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bleiben. Die weiteren Wünsche sollen möglichst geprüft werden. — Uebrigen- sind thätliche Ausschreitungen streikender Bergleute gegen fortarbeitende Kameraden schon vorgekommen und ist eine öffentliche behördliche Verwarnung deshalb ergangen. — Chemnitz, 18. Mai. Heute Sonnabend früh ist Herr Heinrich Prengel, verantwortlicher Redak teur des „Chemnitzer Tageblattes", nach langem Leiden sanft verschieden. — Bezüglich der Elsa Günther aus Schneeberg macht der Königl. Staatsanwalt in Chemnitz unterm 15. Mai folgendes bekannt: Zuletzt ist dieselbe ge sehen worden Mittwoch, den 24. April d. I. abends nach 8 Uhr in dem Gasthof zur Linde an der von Obergelenau nach Thum führenden Straße. Dieselbe hat zur gedachten Zeit den genannten Gasthof ver lassen und die Straße nach Thum eingeschlagen. Sie ist hierbei an der rechten Seite eines in derselben Richtung fahrenden zweispännigen Geschirres (Plan wagen), dessen Leiter im Innern des Wagens gesessen, hergegangen. Es würde für die Untersuchung von wesentlichem Interesse sein, über die etwaigen Wahr nehmungen, welche der Geschirrführer gemacht, Kennt nis zu erlangen. Es wird dringend gebeten, etwaige bezügliche Notizen über jenes Geschirr oder dessen Führer, resp. über den weiteren Verbleib der Günther zur Kenntnis der Gendarmerie oder der Behörde zu bringen. — Auf ihrem täglichen Geschäftsweg zwischen Brambach und Schönberg fand die Semmelfrau Gräf unerwartet ihr Ende. Sie setzte sich in einer Sand grube wegen überkommener Schwäche nieder und kaum saß sie, als ein Blutsturz ihr den Tod brachte. 8 Berlin, 19. Mai. Heute vor einem Jahre führte der damalige Kronprinz Wilhelm dem Kaiser Friedrich in Charlottenburg zum ersten Male die Truppen vor. Kaiser Friedrich schrieb damals auf einen Zettel: „So sehe ich denn zum ersten Male die Truppen, die ich die meinen nenne." In Erinnerung an diesen Moment begab sich heute der Kaiser nach Charlotten burg und legte auf einer monumentalen Vase, die an der Stelle steht, wo damals Kaiser Friedrich mit seinem Wagen hielt, einen Kranz nieder. Stachmittags ist der Kaiser nach Braunschweig abgereist. Der Prinzregent von Braunschweig war dem Kaiser bis Helmstedt entgegengereist. Bei der Ankunft in Braun schweig fand großer Empfang statt. 8 Berlin, 18. Mai. Auf die Entscheidung Sr. Mas. des Kaisers über die ihm soeben zu teil gewor dene Einladung, Konstantinopel zu besuchen, ist man nach der „B. B. Z." sehr gespannt. Es ist bisher nämlich noch nicht der Fall gewesen, daß ein Monarch des Oeeidents als Gast in der Hauptstadt des muha- medanischen Reiches Einzug hielt. § Braunschweig, 20. Mai. Der Kaiser besichtigte nach dem Gottesdienste im Dom mit dem Regentenpaar die Burg St. Warge-Rode und darauf den Dom selbst. Wegen des anhaltenden Regens wurde die Parade auf dem Schloßplatz abgesagt. 8 In den westfälischen Kohlengruben scheint die Nachwirkung der kaiserlichen Ansprache und des in Berlin aufgenommenen Protokolls zwischen Herrn Ham macher und den drei Delegierten der streikenden Berg leute in einer teilweisen Wiederaufnahme der Arbeit zu Tage zu treten. Sonnab. waren im Oberbergamts bezirke Dortmund 34,910 Bergleute wieder angefahren. 