Volltext Seite (XML)
bar. So hat heute früb in einer hiesigen Fabrik die Arbeitseinstellung begonnen, in einer anderen Fabrik ist einer solchen dnrch ein Zugeständnis vor gebeugt worden. — Ans Ottendorf bei Hainichen ist bereits seit 11. v. M. eine 80jährige Greisin, Frau Doro thea verw. Loewe, verschwunden. Sie litt an Schwächeznständen. tz Gera, 12. Oktober. Der Strafprozeß der Ottohchen Eheleute in Jena nimmt immer noch das weitere Interesse des Publikums für sich in Anspruch. Der in der „Jenaischen Zeitung" erschienene ausführ liche Bericht über die Schwurgerichtsverhandlungen in Gera veranlaßt den Medizinalrat Dr. Seidel zu einer längeren Berichtigung, in welcher er an einer Stelle sagt: „Das Kind Fanny habe ich ans Wunsch des Dr. Hergt am 7. Tage der Erkrankung besucht und seine Krankheit für eine Vergiftung mit Phosphor gehalten und ich Vin heute nach der ganzen Verhaud- lung noch genau derselben Ansicht." In der neuesten Nummer genannter Zeitung teilt der Verteidiger, Rechtsanwalt Maaser, ein ausführliches Gutachten des Professors Dr. Noßbach mit, nach welchem die seit längerer Zeit in der Oito'schen Familie beobach teten Krankheitsfälle mit allergrößter Wahrscheinlich keit nur von einer chronischen Arsenikvergiftung her rühren können. Dieser Gelehrte schließt mit folgenden Worten: „Nach allen obigen Ausführungen ist daher der Schluß gewiß erlaubt, daß die ganze furchtbare Tragödie in der Oito'schen Familie, indem zu dem unverschuldeten Verlust von 6 Kindern für die Eltern noch die Gefahr nahe trat, als Giftmörder verurteilt zu werden, und die ganze Familie an den Bettelstab gebracht wurde, nur durch die giftige Farbe der Wvhn- räume bedingt worden ist." Die durch den hiesigen Oberbürgermeister Ruick veranlaßte Sammlung zur Unterstützung der Frcigesprochenen erhält auch Spenden von Wohlthäiern aus Leipzig, Chemnitz, Dresden, Altenburg, Greußen, Eisenach w. und hat die Höhe von nahe 600 Mk. erreicht. ss 8 Gera , 14. Okt. Ein Unglücksfall mit töt- lichem Ausgang ereignete sich am Freitag abend in Gera. Ein in der Mittelstraße wohnhaftes Ehe paar, welches tagsüber auf Arbeit geht, hatte sein 3/4 Jahr altes Kind zu einer in demselben Hause wohnende» Familie in Pflege gegeben. Hier hat sich nun das kleine Wesen, welches in einer Kinder kutsche an einem Tische saß, von der Pflegemutter unbemerkt, wahrscheinlich ein Stückchen Kartoffel zugelangt und dasselbe verschluckt, worauf es er stickte. Der sofort hinzugerufene Arzt konnte leider nur noch den Tod des Kindes konstatieren. Eltern wie Pflegeeltern sind untröstlich über das traurige Ereignis. 8 Berlin, l5. Oktober. Deutschland hat sich geweigert, Maiaafa als König von Samoa unzuer- keunen, dagegen sich bereit erklärt, Malietoa als König zu billigen. Briswane Mac Gregor, V rwaltec von Neu-Guinea, landete mit 22 Mann in Damara, um die Eingeborenen, welche unlängst 2 Weiße ermordet hatten, zu ermitteln. Derselbe wurde von etwa 250 Eingeborenen angegriffen, schlug dieselben jedoch zurück; 4 Eingeborene wurden getötet und 11 verwundet. Die Uebrigen entkamen, ihr Dorf wurde verbrannt. 8 Daß der Zam bei seinem Besuche in Berlin nicht ohne „starke Anfechtung" geblieben ist, beweist die von einem hiesigen Berichterstatter mitgeteilte That- sache, daß schon vor seiner Ankunft in Berlin über zweitausend Bettelbriefe im Palais der russischen Botschaft abgegeben waren. 8 Wie die „N. A. Z." hört, hat der Kaiser S! m > >»!