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— Oelsnitz i. E., 26. August. Freitag nach mittag hat sich wieder ein Unglücksfall, ganz ähnlich dem vom Montag, zugetragen. Ein mit Ziegeln be ladener Wagen des Geschirrbesitzers Baumann in Lugau fuhr die Stollberger Straße herein. An dem Wagen war auch nur ein einfaches Schleifzeng; das selbe zersprengte beim Andrehen und der Wagen raste den Berg herein und fuhr mit voller Gewalt an das Wohnhaus des Schmiedcmeisters Pahner. Das eine Pferd wurde vom Wagen an die Wand gequetscht und erlitt solche Verletzungen, daß es sofort getötet werden mußte. Die Deichsel stieß durch das Fenster, dasselbe zertrümmernd, die Gewandung aus den Fugen hebend und ein ganzes Stück Mauer einreißend. Ein Schreibsekretär, der in der Ecke neben dem Fenster gestanden, wurde durch die Wucht des Anpralles um geworfen und beschädigt. Ein großes Glück ist es nur noch zu nennen, daß der Unfall nicht einige Minuten eher passierte; denn die Pahnerschen Kinder hatten hart am Fenster gesessen und waren eben aufgestanden. — Vorigen Mittwoch verunglückte auf einem Schachte in Oelönitz der Planierarbeiter Nier aus Neuwiese derart, daß sich seine Unterbringung in dem Otto-Hospital nötig machte, woselbst er am Donners tag starb. Er hinterläßt Frau und 2 Kinder. — Ernstthal, 26. August. Der vor einigen Jahren gegründete „Verband sächsischer Jugend- Vereine" hielt gestern in unserer Stadt sein erstes Verbandsstiftungsfest ab. Der Besuch war ein außer ordentlich zahlreicher, aus nah und fern waren Ver eine und Deputationen erschienen. Nachmittags 2 Uhr fand im großen Gastzimmer des Ratskellers Delegierten-Sitzung statt. Dieselbe eröffnete und leitete der Verbandsvorsitzende Herr Th. Schreiner von hier. In lebhafter Debatte wurden die auf die Tagesordnung gestellten Beratungsgegenstände erledigt, unter welchen besonders zu erwähnen ist die Unterstützung von Vereinsmitgliedern durch den Verband in außerordentlichen Notfällen und ferner die Einführung der Diplomierung von Verbands- bezieh. Vereiusmitgliedern. Nach Beendigung der Sitzung wurde ein Festzug arrangiert, an welchem ca. 400 Personen teilnahmen. Denselben eröffneten 2 Mitglieder zu Pferde und zwei Radfahrer. An gekommen am Schützenhause hieß sodann der Ver bandsvorsitzende die Anwesenden herzlich willkommen und dankte für zahlreichen Besuch, indem derselbe gleichzeitig Sr. Maj. König Albert ein kräftig unter stütztes Hoch ausbrachte. Konzert, Festtafel und Ball bildete sodann den weiteren Verlauf des Festes. — Durch die Agentur Walden bürg der Köln. Hagelversicherungsgesellschaft ist jetztdieEntschädigung für die in dortiger Gegend am 12. Jnli verursachten Hagelschäden anFeldfrüchten inHöhevon 123,142 Mk. 46 Pfg. zur Auszahlung gelangt. — Indem bekannten Luftkurort Wechselburg im lieblichen Muldenthale wird eine große Natur- Heilanstalt angelegt werden. Eine herrschaftlich ein gerichtete Villa ist zu diesem Zwecke erworben worden und wird zum 1. Oktober d. I. schon den Jüngern Prießnitz und Schroths übergeben werden. — Das Schöffengericht in Crimmitschau ver urteilte dieser Tage einen der leider überall anzutref fenden Holzschnitzer, die nicht umhin können, ihre Namen in die zum allgemeinen Gebrauch aufgestellten Tische und Bänke einzuschneiden, zu der empfindlichen Strafe von acht Tagen Gefängnis. — Mylau, 26. August. Nachdem am Donners tag, 23. August, auf einem Felde oberhalb des Schieß platzes das Feuerwerk beendigt war, schlich sich unbe- Die Tochter des Deserteurs. Erzählung aus den jüngsten Tagen von Hans Bernauer. (Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.) „O