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folgte Bankkommis Döring heute vormittag in Hohen- elbe in Böhmen verhaftet worden. In seinem Besitz sollen 66,000 Mark vorgefunden sein. * * Fünf junge Leute befanden sich am 28. v. M. in Paris in einer Bierstube des Faubourg Montmartre. Einer der Anwesenden, ein Architekt, sagte zu einer in der Gesellschaft befindlichen Dame: „Was wettest Du, daß ich Dich einschläfere?" Trotz dem die Betreffende und alle Uebrigen an den magnetischen Fähigkeiten des Architekten Anfangs zweifelten, gelang es ihm binnen kurzem, die Dame einzuschläfern. Nicht so leicht war es aber, sie wieder aufzuwecken, man goß ihr Wasser ins Gesicht, zwickte und schüttelte sie. Da alles nichts half, schickte der Wirt, der die Dame für tot hielt, auf die nächste Polizeistation. In einer Apotheke gelang es nach zwei stündigen Versuchen, die Schlafende zu wecken. Die ganze Gesellschaft wurde auf die Polizeiwache gebracht, aber da man diesen hypnotischen Versuch nicht als strafbares Vergehen ansah, in Freiheit gesetzt. (K. Z.) * * Konstantinopel, 6. November. Die Abreise der Kaiserlichen Majestäten ist auf heute mittag 12sis Uhr festgesetzt. * * Am Montag vormittag besuchte die Kaiserin den kaiserlichen Harem unter Führung des Sultans und in Begleitung der Frau v. Radowitz und mehrerer anderer Damen und dauerte der Besuch 3/4 Stunde. Zwei Töchter des Sultans trugen auf den Wunsch der Kaiserin auf dem Pianoforte Musikstücke von Chopin vor und spielten dann die preußische Volkshymne. Darauf besuchte die Kaiserin auch den türkischen Bazar. Der Staatsminister Graf Bismarck stattete dem Groß vezier, sowie dein Minister des Auswärtigen, Said Pascha, und dem englischen Botschafter White einen Besuch ab. Nachmittags begab sich das Kaiserpaar zu Schiffe nach Therapia, besuchte unter Führung des Botschafters v. Radowitz den Park des Botschafts palais und nahm dabei auch das dem Generalfeld marschall Grafen Moltke von der deutschen Kolonie errichtete, in einem Obelisk mit dem Medaillonporträt Moltke's bestehende Denkmal in Augenschein. Die Rückfahrt nach Konstantinopel erfolgte nachmittags 5 Uhr, der ganze Bosporus war herrlich erleuchtet und bot einen glänzenden Anblick dar. Nach der Ankunft im Jildiz-Palaste fand ein Diner bei dem Sultan statt. Die Hauptstraßen Pera's waren glänzend illuminiert. Ihre Majestäten wurden bei der Ankunft in Therapia wie bei der Rückkehr von der in den Straßen angesammelten Menschenmenge mit spmpa- thischen Zurufen begrüßt. Kaiser Wilhelm verlieh dem Großvezier Kiamil den Schwarzen Adlerorden und beschenkte den Minister des Aeußern, Said Pascha, mit seinem Porträt und kostbaren Vasen. Die türkischen und griechischen Blätter fahren fort, das Kaiserpaar iu Lobesartikeln zu feiern. * * Tanger, 6. November. Das „Bureau Reuter" meldet: Gestern abend drangen einige In dividuen in das Haus des italienische« Geschäftsträgers, Marquis Galletti, und stahlen während dessen Ab wesenheit Wertgegenstände. Der Marquis, welcher noch während der Anwesenheit der Diebe zurückkehrte, wurde mißhandelt und muß infolgedessen das Bett hüten. Die Behörden machen energische Anstrengungen zur Entdeckung der Diebe; dieselben sollen Mauren sein. * * Melbourne, 6. November. Nach hier ein- gegangeneu Nachrichten hat das englische Kriegsschiff „Royalist" mehrere Dörfer der Salomoninseln, wo unlängst von den Eingeborenen ein Engländer, namens Nelson, ermordet und mit drei eingeborenen Kindern verzehrt worden war, bombardiert. Die Bewohner der Dörfer flüchteten in das Gebirge. ** Anläßlich der Verheiratung des Herzogs von Sparta mit der Prinzessin Sophie wird von Londoner Blättern auf eine alte griechische Prophe zeiung aufmerksam