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seit langer Zeit ist kein Niedersturz von solcher Macht gewesen, als der vor einigen Tagen im Kirmtzschthale. Dreiviertel Stunde hinter dem großen Wasserfalle zwischen der Felsen- und Buschmühle brach ein über hängende« Felsenstück los und bedeckte den dritten Brertenteil der Landstraße. Das Gewicht dieser Stein masse dürfte etwa 900 Ztr. betragen; sie ist 372 am lang und 188 em breit und hat sich tief in die Straße eingeschlagen. — Durch einen herniedergehenden Blitz strahl wurde die Leitung an unserem Kirchturme so beschädigt, daß eine Reparatur derselben notwendig wurde. — Leisnig, 14. Mai. Gestern nachmittag er schoß sich der Sergeant Albin Erich von der 12. Com panie des 139. Infanterieregiments in dem Kammer gebäude der hiesigen Kaserne. Das Motiv zur That ist unbekannt. — Die alten Sitten und Gebräuche der Alten burger Landbewohner werden an vielen Orten doch noch recht in Ehren gehalten. Ein Beispiel davon sah man am Sonnabend in Altenburg. Ein mit zwei Pferden bespannter Wagen (Kammerwagen), auf welchem sich die Ausstattung einer ländlichen Braut befand, passierte die Stadt. Hinter demselben aber folgten drei Männer mit Kühen, deren Hörner mit Epheu umwunden waren. Ein Landmädchen aus einem Dorfe an der Leina hielt Einzug bei ihrem Neuvermählten und der Vater hatte der Braut so wohl den Wagen sammt den Möbels, als auch die drei besten Kühe seines Stalles als Mitgift gegeben. Bei Ankunft in dem neuen Heimatsort werden die einziehenden jungen Paare in der Regel mit Glocken geläut empfangen. 8 Berlin, 14. Mai. Se. Maj. der Kaiser empfing heute die Deputation der westfälischen Berg leute. Se. Majestät erkannte die Forderungen der selben als berechtigt an, bedauerte aber, daß versucht worden fei, diese durch Kontraktbruch durchzusetzen. Die Regierung werde, soweit das möglich, die berech tigten Forderungen der Arbeiter unterstützen. Die Rede Sr. Maj. lautete ungefähr wie folgt: „Jeder Unterthan, wenn er einen Wunsch oder eine Bitte vorbringt, hat selbstverständlich das Ohr seines Kaisers. Das habe Ich dadurch gezeigt, das Ich der Deputation gestattet, hierherzukommen und ihre Wünsche persönlich vorzutragen. Ihr habt Euch aber in's Unrecht gesetzt, denn die Bewegung ist eine ungesetzliche schon deshalb, weil die vierzehntägige Kündigungsfrist nicht eingehalten ist, nach deren Ablauf die Arbeiter gesetzlich berechtigt gewesen sein würden, die Arbeit einzustellen. Infolge dessen seid Ihr kontraktbrüchig. Es ist selbstverständlich, daß dieser Kontraktbruch die Arbeitgeber reizte und schädigte. Ferner sind Arbeiter, welche nicht streiken wollten, mit Gewalt oder Drohungen verhindert worden, die Arbeit fortzusetzen. Sodann haben sich einzelne Arbeiter an obrigkeitlichen Organen und fremden Eigentum vergriffen, sogar der zu deren Sicherheit herbeigerufenen militärischen Macht in einzelnen Fällen tatsächlichen Widerstand entgegen gesetzt. Endlich wollt Ihr, daß die Arbeit erst dann gleichmäßig wieder ausgenommen werde, wenn auf allen Gruben Eure sämtlichen Forderungen erfüllt sind. Was die Forderungen selbst betrifft, so werde Ich diese durch Meine Regierung genau prüfen und Euch das Ergebnis der Untersuchung durch die dazu bestimmten Behörden zugehen lassen. Sollten ber Ausschreitungen gegen die öffentliche Ordnung and Ruhe vorkommen, sollte sich ein Z"sammen- uang der Bewegung mit sozialdemokratischen Kreisen Herausstellen, so würde ich nicht imstande sein, Eure b"—'" - Die Villa am Rhein. Original-Novelle von Mary Dobson. (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) „Uebrigens werden wir noch