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— Leisnig, 5. April. In der Nacht zum 2. April wurde in der Westewitzer Schankwirtschaft bei der verwitweten Haferkorn ein Einbruchsdicbstahl ver übt. E« wurde mehreres Handwerkszeug, darunter eine Axt, gestohlen. In der darauf folgenden Nacht gegen 12 Uhr kamen zwei Unbekannte, mit einem spitzen Instrument, einer Axt und einem Pistol be waffnet, in die erwähnte Schankwirtschaft und verlang ten zu essen. Hierauf drohten sie, tue Wirtin und ihre 15jährige Enkelin zu erstechen oder zu erschießen, wenn sie ihnen nicht ihr Geld herausgebe. Von Angst getrieben, gab die Wirtin ihre Tageseinnahme von 6 Mark. Der eine der Räuber bemerkte: „Dies sei eitel wenig und er verlange mehr Geld." Daraufhin entfernte sich die Wirtin, um anscheinend mehr Geld zu holen, rief aber im Hause um Hilfe, worauf die Thater unter Zurücklassung der Axt flohen und drei Schreckschüsse in die Lust abfeuerten. Die Axt wurde von der Wirtin als die in der Nacht zum 2. April bei ihr gestohlene erkannt. — Reichenbach. Ein hell glänzendes Meteor ist am 2. April nachts >/e12 Uhr am südwestlichen Himmel beobachtet worden. In hellrotem Glanz und wachsenden Dimensionen trat die Erscheinung, wie aus ungemessenen Fernen kommend, zu Gesicht, be wegte sich diametral der Erde zu und löste sich nach Augenblicken geräuschlos wieder auf. 8 Gotha, 5. April. Eine hiesige Arbeiterfrau verlor die Sprache dieser Tage infolge ausgestan- denen Schreckes; ihr Kind war, ohne indeß Schaden zu nehmen, von einem Gange ein Stockwerk tief in den Hof gefallen. Da es sich um einen krampfartigen Zustand zu handeln scheint, so hofft man, daß die Frau die Fähigkeit zu sprechen wiedererlangen werde. — Mittwoch nachts kam auf Bahnhof Frvttstedt beim Ordnen eines Güterzuges der Hilfsbremser Schlosser aus Kassel auf schreckliche Weise ums Leben. Es wurde dem Unglücklichen der Kopf abgefahren. Derselbe hinterläßt eine Witwe mit 8 Kindern. Z Berlin, 8 April. Der Kaiser schifft sich im Mai im Antwerpner Hafen nach England ein. König Leopold von Belgien wird den Kaiser begrüßen. Großer Empfang wird vorbereitet. — Die Abend blätter dementieren sämtlich die Nachricht von der Demission des Eisenbahnministers von Maybach. — Der Berliner Hof legt für die verstorbene Herzogin von Cambridge eine 14tägige Trauer an. — Eine amtliche Meldung aus Sansibar bestätigt, daß Haupt mann Wißmann am 4. d. M. auf dem Stations hause der deutsch-ostafrikanischen Gesellschaft zu Baga- moyo die Gesellschaftsflagge einfach herabnchmen ließ und seinen Wohnsitz durch Aufhissung der Handels flagge erkenntlich machte. — Der „Reichsanzeiger" veröffentlicht die erste Auszeichnung an einen deutsch ostafrikanischen Schutzbefohlenen. Der Patrouillen führer Schauß Compa-Wadi Amib in Bagamoyo erhielt das militärische Ehrenzeichen 2. Classe. 8 lieber eine Kasernenvisite Sr. Maj. des Kaisers wird dem „B. B. C." folgendes berichtet: „Kaiser Wilhelm begab sich jüngst morgens um 6 Uhr in die Kaserne eines Berliner Regiments, in welcher auf diese Zeit Jnstruktionsstunde angesetzt war. Der Kaiser war pünktlich zur Stelle, der betreffende Offi zier aber nicht. Der Kaiser wartete geduldig eine halbe Stunde lang. Man kann sich den Schrecken des Offiziers vorstellen, der mit solcher Verspätung erschien und den Kaiser vorfand. Er meldete das Geschehene bei dem Obersten und sah nun nicht ohne eigene Besorgnis den Dingen entgegen, die da kommen sollten. Es kam aber nichts, den ganzen Tag nichts, W'ume -ru---» Die