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derte Herr Pastor Or. Eckardt aus Lugau in seiner bekannten zündenden Beredsamkeit den senfkornartigen Anfang der Leipzig, evangel.-lutherischen Mission unter ihrem ersten Glaubensboten Cortes, wie die selbe dann unter dem sichtlichen Segen des Herrn so gewachsen sei, das; sie jetzt 26 Missionare, 60 Katecheten, über l50 Schulen u. s. w. besitzt, ver hehlte aber auch nicht, daß im erwachten römischen Missionseifer eine große Gefahr für unser Gebiet erwachsen sei. Auf Wunsch ergriff Herr Gehring- Teichel nochmals das Wort und schilderte die Stel lung der tamulischen Frauen in oft recht erheiternder Weise. 6 Uhr schloß Herr k. vr. Kleinpaul, nach dem er für jedes Haus die Anbringung einer Missionssammelbüchse angelegentlichst empfohlen hatte, die Versammlung mit einem herzlichen, tief empfundenen Gebete und nach gemeinsamen Gesang und Gebet trennte sich hochbefriedigt und erbaut die Missionsgemeiude. — Ein Dichter über den Nutzen der Steno graphie. Der kürzlich verstorbene Dichter Robert Hamerling war ein begeisterter Anhänger der Steno graphie, über deren Nützlichkeit er sich folendermaßen ausgesprochen hat: „Ich weiß nicht, ob von allem, was ich je gelernt, sich mir etwas segensreicher, hilfreicher für Verrichtung meines irdischen Tage werks erwiesen hat, als die Stenographie. Nachdem ich als Student vor allem durch fleißige Führung von Kollegienheften darin mich eingeübt, zog ich weiterhin bei meinen litterarischen Studien, Entwürfen und Arbeiten einen außerordentlichen Gewinn daraus. Viele meiner Werke erheischten ausgedehnte historische Vorstudien. Da gab es unzähliges anzumerken, eine Fülle bedeutender Einzelzüge zur Auswahl und Ver wendung im Werke übersichtlich festzuhalten. Nur durch die Stenographie wurde mir dies ohne allzu großen Zeitverlust möglich. Und nun erst die Ausführung, Durch- und Umarbeitung des Werkes selbst bis zur Druckerei. Man wendet vielleicht ein, daß ja der Dichter, der Schriftsteller, sein Erzeugnis nicht so rasch auf's Papier zu werfen in der Lage sei, um dazu der Schnellschrist zu bedürfen. Aber wer so spricht, bedenkt nicht, daß der Autor, bevor er einen Satzteil, einen Vers, eine Liederstrvphe mit ihren Reimen niederschreibt, diesen Satzteil, diesen Vers, diese Strophe im Kopfe fertig haben muß. Hat er sie aber fertig, so ist es durchaus nicht gleichgiltig, ob er sich beim Niederschreiben der ge wöhnlichen oder einer Schrift bedient, welche den Aufwand an Zeit und Müße auf ein Zehntel zurück führt. Was an mechanischer Arbeit beim Schreiben erspart wird, kommt ohne Zweifel der geistigen zu Gute. Desgleichen springt der Zeitgewinn, welchen die Schnellschrift dem Schriftsteller leistet, bei Aen- derungen, Zusätzen, förmlichen Umgestaltungen in's Auge. Nicht selten ist ein Schriftsteller veranlaßt, wichtigere und ausführlichere Briefe entweder vor her zu entwerfen, oder eine Abschrift davon zurück zubehalten. In beiden Fällen kommt ihm die Schnell schrift un gemein zu statten. Auf Reisen lassen sich mittelst derselben eingehend Notizen im Fluge verzeichnen, und Tagebücher lassen sich in einem Um fange führen, die beim Gebrauch der gewöhnlichen Schrift unmöglich wäre." — Die Postkarte feierte am 25. September ihren zwanzigsten Geburtstag. Der Wunsch nach Verein fachung des Briefwesens war es, den der damalige Geheime Postrat Stephan im Jahre 1865 auf der fünften deutschen Postkonferenz zn Karlsruhe mit dem Anträge der Gründung eines Pcstblattes zu verwirk lichen suchte. Unter diesem „Postblatt" verstand der Antragsteller eine Abart des Briefes in Gestalt eines einfachen