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Zerschmetternd an die Fensterlein Die Kugeln schlagen voller Wucht, Und ungehindert strömt herein Die kalte Flut in jäher Flucht; Da hebt der Sturm mit lautem Krache Die Ziegeln schleudernd von dem Dache! — Es ist vorbei! In Not und Harm Vernichtet bleibt der Mensch zurück, Und jammernd schaut er, bettelarm, Ans sein zerrüttet Erdenglück; Zn wenig gräßlichen Sekunden Ist Hab und Gut und Mut geschwunden! — Da schreitet eine Lichtgestalt, Die rettende Barmherzigkeit, Mit ihrer Bitte Allgewalt, Durch alle Gaueu weit und breit, lind klopfet an die Menschcnhcrzeu: O helfet, heilt der Armut Schmerzen! Wem nicht versteinert das Gemüt, Wer innig fühlet noch und warm, Vom Strom des Mitleids heiß durchglüht Für seiner Brüder 'Not und Harm, Der öffne willig Herz und Hande, Gott segnet auch die kleinste Spende! — Freiberg, 31. Juli. Auf dem Elisabeth- schacht ist gestern eiu Lehrhäuer, welcher an der Wasserpumpe beschäftigt war, von der Buhne abge- rutscht und mehrere Meter tief heruntergestürzt. Er erlitt einen Halswirbelbruch und starb auf der Stelle. — Lausigk, 30. Juli. Dein gestern auf dem hiesigen Hermannsbad abgehalteneu 11. Vsrbandstag der Schneider-Korporationen desMuldenthales wohnten 42 Abgeordnete bei. Die Verhandlungen leitete der Verbandsvorsitzende Herr Haschke aus Chemnitz; es ist zu erwähnen, daß die Innungen zu Zwickau und Glauchau aus dein Verbände ausgeschieden sind und daß die Einführung von Legitimatwüsbüchern ähnlich denen des deutschen Schneiderbundes beschlossen wurde; die Bucher sollten vorerst an die zu entlassenden Lehr linge, ferner aber auch an solche Gehilfen, die sich gut geführt haben, zur Ausgabe gelangen. Ferner wurde die Einführung alljährlicher Prüfungen der Lehrlinge warm befürwortet. Für Garnifonstädte besonders wichtig war die Gutheißung des Antrages; beim Königl. Kriegsministerium dahin vorstellig zu werden, daß dasselbe in Fällen außerordentlichen Be darfes und überhäufter Aufträge in den Schneider werkstätten vorübergehend aktive Mannschaften des stehenden Heeres.zur Aushilfe beurlauben wolle. End lich wurden auch die mannigfachen Vorteile erwogen, welche der gemeinsame Einkauf der zum Betriebe des SchneidergewecbeS erforderlichen Materialien mit sich bringt. — Als Vorort für den nächsten Verbands tag wurde Hohnstein bestimmt, der bisherige Vor sitzende, Herr Haschke-Chemnitz, wurde wiedergewählt. — Dem Gutsbesitzer Uhlemann in Hain wurde beim Getreideeinfuhren eine schwere, anscheinend Etliche Verletzung zugefügt. Er wurde, als er versuchte die durchgehenden Pferde aufzuhalten, zu Boden geworfen und von den Tieren, derart auf den Kopf getreten, daß er bewußtlos nach seiner Behausung und später nach Leipzig transportiert werden mußte. — Waldheim, 30. Juli. Das Beispiel verschiedener Vorschußvereine, sich in eine Aktienge sellschaft .umzuwandeln, findet rege Nachahmung. Auch der hiesige Borschußverein, eingetr. Gen., ladet seine Mltglieder für Donnerstag zu einer außeror dentlichen Generalversammlung ein, deren Tages ordnung als einzigen Punkt Stellungnahme zum neuen GenossLnschaftsgesetz oder Umwandlung des Vorschußvereius in eine Aktiengesellschaft bildet. — Der in Leipzig tagende deutsche Korbmacher tag ist zahlreich beschickt. Der deutsche Korbmacher- bund zählt über 600 Mitgieder. Eigentümlicherweise existieren, wie der Vorsitzende mitteilte, weder in Bayern noch in Württemberg und Baden Korbmacher- Innungen; es wurde daher beschlossen, die Begrün dung derartiger Innungen in jenen Staaten anzu regen. Ferner soll beim Reichstage