^ Um Geld und Geldeswert. Roman von M- Widder n. ' (Nachdruck verboten.) Fortsetzung. Aber plötzlich wurde ihr Auge starr — sie schüttelte sich. — Wie kam es nur, daß gerade jetzt, in diesem ernsten Augenblick das unselige Traumbild erneuert vor ihre Seele trat, welches sie in der Nacht nach Katharinas Aufnahme in ihr Haus so maßlos gequält?! „Lilli, um Himmelswillen, was ist Ihnen?" lief der Doktor erschrocken. Sie aber hob wie in Todesangst die Augen zu ihm auf und plötzlich mit einem Schrei namenloser Qual an seine Brust flüchtend, lehnte sie ihren Kopf an die Schulter des jungen Mannes. „Ja, ja, wachen Sie über mich, Willibald, schützen Sie mich!" stieß sie in schauernder Angst hervor. Aber faßt im Augenblick faßte sie sich auch schon wieder. Bis in die Stirn errötend, löste sie sich aus den Armen des Jugendfreundes. „O, Himmel, welch' ein albernes, kindisches Geschöpf ich bin," flüsterte sie. „Wollen Sie es niir glauben, es war nur ein Traum, an den ich eben gedacht." „Und dieses Traumbild warnte Sie vor dem Mann, welchem Sie sich zu eigen geben wollen für alle Zeit — nicht wahr?" — fragte Willibald ernst. Sie neigte zustimmend das blonde Haupt. Dann aber schüttelte sie energisch den Bann, welcher ihre Seele umfangen, von sich: „Träume find Schäume", sagte sie. „Ja, es ist sogar sündhaft, Alexander dem Reichskanzler und dem Staatsmini ster Grafen von Bismarck sein Miniaturportrait in Form einer geschmackvoll gearbeiteten Dose durch seinen Hausminister Grafen von Woronzow-Daschkow überreichen lassen. 8 Die Eröffnung des R e i ch s ta g es findet am Dienstag, den 22. Oktober, mittags 12 Uhr, durch den Staatssekretär von Bötticher statt. Der Reichs kanzler reist jetzt mit seiner Gemahlin nach Fried- richsruh zurück. 8 Bergeborbeck, 15. Oktober. Gestern hat auf der Zeche „Helene Amalie" eine Kohlenstaub explosion stattgefunden. Zwei Bergleute erlitten Ver brennungen. Das Nachschwaden verursachte große Gefahr für viele Arbeiter, welche jedoch sämtlich ge rettet wurden. 8 Bischleben, 13. Oktober. Einen billigen Gänsebraten hat der Gastwirt Wangemann hieselbst gehabt. Derselbe fand dieser Tage im Magen einer Gans beim Ausnehmen derselben ein blitzendes Zehn markstück. 8 Die Münchner Handlungs-Gehilfen hielten eine von 500 Personen besuchte Versammlung ab, in welcher nachstehende Resolution zur Annahme kam: „Die versammelten Angehörigen des Handelsstandcs erklären, daß eine vollständige Sonntagsruhe für den Handelsstand anzustreben sei und zwar aus moralischen, religiösen, volkswirtschaftlichen und gesundheitlichen Gründen. Sie ei mächtigen zu diesem Behuse das Komitee der vereinigten kaufmännischen Korporationen in München, beim deutschen Reichstage und dem eben versammelten bayrischen Landtage die geeigneten Schritte zu thun, damit valdmöglichst ein Gesetz ergehe, welches das Gebot der Sonntagsruhe den Handels- und Ge werbetreibenden unter thunlichster Schonung der durch die Jahreszeit, besondere Verhältnisse, die Natur der Betriebe und die Interessen des Veikehrs gebotenen Rücksichten zur Pflicht macht". Bis zur gesetzlichen Regelung der Frage sollen die Inhaber der verschiedenen Handelszweige einz-ln das Ziel der Sonntagsruhe zu erreichen suchen. In der Versammlung hatten sich auch die Neichstagsabgeordneten Biehl (Centrum) und Kröber (Demokrat) für Vie Sonntagsruhe ausgesprochen. § Neues über den König Otto von Bayern wird den Münchener Neuesten Nachrichten auf Grund authentischer Mitteilungen aus Fürstenried gemeldet: König Otto sieht zur Zeit, wenn auch nicht gerade beleibt, so doch sehr kräftig aus. Er tragt einen mächtigen, bis auf die Brust reichenden Vollbart, welcher der Scheere bedürftig ist, aber auf ein ge wöhnliches Maaß nicht reduziert werden kann, weil der leicht erregbare Monarch sich gegen ein solches Ansinnen energisch wehrt. Der Blick ist meist stier, ins Leere gerichtet. Nur wenn eine alte