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Kabinett des Kaisers ein Schreiben, worin ihm mit geteilt wurde, daß der Kaiser den Staar ausnahms weise angenommen und dem Geber ein Guadenge- scheuk von 60 Mk. bewilligt habe. Das Geld war dem Schreiben beigefügt. ** Paris, 23. März. Wie mehrere Zeitungen melden, ist das Torpedoboot Nr. 1l0, das in der Nacht vom Donnerstag zum Freitag vou Havre auslief, unweit Barflcur infolge hohen Seeganges gekentert. Die aus 13 Personen bestehende Mann schaft fand in den Wellen den Tod. ** London, 25. Mürz. Das „Reuter'sche Bureau" meldet aus Kairo von gestern, Mohammed Berawi sei dort aus Omdurman eingetroffen und habe nütgeteilt, der Scheikh Seuussi habe die Der wische ans Darfur und Kordvfan vertrieben. Diese Provinzen seien gegenwärtig von den Leuten Senus- sis besetzt. Berawi fügte hinzu, er habe im Juli des vergangenen Jahres 6000 Mahdisten auf Dampf böten und anderen Schiffen gegen Emin Pascha begleitet. Die Mahdisten Hütten bei Bor eine voll stündige Niederlage erlitten; fast alle seien getötet, die Leute Emins Hütten die Dampfboote und viel Munition erbeutet. Berawi selbst sei mit 100 Leute« nach Omdurman entkommen. — Mohammed Berawi meldete außerdem, Emin Pascha befand sich bei guter Gesundheit, alle seine Leute waren bei ihm in der Provinz Bahr-el-ghazel und einige enropüische Reisende begleiteten ihn. ** Kalkutta. Der Luftschiffer Spencer stieg am 19. Mürz von dem Ballyganj Maidan in Ge genwart des Vizckönigs und Tausender von Zu schauern ohne einen Fallschirm in einem Ballon auf, der, nachdem er eine große Höhe erreicht, in östlicher Nichtnng verschwand. Spencer ist seitdem nicht niedergestiegen und sein Ansbleiben flößt ernste Besorgnisse ein. Man befürchtet das Schlimmste. ** Florida. Ein entsetzliches Drama spielte sich kürzlich in einer Judianertruppe nüchst Okeechobee in Florida ab. Ein junger Indianer, bekannt unter deni Namen Jun, wurde plötzlich wahnsinuig und begann mit seinem Gewehre nach seinen Genossen zu feuer». Er erschoß zuerst den Chef der Miamis, Waukee Micco, und ein Mitglied seines eigenen Stammes, den „alten Tiger". Der Sohn des letz teren, „Jung-Tiger", stürzte sich auf den Wahn sinnigen und versuchte, ihn zu entwaffnen. Aber Jun schoß und seine Kugel traf den jungen Tiger mitten in die Brust. Daun tötete der Wahnsinnige noch seine zwei Schwestern und einige Kinder. Nachdem er acht Menschen getötet, wurde er von dem Indianer Belly erschossen. Deutscher Reichstag. Sitzung vom 23. März. Vor Eintritt in die Tagesordnung erklärt Abg. Singer, einer Zeitungsangabe gegenüber, es sei richtig, daß er Herrn Sparig's Znmutuug nicht entsprochen habe, seine in Bezug auf diesen Herrn in öffentlicher Rcichstagssitzung gemachten Aeuße- rungen diesem privatim gegenüber zu wiederholen. Dagegen sei es nicht richtig, daß er seine Acußerungen, die sich auf ein gerichtliches Erkenntnis stützen, im stenographischen Bericht abgcschwächt habe. Der Nachtragsetat (Artillerie, Teilung der Marineverwaltung w.) wird unverändert und ohne Debatte nach den Beschlüssen der zweiten Lesung endgiltig in 3. Lesung angenommen, ebenso das damit zusammenhängende Anleihegcsetz. Es folgt zweite Beratung des neuen Genossen- schaftsgesetzes. Der Berichterstatter, v. Rheinbabcu, bemerkte, die Kommission habe den verschiedenen, sich teilweise widersprechenden Interessen nach Mög lichkeit Rechnung getragen und einen Boden ge schaffen, auf dem sich alle Parteien zu einigen ver mochten. Der Entwurf sei in der