8 Dortmund, 17. Mai. In einer Versamm lung der hiesigen Brauer wurde beschlossen, bei den Brauereien eine Erhöhung des Mindestlohnes vo.. 75 M. auf 100 M. und eine zehnstündige Arbeitszeit Die Villa am Rhein. Original-Novelle von Marp Dobson. — ^Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) „Sie sprechen also von Hermine, Hörr Doktor?" rief Elisabeth mit so sichtlicher Erleichterung, daß Doktor Bäumer es bemerkte und sich nicht enthalten konnte zu sagen: „Aber liebes Kind, Sie haben doch nicht etwa gemeint, ich würde meinem Herzen wärmere Gefühle gegen Sie gestatten? Und wenn auch, ich würde sie sofort unterdrückt haben, weiß ich doch, daß Ihr " „Still, still, Herr Doktor," unterbrach ihn Elisabeth, „lassen Sie uns nur von Ihnen reden. Ohne Zweifel wollen Sie sich sobald wie möglich Gewißheit verschaffen." „Ja, das will ich, denn ich muß wieder zur Ruhe kommen; die Beschäftigung mit Nebengedanken taugt für keinen Arzt. Meine Kollegen werden mich während einiger Tage vertreten und ich habe schon alle weiteren Vorbereitungen getroffen, um morgen früh zu reisen!" „Und wohl gar ohne mir ein Wort davon zu sagen?" meinte Elisabeth, welche ihm gegenüber den früheren unbefangenen Ton wieder erlangt hatte. „Nein, ich hätte Sie diesen Abend jedenfalls aufgesucht und mit Ihnen gesprochen. Aber nun sagen Sie mir doch auch, ob Ihnen meine Wahl gefällt und ob Sie glauben, daß ich in meiner Be werbung Glück haben werde." „Mit Ihrer Wahl bin ich vollkommen einver- > zu verlangen, welche jetzt gar nicht begrenzt ist. Wenn die Brauereien diese Forderungen nicht bis Sonnabend bewilligen, soll eine allgemeine Arbeits einstellung erfolgen. Die hiesige Brauereiindustrie ist bekanntlich sehr entwickelt, es werden Dividenden bis zu 24 Proz. erzielt. Man hofft auf eine Einigung. 8 Hamburg, 18. Mai. Den „Hamburger- Nachrichten" zufolge ist der Wißmann'sche Dampfer „Vesuv" am 9. Mai in Gibraltar angekommen und bat am 11. Mai die Weiterreise nach Malta fortgesetzt. Ungünstiger Witterungsverhältnisse wegen konnte der „Vesuv" erst am 2. Mai. von Plymouth in die See gehen, mußte aber bis zum 4. Mai unter der eng lischen Küste bleiben. Am 4. Mai passierte er Lizard, konnte des schlechten Wetters wegen bis zum 5. nur langsam fahren und erst vom 5. Mai voll Dampf gehen. * * Wien, 13. Mai. Bei dem Unwetter in der Nähe Wiens haben drei Menschen das Leben eingebüßt. Mehrere Ortschaften des Angelthales (südwärts von Pilsen) haben infolge nachts niedergegangener Wolkenbrüche stark gelitten. Die Harrac'sche Bretersäge in Lub ist mit 4 Bewohnern fortgeschwemmt worden; in den Ortschaften Rackvwitz und Prikowitz sind viele Häuser niedergerissen, 9 Kinder sind ums Leben gekommen. In der Gemeinde Ino sind 7 Häuser mit 28 bis 32 Personen zu Grunde gegangen. * * Rom, 19. Mai. Die Katscher und Konduk teure der römischen Omnibus- und Tramway-Gesell schaft haben die Arbeit eingestellt und verlangen eine Erhöhung der Löhne sowie Verteilung der bisher in die Pensionskassen gezahlten Geldstrafen unter das Personal und die Leistung bestimmter Zahlungen auch an das außerordentliche Personal. Die Ruhe ist durch den Streik nicht gestört. Von den übrigen Omnibusgesellschaften wird der Dienst ruhig weiter betrieben. — Hier ist das Gerücht von einer plötz lichen Erkrankung des Papstes verbreitet. * * New-Jork. Die drei Aerzte, welche den Gedankenleser Bishop bei lebendigem Leibe sezierten, wurden verhaftet. Deutscher Reichstag. Sitzung vom 18. Mai. Eingegangen: Gesetzentwurf betr. Abänderung des Z 4 des Strafgesetzes betr. die Bestrafung im Auslande begangener Verbrechen und Vergehen. Die 3. Lesung des Gesetzentwurfes betr. Jnvaliditäts- und Altersversicherung wird fortgesetzt. Abg. Gebhardt (nat.