache ist vor sätzliche Brandlegung nnd man vermutet in der Per son eines noch unbekannten Bettlers den Brandstifter. Am betreffenden Abend kam zu der Ehefrau des Ab brändlers dieser Unbekannte und bettelte in verdäch tiger Weise um ein paar Stiefeln, welche er jedoch nicht erhielt. Bei seinem Weggange äußerte nun der Bettler unter lauten Schimpf- und Drohreden, daß das Gut niederbrennen müsse. Der Bettler trug schwarzen, breitkrämpigen Hut, graues Jacket und dergleichen Beinkleider, hatte schwarzen Vollbart und