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Kaiserliche Hofmarschallamt hat gestattet, daß die Begrüßung der zum Wettstreite eintreffenden Manner gesangvereine am Vormittage des 29. Juni im Treppenhause des Brühler Kaiserlichen Residenz schlosses, diesem einzig schönen Raume, stattfinde. Der Begrüßung wird sich eine patriotische Kundge bung anschließen. Am Vormittag des 30. Juni wird im Schloßpark ein Jnstrumentalkonzert veranstaltet. 8 Insterburg, 27. März. Ein schwerer Un glücksfall hat gestern die Familie dcS Pfarrers S. in Norkitten betroffen, nachdem dieselbe erst vorgestern durch das glücklich bestandene Abiturienten-Examen eines Sohnes in Freude versetzt worden war. Der jüngste Sohn Fritz, Sekundaner des hiesigen Gym nasiums, hatte die beiden freien Tage der Abiturien- tcnprüfung im Elternhause verbracht und wollte sich gestern mit dem Nachtzuge nach seiner hiesigen Pension zurückbegebcn. Als er eben im Begriff war, über das erste Gleise zu gehen, um ein Kupee des auf dem zweiten Gleise haltenden Königsberger Personenzuges zu besteigen, hatte er das Unglück, von dem eben ein fahrenden Eydtkuhner Personenzuge erfaßt und über fahren zu werden. Dabei wurden ihm beide Beine vom Körper getrennt, und nach mehreren schmerzvollen Stunden gab der Verunglückte seinen Geist auf. Deutscher Reichstag. Sitzung vom 1. April. Präsident v. Levetzow machte Mitteilung von der Ernennung des Kontreadmirals Hausner zum Staatssekretär im Reichs-Marineamt. Die zweite Beratung des Alters- und Jnvali- ditäts-Versichernngsgesetzes wurde sodann fortgesetzt. Abg. Gebhardt (n.-l.) beantragt zu 8 2a Zu lassung der Selbstversicherung für kleine Betriebsnn- ternehmer und Arbeiter der Hausindustrie, soweit dieselben nicht schon durch Beschluß des Bundesrates zur Versicherungspflicht herangezogen sind. Auf Anregung des Ministerials-Direktors Bosse wurde der Antrag Gebhardt mit der Einschränkung ange nommen, daß die Selbstversicherung nur bis zum 40. (anstatt 50., wie Gebhardt beantragt hatte) Lebensjahre zulässig sein soll. § 4 der Vorlage setzt für staatliche und kommunale Betriebe die Möglichkeit fest, die darin beschäftigten Arbeiter außer bei den im Gesetz vorgeschriebenen Kassen auch bei anderen Kassen zu versichern, vorausgesetzt, daß diese nicht weniger leisten, als die gesetzlichen Kassen. Abg. Wedell (kons.) will diese Freiheit in der Wahl der Kassen auch auf solche Betriebe ausdehnen, die einer auf einem Bundesstaat oder nur auf einen Teil einer solchen beschränkten Berufsgenossenschaft angehören. Ein Antrag Rickert's (freis.) will sämtliche Per sonen von der Versicherungspflicht befreien, wenn sie einer Alters- oder Jnvaliden-Versicherung ange hören, welche dasselbe leistet, wie die staatlichen Kassen. Abg. Hegel (kons.) befürwortet den Antrag v. Wedell. Bundesbevollmächtigter Freiherr v. Marschall bekämpft denselben, da derselbe das System der territorialen Organisation, das dem ganzen Gesetze zu Grunde liegt, durchbreche. Im gleichen Sinne spricht sich Fürst Hatzfeldt ans, während Abg. Hitze (Zentrum) als Anhänger der berufgenossenschaftlichen Organisation für den Antrag v. Wedell eintritt, den Abg. Struckmann (nat.-lib.) seinerseits für undurch führbar hält. Staatssekretär v. Bötticher: Der Antrag möge praktische Zwecke im Auge haben, aber wenn man -'M! - !