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fernen Ring" neu zu befestigen. — Die langwierige Frage der Entfernung sämtlicher Kasernen aus dem Weichbild Wiens steht, laut Meldung der „Militär- Zeitung", unmittelbar vor der Entscheidung. * * Paris, 11. November. An der heute von den republikanischen Deputierten abgehaltenen Ver sammlung nahmen etwa dreihundert theil. Bei der Vorwahl für das Präsidium der Kammer wurden für Floquet 174, für Brisson 64 Stimmen abgegeben. — Nach hier vorliegenden Nachrichten hat Boulanger die Insel Jersey verlassen; wie es heißt, hätte sich derselbe nach London begeben. * * Paris, 12. November. Die Zugänge zum Coneordienplatz sind polizeilich und militärisch besetzt; auf dem Platz treiben sich bis jetzt einige hundert Strolche umher. * * Petersburg, 11. November. Der rus sische Thronfolger kehrt von Athen nicht direkt nach Petersburg zurück, sondern geht zuerst über Antivari nach Cettinje, um daselbst der Taufe des jüngsten Sohnes des Fürsten von Montenegro beizuwohnen. Gleichzeitig wird hier in verstärktem Maße von der baldigen Verlobung des Thronfolgers mit der jüng sten Prinzessin von Montenegro gesprochen. * * London, 11. November. Nach einer der englischen Regierung aus Zanzibar zugegangenen Nach richt wäre keine Hoffnung mehr, daß sich die Meld ungen über die Niedermachung des Dr. Peters durch Eingeborene als unrichtig erweisen könnten; der Tod des Dr. Peters sei nicht mehr zu bezweifeln. * * London, 12. Novbr. Aus Poonah wird vom gestrigen Tage gemeldet: Als der Prinz Albert Viktor heute nachmittag eine Anhöhe in der Nähe von Poonah besuchte, kam ein Elcphant zu Falle; der Prinz erlitt keinerlei Verletzung; als derselbe später zu Wagen nach dem Regierungsgebäude zurückkehrte, scheuten die Pferde, der Wagen wurde beschädigt, doch blieb der Prinz auch hierbei unverletzt. Abends war die Stadt glänzend erleuchtet. * * Venedig, 12. November. Das deutsche Kaiserpaar und Prinz Heinrich bestiegen 3 Uhr 10 Minuten mit den Spitzen der Behörden die Munizi palitätsbarke unter stürmischem Jubel der zahllosen Menge. Die Majestäten fuhren, gefolgt von einem imposanten Zuge prachtvoll geschmückter Gondeln und Parken, unter ununterbrochenen enthusiastischen Zuru fen der Bevölkerung den großen Kanal hinauf zum Bahnhöfe. Dort gab Se. Maj. der Kaiser den Ver tretern der Behörden bei der Verabschiedung die Hand und ersuchte den Syndikus der Bevölkerung für die herzlichen enthusiastischen Kundgebungen zu danken. Der Kaiserzug fuhr Punkt 4 Uhr nach Mon za ab. Ihre Majestät die Kaiserin kehrte an Bord des „Hohenzollern" zurück und reist morgen Abend nach Verona ab. * * Belgrad, 11. November. Der König Mi lan machte heute den Regenten einen Besuch und em pfing darauf den Besuch der Regenten sowie sämt licher Minister. — Vor einigen Tagen wurde ein serbischer Staatsangehöriger, welcher sich zum Besuch seiner Ellern über die serbisch-bulgarische Grenze be geben hatte, drei Kilometer von der serbischen Grenze entfernt durch einen Schuß tötlich verwundet. Der bulgarische Unterpräfekt weigerte sich, an einer des halb einzuleitenden Untersuchung teilzunehmeu. Dem von einem serbischen Beamten geforderten Transport des Verwundeten in seine Heimat wurde von einem bulgarischen Gendarmen unter Bezugnahme auf eine ihm angeblich erteilte Weisung Widerstand entgegen gesetzt. Die serbische Regierung hat in Folge dessen ihren Vertreter in Sofia angewiesen, die sofortige Un- ! tersuchung des Falles und die Bestrafung der