Blattes, welches das Briefschreiben erleich terte und zugleich eine billigere Versendung ermöglichte. Die Postkonferenz vermochte sich mit diesem Gedanken nicht zu befreunden und lehnte deshalb den Antrag einfach ab. Nach vier Jahren erschien in der „Wie ner Neuen Freien Presse" ein Artikel, welcher den selben Gedanken befürwortete, für den auch die öster reichische Postverwaltung gewonnen wurde, so daß im Oktober 1869 die ersten Korrespondenzkarten aus gegeben wurden. Im Königreiche Preußen und im Gebiet des Norddeutschen Bundes erblickte am 1. Juli 1870 die erste Korrespondenzkarte das Licht des Brief kastens. England, die Schweiz und Luxemburg folgten bald, und im Jahre 1873 gab Nordamerika seine ersten Karten aus, worauf 1874 Italien die neue Einrichtung annahm, die sich bis zum Jahre 1878 in der ganzen zivilisierten Welt eingebürgert hatte. — Mit Bezug auf die Bestimmungen des Z 80 und 82 des Krankenversicherungsgesetzes hat das Reichsgericht unterm 21. Dezember 1888 folgen de Entscheidung getroffen: Ein Arbeitgeber, der nach Einführung der Zwangskassen seinen Arbeitern direkt und offen das von ihm zu den Kassenbeiträgen beizu steuernde Drittel wöchentlich am Lohn abgezogen, hatte später durch seinen Werkführer den Arbeitern die Mitteilung machen lassen, daß von nun ab der Wochenlohn um 5 Pfg. pro Kopf erniedrigt werde. Das Reichsgericht hat nun im Einverständ nis mit den Vorinstanzen den Grundsatz aufgestellt, daß eine nach H 82 strafbare Zuwiderhandlung ge gen Z 80 des Gesetzes auch dann vorliegt, wenn nur der Form nach und zum Schein eine Lohnherab setzung vorgenommen wird, während es in Wirklich keit nach der Ansicht des Beteiligten sich um eiue vom Gesetz unter Strafe gestellte Uebereinkunft zum Zwecke der Abwälzung des vom Arbeitgeber zu tragen den Drittels der Krankenkassen-Beiträge auf die Ar beiter handelt. — Die allgemeine Kenntnis dieses Grundsatzes ist um so wünschenswerter für die Be teiligten, als es leider die Zeit noch nicht ganz ver mocht hat, die gegen die Zwangskaffen hie und da zu Tage tretende Abneigung zu beseitigen und die Zahl Derer noch erheblich ist, die lediglich nm die Beiträge zu ersparen, ihren Arbeitern den Eintritt bei einer freien Hilfslasse zur Bedingung machen, — eine Handlung, die unzweifelhaft unter demselben Ge sichtspunkte mit Strafe bis zum Betrage von 300 Mk. bedroht ist. — Unser Ergebirge ist in den letzten Jahren von den sächsischen Landständen mit vielen Eisenbahnen (Annaberg-Schwarzenberg, Herold-Thum, Schönfeld- Geyer, Schwarzenberg-Crottendorf, Stollberg-Zwönitz re.) bedacht worden, aber dennoch sind noch nicht alle Wünsche erfüllt; denn schon der nächste Landtag wird sich wieder mit mehreren Eisenbahnbittschriften zu befassen haben. Da kommt zunächst die allgemein erstrebte Weibrführung der Bahn Stollberg-Zwönitz bis Geyer in Frage, die für den oberen Teil des Gebirges insofern von großem Interesse ist, als sie eine direkte Verbindung Annabergs und anderer Jn- dustrieorte mit dem Lugauer Kohlenbecken bringt. Ferner will man von Schönfeld aus eine Stadtgüter bahn nach der oberen Stadt in Annaberg erbitten, damit die schwierige Güterbesörderung zwischen dem Bahnhofe Annaberg und der Sadt beseitigt wird. Von diesem Stadtbahnhofe aus soll aber die Bahn bis Königswalde weitcrgesührt werden. Eine Zweig bahn Cranzahl-Unterwiesmthal, die dem entlegensten Teile des Gebirges zu gute kommen würde, wird gleichfalls erbeten; es fehlt also nicht an Gelegenheit zur Anlage der etwa überschüssigen Staatsgelder. — Die höchsten Wohnstätten unseres Gebirges gehören zu den höchsten Deutschlands, und die« Ge birge