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Wochen- und KachrichtsblaU zugleich EesWfts-Anzeigtt fiir Hohbach Udlitz, ZcrnsSvrs, RSsdorf, -l. ßBini, ßeinrichsort, Rliriciili!, üüS Rölseii. Amtsblatt für de« Stadtrat zu Lichtenstein. —— SS. Jahrgang. — —— — Nr. 105. Dienstag, den 7. Mai 1889. Dieses Blatt erscheint, täglich (außer Sonn- und Festtags) abends für den folgenden Tag. Vierteljährlicher Bezugspreis: 1 Mark 25 Pf. — Einzelne Nummer 5 Pfennige. Bestellungen nehmen außer der Expedition in Lichtenstein, Markt 179, alle Kaiser!. Postanstalten, Postboten, sowie die Austräger entgegen. — Inserate werden die viergespalten« Korpuszeile oder deren Raum mit 10 Pfennigen berechnet. — Annahme der Inserate täglich bis spätestens vormittag 10 Uhr. Verein für Massenverbreitung guter Schriften. Der Gedanke derBegründung einer großen An stalt zum Zwecke der Versorgung der weitesten Volkskreise mit gesundem, fesselndem und wohlfeilem Lesestoff auf dem Wege der Kolportage und der Verkaufsautomaten, sowie durch Vermittlung der Geistlichen und Lehrer, Behörden und Arbeitgeber behufs Verdrängung der schlechten Kolportageromaue hat überall in deutschen Landen den lebhaftesten Anklang gefunden. Bereits in der konstituierenden Hauptversammlung, welche am 2. April zu Weimar stattsand, und in welcher die endgültige Fassung der Satzungen angenommen, sowie die Wahl des Haupt vorstandes vollzogen wurde, konnte eine außerordent lich zahlreiche Beteiligung an dem gemeinnützigen Werke festgestellt werden. Dasselbe ist nun wieder einen Schritt weiter gelangt. Am 28. April hielt der Hauptvorstand in Wei mar, dem Sitze des Vereins, unter Beteiligung her vorragender Fachmänner auf dem Felde der Gemein nützigkeit, wie Lammers-Bremen, Gensel-Leipzig, Emminghaus-Gotha, seine erste Sitzung ab und wählte einstimmig in den geschüftsführenden Aus schuß die Herren Reichstagsabg. Geibel-Eisenach als ersten, Versicherungsdirektor vr. Emminghaus-Gotha als zweiten und Stiftslehrer vr. Zenker-Weimar (Vorsitzenden des Mitteldeutschen Volksbildungsver bandes) als dritten Vorsitzenden, Kaufmann C. Mahr-Weimar als Schatzmeister. Realgymnasial direktor Or. Wernekke, Hofbuchhändler Ä. Huschke und Regierungsrat Stier, sämtlich in Weimar, als Beisitzer; ferner ebenso einstimmig den Schriftsteller Handelskammersekretär a. D. vr. Heinrich Fränkel (bisher in Berlin, nunmehr in Weimar), welcher durch seine Schrift „Ein neuer Weg zur sittlichen und geistigen Hebung des Volkes" die Anregung zur Bildung des Vereins gegeben hat, zum Generalse ¬ kretär. Die angeführten Namen lassen erkennen, daß, wie im Hauptvorstande, so auch im geschüfts führenden Ausschüsse Nationalliberale, Freisinnige und Konservative in erfreulicher Hintansetzung dessen, was sie sonst trennt, Zusammenwirken werden. Der von Ur. Fränkel erstattete Bericht über die bisherige Entwickelung des Vereins ergab, daß die finanzielle Grundlage des letzteren, obgleich die Agitation sich erst im Anfänge befindet, bereits als eine durchaus gesicherte bezeichnet werden darf. Der geschäftsfüh rende Ausschuß wurde beauftragt, die zur Erlangung der juristischen Persönlichkeit erforderlichen Schritte zu thun, ferner alle Vorkehrungen zu treffen, um mit der eigentlich geschäftlichen Thätigkeit, dem Druck und der Verbreitung guter und volkstümlicher 5- und 10Pfennig - Schriften, im September beginnen zu können, bis dahin aber alles aufzubieten, um die