mein Gott! So weit ist es mit meinem Mann gekommen!" jammerte sie und bedeckte krampf haft schluchzend ihr Antlitz mit den Händen. Graf Emil reichte dem Bettler unbemerkt einen Dukaten und sprach leise: „Hier ist noch etwas für das letzte, hoffentlich wirksame Bild! Jetzt aber geht Eure Wege!" Barenski nahm seinen Kasten auf den Rücken und entfernte sich mit vielen Verbeugungen. Mari: hatte sich mittlerweise erholt und, den Kopf nachdenklich auf die Hand gestützt, war sie in dumpfes Nachsinnen versunken. „Mein Kind," begann die Gräfin in erheuchelt zärtlichem Tone, „bist Du nun von Deiner unseligen Leidenschaft geheilt?" „Ich will — ich muß ihn ja vergessen für immer!" entgegnete Marie und brach in lautes Weinen aus. Vom Korridor vernahm man jetzt laute Stimmen, aus welchen diejenige Hofer's hervortönte: „Nein, nein, ich will mich nicht länger verbergen! Ich will mein Weib, mein Kind umarmen!" „Gerechter Himmel!" rief Marie in furchtbarer Aufregung. „Diese Stimme — das ist seine Stimme!" Die Gräfin und Emil wurden blaß und wech selt m bedeutungsvolle Blicke. „Er hier in unserem Schlosse!" rief die Gräfin erregt. „Welche Verwe genheit!" fugter Weise ein junger Mensch von ca. 25 Jahren, namens Sonntag, auf das Feld und suchte nach nicht verbrannten Leuchtkugeln. Er fand eine solche und steckte sie, nichts Schlimmes ahnend, in die Hosen tasche. Durch die beim Zurückgehen nach dem Schieß- Pratze entstandene Reibung entzündete sich die Leucht kugel, und der vordere Teil der Kleider dieses unbe sonnenen Menschen brannte bald bis zur Brust lich terloh. Zwar wurde die Flamme von einigen Män nern bald gelöscht, jedoch hatte Sonntag am Unter leib und an den Händen so bedeutende Brandwunden erhalten, daß sofort ärztliche Hilfe in Anspruch ge nommen werden mußte. — Am Donnerstag abend spielte sich in Oelsnitz i. V. ein ergötzlicher Vorfall ab. Als nämlich nach beendeter Vorstellung die im Zirkus Born thäiig ge wesenen zwei Stephanien vom Marktplätze nach den in der Altstadt gelegenen Ställen geführt wurden, hatte sich eine ziemliche Anzahl Menschen zur Beglei tung eingefunden; kurz vor den Tieren schritt auch eine Frau, welche trotz mehrfacher Zurufe nicht zu bewegen war, ans dem Wege zu gehen; da machte der eine Elephant kurzen Prozeß, nahm die Frau mit seinem Rüffel um die Taille, hob sie in die Höhe und setzte sie sanft bei Seite, was natürlich auf Seiten des Publikums ungeheures Gelächter, seitens der Frau aber lebhaftes Geschrei hervorrief. 8 Berlin, 26. August. Der „Post" wird aus Posen gemeldet, daß die Stadt Skarhszeff im Gouvernement Radom vollständig niedergebrannt ist. Fünf Menschen sind verbrannt, eine größere Anzahl Hai Brandwunden davongetragen, der Schaden ist enorm. 8 Berlin, 26. August. Die Worte, welche Kaiser Wilhelm bei der Grundsteinlegung zum Denk mal weiland Kaiser Wilhelms I. in Metz zum Hammer schlage sprach, lauten nach dem „Reichsanzeiger": „Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes zum Gedächtnis des Begründers der deutschen Einheit des Heimgegangenen Kaisers Wilhelms I Ich sprach's, Gott walt's!" — Der Kronprinz und die übrigen kaiserlichen Prinzen treffen Mittwoch von Wilhelmshöhe in Potsdam ein. — In Hofkreisen verlautete heute früh, der Zar würde morgen mit dem Thronfolger in Potsdam eintreffen, würde aber nur wenige Stunden bleiben. Die Abendblätter wissen davon nichts zu melden. — Die Kaiserin Augusta wechselte in Schlangenbad Besuche mit der Königin Isabella von Spanien. — Pariser Blätter behaupten allen Ernstes, Kaiser Wilhelm fei zwischen der eng lischen und der elsässischen Reise 48 Stunden lang, nur von