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MchiMckiPMM Wochen- und Uochrichtsblatt zugleich 8WD-AMM für H»hi>»rs, MRitz, BeriisStts, Wims, St. ßzidieil, Heiiri^srt, Rmieliail md RUse«. Amtsblatt für Sen Stadttat zu Lichtenstein. __ _____—— -- —__ »s. Jahrgang. — ——-— —— — ———— Nr. 92. Freitag, den 19. April 1889. Dieses Blatt erscheint, täglich (außer Sonn- und Festtags) abends für den folgenden Tag. Vierteljährlicher Bezugspreis: 1 Mark 25 Pf. — Einzelne Nummer 5 Pfennige. — Bestellungen nehmen außer der Expedition in Lichtenstein, Markt 179, alle Kaiserl-Postanstalten, Postboten, sowie die Austräger entgegen. — Inserate werden die viergespaltene Korpuszeile oder deren Raum mit 10 Pfennigen berechnet. — Annahme der Inserate täglich bis spätestens vormittag 10 Uhr. Tagesgeschichte. — Lichtenstein, 18. April. Im Kanfm.Verein im Saale des goldnen Helm hielt gestern abend Herr Schuldir. Gesell aus Chemnitz einen Vortrag über „Deutsches Bürgertum im Mittelalter". Auf die Zeit der Entwickelung der Städte und Ansiedelungen im Mittelalter zurückgreifend, entrollte der geschätzte Herr Vortragende ein lebensgetreues Bild von den damali gen Sitten und Gebräuchen, den Künsten im Hand werk, den Einrichtungen in den Wohnhäusern und Kirchen re. Am Schlüsse seines ea. 1^4 Stunden währenden Vortrages knüpfte der Herr Redner den Wunsch an, daß das gute Alte, was aus dem Mittel- alter in unsere Zeit herübergetommen sei, von jedem guten Deutschen treu behütetMrden möge zum Segen aller. Der ungeteilteste Beifall aller Anwesenden wurde dem Herrn Vortragenden zu teil, welcher sich nicht allein einer gut verständlichen Redeweise bediente, sondern auch über einen terngesunden gutdeutschen Humor verfügt, den er in seinen Vortrag so gut ein zuflechten verstand. — Heinrichsort, 18. April. Am 1. Oster feiertag beabsichtigt der hiesige Männergesangverein Conzert abzuhalten. Chorgesänge, Quartetts und Duetts abwechselnd, werden den geehrten Besuchern einen recht unterhaltenden Abend bieten können. Der Reinertrag soll zur Anschaffung einer neuen Bahre verwendet werden. Hoffentlich wird der Besuch ein recht zahlreicher. — Der Charfreitag oder Karfreitag (Dios ackoratus), wie er neuerdings richtiger geschrieben wird, hat seinen Namen von dem althochdeutschen Worte „Kar" (Klage, Trauer, Sorge, im englichen oars). Er ist der Tag der inneren Einkehr, der Beichte und des heiligen Abendmahls. Von ihm singt der Dichter: Auf der Stadt ruht hehr und groß Des Karfreitags Sabbatsstille. In der Kirchen dunklem Schoß Drängt sich dicht der Beter Fülle. Seinen heitern Sonnenschein Varg der Himmel tief in Trauer, Und der Wehmut heilge Schauer Ziehen in die Herzen ein. — So oft das Osterfest naht, beginnt auch die Reiselust mächtig ihre Schwingen zu regen. Wie beim Erwachen des Frühlings Leben und Bewegung in die starre Natur kommt, so wird auch dem Menschen freier ums Herz, wenn er das Wehen der Frühlings winde verspürt. Er glaubt ein neues frisches Leben zu fühlen und mächtig erwacht die Lust in ihm, hinaus zuwandern in die weite Welt. Das Osterfest mit seinen Feierlagen bietet hierzu erwünschte Gelegenheit. Dazu kommt aber noch bei den meisten Menschen, die jetzt den Wanderstab ergreifen, der Wunsch, ihre Heimat und Verwandten wiederzusehen, von denen sie Beruf und Beschäftigung lange ferngchalten haben. Wer als Schüler, Student, Soldat, Beamter, Ge schäftsmann und Arbeiter gezwungen war, die Seinigen zu verlassen, um in einem fremden Orte zu weilen, der wählt gern die Muße der Osterfeiertage, um Hei mat und Angehörige wiederzusehen und in ihrem Schoße das schone Fest zu verleben. Und so entfaltet sich dann zur jetzigen Zeit auf unseren Bahnhöfen ein buntes Leben und Treiben. Und