wiederkommen, und damit entfernten sich die Brüder nach kurzem Gruß, gefolgt von Mr. Walker, welcher den Verwundeten noch einmal sehen wollte." Als nach einer Weile Mr. Walker znrückkehrte, sagte er: „Der Wagen ist fortgefahren, Frau Eschenbach, und so gut es ging, Haden die Herren den Ver wundeten gebettet. Und jetzt will auch ich mich Ihnen empfehlen, denn Sie bedürfen der Ruhe, und ich werde mich morgen, bevor ich abreise, erkundigen lassen, wie es um den Patienten steht!" „Mr. Walker", entgegnete Elisabeth, „möchten Sie nicht bleiben, bis die Herren zurückkommen?" „Wenn Sie es wünschen, gewiß, Frau Eschen bach", entgegnete er freundlich, obwohl einigermaßen überrascht. „Es mag ratsam sein", fuhr sie mit unverkenn barer Erregung fort, „daß wir die Nachricht ab warten, die Doktor Bäumer und sein Bruder bringen werden. Davon wird es abhängen, ob der Fall zur gerichtlichen Anzeige gebracht werden muß!" „Sollte das erforderlich sein?" fragte der Amerikaner. „Wir werden die Ansicht des Justizrats hören." Beide setzten sich und es trat ein peinliches Schweigen ein. „Es ist freilich nicht erwiesen", sagte Mr. Wünsche mit Meinem König!. Wohlwollen zu er- wüben, denn für Mich ist jeder Sozialdemokrat gleichbedeutend mit einem Reichs- und Vaterlandsfeind. Merke Ich daher, daß sich sozialdemokratische Ten denzen in die Bewegung mischen, zu ungesetzlichem Widerstande anreizen, so würde ich mit unnachsicht licher Strenge einschreiten und die volle Gewalt, die Mir zusteht — und dieselbe ist eine große — zur Anwendung bringen. Fahret nun nach Hause, überlegt was Ich gesagt, sucht auf Eure Kameraden einzuwirken, daß dieselben zur Ueberlegung zurück kehren. Vor allem aber dürft ihr unter keinen Umständen solche von Euren Kameraden, welche die Arbeit wieder aufnehmen wollen, daran hindern". 8 Berlin. Die oft getadelte Unsitte mancher Herren, ihre Stöcke wagerecht unter dem Arm zu tragen, hat am Sonntag nachmittag in der Nähe des Stadtbahnhofes die vierzehnjährige Marie E., in der Luisenstraße 24 wohnhaft, um ein Auge gebracht. Mit ihrer Mutter hatte sie zum Stadt bahnhofe eilen wollen, als sie in der Hast gegen den Stock anlief und sich dessen eisenbeschlageue spitze Zwinge tief in das linke Auge einbohrte. Gleich einer Rasenden stürzte sich die Mutter auf den betreffenden Herrn. Sie hätte ihn erwürgt, und die über den Vorfall aufs äußerste empörte Menge hätte noch Beifall geklascht, wenn nicht von einzelnen Besonnenen der Bedrohte solange in Schutz genommen worden wäre, bis herbeigeeilte Polizisten ihn in Haft genommen hatten. Die unglückliche E., welche vor Schmerz und Schrecken ohnmächtig geworden, von mitleidigen Passanten in den Flur eines benachbarten Hauses getragen worden war, wurde nach der Universitäts-Augenklinik gebracht. 8 Waldenburg, 14. Mai. Der Streik der Bergarbeiter im Waldenburger Revier hat heute morgen mit der Arbeitseinstellung der Glück-Hilfe- Gewerkschaft (4000 Mann) begonnen. Man erwartet im Laufe des Tages den Schluß der anderen Gruben. Die Bergleute fordern 3 Mark Tagelohn und 10stün- dige Schicht. 8 Ueber die künstlerische Schöpfung des berühm ten Malers Defregger in München äußert sich die dortige Kritik unter anderem: Das Bild stellt die Szene dar, wie Andreas Hofer, die wuchtige Hand am Degenknauf, unter die Schar seiner kampfbereiten Getreuen tritt, die auf einem Felsenvorsprung sich versammeln. Es ist der Abend, der dem blutigen Werke voraufgeht. Mit Begeisterung wird der Häuptling von den jugendlichen Kriegern empfangen. Die einen umringen ihn, um aus seinem Munde die Worte der Ermahnung zu vernehmen, die anderen eilen eben vom Thale herauf dem Sammelplätze