Villa am Rhein. Original-Novelle von Mary Dobson. (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) Gustav Eschenbach schrieb an seine Schwester und diese empfing den Brief mit großer Freude, denn sie hatte schon besorgt, das Ehepaar könne ohne persön lichen Abschied nach Italien reisen. Sie sehnte sich aus besonderen Gründen, beide wiederzusehen, hatte aber nicht gewagt, unaufgefordert in der Villa am Rhein zu erscheinen. Bei Elisabeths zunehmender Ge nesung hatte sie längst eine Einladung erwartet und bereits gefürchtet, unter den Gatten möge vielleicht nicht alles nach Wunsch stehen. Der Brief ließ nun alle Besorgnis schwinden. Am folgenden Sonntag trafen Schwager und Schwägerin in der Villa ein und Elisabeth begrüßte die Gäste. Von feiten der Majorin geschah dies unter lebhaften Umarmungen, von feiten ihres Gatten aber mit einem warmen Händedruck und einigen herz lichen Worten, dann sagte die erstere, die junge Frau anscheinend mit großer Teilnahme betrachtend: „Meine teure Elisabeth, wie unbeschreiblich glück lich macht mich Dein Anblick! — Als ich Dich vor Wochen verließ, da warst Du allerdings schon außer Lebensgefahr, allein ich hätte nie auf eine so schnelle Herstellung gehofft!" „Ich fühle, daß ich bald vollständig genesen sein werde, Karoline", entgegnete Elisabeth. „Und wenn wir erst in Italien — in Mentone sind", fügte Gustav Eschenbach hinzu. und das war bei der Schnelligkeit, mit welcher Mili tärbehörden derlei Dinge abmachen, nicht gerade be ruhigend. Auch am andern Morgen folgte keinerlei Andeutung, die auf daS Geschehene Bezug hatte. In der Nachmittagsstunde aber wurde bei dem Offizier durch einen Boten des HofmarschallamteS ein Patet abgegeben, ohne daß der Name des Absenders genannt wurde. Das Paket enthielt — eine Weckuhr. K Hamburg, 8. April. Im Vororte Horn wurde gestern Sonntag abend ein schauerlicher Mord an einem zehnjährigen Knaben Namens Emil Stein- fatt verübt. Der unbekannte Thäter ist entflohen. Der ermordete Knabe ward mit aufgeschlitztem Leib und mit durchschnittenem Halse aufgcfunden. 8 Der Schnelldampfer Lahn, Kapt. H. Hell mers, vom Norddeutschen Lloyd in Bremen, welcher am 27. März von Bremen und am 28. März von Southampton abgegangen war, ist am 4. April 9 Uhr abends wohlbehalten in Newyork angekommen. 8 Der Postdampfer Main, Kapt. M. Möller, vom Norddeutschen Lloyd in Bremen, welcher am 20. März von Bremen abgegangen war, ist am 3. April wohlbehalten in Baltimore angekommen. ** In der Nacht zum Donnerstag zerstörte ein von Regen begleiteter Sturmwind in dem eine Stunde von Preßburg entfernten Ratzersdorf 7 Häuser, indem teils die Dächer eingedrückt, teils Mauern umge worfen wurden. Der Sturm 'entwurzelte starke Bäume. Die Bewohner retteten sich rechtzeitig ins Freie. ** Paris, 8. April. Aus Anlaß der Anwesen heit der boulangistischen Führer in Rouen fanden dort gestern große Straßenprügeleien statt. Militär mußte einschreiten. Der Pöbel brach in das Redaktionslokal des „Petit Nouennais" ein, prügelte die Drucker durch und warf einen Wagen des Blattes in die Seine. In ihren gestrigen Reden wie in ihrer Presse stellen die Boulangisten die freche Behauptung auf, der Mi nister des Auswärtigen, Spuller, habe Deutschland veranlaßt, in Brüssel einen Druck bezüglich der Aus weisung Boulangers auszuüben. Die belgische Re gierung soll Boulanger gewarnt haben, er möge sie nicht durch eine geräuschvolle politische Agitation zwingen, ihn ausznweisen. Andererseits meldet der „Mot d'Ordre", Boulanger sei bereits