„!.!, Die Villa am Rhein. Original-Novelle von Mary Dobson. " > ------ (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) Sie hatte dabei gesehen, daß der Kellner Wein gebracht, und sagte leise: „Ich will etwas Wein und Brod genießen. Das wird mich stärken und ich werde dann imstande sein, weiter zu fahren!" Sich langsam erhebend, schritt sie ins Warte zimmer, setzte sich an den Tisch, trank etwas Wein und erklärte, sich gekräftigt zu fühlen. Mittlerweile ward zum Einsteigen geläutet und voll Sorge und inniger Teilnahme auf ihr bleiches, fast entstelltes Gesicht blickend, sagte er, als sie sich erhob: „Elisabeth, ich bitte Dich inständig, laß uns hier bleiben, damit Du einige Stunden ungestört ruhen kannst." „Nein, nein, ich bleibe nicht," entgegnete sie mehrmals entschieden und seinen Arm nehmend, ließ ie sich von ihm nach dem Coupee führen. Er hob ie hinein, sie setzte sich wieder auf ihren Platz, lehnte ich gegen die Kissen und blickte nach den Wartesälen hinüber, wo die Gasflammen schon erloschen waren. Bald setzte sich der Zug in Bewegung und brauste mit erneuter Kraft dem Ziele ihrer Reise zu. Sie hüllte sich wieder fester in ihren Mantel und im Begriff, die Augen zu schließen, hörte sie ihren Gatten sagen: „Elisabeth, wir haben eine lange Station vor uns, während welcher Du ungestört schlafen kannst, xaß mich Dich dazu so gut wie möglich betten —" I auf diese Zwecke weitgehende Rücksicht nähme, so I sei der Antrag doch unannehmbar, denn er führe s zu bedenkliche Konsequenzen. Abgg. Schrader und Schmidt-Elberfeld (freis.) und Dietz (Soz.) befürworten den Antrag Rickert. Es gäbe zahlreiche Alters- und Jnvalidenkassen, die bei gleichhohen Beiträgen sehr leicht als die in der Vorlage intendierten Reichsversicherungsanstalten gelten können. Staatssekretär v. Bötticher bekämpft den Antrag Rickert, der keine Garantie dafür biete, daß die Privat kassen auch immer leistungsfähig seien. Abg. Schmidt-Elberfeld erwidert, daß die Leistungsfähigkeit doch gesetzlich gesichert werden könne. Staatssekretär v. Bötticher ersucht die Herren, daß sie Vorschläge darüber machen sollen. In der vorliegenden Fassung sei der Antrag unannehmbar. Abg. Kalle (nat.-lib.) schließt sich diesen Bedenken an, ebenso Freiherr v. Stumpf (Reichspartei). Schließlich wurden die Anträge v. Wedell und Rickert abgelehnt und die in Frage stehenden Bestimmungen nach den Kommissionsbeschlüssen angenommen. Weiterberatung morgen. Die Katastrophe im Hase« von Apia. Telegrammen des Reuterschen Bureaus und des Newyork Herald entnimmt man folgendes: Am 16. März gegen Abend brach der Orkan fast Plötzlich mit elementarer Gewalt aus und überraschte die im Hafen von Apia liegenden Schiffe, ehe die selben Zeit fanden, ihren unsicheren Ankerplatz mit seinen zahllosen tückischen Korallenriffen zu verlassen und die hohe See zu gewinnen. Das erste vom Anker gerissene Kriegsschiff war die „Calliope". Dieselbe be fand sich jedoch glücklicherweise unter Dampf und ge wann in schwerem Kampf und nicht ohne schlimme Havarien die hohe See. Für die zurückgebliebenen Schiffe folgte eine ent setzliche Nacht. Sie waren von undurchdringlicher Finsternis umlagert, die Maste und Raaen zersplit terten im Sturme, und die haushohen Wogen brachen beständig über das Deck der hin- und hergeschleuderten Schiffe, deren Mannschaften notgedrungen unter Deck gehalten werden mußten und ihren Untergang hilflos herankommen sahen. Beim ersten Morgengrauen riß die Ankerkette des „Eber", der von der dämonischen Gewalt des Stnrmes erfaßt von einer Woge haushoch gehoben und auf ein Korallenriff geschleudert wurde. Das unglückliche Schiff Prallte zurück und versank im nächsten Augenblick in der Tiefe. Alles war unter Deck und kaum eine Seele entging dem Tode. Kaum war der „Eber" unter dem rasenden Gischt verschwunden, als eine furchtbare Flutwelle den „Adler" mit samt den Ankern emporhob, zur Seite warf und so auf ein zackiges Korallenriff schleuderte, daß