Dienerin, Silberverwahrerin Frl. Marie, die den König als kleinen Jungen schon auf ihren Armen getragen hat, ihm in die Nähe kommt, dann ruft er sie ziem lich lebhaft an und giebt in kurzen Worten einen Befehl, ihm irgend einen Gegenstand, daun und wann ein Glas Bier zu bringen, was er aber sofort wieder vergißt. An anderen Personen geht der stets schwarz gekleidete König vorüber, als ob er sie nicht kenne. Es ist strenger Befehl, ihn nicht zu grüßen, auch darf er niemals auf seinen Promenaden ange- sprochen werden. Häufig steht Otto l. in einer Ecke, gestikuliert mit den Armen und Händen und spricht im Halluzinationszustande lebhaft zu dem Gegen stände seiner Einbildung. Dann aber tritt völlige Apathie ein, welche stunden- und tagelang audauert. Mit Leidenschaft raucht König Otto Zigaretten, ge wöhnlich 30 bis 36 Stück pro Tag. Der Verbrauch an eine Bedeutung derselben zu glauben. — Aber nun genug über ein Thema, das mir die Pflicht ge bietet, uuerörtert zu lassen. Ueberdem ist es auch Zeit nach Hause zu gehen. Es sind noch mancherlei Anordnungen zu treffen und schon morgen verlasse ich L—feld auf längere Zeit, um — Sie wissen es wohl — in Italien meine Vermählung mit Guido Münde zu feiern." „Ich weiß es — Frau Senator, aber ich würde mein Leben darum geben, wenn ich diese Verbindung noch in der elften Stunde verhindern könnte. Nicht — aus egoistischen Gründen", setzte er, wie ein Mädchen errötend, hinzu — „aber mir baugt vor Ihrer Zukunft. Selbst der Prinzipal Ihres Verlobten — Kommerzienrat Heimers — traut Münde nicht. Er dankt Gott, daß er den un liebsamen Kvmptvristen auf gute Manier schon so bald wieder aus seinem Geschäfte scheiden sieht." „Aber weshalb? Worauf stützt sich das Miß trauen dieses Herrn gegenüber meinem Verlobten?" fragte Lilli und schon klang die Empfindlichkeit der in ihrem Erwählten verletzten Braut durch die Worte: „Auf tausenderlei Beobachtungen, die zweifellos beweisen, daß Herr Guido Münde nur eine durch dachte Rolle spielt, ja vielleicht nicht einmal zu dem Namen berechtigt ist, den er hier trägt und —" „Genug, genug, Herr Doktor!" rief sie außer sich, „die Ehre gebietet mir, Sie zu bitten, kein Wort mehr über den Mann zu sprechen, den ich in wenigen Wochen — meinen Gatten nennen werde. Denn natürlich kann ich von alledem, was Sie mir da sagen, auch nicht eine Silbe glauben. Ich kenne von Zündhölzern ist aus dem Grunde enorm, weil der König stets ein ganzes Bündel Streichhölzer anzündet und es dann mit sichtlicher Freude brennend wegwirft. Peinlich genau ist die Lebensweise des Geisteskranken geregelt. Die Mahlzeiten werden streng eingehalten, und es wird das Menu vom Dienstthuenden Arzte vorgeschriebeu. Am Diner nehmen teil am oberen Ende der Tafel der König, dann nach einem größeren Zwischenräume die Ad jutanten, der Arzt und der Hvfmarschall. Der König ißt gern und reichlich, trinkt einige Glas Bier und verlangt ab und zu mit scharfer Kommandostimmt Sekt, den er gern zu sich nimmt. Bei Tafel will er völlig ignoriert sein, wie er sich auch nm die weiter unten sitzenden Kavaliere nicht kümmere. Giebt der Arzt das verabredete lautlose Zeichen, so wird dem Könige das Gewünschte sofort gebracht. Besondere Vorkehrungen hinsichtlich des Bestecks existieren nicht, der König gebraucht Messer und Gabel in normalem Zustande, nur die Serviette wird verschmäht, und dafür der Nock benutzt. Das Schlafzimmer ist mit allem Komfort ausgestattet, auch benutzt der Kranke die Toilettengegenstände sehr häufig; nur vom Baden will er wenig wissen, und es hat seine Schwierigkeiten, ihn dazu zu bewegen. Ebenso hegt König Otto eine gründliche Antipathie gegen das Fahren. Aeußerst empfindlich ist er