wie blicken Vater und Mutter auch mit Gefühlen auf den „galanten" Jungen, dem das Cerevis und das bunte Band auf der Brust so vortrefflich zu Gesichte stehen oder schauen leuchtenden Auges auf den schneidigen Soldaten, der im Schmucke der Uniform noch einmal so hübsch als jm schlichten Zivil aussieht. Welche Augen machen die guten Nachbarn beim Anblick der stattlichen Jungen, von denen sie „so etwas nie gedacht" hätten, und wie recken sich die hübschen Mädchen des Städtchens fast die Hälse aus beim Erscheinen der ehemaligen Spiel kameraden, die sich aus unscheinbaren Raupenhüllen zu so schillernden Schmetterlingen entwickelt haben. Wie stolz schreitet erst die Auserwählte an der Seite des lange entbehrten Geliebten zum Tanze! Ueberall, wo jetzt ein solcher Ferien- oder Urlaubs reisender eingelehrt ist, herrscht Freude und Frohsinn. Allzubald nur schwinden die Festtage dahin und ehe mans gedacht, ist das schöne Osterfest vorüber. Aber lange noch denkt man zurück an die beseligende Zeit, in der sich die Bande der Kindes- und Elternliebe, der Freundschaft und Verwandtschaft wieder enger ge schlungen und so eine Frucht gezeitigt haben, die eine der schönsten am Baume des menschlichen Lebens dar stellt. Und auch für diesen Segen wollen wir dem Osterfeste dankbar sein. — Verpflichtung des Absenders einer Postsen dung zu Schadenersatz. Der Absender einer zur Postbeförderung bedingt zugelasfenen Sendung hat für jeden während der Postbeförderung durch die betreffende Sendung verursachten Schaden zu hasten, sofern der Schaden auf ein Verschulden der Post oder Eisenbahnbeamteu nicht zurückzuführen ist. Wie Wiecks „Gewerbezeitung" mitteilt, ist diese Entschei dung kürzlich in der Berufsinstanz gefällt worden. Eine Berliner Firma hatte eine Flasche mit Olivenöl bei der Post eingeliefert; durch Zerbrechen dieser Flasche während der Postbeförderung wurden acht andere Pakete mehr oder weniger beschädigt. An Schadenersatz hatte man den Absendern der beschä digten Pakete im Ganzen 134 Mk. 50 Pf. aus der Postkasse zahlen müssen. Da die Beschädigung der Glasflasche nicht auf eine fahrlässige Behandlung derselben während der Beförderung, sondern lediglich auf die unzureichende und unzweckmäßige Verpackung zurückzuführen war, so ging, da die Absenderin die Erstattung des entstandenen Schadens abgelehnt hatte, die Post im Wege des Prozesses vor. Vom Amtsgericht in Berlin wurde auf kostenpflichtige Abweisung erkannt, vom Landgerichte aber das erste Urteil abgeändert bezw. aufgehoben und die betreffende Firma zur Zahlung des Betrages nebst 5 Prozent Zinsen und Tragung der Prozeßkosten beider In stanzen verurteilt. — Das evangelisch-lutherische Landeskonsisto rium hat beschlossen, wegen der Feier des 350jäh- rigen Jubiläums der Einführung der Reformation eine allgemeine Anordnung nicht zu erlassen, weil die gedachte Einführung nur in einem Teile unseres Vaterlandes erfolgt ist, auch der Zeitpunkt, zu welchem dieselbe in den einzelnen Gemeinden stattgesunden hat, sehr verschieden fft. Vielmehr soll es der Entschlie ßung der einzelnen Kirchenvorstände überlassen bleiben, ob sie das Gedächtnis dieses wichtigen Ereignisses durch Veranstaltung einer besonderen kirchlichen Feier oder vielleicht in Verbindung mit der Feier des all gemeinen Reformationsfestes begehen wollen. — Unter den 5 regelmäßigen Kirchenkollekten findet erfahrungsmäßig diejenige, welche zum Besten der sächsischen Hauptbibelgesellschaft alljährlich am zweiten Osterfeiertag veranstaltet wird, die geringste Beteiligung. Und doch bedarf gerade in neuerer Zeit diese segensreich wirkende Gesellschaft, welche nunmehr 75 Jahre besteht, um so kräftigere Unter stützung, als sie genötigt ist, jede Schulbibel