gemacht, welche besagt, daß eines Tages auf dem griechischen Throne ein Herrscher namens Konstantin sitzen werde, dessen Weib Sophia heißen und das die Stadt Konstantinopel und die Sophien- moschee für die Christenheit zurückerobern werde. Da nun der Herzog von Sparta Konstantin und seine jetzige Gemahlin Sophie heißt, so kann es nicht fehlen, daß obige Prophezeiung auf sie angewandt wird. ** Besteigung des Kilimandjaro. Dieser höchste Berg Afrikas ist nun endlich von dem deutschen Reisenden Dr. Hans Meyer bis auf den obersten Gipfel erstiegen worden, nachdem dies bei zwei früher unternommenen Versuchen nicht vollständig gelungen war. Dr. Oskar Baumann, der an der zweiten Kilimandjaro-Expedition Meyers teilgenommen, schreibt der Wiener N. fr. Presse: „Zu meiner großen Freude bin ich in der Lage, Ihnen mitteilen zu können, daß es, nach einem am 1. November in Leipzig einge- tvffenen Telegramme, meinem Freunde Dr. Hans Meyer und dem österreichischen Alpinisten Purtscheller gelungen ist, den höchsten Gipfel des Kilimandjaro von Marangu aus zu ersteigen. Damit ist das Ziel, welchem Dr. Meyer seit Jahren nachstrebt, endlich glänzend erreicht. Die Expedition schlug diesmal die direkte Route von Mombas nach Taveta ein und hatte vor dem Aufbruche mannigfache Schwierigkeiten zu überwinden. Das Verbot der Waffen- und Munitionseinfuhr wurde von den englischen Behörden in Mombas auch auf die Meyer'sche Expedition aus gedehnt. Durch einen unglücklichen Zufall kam ferner der wichtigste Teil der Ausrüstung auf einen falschen Dampfer und wurde statt nach Zanzibar nach Ceylon verführt. Außerdem konnte Dr. Meyer nur sehr schlechte Mannschaft bekommen, da die besseren Leute durch Wißmann, Peters und die englischen Expeditionen in Anspruch genommen wurden. Wenn es ihm trotz aller dieser Schwierigkeiten gelang, sein Ziel zu er reichen, so zeugt dies neuerdings von der erprobten Energie meines Freundes. Nähere Details über die Reise und die Ersteigung, sowie über etwaige weitere Pläne sind nicht bekannt." Deutscher Reichstag. Sitzung vom 6. Nov. Die erste Beratung des Sozialistengesetzes wird fortgesetzt. Abg. Dr. Hartman« (kons.): Noch nie habe Liebknecht ein solches Gewirr von Worten und Ge danke« geboten, als gestern. Er brüstete sich mit dem Empfange, den er in Paris gefunden. Weiß er nicht, welche Hoffnungen man dort auf ihn und seine Freunde letzt? Die Geschichte des Sozialistengesetzes habe Liebknecht ganz verdreht dargestellt. Das Gesetz sei gegen die Sozialrevolutionäre gerichtet. Die Atten tate erhellten wie ein Blitz die Nacht und zeigten die Gefahr. Ueber das jugendliche Alter sei damals die Sozialdemokratie hinaus gewesen; aber sie sei nicht ruhig ausgetreten, sondern habe das Heiligste in cy- nischer Weise verhöhnt. Nicht Angst, sondern der Schmerz um das Vorgefallene war es damals, was das deutsche Volk au die Wahlurne trieb und veran laßte, eine Mehrheit für das Sozialistengesetz zu wählen. Es sei nicht wahr, daß die Sozialdemokratie die Blüte der deutschen Arbeiter umfasse. Die So zialdemokratie umfasse nur eine verschwindende Min derheit der Arbeiter, die dadurch Bedeutung erlangten, daß sie in den großen Städten fest organisiert seien. Nach der Haltung der Sozialdemokraten könne man Der Erbe des Hauses. Roman von Hermine Fraukenstci n. N'-.