erneut um Ein schreiten gegen das Haussiererwesen petitioniert und eine Meister-Sterbekasfe für Verbandsmitglieder ins Leben gerufen werden. — Das „Leipziger Tageblatt" schreibt: Das stets auf das Geschmackvollste mit dm anziehendsten Kunstneuheiten ausgestattete Schaufenster der Kunst handlung von I. B. Klein auf dem Neumarkte, fesselt seit einigen Tagen die Vorübergehenden noch ganz besonders durch eine darin ausgestellte prächtige Sculpturarbeit, nämlich durch die etwas über lebens große Portraitbüste des um die Musik-, insbesondere die Gesangspflege in unserer Stadt so rühmlich ver dienten Direktor des Zöllnerbundes Herrn L. Greiff. Dies schöne Bildwerk ist in Gips modelliert von der Hand eines jüngeren, bis jetzt noch nicht mit einer Portraitarbeit an die Oeffentlichkeit getretenen Leip ziger Künstlers, Martin Götze, eines talentvollen Schülers des Professors Melchior zur Straßen. Es ist dieser geniale Musikerkopf mst dem von reich wallendem zurückgeftricheneu Haar und mächtigem Vollbart umrahmten interessanten Antlitz ein höchst wirkungsvolles Stück Bildhauerarbeit von ebenso scharfer und feinfühliger Charakterisierung wie vor Allem von sprechendster Bildnisähntichkeit. Unter stützt wird die Wirkung des ganzen auf das Harmo nischste von der slottm, geschmackvollen Behandlung der Gewandungsmotive. Besonders den zahlreichen Freunden und Verehrern des Dargestellten wird das schöne Götze'fchen Werk eine wahre Freude sein. So recht zur wahre» Geltung würde freilich die Arbeit ihrer ganzen Bedeutung nach kommen, wenn sie zu einer Ausführung in edlem Metall gelangte. — V v l k m a r s d o r f, 31. Juli. Am heu tigen Morgen hat sich in einer Wohnung der Ra- betstraße hwrselbst ein schrecklicher Unglücksfall zu getragen. Das vierjährige Kind eines Markthelfers daselbst wurde infolge des Umstandes, daß der Boden eines blechernen Topfes sich löste und das siedende Wasser auf Brust und Arme des Kindes sich ergoß, schwer verbrüht und mußte im Leipziger Krankenhause untergebracht werden. —- Die 22jährige Dimstmagd G. in Kunzen dorf ging vorigen Sonntag wider den Willen ihres Dienstherrn zum Tanzvergnügen. Da dieselbe zur Zeit des Schlafengehens noch nicht zu Hause war, entfernte der Bauer die Leiter, welche die Magd benutzen mußte, um von Stalle aus nach ihrer Schlaf stätte auf dem Heuboden zu gelangen. Spät abends kam das Mädchen nach Hause. Da die Hilfsleiter fehlte, stieg sie auf eine Bank, hob eine lose gewor dene Bohle der Decke in die Höhe und versuchte sich so nach dem Heuboden durchzuzwällgeu. Anscheinend wurde sie, da sie vorher des Guten zu viel geuossen hatte, schwach, so daß sie die zurückschnappende Bohle nicht mehr halten konnte. Am wider» Morgen nun fand man das Mädchen so eingequetschl vor, daß der Oberkörper in den Heuboden, der Unterkörper in den Stall hüieinragK. Wiederbelebungsversuche blieben erfolgslos. Die darauf stattgehabte gericht liche Sektion bestätigte die Voraussetzung, daß das junge Mädchen von der Bohle erdrückt worden ist. - Oschatz, 31. Juli. Wie bereits bekannt, werden gelegentlich der zu Anfang September d. I. iu der Nähe von Oschatz stattfindenden Manöver Se. Maj. der deutsche Kaiser und Se. Maj. der König von Sachsen unsere Stadt zwei Mal berühren. Aus diesem freudige» Anlaß haben die städtischen Kollegien die Schmückung der Straßen und Plätze, welche die Allerhöchsten Herrschaften passieren, be- beschlossen und dazu einstimmig 2500 M. aus städ tischen Mitteln bewilligt. Z Berlin, 1. August. Der Kaiser uud die Kaiserin, sowie der Prinzregent von Bayern treffen am 15. August in Bayreuth