zu 3/4, jede Hausbibel zu ^/e des Herstellungspreises abzu- lassen und Unbemittelten unter Umständen unentgelt lich zu verabreichen, wenn sie es nicht ausländischen Bibelgesellschaften überlassen will, unser Vaterland als ein „Armenhaus", das der „Almosen" bedürftig ist, mit unvollständigen Bibeln zu versorgen. Jm Rechnungsjahre 1888/89 wurden 24044 Bibeln, 4412 Neue Testamente und 76 Psalter verabfolgt, d. i. 3409 Stück mehr als im Vorjahre und 9703 Stück mehr als 5 Jahre früher. — Ein Fabrikarbeiter traf nach Schluß der Arbeitszeit infolge eines Schadenfeuers in der Nähe der Fabrik Vorbereitungen zur Löschung im Falle das Feuer die Fabrik gefährde, verunglückte aber dabei. Die Berufsgenossenschaft lehnte die Unfall- rente ab, das Schiedsgericht und endlich das Rcichs- versicherungsamt verurteilten aber die Berufsgenossen schaft zur Rentenzahlung, indem beide Behörden aus führten, daß in dem Begriff des Betriebsunfalles nicht liege, daß derselbe notwendig sich während der gewöhnlichen Arbeitszeit ereignet haben müsse. Es komme lediglich darauf an, ob die Thätigkeit, bei welcher der Kläger verunglückte, als eine Betriebsthä- tigkeit sich darstelle. Dabei sei es zunächst unerheblich, ob der Verunglückte im ausdrücklichen Auftrage des Klägers gehandelt habe. Entscheidend fei nur, daß der Verunglückte im Interesse des Betriebes gehandelt habe. — Die erste bemerkenswerte Kometenentdeckung dieses Jahres gelang am 1. April auf dem Obser vatorium des Mount Hamilton in Kalifornien. Der Astronom Barnard entdeckte im Sternbilde des Stiers, nahe an der Grenze des Orion, einen licht schwachen Kometen, der eine mäßige Bewegung zeigte. Nach den jetzt von Schäberle in Kalifornien vor liegenden ersten Berechnungen über den ferneren Lauf dieses Kometen bewegt er sich mit großer Ge schwindigkeit auf uns zu und wird am 26. Mai seine Sonnennähe erreichen. Man kann erwarten, daß der Komet, der gegenwärtig nur in den stärkeren astronomischen Fernrohren zu sehen ist, dessen Hellig keit bis zu jener Zeit aber in stetigem, raschem Wachsen begriffen ist, gegen Ende Mai und Anfang Juni eine auffällige Erscheinung am Himmel sein wird, wenn auch erst fortgesetzt« Untersuchungen näheres über die Entwicklung seiner Leuchtkraft er geben müssen. — Unter dem Titel: „Sicheres Mittel gegen die Folgen des Bisses toller Hunde" brachte eine größere Zeitung Berlins im April 1887 ein Einge sandt des Grafen von der Recke-Volkmerstein in Louisdors in Schlesien. Es lautet: „Da nach der langandauernden Hitze der letzten Wochen voraussicht lich viel tolle Hunde erscheinen werden, so ist es wohl höchst wichtig, ein Mittel zu kennen, das seinen gün stigen Erfolg nie versagt. Es ist dies ein Dampfbad. Nach einem solchen Dampfbade kommt der Gebissene in eine feuchte Einwickelung, um hierin so lange nach zuschwitzen, bis der Schweiß von selbst aufhört. Gleich nach dem Bisse angewendet genügen 5 (einen Tag um den andern), später angewendet, machen sich bis 10 Dampfbäder nötig. Selbst Wochen nach dem Biß, wo schon Fieberschauer den Patienten durchrieseln, wird das Dampfbad, richtig angewendet, sich als sicheres Rettungsmittel bewähren. Wie beim Bfise von einem tollen Hund wird es auch bei dem giftiger Schlangen angewendet. In beiden Fällen, wo jede Täuschung ausgeschlossen war, habe ich die Heilwir kung selbst erprobt. Indem ich dies zum Wohle meiner Mitmenschen veröffentliche, wünsche ich die Blicke von dem Jmpfverfahcen Pasteur« abzulenken." — Dresden, 15. April. Die Sächsische Lan deshauptstadt begeht in der nächsten Zeit zwei Kir chenjubiläen, und zwar das 150 jährige Erinnerungs fest an die am 1. Mui 1739 erfolgte Einweihung der evangelischen Dreiköaigskirche in Dresden-Neustadt und