Schul digen zu fordern. Man hofft, daß die bulgarische Re gierung ihre Grenzbeamten mit entsprechender Anwei sung versehen werde, damit sich ähnliche bedauerliche Vorkommnisse nicht wiederholen. * * Luxemburg, 12. Nov. Heute früh ent gleiste der Luxemburg-Oettinger Zug. Ein Bremser ist tot, zwei sind schwer verwundet. * * Ueber die zwischen der serbischen Regierung und Exkönig Milan zu treffende Vereinbarung geht der „Allg. Reichs-Corr." folgende Mitteilung zu: Milan erhält aus der Staatskasse eine jährliche Apa nage von 303,000 Gulden; verpflichtet sich aber, nie wieder nach Serbien zurückzukehren und mit dem Sohne nur im Auslande zusammenzutresfen. Die Regentschaft ihrerseits verpflichtet sich, die Königin Natalie durch ein eigenes Gesetz auszuweisen und Begegnungen mit dem Sohne von Zeit zu Zeit mit jedesmaliger Ein willigung des König Milan im Auslande zu gestatten. Die radikale Partei soll bereits beschlossen haben, diesem Uebereinkommen in der Skupschtina gesetzliche Kraft zu verleihen. Deutscher Reichstag. Sitzung vom 12. Nov. Der Reichstag trat heute in die 2. Beratung des Reichshaushaltes für 1890/91 ein. Beim Etat des Reichstags regt Dr. Brocmel (freis.) die Einrichtung einer Stelle im Reichstage zur Ausfertigung von durch die Privatpost erfolgende Sen dungen und zur Ausgabe von Privatpostmarken an. Die Privatposten seien viel billiger als die Reichspost und dabei ganz zuverlässig. Dr. Meyer (freis.) bedauert, daß der „Buch händlerring" die Bücherpreise verteuert habe und wünscht, daß die Bibliothek-Kommission des Reichs tages nur bei solchen Buchhändlern kaufe, welche den früheren größeren Rabatt gewähren. Der Etat des Reichstages wird angenommen. Bei dem Etat des Reichskanzlers und der Reichs kanzlei wünscht Richter (freis.) Auskunft über die Lage der Erörterungen über das Kaiser Wilhelm- Denkmal. Es müsse daran festgchalten werden, daß es sich um ein Denkmal handle, welches das Volk dem Begründer der deutschen Einheit errichte. Ent gegen den Auslassungen im Reichstage und bei den verbündeten Regierungen sei von Sr. Majestät dem Kaiser geäußert worben, daß nur die Schloßfreiheit für die Errichtung des Denkmals iu Betracht kommen könne. Staatssekretär v. Bötticher: Eine Entschei dung über die Platzfrage sei noch nicht getroffen, dem Reichstage werde eine Vorlage im Auftrage des Kaisers gemacht werden und der Reichstag werde dann auch über die Platzsrüge zu entscheiden haben. Dr. Böckel (Antisemit) bittet eine die Abzah lungsgeschäfte betr. Petition dem Reichskanzler zur gesetzlichen Regelung der Angelegenheit zu überweisen, da diese Geschäfte nur darauf ausgingen, armen Leuten das Geld abzuuehmcu. Die meisten dieser Geschäfte seien in jüdischem Besitz. In Berlin habe sich kürz lich das erste christliche Abzahlungsgeschäft etabliert, aber schon nach wenigen Tagen sei es von einem Juden angekauft worden, der nun das „christliche" Abzahlungsgeschäft fortsetzte. Staatssekretär v. Bötticher: Auf ein Rund schreiben an die Einzelregierungen in Sachen der Ab zahlungsgeschäfte sei die Antwort kürzlich eingegangen, die Sache sei schwierig, doch werde es hoffentlich ge lingen, den aussaugenden Geschäften einen Riegel vor- znschieben. Es gebe allerdings auch Abzahlungsge schäfte, die durchaus nützlich seien, z. B. die Näh ¬ maschinengeschäfte. Kleine Leute könnten nur selten Nähmaschinen mit einem Male bezahlen. Richter (freis.) will wissen, wie sich der Reichs- kanzler zur Forderung Bennigsens bez. eines Reichs finanzministers