nunmehr vorlie genden Fassung von der Kommission einstimmig an genommen worden. Frhr. v. Buol berichtet über die zu der Vorlage eingegangenenPetitionen; es sind deren weit über Tausend. Die Erledigung dieser Petitionen erfolgt durch die zu fassenden Beschlüsse über die Vorlage. Der erste Abschnitt betrifft die Errichtung der Genossenschaft. H 2 fügt zu den Genossenschaften mit unbeschränkter und beschränkter Haftpflicht als neue Art die Genossen schaft mit nubeschränkter Nachschußpflicht. Abg. Schenk (frcis.), Anwalt der deutschen Ge nossenschaften, bekämpft diese neue Genossenschaftsform. Dieselbe sei infolge der Agitation gegen den Einzel angriff der Gläubiger ausgenommen worden, aber sie werde schwerlich den Wünschen der Gegner des Einzelangriffs entsprechen. Der Einzelangriff in der Form, in welcher sie die ursprüngliche Vorlage ent hielt, entspreche ebenso sehr den Interessen der Ge nossenschaften wie anch der Genossen selbst. Abg. Freiherr v. Buol (Zentrum) befürwortet die Kommissionsbeschlüsse. Der Einzelangriff werde zum Schreckgespenst und halte die Wohlhabenden von den Genossenschaften fern. Abg. Dr. Enneccerus (nat.-lib.) hätte nicht ge glaubt, daß Herr Schenk einen so scharfen Verstoß gegen die nur fakultative Beseitigung des Einzelau- griffcs unternehmen würde, nachdem die besten Kenner des Genossenschaftswesens und 1157 Genossenschaften selbst in Petitionen an den Reichstag für die Besei tigung des Eiuzelaugriffs eingetreten sind. Die Ge rechtigkeit erheische, daß wenigstens die Möglichkeit zur fakultativen Beseitigung des Einzelangrisfs gegeben werde. Abg. Hegel (kons.) befürwortet gleichfalls die Kommissionsbeschlüsie als den Mittelweg zwischen den widerstreitenden Anschauungen. Von der neuen Ge nossenschaftsform wünscht er übrigens nur wenig Gebrauch gemacht zu sehen. Abg. Dr. Baumbach (sreis.) wendet sich gegen die Kommissionsbeschlüsse, die nur dem Kompromiß zu Liebe ausgenommen worden seien. Staatssekretär v. Oehlschläger: Bei dem von der Regierung vorgeschlagenen Umlageversahreu werde der Einzelangriff kaum noch vorkommen. Er glaube noch heute, daß der Entwurf das Richtige treffe, aber er widerspreche doch den Kommissiouöbeschlüssen nicht, zu dem die verbündeten Regierungen noch nicht Stel lung genommen hätten. Bei dieser Stellungnahme werde die Einmütigkeit des Hauses nicht ohne Einfluß sein. Abg. Gamp (Reichsp.) tritt für die Kommissious- beschlüsse ein. Nachdem noch Abg. Hnene (Zeutr.), Cuny (Elsässer) und Graf Mirbach (kons.) für die Kommissiousbeschlüsse eintretcn, wurden dieselben mit großer Mehrheit angenommen. 8 8 führt die im Statut aufzunehmenden Bestimmungen auf. v. Schenck beantragt die Streichung des Satzes, nach welchem die Genossenschaften, welche Darlehnc gewähren, mit Nichtmitgliedern derartige Geschäfte nicht machen dürfen. Abg. Kuhlemann (nat.-lib.) beantragt dagegen, auch für Genosseuschafteu, die zum gemeinschaftlichen Einkäufe von Lebensbedürfnissen im Großen und Ablaß im Kleinen begründet sind (Kosnmvereine), den Verkehr nur auf die Mitglieder zu beschränken. Bundeskommissar Geh. Justizrat Hagen ist gegen den Antrag Schenck, der das Risiko der Genossen-« schäften von Neuem bedeutend steigern würde. Für die Kommissionsbeschlüsse traten ein Abg. Enneccerus (nat-lib.) und Klemm (kons.) Die Kom missionsbeschlüsse zögen den Preis der Geschäfte durchaus nicht zu eng. Wechseldiskontierungen und ähnliche Geschäfte würden nicht berührt. Abg. Gräve (Pole) ist für den Antrag Schenck. Abg. Miguel ist für den