der „Adler" ganz umgewendet wurde, mit dem Deck auf schlug und mit dem Kiel nach oben zu liegen kam. Es folgte nunmehr ein furchtbarer Kampf der armen Matrosen um ihr Leben. Viele warfen sich in die Brandung, um das Ufer schwimmend zu erreichen, andere klammerten sich eine Weile an den Ankerketten an, ehe sie es wagten, sich in die brausende See zu stürzen, welcher viele der wackeren Männer nach har tem Kampfe entrannen. Inzwischen begann der „Nipsic" die Anker zu schleppen. Der Kapitän hatte glücklicherweise nicht alle Kontrolle über das Schiff verloren und rannte es auf ! eine Sandbank, von wo die Mannschaft in Booten mit I einem Verluste von nur 6 Manu, deren Boot kenterte, j Da sie dies nicht ablehnte, hob er sie gleich einem Kinde auf den Sitz, bedeckte sie zugleich mit der Reisedecke und kehrte dann an seinen Platz zurück. Sie rührte sich während der ganzen Dauer der Fahrt nicht und er hoffte, sie werde sanft und ruhig schlafen, wagte aber nicht, sich davon zu überzeugen. Sie schlummerte auch etwas, aber sie sllhlte auch zugleich ihre Kräfte immer mehr schwinden und eine schwere Krankheit nahen, welche als Folge der gehabten Auf regungen sie lange an das Schmerzenslager fesseln sollte. — 7. Die Hochzeitsgäste waren noch einige Stunden um die Rätin versammelt geblieben und in dem Kreise, welcher nicht im entferntesten ahnte, was in zwischen auf der Reise der Neuvermählten geschehen, hatte die fröhlichste Stimmung geherrscht. Gleich wie vorher die Braut war jetzt die Mutter Gegenstand allgemeinster Aufmerksamkeit und man versuchte, sich über die Trennung von ihrer Tochter zu trösten, die ja eine so glückliche Veranlassung gehabt. Dabei be zeigte die Majorin ihrer lieben Mama, wie sie die Rätin seit dem ersten Augenblick ihrer Bekanntschaft genannt, die liebevollste Teilnahme und als dann das zweite erfreuliche Familienereignis, die große Erbschaft, besprochen ward, konnte sie ihre Freude, daß sie ihr und der lieben Elisabeth zugefallen, nicht genug aus- sprcchen. Die Doktorin Stein und ihre Tochter blickten sich mehrfach bedeutungsvoll an, da ihnen Frau von Falkenbergs erster Brief an ihre künftige Schwägerin bekannt geworden. Als die Gäste schieden, waren sie sämtlich von der Rätin zum folgenden Abend eingeladen; für den das Land erreichte. Schlimmer erging es gleich da rauf der „Bandalia", die von dem Anker gerissen und gegen ein Riff getrieben wurde. Der Anprall schleu derte den Kapitän gegen ein Geschütz, daß er besin nungslos zu Boden stürzte und im nächsten Augen- blick von einer Sturzwelle über Bord gerissen wurde. Die „Vandalia" sank, kaum fünfzig Meter von dem „Nipsic" entfernt. Von den Offizieren und Mann schaften wurden viele über Bord gerissen und ertranken, andere kamen bei dem Versuch, das Land schwimmend zu erreichen, um. Die meisten klammerten sich an das Takelwerk an, wo sie Stunden lang hingen, einer nach dem andern aber von den Wellen erfaßt und fortgerissen wurde. Die Europäer und Eingeborenen standen am Ufer, vermochten aber keine Hilfe zu leisten und starr ten entsetzt auf das furchtbare Schauspiel. Wieder brach die Nacht ein, und die Korvette „Trenton" riß nun vom Anker und trieb auf das Wrack der „Vandalia". Unter furchtbarem Krach zer splitterten die Schiffe an einander, die Mannschaft entkam aber wie durch ein Wunder. Die „Olga" hielt bis zum Morgen Stand, Sturm und Wogen hatten ihr aber so schlimm mst- gespielt, daß sie unlenkbar wurde. Ohne Steuerruder trieb sie vom Anker gerissen ans Ufer und strandete, sodaß die ganze Mannschaft sich zu retten vermochte. König Mataafa war selbst beständig am Ufer und mit seinen Leuten