stelle. Staatssekretär v. Bötticher : Eine Meinungs äußerung des Kanzlers liege nicht vor. Zu einer Entschließung in dieser Sache wäre eine Verfassungs änderung und also auch die Genehmigung des Reichs tages erforderlich. Der Etat des Reichskanzlers wurde genehmigt. Beim Etat des Reichsjustizamtes fragt Dr. Baum bach (freis.), in welcher Weise die weitere Behandlung des deutschen bürgerlichen Gesetzbuches geplant sei. Dasselbe habe eine recht abfällige Kritik erfahren. Am besten wäre es, den zwischen Romanisten und Germanisten ausgesprochenen Streit zunächst zu Ende kommen zu lassen. Staatssekretär v. Oehlschläger: Um den Streit zwischen Romanen und Germanen würden sich die verbündeten Regierungen nicht kümmern, vielmehr die Sache möglichst beschleunigen. Das allgemeine preußische Landrecht habe von seiner Fertigstellung bis zur Veröffentlichung 45 Jahre gebraucht, das österreichische 58 Jahre. Ein Termin für die Ein führung des bürgerlichen Gesetzbuches lasse sich noch nicht angeben. Es seien noch einige Nebengesetze — Grundbuchordnung und Subhastationsordnung — fer tigzustellen. Aus den Kritiken ergebe sich das lebhafte Interesse des deutschen Volkes an dem Zustandekommen des Werkes. Alle Kritiken würden gewissenhaft ge prüft und darnach weiteres beschlossen. Veil (nat.-lib.) hätte zwar gewünscht, daß nach 10 jähriger Thätigkeit die Angelegenheit weiter gediehen wäre, dennoch sei anzuerkennen, daß die Kommission eine gute Grundlage geschaffen habe, auf der sich weiter bauen lasse. Der Etat des Reichsjustizamtes wird genehmigt. Beim Etat des Reichsamtes des Innern wünscht Dr. Lingen (Centrum) Vorlegung des Original berichtes der Fabrikiuspektoren. Frohme (Soz.) macht den Fabrikinspektoren den Vorwurf, daß sie einseitig die Interessen der Arbeit geber vertreten. Staatssekretär v. Bötticher weist diesen Vor wurf entschieden zurück. Was die Berichte anlange, so habe sich der Reichstag selbst für die Form der Auszüge ausgesprochen. Für später sei ein besonderer Qualifikationsnachweis für die Fabrikinspektoren in Aussicht genommen. Dr. v. Fr ege (kons.) nimmt die sächsischen Fabrikinspektoren gegen die Frohme'schen Angriffe in Schutz. Die Inspektoren genießen das volle Vertrauen sowohl der Arbeiter als auch der Arbeitgeber und es sei nur zu wünschen, daß der Verhetzung der Arbeiter durch gewissenlose Preßorgane ein Ende gemacht werde. Hierauf wird die Vertagung beschlossen. Morgen: Anträge aus dem Hause, darunter Befähigungs nachweis. Von einer Bedrohung durch eine» Wahnsinnigen kommt eine grausige Geschichte aus Amerika herüber. Frau Buckley in New-Jork saß vor kurzem abends in ihrem Zimmer und las in einer Zeitung. Ihre Kinder schliefen im anstoßenden Zunmer, dessen Schiebethür offen stand. Plötzlich hörte sic auf dem Pflaster des Gäßchens rasche Schritte, die bald im Hausflur vernehmbar wurden. Die Thür öffnete sich. Da die Frau glaubte, ihr Gatte kehre heim, sah sie sich nicht einmal näher um. Als sie jedoch aufblickte, Der Erbe des Hauses. Roman von Hermine F r a n k e n st e i n. kNachdruck verboten.) (Fortsetzung.) „Ihr werdet mich als den treuesten, gewissenhaf testen Schreiber finden," rief Palestro entzückt. „Der arme Wahnsinnige soll nicht seufzen und nicht ächzen, ohne daß ich Euch schreibe; und wenn der arme Junge durch irgend ein Wunder seinen Verstand zurückerhält, sollt Ihr es fast eben so schnell wissen, als er!" Ein seltsamer, fast unbeschreiblicher Ausdruck glitt über Lowders Züge. „Er wird nicht besser werden," sagte