Antrag Kuhlemann. Gang (Reichsp.) Klemm und Graf Mirbach (kons.), Buol (Ztr.) und Baumbach (frs.) sind gegen den Antrag Kuhlemann, durch den namentlich anch die Konsum- Vereine in den kleinen Städten schwer getroffen werden würden. Schließlich wird § 8 in der von der Kommission vorgeschlagenen Fassung ange nommen. Ueber eine Resolution auf eine möglichste Be schleunigung der beabsichtigten gesetzgeberischen Maß regeln zur wirksamen Bekämpfung der Trunksucht, sowie der Revision der gewerbepolizeilichen Vor schriften über den Vertrieb vou Spirituosen wird erst in dritter Lesung abgestimmt. Weiterberatung Dienstag. Außerdem Branut- weinrektifikation uud Geschäftssprache in Elsaß-Loth- ringen. Dresdner Plauderbriefe. IX. (Nachdruck verboten.) „Es war in den Tagen, da der Winter Abschied nimmt Und der Vogel mit Zagen die Kehle wieder stimmt." So singt der Dichter der Gudrun von der Zeit, welche nach den unumstößlichen Gesetzen der Natur sich denn auch in diesem Jahre mit dem besten Willen nicht mehr hinausschieben ließ. Und es war hohe Zeit. Bereits schlich sich ein unheimlicher Zug von trotziger Melancholie und ironischer Bitterkeit in die Frühlingslieder jener so oft verkannten Jünger des Apoll, wclche wegen chronischer Schwerhörigkeit der Verlagsvnchhändler gezwungen sind, ihre Gedichte ledig lich für den häuslichen Gebrauch zu verrichten. Ich möchte wissen, wie oft in diesen letzten Wochen dem so tief gesunkenen 1'vanmur das höhnische Wort ins Gesicht geschlendert worden ist, „daß cs doch Frühling werden müsse." Das ewige Naturgesetz vom Wechsel der Jahres zeiten, welches schon zu so vielen Gedichten ernsten und heiteren Inhalts Veranlassung gegeben, hat denn auch den prophetischen Blick des Sängers nicht im Stiche gelassen: es ist doch Frühling geworden. Allerdings merkt dies der Dichter „für den häus lichen Gebrauch" vorläufig weniger am Nachtigallen laut und Lerchenschlag, als vielmehr an der vermehr ten Schwierigkeit des Stiefelputzens. (Denn die Mit glieder dieser „Dichterschule" wichsen sich mit un wesentlichen Ausnahmen die Hüllen ihres Piede- stals selbst.) Welch ein Glück, daß wir uns nach dem goldenen Schlaraffeulaude des echten, blüten- uud duftgeschwellten, minncsctigen Lenzes nicht — durchzu essen brauchen durch das schier unglaubliche Gebirge von Brei, welches augenblicklich den Bereich unserer guten Stadt in der That zu einem „Weichbilde" ver wandelt hat. Ist der mehrfach erwähnte Dichter verheiratet, so verspürt er das Nahen des Frühlings mit vieler Deutlichkeit au dem Gezwitscher eines trauten Vögleins, dessen Lied ebenfalls vom Wechsel der Jahreszeiten ausgeht und aus diesem Vorgänge in der Natur die Notwendigkeit eines gleichzeitigen Wechsels im Gefieder Die Billa am Rhein. Original-Novelle vonIMarh Dobson. —(Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) „Ist seine Begleitung Dir unlieb, Elisabeth?" fragte die Rätin, sie forschend betrachtend. „Das nicht", entgegnete diese, leicht die Farbe wechselnd, allein —" Ein Klopfen unterbrach sie und auf die Antwort der Rätin trat der Kellner mit einem Brief ein, welchen er ihr übergab und sich wieder entfernte. Von einer unbestimmten Ahnung erfaßt, sah sie auf die Adresse in fester männlicher Handschrift, während die Augen ihrer Tochter sich umdüsterten. Endlich das Couvert öffnend, sagte sie: „Elisabeth, ich glaube zu wissen, von wem dies Schreiben ist und ebenfalls, was es enthält!" „Ich auch, Mutter," erwiderte ruhig die Tochter und ans Fenster tretend, blickte sie