zu einem viertägigen Aufenthalt eiu. Ani 17. August findet Parade über die in Bayreuth garnisouierenden Truppen statt. Z Wo landet Columbus? Das Rätsel, an welchem Punkte Amerikas Columbus bei seiner Ent deckungsfahrt landete, ist noch immer nicht gelöst. Da nun der Tag, an welchem die Landung geschah, am 12. Oktober 1892 sich zum vierhuudertsten Male jährt, wird diese Frage wahrscheinlich wiederum aus dem Programme der öffentlichem Diskussion stehen. Den Geschichtsforschern eröffnet sich hier ein um so dankbareres Feld, als, wie wir schon kurz mitteilten, die Königliche Gesellschaft für Geschichtsforschung in Madrid einen Hauptpreis vou 1200 Pfund Sterl. (24 000 M.) und einen Nebenpreis von 600 Piuud Sterl, für die beste Arbeit über die Entdeckung Amerikas ausgewvrfeu hat. Die Preisbewerbung ist internatio nal: die Arbeit darf in der spanischen, portugie sischen , englische», deutschen, französischen oder italienische» Sprache abgefaßt sein. Z Rudolstadt. 29. Juli. Ein verheerendes Hagelwetter, bc: welchem bis taubeneigroße Hagel körner fielen, und zwar in solchen Mafien, daß die ganze Gegend iner Schneelandschajt glich, zog mit Blitz und Donner letzten Sonnabend um 0^5 Uhr über unsre Gegend. Der Schaden, welcher hierdurch angerichtet ist, dürfte sehr bedeutend sein. Viele Blitze schlugen in nächster Nähe em. H München, 1. August. Der Turner Karl Enger vou Nüruberg, 32 Jahre alt, ertrank gestern uachm. beim Baden im Starnberger See. Z Buchloe (Schwaben), 31. Juli. In Euris- hofen verstarb kürzlich der Gastwirt Kaiser, ein wohl habender alter Junggeselle, der sich bei Lebzeiten in allerhand Sonderbarkeiten gefallen hatte. Bei der Eröffnung seines Testaments fand sich, daß er seiner Wirtschafterin eine Rente von täglich 2 Mark, seinem Hunde eine solche von täglich 1 Mark, der Katze von 50 Pfennige vermacht hatte, während seine Ver wandten mit „Kapitalien" von 5, 10 und 20 Mark bedacht waren. Den übrigen Teil seines nicht unbe deutenden Vermögens vermachte er den Distriktsge meinden Buchloe unv Kaufbeuren zu wohlthütigen Zwecken. ß Posen, 31. Juli. Auf dem hiesigen Güler- bahnhofe ist ein großer Lagerschuppen mit dem sämt lichen Inhalt vollständig niedergcbranut. Der Schaden wird auf 100,000 Mark geuhätzt. Akan vermutet eme Brandstiftung. — In RoSkowo bei Werschen starben vier Personen nach dem Genuß giftiger Pilze. Z Aus Schleswig, 30. Juli. Großes Auf sehen erregt das entsetzliche Ende der 20 jährigen, reichbegüterten Tochter des Kapitäns Johannsen in Ubjecg bei Tondern. Nachdem gestern nachmittag der nach Norden gehende Zug sich eine kurze Strecke von der Station Tondern entfernt hatte, bemerkte der Lokomotivführer zu seinem Entsetzen eine Gestalt, die ruhig zwischen den Schienen stand; er ließ sofort die Dampfpfsife ertönen, allein die Gestalt, eine elegant gekleidete Dame, rührt sich nicht. Schnell wurde die Bremst in Thätigkeit gesetzt, um den Zug zum Stehen zu bringen, allein zu spät. Die Entfernung zwischen dem Zuge und der Danie wurde immer geringer. Als die Maschine nur einige Schritte von der Selbst mörderin entfernt war, warf sich diese plötzlich quer D unke l! Erzählung von Friedrich Friedrich. HA (Nachdruck tterdoten.) (Fortsetzung.) Er sprang unruhig auf. Diese Zweifel peinigten ihn am meisten, weil er wußte, daß sie seine Thatkraft lähmten. Eiu uuerwarteter Besuch störte ihu darin. Der Superintendent Feld trat zu ihm ius Zimmer. Er konnte sein Erstaunen nicht verbergen, den Mann bei sich zu sehen, mit dem er nie in nähere Be rührung gekommen war, dem er seiner ganzen religiösen Ueberzeuguug nach sehr seru