Kenntnis von der Begründung und den Zwecken des Vereins möglichst allgemein zu machen und, namentlich durch Anregung der Wohlhabenden zu erheblichen Leistungen, möglichst reiche Mittel für den Kampf gegen die Armut am Gemüt und Geist zu gewinnen; über die Art und Weise der Agitation wurden mit Berücksichtigung der bei anderen Vereinen gemachten Erfahrungen eine Reihe von Beschlüssen gefaßt — Hunderte von Vertrauensmännern stehen dem Verein bereits in allen Teilen Deutschlands, Oesterreichs und der Schweiz zur Verfügung. Ein gehende Erörterungen bezüglich der Ausstattung der Vereinsschriften ließen allseitiges Einverständnis da rüber erkennen, daß das Ziel zu erstreben ist, neben dem sittlich Guten auch das Schöne zu fördern, daß jedoch, namentlich im Anfänge, die äußere Erschei nung der Schriften durch Verwendung geeigneter Bilder u. s. w. darauf berechnet sein muß, den Wunsch nach der Kenntnis des Inhalts insbesondere auch bei den bisherigen Lesern der gewöhnlichen schlechten Kolportageromane zu erwecken. Ferner wurde der geschäftsführende Ausschuß zur Genehmigung der bisherigen Ausgaben in der Höhe von rund 2600 M. und der für die Zeit bis zum Herbst vorveranschlagten Ausgaben in Höhe von rund 10000 M. ermächtigt und beschlossen, Herrn Kammgarnspinnereibesitzer Gustav Dietel zu Wilkau i. S. für die Gewährung der Mittel zur Vorbereitung der Vereinsgründung den Dank des Hauptvorstandes auszusprechen. Nach folgende Schriftsteller wurden als zunächst für die Vereinszwecke in Frage kommend bezeichnet: Willi bald Alexis, L. Anzengruber, B. Auerbach, I. I. Engel, G. Freytag, L. Ganghofer, I. Gotthelf, W. Hauff, I. P. Hebel, K. v. Holtei, W. O. v. Horn, H. v. Kleist, M.Meyer, I. H. Pestalozzi, P. K. Rosegger, H. Schaumberger, K. Spindler, F. Trautmann, O. Wildermuth, H.Zschokke; doch wird dies Verzeichnis noch ergänzt werden. — Die Ent wickelung des Vereins ist, wie man sieht, im besten Gange. Möge nun die Unterstützung aller Volks freunde dieser großen gemeinnützigen Arbeit nicht fehlen, damit das hohe Ziel einer durchgreifenden sittlichen und geistigen Hebung'des Volkes erreicht werde: dies wird nur möglich sein, wenn der Verein über sehr erhebliche Mittel verfügen kann, indem Hun derttausende ihm beitreten. Der Jahresbeitrag ist auf mindestens 3 Mark festgesetzt, die dauernde Mitglied schaft wird durch einmalige Zahlung von 300 Mk. erworben. Zahlungen wolle man an den Schatz meister des Vereins Kaufmann C. Mahr-Weimar, Schillerstraße 2, gelangen lassen; Satzungen, Ein- zeichuungslisten, Flugblätter sind postfrei durch die Kanzlei des Vereins für Massenverbreitung guter Schriften, Weimar, Westst. 8. II zu beziehen. Tagesgeschichte. —^Lichtenstein, 6. Mai. Gestern mittag gegen 12 Uhr entstand in dem zur Herrschaft Forder glauchau ohnweit des Albertinenhofes in der Rümpf Die Billa am Rhein. Original-Novelle von Mary Dobson. (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) Ihrem Versprechen gemäß, erschienen dann auch am Abend Doktor Bäumer nebst seiner Schwester, Frau Wagenfeld, und bald darauf Herr Albrecht, der Frau Eichenbach zu sprechen wünschte. Ueber- zeugt, daß nur eine wichtige Angelegenheit ihn in so später Stunde nach der Villa geführt, begab sich Elisabeth in's Vorzimmer, wo der Commis ihr mit den Worten entgegentrat: „Entschuldigen Sie meinen späten Besuch, allein es sind Briefe aus Holland gekommen, die sogleich beantwortet werden mußten und Ihrer