ausgewiesen und reise morgen nach Vrigthon ab, wo eine Wohnung für ihn telegraphisch bestellt sei. Boulanger selbst, gestern bes agt, wohin er sich im Fall der Ausweisung wenden würde, erwiderte, er wisse das noch nicht; keinesfalls würde er Deutschland betreten. Diese Ant wort ist jedensalls darauf berechnet, die französische Regierung als mit der deutschen gegen ihn konspirierend hinzustellen. Die boulangistische Presse dementiert die Nachricht der „Jndependance Belge", wonach Bou langer mit Prinz Viktor Napoleon zweimal konferiert haben soll. Das angekündigte Duell Thiöbaud-Roche- fort unterbleibt, da Rochefort revozierte. ** Der eine Teil der von der französischen Re gierung gegen den Boulangismus eingcleiteteu Aktion ist zu Ende. Das Urteil des Pariser Gerichtshofes in dem von dem Kabinett Tirard gegen die Häupter der Patriotenliga angestrengten Prozesse ist am Sonn abend verkündigt worden. Es spricht alle Angeklag ten in Bezug auf den Hauptpunkt der Anklage, daß sie Teilnehmer einer geheimen Gesellschaft gewesen seien, frei, erklärt dieselben aber der Teilnahme an einer behördlich nicht genehmigten Gesellschaft schuldig, wofür sie unter Zubilligung mildernder Umstände, weil die Regierung ihre Verbindung, von der sie Jahre lang Kenntnis gehabt, geduldet hat, ein Jeglicher zu „Ihr glücklichen Menschen!" unterbrach die Ma jorin in affektierter Weise. „Wer doch mit Euch das Land, wo die Citronen blühen, besuchen, an der Ri viera den Winter dahiuschwiuden sehen könnte. — Wahrlich, Ihr seid zu beneiden!" „Nein, Karoline, das sind wir keinesfalls!" siel ernst ihr Bruder ein, „denn unsere Reise hat eine zu traurige Veranlassung!" „Das ist wohl wahr", antwortete sie in schnell verändertem Ton und zu ihrer Schwägerin gewendet, setzte sie hinzu: „Du wirst wohl auf dem Wege auch Deine Vaterstadt besuchen, Elisabeth?" „Wir begleiten vor allen Dingen meine Mutter dorthin und dann sind ja auch noch Geschäfte zu erle digen, die durch meine Krankheit so lange verzögert worden sind." „Wie machst Du es nur möglich, Gustav, so lange in Deinem Comptoir zu fehlen?" fragte jetzt der Major, welcher auf dem eben noch so heiteren Gesicht seines Schwagers einen Schatten bemerkte. „Mein erster Buchhalter vertritt meine Stelle und kann es einmal nicht anders sein, so muß ich auf einige Tage hierher reisen" erwiderte Gustav Eschen bach, welcher in der That merklich ernster geworden war. DaS kurze Beisammensein verging schnell genug, doch hatte Frau von Falkenberg hinlänglich Zeit gehabt, um sich von allem in Kenntnis zu setzen, was ihr in Bezug auf ihren Bruder und seine junge Gattin von Wichtigkeit war. Am nächsten Tage nahm sie mit dem Major von den Verwandten wieder Abschied, bei welcher Gelegenheit sie wieder die größte Zärtlichkeit 100 Frks. Geldbuße und Tragung der Untersuchungs kosten verurteilt werden. ** Madrid, 5. April. Spanische Zeitungen Wissen unter der Spitzmarke „Eine märchenhafte Reise" von einer allerdings schier unglaublich klingenden See fahrt zu berichten, welche der amerikanische Schiffs kapitän Slocum letzthin mit seiner Frau und zwei Kindern ausgeführt hat. Slocum verlor an der Küste der brasilianischen Provinz Rio Grande do Sul sein Schiff. Ohne fremde Hilfe zimmerte er sich aus den Trümmern seiner Barke ein Boot von etwa zwei und einer halben Tonne Tragkraft, stattete dasselbe mit Proviant aus und unternahm auf diesem gebrechlichen Fahrzeug die Reise von der brasilianischen Küste quer über den Golf von Mexiko bis nach einem Hafen Nord-CarolinaS — auf solche Weise eine Distanz von nahezu 2400 Meilen zurücklcgend. Zu dieser weiten Reise, welche ohne Unfall verlief, hatte Kapitän Slo cum, mehrfach Häfen des amerikanischen Kontinents und der Antillen anlaufend, vier Monate und einige Tage gebraucht. Der erste Huldigungsgruft an das Haus Wetti«. Bei dem am Sonntag in Dresden stattgehabten Fest-Aufführungs-Abend zur 800jährigen Jubelfeier des Königl. Hauses von Seiten des Tonkünstler vereins wurde durch Herrn Hofschauspieler Porth folgender ebenso sinniger wie patriotisch warm em pfundener Huldigungsprolog, der Dr. Koppel-Ellfeld zum Verfasser hat, gesprochen: Noch ist der Osterglocken Mahnung Erklungen nicht der gläub'gen Welt, Kaum hat die erste Frühlingsahnung Das hoffnungsfrohe Herz geschwellt Und sieh! schon kann sichs nicht mehr zügeln Im Vorgefühl der Seligkeit Und ruft: O komm auf Engelsflügeln, Du liebe, gold'ne Sommerszeit! Komm, komm, wir können's kaum erwarten, Daß Du mit lichtem Festgewaud Das schöne Sachsen, Deutschlands Garten, Uns Heuer schmückest wie kein Land! Vor allen Ländern in dem Reiche Gieß' auf das uns're Deinen Glanz; Das heil'ge Land der deutschen Eiche, Laß ihm erblüh'n zum Ruhmeskranz! Denn wenn auf goldumwölkten Wagen Du diesmal kommst, o Sonnwend-Zeit: Wo immer Sachsen-Herzen schlagen, Herrscht doppelt Lust uud Herrlichkeit — Der Jubel schallt vom Königs Throne Zur kleinsten Hütt' im fernsten Thal Und herrlicher glänzt Sachsens Krone Besonnt von Gottes hellstem Strahl. Dann werden, laut die Feierglocken Von Gau zu Gau, von Turm zu Turm Durch der Wettiner Land frohlocken: Das ist der Liebe Jubelsturm! Ein Ruf, nach dem wir alle dürsten, Wird im Gebet das Land durchwehn: „Dankt Gott, er gab uns gute Fürsten, Und ließ uns treu zu ihnen steh'n. Laßt uns zuni Schwur die Hände heben — Die Treue bleibe wie sie war: Nie mag ein Sturmwind sie erbeben, Nie wende Not sie und Gefahr — für ihre Schwägerin zeigte, die ihr auch versprach, von Mentone zu schreiben. Der Major schied mit den besten Wünschen für ihre Gesundheit und sprach zugleich die Hoffnung auf ein glückliches Wiedersehen aus. Am Bahnhofe trennte sich Gustav Eschenbach von seiner Schwester und dem Schwager und die Majorin stieg mit fröhlichem Herzen in den Waggon, denn ihre Tasche barg eine Rolle Gold, welche der Bruder ihr für das nahe Weihnachtsfest geschenkt hatte. Acht Tage später trat Elisabeth Eschenbach in Begleitung ihres Gatten und der Frau Feldmann die Reise nach Italien an und zwar von ihrer Vaterstadt aus, wo sie sich einen Tag aufgehalten, um als selb ständige Erbin ihres Onkels Einsicht in die Gcschäfts- angelegenheiten zu nehmen. Die Doktorin Stein und Hermine hatten mehrere Stunden mit ihnen verlebt und alle Verabredungen bezüglich ihres gemeinsamen Aufenthaltes in Mentone getroffen, wohin sie sich bald darauf begaben und in der ersten Hälfte des Januar mit der Rätin und Hermine eintrafen. 11. Zwei und ein halbes Jahr sind seitdem vergan gen. Es ist Juni und in der höchsten Sommerpracht liegen die Ufer des Rheins da und auch die Umge bung der Villa, wo Elisabeth als junge Frau einen so traurigen Einzug gehalten und die sie jetzt als glückliche Gattin bewohnt. In der Veranda, mit dem schönen Blick auf die jenseitigen Berge und auf den mit der größten Sorgfalt gepflegten Garten erblicken wir eine blühende, jetzt einundzwanzigjährige Frau, in der wir ohne Mühe Elisabeth Eschenbach wiederer kennen. Ihre Gestalt ist fast noch höher und ent wickelter geworden, allein die Schönheit der Formen