achtlos auf die schon belebte Straße hinab. Nach längerer Pause, in welcher die Mutter den Brief gelesen, fuhr sie fort: „Herr Eschenbach hält um Deine Hand an, Eli sabeth und will nach einer Stunde kommen, um Deine und meine Antwort zu erfahren! — Lies selbst" und sie reichte ihr den Brief. „Elisabeth, was gedenkst Du zu antworten?" „Ich weiß cs nicht, Mutter!" „Aber Herr Eschenbach wird kommen." „Ich wollte, ich hätte ihn nie gesehen." „Sein Antrag kann Dich nur ehren, tausende von jungen Mädchen würden ihn mit Freuden an nehmen!" „Das aber kann ich nicht, Mutter", erwiderte die Tochter mit Nachdruck. „Du wirst ihu doch nicht ablehnen, Elisabeth?" fragte schnell die Rätin. „Und wenn ich cs thäte?" „Wolltest Du während Deines ganzen Lebens vielleicht den harten Kampf nms Dasein kämpfen?" fragte ihre Matter mit einem Anflug von Bitterkeit. „Lieber das thun, als ohne Liebe heiraten!" „Kind, Du weißt nicht, was Du sprichst", ent gegnete ernst und fast traurig die Gerichtörätin. „Der Erwerb Deines Lebensunterhaltes wird, so lang Du jung uud kräftig bist, Dir nicht schwer werden, später aber, wenn Du älter geworden und der Mut der Jugeud schwindet, wird Dir nach und nach der Ge danke kommen, daß Du Unrecht gethan, die Dir ge botene Liebe und Stütze eines Gatten, eine gesicherte Lebensstellung ausgcschlagen zu haben! — Du weißt nur zu gut, daß wir bis jetzt kaum imstande gewesen sind, einen Notpfennig zu ersparen. Nach meinem Tode hört meine Pension auf, bis dahin werde ich aber schwächer uud Du wirst älter werden." „Mutter, Mutter, Du entwirfst mir da ein sehr trauriges Zukunftsbild, während ich mich in den Ge danken hincingelebt, mit erneuter Kraft immer mehr arbeiten und leisten zn können!" rief Elisabeth in schmerzlichem Ton. „Ich habe nur der Wahrheit gemäß gesprochen." „Aber nicht daran gedacht, daß ich ein großes Unrecht begehen würde, Herrn Eschenbachs Liebe und Hand anzunehmen, wo mein Herz kaum die Neigung zu Helbert Wendtorfs überwunden." „Nein, Elisabeth, das ist kein Unrecht", antwor tete entschieden und zuversichtlich ihre Mutter, „zumal Du sagst, daß Dein Herz diese erste Liebe über wunden." Elisabeth trat nochmals ans Fenster und blickte wiederum sinnend ins Weite. Die Worte der Mutter hatten ihr die Zukunft in traurigen Farben geschildert, sie wußte aber, daß sie Wahrheit enthielten und brauchte nur an einige Veamtcntöchter in ihrer Vater stadt zu denken, die im späten Lebensalter noch ange strengt arbeiten mußten. Ihr dagegen war an der Seite eines Mannes, der sie liebte, ein glänzendes Los geboten, durch das sie auch die Zukunft ihrer Mutter sorgenlos gestalten konnte und bei diesem letzten Gedanken innehaltend, wandte sich sich der Rätin zu und sagte langsam und in entschlossenem Tone: „Mutter, ich will mich Herrn Eschenbach anver trauen und ihm sagen, daß ich ihn nicht mit der Innigkeit der ersten Liebe lieben kann. Begehrt er dann noch meine Hand, so —" „Du wolltest also, Elisabeth?" rief freudig die Gerichtsrätin. „Ja, Mutter, daun will ich die Seine werden, möge auch die Welt sagen, was sie wolle." Feste schnelle Fußtritte, wclche den Korridor herabkamen, sagten ihnen, wen bereits die Ungeduld sich nähern ließ nnd kaum hatte sich die Rätin in das anliegende Zimmer begeben, als angeklopft ward und auf Elisabeths Antwort Gustav Eschenbach vor ihr stand. Die Farbe wechselte auf ihren Wangen, er aber sagte, sie voll Spannung ansehend, nach gegen seitigem Gruß mit bewegter Stimme: „Fräulein Waldheim, Sie werden meinen Brief