-lib.) verteidigt die zustim mende Haltung der Nationalliberalen ^genuder den Angriffen der Freisinnigen. Das Ziel dieser Gesetzgebung sei nur durch den Staat und durch den staatlichen Zwang zu erreichen; wäre es durch die freiwillige Versicherung erreichbar, so müßte es längst erreicht sein. Aber wie wenig sei in dieser Hinsicht bisher gegenüber dem, was dieses Gesetz in Aussicht nimmt, geschehen! Die freie Liebesthätigkeit werde durch das Gesetz ebenfalls nicht behindert; im Gegen teil — da wo die Armenpflege am besten organisiert sei, entwickle sich auch die freie Liebesthätigkeit in schönster Weise. Man dürfe angesichts des Zieles vor den Schwierigkeiten nicht zurückschrecken, .dann werde es auch erreicht werden. (Beisall.) Frhr. v. Langwerth v. Simmern (Welfe) plä diert für Ablehnung des Gesetzes, von dem er allerlei verhängnisvolle Wirkungen befürchte. Frhr. v. Wendt (Zentr.) hält es für notwendig, die unbegrenzte Freizügigkeit zu beschränken. Der I standen," antwortete Elisabeth. „Ihre zweite Frage vermag ich nicht zu beantworten." „So muß ich selbst erfahren, wie sich mein Schicksal entscheidet. — Nach einigen Tagen werde ich wieder hier sein und Sie sofort davon benach richtigen !" Beide begaben sich dann zu der Kranken und besprachen dann offen die wichtige Angelegenheit. Bald darauf ging auch Elisabeth nach ihrer Villa zurück. Unterwegs beschäftigten sich ihre Gedanken mit dem, was sie von den Freunden vernommen, und sie sann darüber nach, ob Hermine den Heirats antrag annehmen und wie es dann mit ihrer Mutter werden würde. Während sie sich so der Villa näherte, ahnte sie nicht, was unterdes dort vorgegangen war und was ihrer dort wartete. Als sie nämlich früh am Nachmittage fortgegangen, war ein Herr gekommen und hatte nach Frau Eschenbach gefragt und die Auskunft erhalten, daß sie in der Stadt sei, wahr scheinlich aber bald wiederkommen werde. Als man ihn darauf nach seinem Namen ge fragt, hatte der Fremde geantwortet: „Ich heiße Wendtorfs, komme aus Valparaiso und habe Frau Eschenbach in einer wichtigen Ange legenheit zu sprechen. Es wäre mir erwünscht, wenn das noch heute geschehen könnte, und so will ich hier einstweilen auf sie warten." „Möchten Sie nicht so lange in den Garten gehen, Herr Wendtorff?" fragte der Diener. „Sie finden dort auch die Kinder." > „Gern," erwiderte der Fremde, — „und wenn einheimische Arbeiter werde immer' seinen ru higen Verdienst haben und sich mit dem Arbeitgeber leicht verständigen. Wenngleich er also gewünscht hätte, daß die Gesetzgebung zuerst an anderer Stelle eingesetzt hätte, so könnte er doch dieVorlage begrüßen. Eine weitere Verschiebung des Gesetzes würde zweck los sein, denn an den prinzipiellen Bedenken gegen dasselbe würde doch nichts geändert. Die Berechti gung der technischen Bedenken aber könnte erst auf Grund praktischer Erfahrungen festgestellt werden. Die Stein-Hardenberg'sche Gesetzgebung sei ein größeres Wagnis gewesen und habe doch zum glück lichen Ziele geführt. Hoffentlich gebe man auch den kirchl. Korporationen, namentlich den Orden, ihre Bewegungsfreiheit wieder, damit es neben der ma teriellen Besserung der Arbeiter auch an der Pflege der geistige« Güter nicht fehle. Abg. v. Staudy (kons.) erklärt sich gegen das Gesetz, welches eine ernste Gefahr für die Grund besitzer des Ostens biete, wo die Naturallöhnung eine besondere Altersversorgung der Arbeiter ent behrlich mache. Für die Vorlage könnte er nur stimmen, wenn die Lohnklassen durch die Einheits rente ersetzt würden. Staatssekretär von Bötticher weist demgegenüber nach, daß die Landwirtschaft durch die einheitliche Rente schwerer belastet würde, als durch das vorge