Unterschrift bedurften und da ich sie Niemandem anvertrauen mochte, so habe ich selbst sie gebracht", und dabei reichte er ihr die Papiere. Elisabeth bot ihm einen Stuhl und setzte sich an den Schreibtisch und verlas aufmerksam die Briefe, die sie mit ihrer Unterschrift versah. Alsdann führte sie ihren Gast in das Garten zimmer zu den anderen, wo bald eine allgemeine Unterhaltung begann. Als dabei die Rede auf die Majorin kam, die am folgenden Tage ankommen sollte, sagte die Rätin: „Die arme Karoline thut mir aufrichtig leid, da sie nicht wieder in das Vaterhaus zurückkehren kann." „Bedauern sie Sie nicht, Frau Rätin", erwiederte Ludwig Albrecht, „Karoline hat das glückliche Naturell, sich überall heimisch zu fühlen, auch hat das alte düstere Gebäude, wie sie das alte Familien haus immer nannte, ihr nie besonders zugesagt." Auch ohne Musik und Kartenspiel verfloß Elisabeths Gästen die Zeit bis zur Abendtafel und als in später Stunde der kleine Kreis sich trennte, lehnte Albrecht einen Platz im Wagen des Doktors dankend ab und zog es vor, in der warmen Früh lingsnacht den Weg zur Stadt allein und zu Fuß zurückzulegen. Am nächsten Morgen, als nach dem Frühstück Elisabeth ihren häuslichen Angelegenheiten nach ging, sagte die Rätin in ernstem, fast sorgenvollen Ton: „Hermine, ich glaube gestern Abend eine ganz eigentümliche Entdeckung gemacht zu haben." „Ich ahne was Sie sagen wollen, Frau Rätin," entgegnete diese. „Du hast also ebenfalls Ludwig Albrechts Neigung zu Elisabeth bemerkt?" „Ja, Frau Rätin, so sehr er sie auch zu ver bergen sucht." „Elisabeth hat gewiß keine Ahnung davon, auch glaube ich kaum, daß sie Helbert Wendtorfs vergessen hat", fuhr die Rätin fort. „Das glaube ich ebenfalls nicht, obgleich sie seiner noch mit keiner Silbe erwähnt hat." „Wer weiß, ob nicht nach Jahren die erste Liebe der beiden Jugendgenossen, doch noch zu einer glücklichen Verbindung führt", sagte die Rätin nach denkend. „Jetzt würde der alte Wendtorfs Elisabeth gewiß mit Freuden als seine Schwiegertochter begrüßen, und nicht mehr wie damals erklären, daß meine Tochter für seinen Sohn keine geeignete Partie sei." „O gewiß nicht", rief lebhaft Hermine, „gewiß hat er sein damaliges Verfahren schon oft bereut?" — Und was wohl an dem Gerücht seiner Wieder verheiratung ist, so lange nach dem Tode seiner ersten Gattin?" „Er wird alt", entgegnete die Rätin, „und da er bis jetzt keine Aussicht gehabt, seinen Sohn als Familienvater zu sehen, will er wohl rechtzeitig für eine Pflegerin seiner alten Tage sorgen. Aber wegen Ludwig Albrecht halte ich es doch für meine Pflicht, mit Elisabeth zu reden." „Ich bin ganz Deiner Ansicht, Hermine, aber ich will mich lieber entfernen", und bei diesen Worten trat Elisabeth ein. Sie fragte ihre Mutter schnell: „Warum geht Hermine?" „Elisabeth", begann dieRätin in ernstem Tone, „wir haben soeben über Dich gesprochen." „Ueber mich, Mutter", fragte sichtlich erstaunt Elisabeth. „Ja, mein Kind, und in einer vielleicht ernsteren Angelegenheit, als es augenblicklich den Anschein hat." „Was könnte das sein?" und ihre Tochter blickte sie noch erstaunter an. „Es handelt sich um Etwas, das Dir gewiß gänzlich unbekannt ist; Ludwig Albrecht liebt Dich!" „Liebt mich?" riefElisabeth fast mit Entrüstung, während sich ihre Wangen dunkelrot färbten. „Ludwig Albrecht liebt mich, sagst Du, Mutter, und ich — ich weiß Nichts davon?" „Es ist Dir in Deiner Unbefangenheit ent-