ist auch überhaupt das in allen Höhenlagen am stärksten bevölkerte Deutschland. Es ist bekannt, daß bisher die Sonnenwirbelhäuser am Keilberg auf böhmischem Gebiet (1154 Meter) die höchsten immer bewohnten menschlichen Wohnstätten des Erzgebirgs waren, ebenso, daß das „Neue Haus" am Fichtel gebirge (1080 Meter) die entsprechende Stelle auf sächsischem Boden einnahm, während ganz neuerdings wenigstens für die gute Jahreszeit das Gasthaus auf dem Fichtelberg (1213 Meter) unbestlitten obenan steht und daß endlich Oberwiesenthal die höchste „Stadt" (913 Meter) Sachsens und Deutschlands ist. Noch über 800 Meter Seehöhe liegen außerdem die Ortschaften Mühlleiten, Winselburg und Aschberg im Vogtl., Unterwiesenthal, Satzung, Henneberg bei Jo hanngeorgenstadt, zu Jugel gehörig. Die schon er wähnte höchste sächsische und deutsche „Stadt" Ober wiesenthal (nebst einigen Häusern von Unterwiesenthal) ist nicht zugleich die höchste Stadt des Erzgebirges überhaupt; denn die benachbarte böhmische Stadt Gottesgab übertrifft sie noch um 100 Meter. In gleicher Höhe mit Oberwiesenthal liegen außerdem die beträchtlichen böhmischen Dörfer Stolzenhau und Wiesenthal. Die Kargheit der Natur auf diesen Höhen läßt sich aus folgenden Erscheinungen ermessen, welche man an der Pflanzenwelt beobachtet hat: Die Blüte zeit der Pflanzen tritt in Oberwiesenthal im Durch schnitt 25 Tage, in Jugel bei Johanngeorgenstadt aber 30 Tage später ein als in Leipzig, z. B. die der Kartoffel erst Ende Juli, statt Ende Juni. Entspre chend zeitiger tritt die winterliche Kälte ein. Nur bei günstiger Witterung reifen Hafer und Kartoffeln jenseits der 1000 Meterlinie, Gemüse wächst dort nicht mehr, nur an wenigen Kirschbäumen reifen noch die Früchte. Der Landbau lohnt natürlich in solchen Höhen dem Menschen nicht mehr; die Verfertigung von Spitzen, Posamentierwaren, Stecknadel- und Zünd hölzerfabrikation, Gorlnäherei u. s. w. gewähren den Lebensunterhalt. Von dem wüsten aufregenden Treiben der Großstadt, wo der gemeine Mann, um nur einen erbärmlichen Teil von dem allgemeinen Genußleben um ihn her zu erhaschen, in Höhlen voller Elend, Laster und Verbrechen haust, mögen wir wohl gern den Blick zu jenen rauhen und kargen Höhen der Berge erheben. Nicht minder hart, härter vielleicht ist hier der Kampf ums Dasein, aber statt zu ent nerven und zu verderben, stählt und sittlicht er den Menschen, und statt des wilden Genusses gewährt er dem wackeren Kämpfer inneren Frieden, hat er doch in der dürftigen Hütte am Rande des Moors oder des Hochwaldes noch ein eigenes Heim und bleibt näher dem Himmel, auch seinem Gotte näher, als jene da unten. — Mau schreibt aus Dresden: Für den kom menden Mittel- und Spätherbst steht ein Rückgang der jetzigen hohen Butterpreise zu erwarten. Der Grund hiefür soll in den in diesem Jahre so massen haft vorhandenen Gänsen zu suchen sein. Tausende und Abertausende dieser Retterinnen des Kapitols sind im Laufe dieses Monats durch Händler von dem Anslande nach den verschiedenen Dörfern unseres Vaterlandes spediert worden, um dort fett gefüttert zu werden. — Leipzig, 25. Sept. Bei einer 70jährigen Witwe im benachbarten Thonberg ist letzter Tage ein höchst frecher Einbruchs- und Raubversuch verübt worden. Die Dame trug beständig ihre Ersparnisse u e b e r l i st e t. Humoreske von Karl Keller. (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) Nach einer Weile kehrte Herr Geimer in die Gaststube zurück. In bester Laune über den in Aus sicht stehenden Zuwachs seiner Gäste spazierte er im Zimmer umher; da siel sein Blick auf den Brief. „Potz, da hat er richtig den Brief vergessen," sagte