er hart, fast heftig. „Der Doktor sagte, seine Genesung sei unmöglich." Der Schreiber runzelte die Stirn und schöpfte tief Atem; dann schoß ein unheimlicher Blick aus seinen Augen. „Ach?" sagte er, und sein Ton durchfuhr Lowder mit der unangenehmsten Ueberzeugung, daß er in seinem Unbedachte einen großen Fehler gemacht habe; „der große Signore wünscht also nicht, daß der arme Ge sellschafter wieder zu seinem Verstände komme? Der arme Wahnsinnige ist vielleicht des Signore Bruder, der zwischen dem Signore und einer Erbschaft steht? Lowder konnte den momentanen Ausdruck des Erschreckens nicht verbergen, ebensowenig welche sein Gefickt nn— „Ihr braucht mir nichts zu versprechen, Signore, umsomehr, als die Sache an und für sich ganz klar ist. Ich habe in der ersten Minute schon bemerkt, daß Sie Gründe haben mußten, die Wahrheit zu ver- schweigeu. Die Aehnlichkeit ist auch zu wunderbar, um auch nur einen Augenblick daran zu glauben, daß er uichts sei, als ein bezahlter Diener, während Sie selbst für sich einen stolzen englischen Adelstitel bean spruchen. Was ich jedoch weiß oder ahne bleibt in meiner Brust verschlossen —Palestro ist kein Schwätzer und er will der Verbündete und die rechte Hand des reichen, englischen Signore sein." Lowder fühlte, daß dieser Mann ihn vollkommen durchschaute und daß ihm alle Ausflüchte nichts nützen würden. Er faßte deshalb rasch seinen Entschluß. „Wieviel Geld verlangt Ihr?" „Eine Kleinigkeit für einen reichen Engländer, da meine Bedürfnisse ziemlich geringfügiger Natur sind. Ich bin mein ganzes Leben lang arm gewesen und möchte mir nun einmal einiges von dem Luxus erlauben, den man mit Geld so leicht erkaufen kann; ich will mir nicht mehr um Tagelohn die Finger wund schreiben, will schöne Kleider haben, feine Weine trinken, eine gute Cigarre rauchen und spazieren gehen können wie es mir beliebt. Zu diesem Zwecke brauche ich jährlich 3000 Franes — eine kleine Summe für Sie — eine große für mich. Wenn Sie mir dieses Geld geben, Signore, dann bin ich Ihr Freund, Ihr Diener, Ihr blindes Werkzeug — ein Hauch von Ihrem wird mir Befehl sein, und," setzte er in leisem ^>nzu, „em kleiner Win» - Der verhärtete Abenteurer verstand den furcht baren Sinn dieser Worte. Er blickte den Schreiber durchbohrend an, antwortete jedoch nichts. „Oder soll der wahnsinnige Bruder eines Tages wieder nach England zurückkommen?" fragte Palestro sarkastisch. „Nein, er soll und darf nie zurückkehren! Ich bewillige Euch das Geld, das Ihr verlangt und will Euch gleich ein Quartal im Voraus bezahlen. Der Handel ist abgeschlossen und ich verlange von Euch, daß Ihr mir ergeben seid mit Leib und Seele, daß Ihr Alles ausführt, was ich befehle und sei es auch das Schlimmste, was Ihr vorhin selbst andeutet." Gierig schlossen sich die Finger des Schreibers über die dargereichten Goldstücke. „Wie soll ich meine Berichte an Sie adressieren?" fragte er. Lowder überlegte einen Moment. Er wollte sich nicht ganz in die Gewalt dieses Menschen geben und sagte deshalb: „Schreibt an die Adresse John Harren wille in Glocester, England." „Das ist nicht der hochtönende Name, den der Signore bereits genannt, doch gleichviel, Palestro wird die einmal eingegangene Pflicht erfüllen, wenn er auch den wahren Wohnort seines Herrn nicht kennt." „Jetzt habe ich mich gegen jede Möglichkeit einer Gefahr gewahrt," dachte Lowder triumphierend, -- „künftighin habe ich nichts mehr zu befürchten." Er ging zur Hütte, auf deren Schwelle er Vicini :setzung folgt.)