einem Adjutanten begleitet, in Paris gewesen. Die französische Regierung habe um das Jucognito gewußt und durch discrete Polizeimaßregeln dafür ge sorgt, daß nichts Ungehöriges geschehe, falls der Kaiser erkannt werden soll. — Der sächsische Kriegsminister Graf von Fabrice ist heute früh hier eingetroffen. — In hiesigen politischen Kreisen verlautet, der Finanz minister v. Scholz, der sich noch auf Urlaub befindet, werde nicht auf seinen Posten zurückkehren. — Der in Diensten des Congostaates stehende Sohn Tippo- Tipps, SefwBen-Mvhamed, der sich in Sansibar befindet, verhandelt im Namen Wißmanns mit Bushiri betreffs der Wiederherstellung des Friedens. Der Afrikareiscnde Dr. Hans Meyer tritt wese Woche seine neue Reise nach dem Kilimandscharo an. Z Großes Aufsehen erregt in Mainz die Ver haftung eines Wagnermeisters, der seither fast aus schließlich für das Artilleriedepot beschäftigt war; sämtliche Bücher, Briefe rc. wurden confisciert. Wie bestimmt verlautet, hängt diese Verhaftung mit Unterschleifen zusammen, die an der Militärverwal- Die Thüre öffnete sich und die kleine Marie stürmte zu derselben herein; hinter ihr Hofer. „Mutter, Mutter, schütze mich!" rief die Kleine. „Ein garstiger Bettler verfolgt mich und will mich sogar umarmen." Kaum hatte Hofer im Hereineilen seine Frau erblickt, als er derselben zu Füßen stürzte und lachend und weinend vor Freude ausrief: „Marie, mein geliebtes Weib — endlich habe ich Dich wiedergefunden!" „Joses, — mein Josef!" rief Marie, eilte auf ihn zu und wollte ihn anfheben, doch die Gräfin hielt sie zurück und sprach leise: „Was willst Du thun? Den Verbrecher umarmen, der Dir nur Liebe heuchelt, um sein Leben zu retten!" Marie ließ die Arme sinken und ihre Augen füllten sich mit Thränen. — Hofer hatte in seiner überströmenden Freude diesen Vorgang nicht bemerkt und wollte nach der Kleinen langen, um sie zu umarmen, doch diese rief, ihn wegstoßend: „Zurück Bettler! — Nicht wahr, Mama, der Mann ist nicht mein Vater? Die Schande wäre zu groß! Lieber wollte ich sterben!" Hofer, der noch immer auf den Knieen lag, sprach verwundert: „Wie? Höre ich recht? Das Kind verachtet seinen Vater? Weib, sag' doch un serer Marie, daß ich ihr Vater bin und daß ihr Leben meine Seligreit ist! Du schweigst Marie — auch Du?" Marie verhüllte ihr Antlitz mit den Händen. — Die Gräfin trat jetzt vor und sprach zu Hofer: „Mein Herr! Ich befehle Ihnen, augenblicklich das Schloß zu verlassen." tung verübt worden sein sollen. Thatsache ist, daß auch gegen Militärpersonen Untersuchung eingeleitet worden ist. Die ganze Angelegenheit wird sehr ge heim gehalten. 8 Eine lustige Geschichte Passierte am Montag in einem Coups des von Köln in Trier mittags ein treffenden Zuges. Ein Reisender, welcher sich eine Cigarre anzünden wollte, bat einen ihm gegenüber sitzenden Herrn, der am Rauchen war, um Feuer. Nachdem er von diesem den brennenden Cigarrenrest erhalten und seine Cigarre in Brand gesetzt, warf er den Rest mit der Bemerkung: „Ich danke" zum offenen Fenster hinaus. Der Andere sagte hierauf nichts, griff aber in seine Tasche, nahm eine frische Zigarre und bat nun seinerseits den ersten Herrn um Feuer, dieser übergab die frisch angezüudete Cigarre mit einer höflichen Verbeugung. Nachdem nun der zweite Herr sich ebenfalls bedient, warf auch er die ganze Cigarre des Andern mit den Worten: „Ich danke" zum Fenster hinaus. Der Verblüffte soll nichts hierauf zu bemerken gehabt haben. (Trier. Ztg.) ß Ein Mord wird aus Stettin gemeldet. Im Hinterhause eines Grundstücks der Wallstraße wohnte im ersten Stockwerk die unter Sittenkontrolle stehende verehelichte