er; „ich bin doch neugierig, was das für ein Besuch sein soll." Er schaute sich vorsichtig um, näherte sich lang sam dem Tische, auf welchem der Brief lag und faltete letzteren hastig auseinander. Der Inhalt des Schreibens machte auf den guten Mann eine eigentümliche Wirkung; er starrte auf das Papier, als traue er seinen Augen nicht, schnitt dann ein Gesicht, das aus übermäßigem Staunen ganz dumm aussah. „Ist es möglich?" rief der dicke Wirt in höchstem Grade erregt aus und wischte sich mit der Weißen Schürze den Schweiß von der Stirn. „Der Prinz kommt hierher? In mein Haus? — Und dieser Brief ist von ihm — eigenhändig von ihm ge schrieben? Der Doktor ist ein Freund des Prinzen — und der Bürgermeister hat ihn so rücksichtslos be handelt, — Herr meines Lebens, ich muß zum Bürger meister! Diese Nachricht bringt mich schier um den Verstand!" Er lief in der That wie närrisch mit dem Briefe zur Thür hinaus, über die Straße in das Haus des Bürgermeisters. Dieser saß in seinem „Studier-" zimmer und feilte an seinem Werke; er sah er staunt auf, als der Wirt mir hochrotem Gesicht hi'neingestürzt kam und sich erschöpft in einen Sessel fallen ließ. „Um Gotteswillen, was ist los, Herr Geimer?" rief er. „Brennt's in der Stadt, oder ist der Kirchturm eingestürzt?" „Machen Sie keine schlechten Witze," erwiderte der Wirt keuchend, „und denken Sie lieber darüber nach, wie Sie sich wieder aus der Patsche Heraus reißen, in die Sie gefahren sind. Hätten sich aber auch gleich denken können, daß es mit dem Doktor seine eigene Bewandtnis hat." „Was faseln Sie da? Was ist mit dem Doktor?" fragte der Bürgermeister ärgerlich. „Hier lesen Sie," sagte der Wirt ein wenig schadenfroh und reichte dem Bürgermeister den Brief. Dieser las und sein Gesicht wurde zusehends länger. Der Brief lautete: „Mein lieber Freund! Ihr letzter Brief brachte mir bezüglich der dortigen Verhältnisse leider schlechte Nachrichten. Ich hatte gehofft, daß Sie die bewußte Stelle ohne mein Zuthun erhalten würden, da ich natürlich das Interesse nicht verraten darf, welches ich daran habe, die Stelle gerade durch Sie besetzt zu sehen. Machen Sie daher nochmals einen Versuch; sollte indes auch dieser nichts fruchten, so sehe ich mich genötigt, der dortigen Stadtbehörde einen Wink zukommen zu lassen, da ich auf alle Fälle einen Vertrauensmann dort haben muß. Dringende Angelegenheiten machen meine An wesenheit auf Schloß Hohenau unbedingt erforder lich. Ich werde bei dieser Gelegenheit auch mit Ihnen Rücksprache nehmen und bitte Sie, mich morgen zu erwarten. Es würde mir angenehm sein, wenn Sie mich bei einigen Ihnen befreundeten Familien als Kaufmann Robert Kolbe (ich reise unter diesen Namen) einführen könnten, um selbst zu hören, was man über meine bevorstehende Ver mählung spricht. Ich verbleibe mit freundlichem Gruße Ihr Prinz Georg." Der Bürgermeister hatte den Brief schon lange gelesen, und noch immer stand er bewegungslos da. „Wo haben Sie dies Schreiben her?" fragte er endlich. Der Wirt erzählte, wie er zu demselben gekommen. „Also der Briefträger hat es in Ihrer Gegen wart gebracht — der Doktor hat es nicht absichtlich liegen lassen?" „Wo denken Sie hin? Er wird außer sich sein, wenn er es vermißt — ich muß dasselbe sofort wieder an Ort und Stelle bringen." „Also morgen soll der Prinz kommen? — Herr Geimer, Sie müssen Augen und Ohren offen halten und berichten Sie mir über jenen Fremden, der an kommt." Der Wirt versprach dies und enfernte sich eiligst. „Mein Gott", murmelte der Bürgermeister vor sich hin, „wenn das alles Wahrheit ist, dann habe ich wirklich einen dummen Streich gemacht. Wir