gegen daß Schließen von Thüren. Findet er eine geschlossene Thür, so gerät er- geradezn in Wut und schlägt mit wuchtigen Fausthieben aus dieselben los. Seit er die Fenster nach der Straßenseite zerschlagen hat, sind diese mit Eisengittern versehen. Was die Be schäftigung des Königs betrifft, so nimmt er wohl ab und zu eine der aufliegenden Zeitungen, als: „Münchener Neueste Nachrichten", „Augsburger- Abendzeitung", „Neue Freie Presse" zur Hand; ob er sie liest und den Inhalt ersaßt, vermag man nicht anzugeben. Seine Umgebung ist unablässig bemüht, auf Zerstreuung des Kranken zu sinnen. Im Frühjahr kam jemand auf den Gedanken, in des Königs Zimmer eine Spieldose zu legen. Der Monarch horchte erstaunt auf die leise Musik uud ein Freudenschimmer flog über sein Antlitz. Einer von den fünf Pflegern meldet diese Gefühlsäuße rung, die rechtzeitig beobachtet werden konnte, sofort dem diensthabenden Arzte. Es wurde schleunigst ein großes Spielwerk im Werte von etwa 5000 Mk. angeschaffl. Allein die gewünschte Wirkung konnte nicht erzielt werden, der König achtete nicht auf die Musik der großen Spieluhr und zeigte schließlich direkten Widerwillen, so daß das Instrument entfernt werden mußte. Die in allerjüngster Zeit verbreitete Nachricht über das schlechte Funktionieren der Un terleibsorgane des Königs ist übertrieben. Wohl ließ die Funktion einiges zu wünschen übrig, indessen vermochte die ärztliche Kunst nachzuhelfen. Was die Zukunft bringt, läßt heute sich noch gar nicht sagen; möglich ist es, daß dem gestörten Geisteszu stand sich einmal ein plötzlicher Krüfteverfall zuge sellt. 8 Stuttgart, 15. Okwber. Karl Mayer, der Führer der württembergischen Volkspartei, ist gestern Abend nach längerem Leiden gestorben. ** Bodenbach, 14. Oktober. In Bünauburg bei Bodenbach wurde der Tagelöhner Türmer aus Kamnitz wegen des Verdachtes der Falschmünzerei ver haftet, ebenso seine Zuhätteiin Fischer aus L-achsen. Man fand bei ihnen in Sügespänen versteckt 110 Stück ganz neue falsche Fünfmarkstücke. Auch in Bensen wurden neuerdings Verhaftungen vorgenommen. Man scheint es hier mit einer wohlorganisierten Falschmünzer- Gnido genauer als Herr Heimers, Sie und die ganze Stadt. Und ich weiß, daß er der beste, ehrenhafteste Mann ist, der sich nur denken läßt. — So, und nun leben Sie auch wohl", setzte die junge Frau in ihrer alten freundlichen Weise hinzu, „recht wohl, lieber Doktor, hoffentlich ist uns ein glückliches Wiedersehen beschieden." „Das gebe Gott", sagte Willibald. Nur einen Augenblick lang ruhten ihre Hände in einander. Dann nickte Lilli dem Freund noch einen letzten Gruß zu und entfernte sich langsam von dem Grab der armen Wäscherin. Der Doktor aber stand wie betäubt. „Sie ängstigt sich vor ihm, sie fühlt ein instink tives Mißtrauen — und doch wird sie sein Weib!! Wer begreift das Frauenherz?" flüsterte er. „Nun, meine Äugen werden sie auf ihrem Pfad begleiten, und wehe dem Schurken, wenn er dieses süße, gläubige Wesen elend macht. Damit rückte er sich den Hut tief in die Stirn und verließ ebenfalls den Friedhof — auf einem andern Weg als die junge Wittwe. Es war ein paradiesischer Flecken der Erde, auf welchem Katharina und Lilli bis zu der Vermählung der letzteren zu weilen gedachten. Von Myrten und Orangen umgeben, stand das zierliche Landhaus am Ufer eines Stromes, der wie ein silberner Faden die fruchtbare Landschaft durchzog und sich sonach in das Meer ergoß. — Lilli war eine sehr große Schwärmerin für Nalurschönheit und begeisterte sich förmlich auch für ihre herrliche Umgebung. Ihre Begleiterin dagegen schien fast kein Auge für die wunderbar schöne Landschaft zu haben, in der sie jetzt, von Luxus