Wilhelmine Marotzek geb. Krause mit ihrem Zuhälter, dem Tchlossergesellen Neumann. Als letzterer Freitag abend gegen 9 Uhr aus der Stadt heimkehrte, fand er deren Wohnung verschlossen und ließ sich, da er drinnen Besuch vermutete, wartend auf eine der obersten Treppenstufen nieder. Hier hatte er noch nicht lange gesessen, als die Stnbenthüre der M. hastig geöffnet wurde und ein Mann, dem der Hemdkragen zerrissen und das Che misett zerknittert war, bei ihm vorbei in wilden Sprüngen die Treppe hinabsetzte und znm Hause hinauseilte. Schlimmes ahnend, betrat Neumann das Zimmer seiner Geliebten und ein entsetzlicher Anblick bot sich ihm hier. Gebrochenen Auges, lautlos lag die M. in einer großen Blutlache am Boden. Sie war durch drei Messerstiche in die Brust, von denen einer das Herz durchbohrt hatte, getötet worden. Nach dem äußeren Befunde mußte zwischen dem Mörder und seinem Opfer ein heftiger Kampf stattgefunden haben. § Ein allerliebster Zwischenfall trug sich bei der Abreise des Kaiserpaares aus sstraßburg zu. Als die Majestäten am Bahnhöfe aussteigen wollten, trat die Gattin des pensionierten Gendarmen Dobrick vor, auf den Armen ein weißgekleidetes Kind haltend, welches mit seinen kleinen Händen der Kaiserin einen Blumenstrauß entgegenstrcckte. Die hohe Frau nahm den Blumenstrauß entgegen und rief auf die Bemerk ung der Mutter, der Kleine sei ein Patenkind des Kaisers, ihrem Gemahl zu: „Du, Wilhelm, komm doch einmal her und sieh' den prächtigen Jungen". Der Kaiser, welcher inzwischen ausgestiegen war, drückte der Frau Dobrick die Hand, dankte für den Strauß und sagte: „Wie viele Kinder haben Sie denn, liebe Frau?" — „Neun, Majestät!" —„Alles Jungen?" — „Nein, Majestät, zwei Mädchen, aber sieben Buben. Dieser hier ist der siebente, und da haben Majestät die Gnade gehabt, die Patenschaft anznnehmen." — „Ach ja, ich erinnere mich. Wie alt ist denn der älteste?" — „Dreizehn Jahre, Ma jestät, er ist jetzt in der Militär-Anstalt in Anna burg." — „So, das ist schön, und wie alt ist denn der jüngste, diefer hier?" — „Am Tage, an dem Ma jestät hier cinzogen, ist er vierzehn Monate geworden." — „Na, das ist ja ein prächtiger kleiner Kerl für fein Alter, der giebt mal einen strammen Soldaten. Jetzt erst erblickte Hofer die Gräfin, er sprang auf undsagte: „Ah! Die verhängnisvolle Dame! Ja, ja, gnädige Frau, ich will augenblicklich das Schloß verlassen, aber mein Weib und mein Kind nehme ich mit!" „Marie wird bleiben!" entgegnete kalt die Gräfin. „Sie haben jedes Recht auf sie ver wirkt!" Zornig und verbissen, durch die Worte der Gräfin erregt, rief Hofer: „So? Und ich sage Ihnen, ich habe ein heiliges Recht auf Marie! Sie gehört mein — mein mit Leib und Seele!" „Komm, Marie, komm! — Wie? Duzauderst mir zu folgen?" Die Gräfin trat dazwischen. „Zurück oder ich rufe um Hilfe! Marie darf und will nichts mehr von Ihnen wissen!" „Will nichts mehr von mir wissen!" entgegnete Hofer zusammengebrochen und trat einige Schritte zurück. „Marie, ist das war? Nein — unmöglich! Es ist die schändlichste Lüge, die je über eines Menschen Lippe geflossen! Marie, mache diese Verleumderin zu Schanden! Sage ihr doch, daß Du den abgehärmten Bettler noch ebenso liebst, als einst den Gespielen Deiner Jugend — sage ihr das, dann will ich gerne sterben!" Von überströmenden Gefühlen ergriffen, wollte Marie in seine Arme stürzen, doch die (Gräfin nahm ihren Arm und zog sie fort. An der Thür wendete sich Marie nach ihm um und sprach mit gebrochener Stimme: „Josef — wir sind getrennt—für immer!" Dann wankte sie hinaus, gefolgt von der Gräfin und Emil. Hofer war ferner Sinne nicht mehr