— (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) 4. Kapitel. Die Schiffbrüchigen. Es war ein kleines, niedriges, bescheidenes Wohn haus, jedoch reinlich und nett gehalten, in das die beiden Männer unter Anleitung der Frau den Körper des Lord Tressiliau trugen. Sie legten ihre Last auf das reinliche Bett und die Frau hielt das Licht, wäh rend die Männer Hugh's Wunden untersuchten. Die roten Strahlen sielen voll auf das bleiche Gesicht mit den geschloffenen Auge«, dem starren Munde, dem goldblonden, vom Blut und Meerwasser getränkten Haare. „Heilige Mutter Gottes!" schrie die Frau mit leidsvoll, „so jung, so schön! Er muß tot sein!" „Tot oder sterbend!" sagte Jasper Lowder in ersticktem, schmerzerfülltem Tone; denn selbstsüchtig und gewissenlos, wie er war, hatte er den armen Hugh, der so edel und großmütig gegen ihn gewesen war, doch geliebt; „es ist Alles aus mit ihm!" Das Weib — die Frau des Fischers, den sie mit Tomaso angesprochen hatte — war von Jaspers Benehmen gerührt. Sie schaute ihn genauer an. „Armer Jüngling!" murmelte sie. EsistEuerEben- bild, Herr Engländer, er ist Euer Bruder, nicht wahr?" „Nein, nicht mein Bruder," sagte Lowder. „Er ist — er war mein Reisebegleiter. Rettet ihn, wenn Ihr könnt'. Ich bin reich, ich will Euch großmütig belohnen." Das Weib schüttelte den Kopf, widmete sich aber mit ihren Leuten ganz der Belebung Hugh's. Jasper stand da, fröstelnd und durchnäßt, ohne jedoch au seine eigenen Verletzungen zu denken, und studierte die Gesichter dreier Personen, welche so emsig um seinen Gebieter bemüht waren. Die Frau war eine hübsche Sizilianerin, mit pfiffigen Augen und brünettem, lebhaftem Gesichte. Sie sah klug, verständig und scharfsinnig aus. Ihr Mann, Tomaso Vicini, war ein ehrlich aus sehender, phlegmatischer, etwas schwerfälliger Mensch, der in geistiger Beziehung etwas unter seiner Frau stand. Er sah jedoch gutmütig und rechtschaffen aus. Sein Begleiter interessierte Lowder mehr. Es war ein hagerer, sehr beweglicher Mann, schlank und von geschmeidigem Wüchse, mit einem braunen, aufgeweckten Gesichte, aus dem ein Paar schwarze Augen argwöhnisch herausschauten. Er er innerte Lowder an einen Aal, und es schien auch, als ob er die Eigenschaften dieses Tieres in gewissem Grade besäße. Er war Jacopo Palestro, ein Schreiber aus Pa lermo und entfernter Verwandter der Vicini. Er war aus der Stadt gekommen, um den Tag mit ihnen zuzubringen und war eben im Begriffe gewesen, zu rückzukehren, als Lowder's Hilfegeschrei ihn festhielt. „Wer eine ungerechte Handlung begehen wollte, fände in diesem Mann einen Bundesgenossen," dachte Lowder. „Der ist käuflich und nicht einmal teuer. Ich werde seiner Dienste vielleicht benötigen." Er hielt fröstelnd inne und ging in das ersteZimmer. Hier untersuchte er seine Wunden und Quet schungen und verband sie, so gut es ging. Er war sich darauf beschränken, das Gesetz einfach zu ver längern. Als ausschließliche Vertreter der Arbeiter aufzutreten, hätten die Sozialdemokraten kein Recht. Der Arbeiterstand verdanke seine politische Gleichbe rechtigung dem Königtume. Die Arbeiterschutzbestim mungen in der Gewerbeordnung, sowie die Bersicher- ungsgesetzgebung seien ebenfalls nicht auf die Sozial demokraten zurückzuführen. Die Arbeiterschutzgesetzgeb ung werde auch ferner gefördert werden. Die Forderung Reichenspergers nach einem Ausnahmegesetz gegen die Arbeitgeber sei zwar nicht ganz rot, aber stark rosig. Die Deutschkonservativen seien für ein dauerndes Spezialgesetz. Das Gesetz werde eine bessere Wirkung haben, wenn man wisse, daß es nur vorhanden sei, wenn man es brauche. Im Interesse des Reichs gerichts selbst wünsche er nicht, daß dasselbe an die Stelle der Beschwerdekommission trete. Gegen die vor geschlagenen Milderungen könne man Bedenken haben. Die Regierung wünsche aber die bisherigen Vollmachten nicht in ihrem jetzigen Umfange und es sei kein Grund vorhanden, ihr dieselben aufzudrängen. Eine Freude, ei« Vergnügen sei es nicht, an diesem Gesetze mitzu helfen, aber es sei nötig, und so werden wir mit helfen ohne Murren und Unerschrockenheit. (Beifall rechts.) Minister Herrfurth: Den Beifall der Sozial demokraten könne man nur erwerb «, wenn man mit dem Sozialistengesetz das ganze Strafgesetz aufhebe. Wir hörten oft genug, daß die letzten Ziele dieser Partei nur auf dem Wege des Umsturzes zu erreichen seien, und daß Alles, was bestehe, wert sei, daß es zu Grunde gehe. Das höre mau bei gelegentlichen Heerschauen, welche die Herren abhielten. Hier hielten sie es für opportun, eine mildere Tonart anzuschlagen. Den Zielen der Sozialdemokratie gegenüber befinde sich die Gesellschaft im Zustande der Notwehr. Das Gesetz sei kein Ausnahmegesetz, sonst müsse man die Feldpolizeiordnung und das Neichsbeamtengesetz, das sich ja auch nur auf eine bestimmte Kategorie von S aatsbürgern beziehe, Ausnahmegesetz nennen. Den nötigen Schutz gegen die Sozialdemokratie könne man durch eine einfache Erweiterung des gemeinen Rechtes nicht erreiche«. Das Gesetz habe im Wesentlichen seinen Zweck erfüllt. Was man für die Aufhebung des Gesetzes sagen könne, lasse sich gegen jede andere Strafbestimmung sagen. Mau könne ja deduzieren: Heben Sie die Strafe des Betruges auf uud der Betrug wird aus der Well verschwinden. Die Regierung könne auf die Ausweisungsbefugnis leider nicht ver zichten. Die Ausweisung sei eine harte und folgen schwere Maßregel, die aber nur mit großer Vorsicht angeweudet werde. Andere Strafmaßregcln wirkten nicht, sie brächten dem Betroffenen nur die Aureole des Märtyrers. Die Ausweisungsbefugnis würde eine Menge Agitatoren sofort nach ihren eigenen Wohn orten zurückführeu. Dort würde die Agitation von Neuem beginnen und der schlummernde Funke wieder zur Flamme entfacht werden. Die zweckwidrigste Bestimmung des jetzigen Gesetzes sei die Fristbestimm ung, die alle Thätigkeit auf Grund des Gesetzes zu einer Penelope-Arbeit mache. Die Sozialdemokratie könne mit mechanischen Mitteln allein allerdings nicht überwunden werden. Alle sittlichen Kräfte der Kirche, Schule und des Volkes überhaupt müßten dazu zu- sammenwirken. Sächs. Bundesbevollmächtigter Geh. Rat Held weist die Angriffe Liebknechts auf die sächsischen Be hörden beziehentlich der Handhabung des Sozialisten gesetzes zurück. Der Hinweis auf bas hier vorgelegte rote Taschentuch treffe nicht zu, denn in dem gericht lichen Verfahren sei die Identität des Tuches gar so beschäftigt, als Frau Vicini zu ihm herauskam und ihm die Sonntagskleider ihres Gatten brachte, welche sie ihm bot, statt seiner durchnäßten anzuziehen. Dies that er, nachdem seine Wirtin in das Schlaf zimmer znrückgekehrt war, und er verbarg Hugh Tressi- lian's gestohlene Kostbarkeiten sorgfältig in der Brusttasche. Eine zur Hälfte gefüllte Flasche Wein stand auf dem Tisch. Lowder leerte den Inhalt derselben in langenZügen, dann kehrte er in dasSchlafzimmer zurück. Ein Ruf klang ihm entgegen, der ihm in die Ohren tönte, wie die Posaune des jüngsten Gerichtes. „Er lebt! Er lebt! Er schlägt die Augen auf!" Frau Vicini hatte vor Freude weinend die Worte ausgerufen, sie fühlte unendliches Mitleid mit dem Verunglückten. Lowder stand da wie vom Blitz getroffen. Wirr durcheinander ging es in seinem Gehirn, Funken schienen vor seinen Augen zu sprühen, fliegende Röte und Blässe verdrängten einander in seinem Gesicht. So nahe dem Reichtum, so nahe dem Glücke war für ihn Alles verloren, wenn Lord Tressilian wieder von dem Tote auferstand. „Er lebt? lebt wirklich? Das kann täuscht Ihr Euch nicht, Frau?" „Ich täusche mich nicht; ich fühle seinenHerzschlag." „Ja, er lebt," rief der Schreiber Palestro, der Hugh's durchnäßte Kleider beseitigt hatte und ihn mit beiden Händen heftig rieb; „aber die Wunde in seinem Kopfe ist gar gefährlich, lieber Vicini. EL wäre gut, den braven Doktor Spezzo zu holen." (Fortsetzung folgt.)