zu. Kampfesmut blitzt auf den Gesichtern der Jünglinge, während Hofers Antlitz Ruhe und Festigkeit zeigt. Diese füllen Pulversäcke, jene entrollen die Fahnen, eine dritte Gruppe ordnet den Proviant. In der Ferne erblickt man die letzten Häuser der Stadt; dahinter steigen die von nächtlichem Nebel umzogenen Berge aus. Ein düsterer Wolkenzug jagt am Himmel, den nahen Sturm verkündend. Das Bild ist voll Leben und Bewegung. ** Stafford in KansaS wurde von einem heftigen Wirbelsturm heimgesncht, der die Häuser der Stadt vollständig zertrümmerte und sie dem Erdboden gleich machte. Kein Haus blieb stehen. Selbst die festesten Bäume wurden entwurzelt und vom Orkan, der durch mehrere Stunden mit kolossaler Vehemenz wütete, mehrere Meilen weit geschleudert. Die Stadt gleicht einem Trümmerhaufen. Zahlreiche Menschen wurden Walker, „daß Herr Albrecht sich den Dolchstich bei gebracht hat, doch wird er sich darüber gewiß aussprechen. Seltsamerweise kann ich mich des Gedankens nicht erwehren, daß er, wenngleich Ihr Verwandter, mit bösen Absichten im Gebüsch versteckt gewesen ist!" Elisabeth antwortete nicht sogleich, aber nach einer Pause sagte sie mit leichtem Erröten und nicht ohne leichte Bewegung: „Mr. Walker, Sie find unverkennbar vom Himmel ausersehen, für mein Leben bedeutungsvoll zn werden, und in dieser Ueberzeuguug will ich offen mit jedem reden und mich Ihnen anvertrauen!" „Ich weiß Ihr Vertrauen zu würdigen, Frau Eschenbach", erwiderte ernst und mit Nachdruck der Amerikaner, „aber seien Sie zugleich überzeugt, in mir einen treuen Freund zu finden." „Wohlan denn, Mr. Walker", sagte Elisabeth, „so hören Sie was ich Ihnen in Bezug auf das Ereignis dieses Abends zu sagen habe." Und nun erzählte sie dem Freunde Helbert Wendtorff's von Ludwig Albrechts leidenschaftlicher Liebe zu ihr, die ihre Mutter durchschaut hatte, von der sie selbst aber bis dahin keine Ahnung gehabt, und wie er, eine günstige Gelegenheit wahrnehmeud, sich gerade an diesem Nachmittag erklärt, und ihre Hand begehrt habe. „Ich lehme seinen Antrag entschieden ab", fuhr sie fort, „was ihn in die größte-Aufregung versetzte, und zu Worten Hinriß, die er bei ruhiger Besonnen heit gewiß nicht gesprochen haben würde. Er bezog sich dabei auf Thatsachen aus früherer Zeit, die er auf eine mir unbegreifliche Weise erfahren haben muß, l von den herumfliegenden Trümmerstücken getötet. I Vierzig Personen wurden schwer verletzt. I ** Newyork, 14. Mai. Der in so rätselhafter Weise au« Chicago verschwundene Dr. Cronin ist nun thatsächlich in Toronto in Kanada aufgetaucht; er erklärt, er fei geflohen, weil die irischen Geheim bündler seine Ermordung planten. Dr. Cronin ver spricht sensationelle Enthüllungen. ** Eine furchtbare Feuersbrunst brach am 8. d. M. in Morehead, einer volkreichen Borstadt von Chicago, aus und wurde ein Teil des Viertels fast gänzlich eingeäschcrt. Dreihundert Familien sind ob dachlos. Der Brand entstand durch leichtsinniges Wegwerfen brennender Zigarretten. ** In Kalamazoo (Michigan) rannte eine Loko motive in einen vollbesetzten Pferdebahnwagen, welcher vollständig zerschmettert wurde. Sechs Frauen wurden getötet, l5 andere Passagiere schwer verletzt. Deutscher Reichstag. Sitzung vom 14. Mai. Das Haus ist noch schwächer besucht als gestern. Auf der Tagesordnung steht zunächst der Antrag Broemel, wonach in das Vereinszollgesetz folgende Bestimmung aufgenommen werden soll: „Abänderun gen des amtlichen Warenverzeichnisses sind wenigstens 8 Wochen vor dem Zeitpunkte, mit welchem sie in Kraft treten, durch Veröffentlichung im „Zentralblatt für das Deutsche Reich" bekannt zu machen. Insoweit