unermüdlich in aufopfernder, oft heroi scher Hilfeleistung. Vermischtes. * Begnadigt! Vor etwa zwei Jahren wurde ein junger Berliner Namens S., seines Zeichens ein Töpfer, der beim Brandenburgischen Infanterie-Regi ment Nr. 20 seiner Militärpflicht zu genügen hatte, vom Kriegsgericht zu einer sechsjährigen Festungshaft verurteilt, weil er im Jähzorn sich hatte Hinreißen lassen, seinen Unteroffizier „vor versammeltem Kriegs- Volk" auf dem Kasernenhofe thätlich anzugreifen. Zur Verbüßung seiner Strafe kam S. nach Spandau. Die Mutter des S., eine arme Witwe, die sich mit meh reren noch unmündigen Kindern mühselig durchschlagen muß, durfte ihren Sohn, der sich jetzt sehr gut führte, zuweilen besuchen, und bei einem solchen Besuche wurde sie dazu angeregt, die Gnade des Kaisers anzurufen. In einem entsprechenden Gnadengesuch schilderte die arme Frau in schlichten Worten ihre traurige Lage, sie hob hervor, daß ihr unglücklicher Sohn, der aller dings zum Jähzorn neige, aber sonst ein gutherziger Mensch sei, stets in bravster Weise für seine jüngeren Geschwister gesorgt habe und auch ein guter Sohn gewesen sei, der alles, was er in seinem Handwerk verdient, bereitwilligst hergegeben hätte. Das Gnaden gesuch kam gerade am jüngsten Geburtstage des Kaiser» in dessen Hände und, bewegt von der treuherzigen, schlichten Schilderung, ließ er sich sofort über die seit herige Führung des Häftlings aus Spandau Bericht erstatten. Derselbe lautete durchaus zu Gunsten des S., sodaß der oberste Kriegsherr nunmehr gern Ver anlassung nahm, dem Verurteilten die noch zu ver büßenden vier Jahre Festung in Gnaden zu erlassen. Außerdem ist Aussicht vorhanden, daß S. vom Mili tärdienst befreit wird, sodaß er sich ganz wieder der Sorge für seine Mutter und Geschwister wird widmen können. * Alter schützt vor Thorheit nicht. Ein in Hamburg am Pferdemarkt wohnender 70jähriger Privatier hatte im vorigen Jahre gelegentlich eines Besuchs in Berlin die Bekanntschaft einer Choristin am Kroll'schen Theater gemacht und solchen Gefallen zweitnächsten Tag hatten der Gerichtsdirektor und seine Gattin sie zu einer Mittagsgesellschaft gebeten. Eine weitere Bestimmung zur Nachfeier der Hochzeit ließ sich noch nicht treffen, da an dem dritten Morgen die beiden verhängnisvollen Briefe geöffnet und verlesen werden sollten. Später als es sonst ihre Gewohnheit war, nahm am Morgen nach der Hochzeit ihrer Tochter die Rätin Waldheim ihr Frühstück ein. Unwillkürlich wandten sich dabei ihre Gedanken dieser zu und ein leiser Seufzer entquoll ihren Lippen und sie blickte auf die leere Stätte, wo seit ihrer Kindheit ihr Platz gewe sen. Bald glitten einige schwere Thränen ihre Wangen hinab und diese trocknend, sagte sie endlich: „Nein, nein, ich will mir keine unnötige Sorge machen, denn weshalb sollte sie mit einem Gatten, wie Gustav Eschenbach, der sie liebt und verehrt, wie kaum ein zweiter Mann thun könnte, nicht glücklich werden? Sie wird in der neuen glänzenden Lebensstellung, mit dem ihr zugefallenen Reichtum ihre Jugendneigung vergessen, ihr Herz wird sich immer mehr anschließen und wenn, wie wir verabredet, Hermine und ich sie nach einiger Zeit besuchen, werden wir gewiß ein glückliches Paar finden!" Nach beendigtem Mahle erhob sie sich, um die gewohnte Ordnung im Hause wieder herzustellen, bei welcher Arbeit Hermine ihre Hilfe zugcsagt. Diese hatte überhaupt versprochen, einstweilen bei ihr zu bleiben, und sie glaubte daher jeden Augenblick, sie eintrcten zu sehen. Während sie sich so beschäftigte, aber »ft inne hielt, um an ihr abwesendes Kind zu denken, wobei ihr jedoch kein recht frohes Gefühl kommen wollte.