schlagene Bestehen. Wenn Freiherr Langwerth v. Simmern die Arbeiter zur Selbsthilfe anrufe, so sei die Vorlage ein Akt der Selbsthilfe des Staates gegen die soziale Gefahr. (Bravo). Abg. v. Kardorff (Reichsp.) hätte zunächst eine Revision des Kranken- und Unfallversichernngsge- setzes lieber gesehen, als diese Vorlage. Aber dieses Gesetz breche die Herrschaft des Kapitals, und dieses sei das wichtigste am ganzen Gesetze. Wünschens wert wäre eine Verschiebung der Verabschiedung des Gesetzes bis zur nächsten Session. Aber wer bürge dafür, daß daun der Neichszuschuß, der unentbehr lich sei, auch bewilligt werde? Deshalb stimme er schon heute für das Gesetz. Die Landwirtschaft im Osten werde durch dasselbe allerdings schwer getroffen. Für sie hätten die Getreidezölle den geringsten Er folg gehabt. Die Landwirtschaft habe gehofft, daß man endlich zur Währungsfrage übergehe. Der Streik in Westfalen würde nicht stattgefunden haben, wenn wir die Doppelwährung hätten. Reichskanzler Fürst Bismarck: Meine Beschäf tigung mit den auswärtigen Angelegenheiten erlaubt mir nicht, hier Reden zu halten, von denen ich im voraus weiß, daß sie leine Stimmen mehr für die Vorlage gewinnen. Man hat darauf hingewiesen, daß die Sozialdemokraten gegen das Gesetz stimmen. Man muß aber die Führer der Sozialdemokratie uud die Massen unterscheiden. Mit der Sozialde mokratie leben wir im Kriege. Die Arbciterbataillone zu organisieren, ist die Aufgabe der Führer. Mit der Beseitigung der Unzufriedenheit schwindet auch der Einfluß dieser Führer. (Zuruf, der auf der Tribüne unverständlich ist.) Wer mir so etwas sagt, den nenne ich unverschämt. Insultieren lasse ich mich von niemandem. Gegen die Opposition dieier Leute und der 14 Franzosen, die wir uns eingeimpft haben, sage ich weiter nichts. Aber wir sehen, daß esauch immer konservative Herren giebt, die sich im Affekt nur unwesentlich von den Sozialdemokraten unter scheiden. Es sind hier Reden gehalten worden, die sich so eng an die Kirchtumsinteressen anschließen, daß man jeden höheren Gesichtspunkt vermißt. Der Reichskanzler beklagt ferner die Zerrissenheit in der konservativen Partei und den Terrorimus bei den Frau Eschenbach kommt, so melden Sie ihr meinen Besuch." Er begab sich dann in den Garten und hatte bald die Kinder gefunden, die ihm überrascht ent- gegeukamen. Er gab der Frau Feldmaun dieselbe Auskunft und betrachtete sogleich die Kinder mit sichtlichem Interesse, die auch ihrerseits kein Auge von ihm wandten, denn sie hatten bei dem Worte „Valparaiso" an Mr. Walker gedacht. Der be ständig in ihrer Erinnerung lebte. Der Fremde be grüßte sie freundlich und sagte in herzlichem Tone: „Ihr spielt wohl gern in diesem schönen großen Garten?" „Ja," erwiderte der kühne Rudolf, während Hilda ihn noch immer mit großer Aufmerksamkeit ansah, „aber wir spielen nicht immer, wir arbeiten auch." „Ihr arbeitet ?" fragte mit ungläubigem Lächeln Helbert Wendtorff, indem er unwillkürlich die Kleinen bei der Hand nahm. „Ja," sagte Hilda, welche anfing, zu dem frem den Manne Vertrauen zu fassen, „wir arbeiten in unserem Garten, wo wir viele Blumen gestanzt haben, denn bald kommen Großmama und Tante Hermine." „Wirklich?" fragte Wendtorff mit unverkenn barem Interesse. „Nun, da freut Ihr Euch wohl sehr? Wann erwartet Ihr sie?" „Mama sagt, sie kommen in zwei Wochen", lautete Rudolfs Antwort, „und dann meint sie, blühen auch unsere Blumen, mit denen wir ihre Zimmer schmücken wollen!" „Kennen Sie denn Großmama und Tante Hermine?" fragte Hilda. (Fortsetzung folgt.)