solche Abänderungen sich auf erst demnächst in Kraft tretende Abänderungen des Zolltarifes beziehen, können dieselben ohne Einhaltung dieser Frist gleichzeitig mit den Abänderungen des Zolltarifes in Kraft gesetzt werden." Gleichzeitig werden beraten der Antrag v. Bender und Gen. auf Errichtung eines Reichszoll tarifamts, sow'e Petitionen auf Abänderung des amt lichen Warenverzeichnisses und auf Aushebung des Zolles auf Fuselöl. Die Etatskommission bean tragt, die ersteren Petitionen der Regierung zur Be rücksichtigung, die letzteren der Regierung zur Erwägung zu überweisen. Broemel: Das neue amtliche Waren verzeichnis sei in den amtlichen Organen überhaupt nicht publiciert worden, was große Ünzuträglichkeiten hervorgerufen habe. Das Aktengeheimnis werde sehr sorgfältig gewahr:, wenigstens der Geschäftswelt ge genüber; nur Herr Schweinburg erfahre, vermutlich infolge eines zweiten Gesichts, zuweilen davon. Das Zollgesetz werde auf das willkürlichste gehand habt und es werde nichts anderes übrig bleiben, als daß der Reichstag in das Zollgesetz eingehende Detail- bestimmungen aufnehme. Broemel modifiziert seinen Antrag dahin, daß die Regierung um Vorlegung eines bezüglichen Gesetzentwurfes ersucht werden soll. Staatssekretär v. Maltzahn-Gültz weist die Vorwürfe Broemels wegen angeblich willkürlicher Ausführung des Zollgesetzes zurück. Was der Antrag Broemel fordere, sei nicht zweckmäßig. Das Warenverzeichnis habe nicht den Charakter eines Gesetzes, er müsse ent schieden dagegen protestieren, daß man den Aenderun- gen des amtlichen Warenverzeichnisses einen gesetzlichen Charakter gebe. Klemm (Sachsen) hat gegen den Antrag formell juristische Bedenken und beantragt Verweisung an eine besondere Kommission von 14 Mitgliedern zur Vorberatung. Das Haus beschließt demgemäß. Die Anträge der Kommission werden in Bezug auf die oben genannten Petitionen angenommen. Nach längerer Debatte werden noch mehrere Petitionen um Zollherabsetzung für gebogene Reifenstäbe, gebo gene Korbweiden und eichene Faßbodenteile der Re gierung zur Berücksichtigung überwiesen, während die Petition betreffs der Zölle auf Flur und Wandfließe er wußte sogar, daß Herr Wendtorfs" — hier zitterte ihre Stimme leicht — „aus Valparaiso nach seiner Vaterstadt kommen würde, und hatte daraus wohl den Schluß gezogen, er könne als früherer Freund mir einen Besuch abstatten. Diese Vermutung riß ihn zu den schrecklichsten Drohungen hin." „Nun wird mir alles klar", unterbrach sie leb haft Mr. Walker. „Er hat bei unserer Begegnung auf der Landstraße gewiß gehört, daß ich mich nach Ihrer Wohnung erkundigte, und mich für Herrn Wendtorfs gehalten." „Und er wird, nachdem er sich in der Stadt mit Waffen versehen, hierher zurückgekehrt fein und sich ins Gebüsch geschlichen haben", ergänzte Elisabeth. „Hier hat er dann seinen Irrtum erkannt und sich durch einen unglücklichen Zufall mit den eigenen Waffen verletzt." „Dadurch wird auch der von uns gehörte Schrei erklärlich", erwiderte Mr. Walker. „Nachdem ich Ihre Mitteilung vernommen, freut es mich doppelt, hier geblieben zu sein, auch kann ich erforderlichenfalls meine Reise verschieben." „Bestimmen Sie darüber nach Doktor Bäumers und seines Bruders Rückkehr", antwortete Elisabeth, „wer weiß, wie die Erklärungen des Verwundeten lauten." „Welcher Art sie auch sein mögen, Frau Eschen bach", entgegnete Mr. Walker, „lassen Sie sich dadurch nicht werter aufregen. Uebrigen« glaube ich kaum, daß er noch Erklärungen wird abgeben können, denn ich bin der Ansicht, daß er die Nacht nicht überleben wird, wenn er nicht fchon gestorben ist." Elisabeth schrak zusammen, aber im Grunde hatte