stand. — Sollte er auch in Prells Angelegenheit kommen? Prell war ja Mitglied des Philemon? — Diese Fragen tauchten in ihm auf. „Sie wuudern sich, daß ich zu Ihnen komme, Herr Polizei-Kommissär", sprach Feld in ruhigem, fast demütigem Tone. „Bitte — setzen Sie sich, Herr Superintendent!" unterbrach ihn Körber. Es gewährte ihm doch Ver gnügen, den Mann bei sich zu sehen. Es gab ihm Unterhaltung, Zerstreuung. „Der Doktor Prell war heute morgen bei mir", fuhr Feld fort. „Eiu uuangenehmer Auftritt mit feinem Mündel — er hat mir alles erzählt! Ich bin zu Ihnen gekommen, um eine Ausgleichung zwischen Ihnen und dem Doktor Prell herbeizu führen und Sie zu ersuchen, die ganze Angelegenheit fallen zu lassen. Ich bitte Sie, treiben Sie die Sache nicht weiter, bringen Sie dieselbe nicht an die Oeffentlichkeit, Prell bereut seine Leidenschaft lichkeit, lassen Sie sich damit genügen." „Und was verlangt der Dokror von mir?" warf Körber ein. „Daß Sie das junge Mädchen bewegen, zu ihm zurückzukehren." „Es thut mir leid, Ihrem Wunsche nicht ent sprechen zu können", entgegnete Körbör. „Fräulein Braun allein hat darüber zu bestimmen, und sie hat sich entschieden dagegen erklärt." „Herr Kommissar, Sie werden doch nicht den Eigensinn eines unmündigen Mädchens gegenüber ihrem Vormunde, der als Ehrenmann bekannt ist, in Schutz nehmen!" rief Feld. „Sie bedienen sich falscher Worte, Herr Supe rintendent" entgegnete Körber mit einem Anflug von Bitterkeit. „Sie nennen Eigensinn, was ich für wohlbegrüudete Entrüstung halte. Gerade weil der Doktor der Vormund des jungen Mädchens ist, hätte ich mehr Zurückhaltung von ihm erwartet. Die Hilfslose hat meinen Schutz augerufen, und ich werde ihr denselben gewähren." Der Superintendent schien einzusehen, daß er mit dem von ihm eiugeschagenen Trust nicht weit gelangte und lenkte wieder ein. „Urteilen Sie über eine augenblickliche Schwäche nicht zu streng," sprach der Superintendent. „Die meisten Vergehen gehen aus einer augen blicklichen Schwäche hervor," entgegnete Körber. Feld schwieg. Er schien uachzusinnen. „Herr Kommissar," sprach er endlich, „der Doktor Prell gehört meinem Vereine, dem Phile mon an, kommt diese Angelegenheit in die Oeffent lichkeit, so wird mau leicht dem ganzen Vereine einen Vorwurf daraus machen. Ich bin der Präsident desselben und muß ihu in Schutz nehmen!" Um Korbers Mund zuckte eiu spöttisches, höh nisches Lächeln. „Dann halte ich es auch für Ihre Pflicht, jeden Fehltritt eines Mitgliedes auf das Strengste zu beurteilen," entgegnete er. „Von dem Mitgliede eines Vereins, wie der Philemon ist, erwartet man ja ein folches Benehmen am wenigsten und es wundert mich, Herr Superintendent, daß Sie demfelben das Wort zu redeu vermögen!" Feld bezwang den in ihm aufsteigenden Un willen; er erhob sich und richtete seine lange Gestalt vor dem Kommissar hoch auf. Aus seinen Augen sprach zurückgehaltener Zorn. — „Ich handle nach den Grundsätzen des christ lichen Glaubens," sprach er. „Und ich nach denen, welche mir die Stellung als Polizei-Kommissar vvrschreibt. Da bewähren wir uns beide als pflichtgetreu," entgegnete Körber. „Sie wollen nicht uachgeben, Herr Kommissar?" „Nein, gewiß nicht!" gab Körber mit aller Bestimmtheit und Offenheit zur Antwort. Der Superintendent verbeugte sich steif und ver ließ schweigend das Zimmer. Körber mußte uuwillkürlich auflachen. Der Besuch dieses Mannes hatte die unruhige, zweifelnde Stimmung von ihm fortgenommen und mit frifchem, lustigem Mute sah er der kommenden Entwickelung dieser Angelegenheit entgegen. — Mehrere Tage waren seitdem verflossen. Paula