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welche von den Blättern heute vielleicht erörtert werden wird. Der liberale Krauß hatte jüngst die Schaffung von Kreisämtern und Kreisvertretungen angeregt; damit erklärte sich Mattusch (Czeche) gestern prinzipiell einverstanden. Pleuer ergänzte sodann diese Anregung dahin, daß die neue Kreiseiuteilung nach nationalen Grenzen erfolgen müßte, womit eine Handhabe zur Herstellung des nationalen Friedens geboten wäre. Die ganze Episode hat indes keine größere Tragweite. Die daran geknüpften Vermu tungen, daß dentsch-ezcchische Ausgleichsverhandlun gen stattfinden, sind unbegründet. Im Laufe des Monats Mürz findet bekannt lich in Petersburg der Prozeß wegen der Eisenbahn- Katastrophe bei Borkl statt. Recht belastend für die Angeklagten ans den höheren Beamtenkreisen dürfte dabei der Umstand einwirken, daß bereits 5 Monate früher ein russisches Blatt, und zwar der „Gornosawodskij Listok" vom 15. Mai, dieses Un glück gleichsam prophezeite, wenn nicht endlich der unsichere Bahndamm bei Borki in Ordnung gebracht werde. ** Bern, 15. März. Der schweizerische Bun desrat hat beschlossen, an alle europäischen Industrie treibenden Staaten die Anfrage zu richten, ob sie geneigt sind, an einer Konferenz, betreffend eine internationale Fabrik- und Arbeiterschutzgesetzgebung, teilzunehmen. ** Graudenz, 15. März. Nach einigen Thau tagen findet seit gestern stürmisches Schneetreiben statt. Der Zug vou Marienburg ist ausgeblieben. Deutscher Reichstag. Sitzung vom 15. März. Ein gegen Grillenberger (Soz.) wegen Preß- vergehcns schwebendes Strafverfahren wird für die Dauer der Session eingestellt. Es folgt die erste Lesung des Nachtragsetats. Staatssekretär v. Maltzahn empfiehlt denselben zur Annahme. Von der Forderung sollen 12^2 Millionen durch eine Anleihe, der Rest durch Ma- trikularbeiträge gedeckt werden. v. Bennigsen giebt zur Erwägung, ob nicht ein höherer Betrag auf die laufende» Ausgaben zu über nehmen sei. Richter erkennt keine Notwendigkeit für die er höhte Geschützbespannung an. mit der man die Nach barstaaten überflügeln wolle. Wolle man an der 1887 festgelegten Organisation rütteln, so frage es sich, ob nicht eine Ersparnis an anderer Stelle zu machen sei. Auch die Regierung müsse an dem Septennat festhalten. Richter spricht ferner gegen die Teilung der Marineverwaltung in eine Verwal tungs- und eine Kommandobehörde. Schon v. Stosch habe eine solche als unhaltbar bezeichnet. 1870/71 habe sich die Zweiteilung als unerträglich erwiesen; Vizeadmiral Batsch habe dieselbe verhängnisvoll genannt. Bei der gegenwärtigen Kolonialpolitik müsse man doppelt vorsichtig sein. Durch die Be setzung der obersten Kommandostelle mit einem Kö nig!. Prinzen würden die aus der Zweiteilung ent stehenden Konflikte nur verschärft. Graf Behr erklärt die Zustimmung der Reichs partei zu der Artillerie-Forderung. Bebel meint, angesichts der endlosen Bewilli gungen für den allgemeinen europäischen Massen mord müsse doch auch die Kartellparteien ein gelindes Grauen beschleichen. Die Herren thun, als ob Deutschland dem ganzen Europa allein gegenüberstünde und Oesterreich und Italien gar nicht vorhanden wären. Der nächste Krieg sei hoffentlich der letzte. Die Erbin von Wallersbrunn. Original-Roman von Marie Romany. (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) Auch eine weitere Unredlichkeit in Betreff der Angelegenheit hatte ihm nicht vorgeworfen werden können; und da endlich das Zeugnis, welches der Freiherr selbst über den Mann ausgestellt, zu seinen Gunsten sprach, hatte der Gerichtshof, wie wir wissen, seinem ehrlichen Namen keinen weiteren Schaden gethan. Bejammernswerte Tage hatte der arme Mann im Gefängnis verbracht. Es war nicht allein die Furcht, daß man ihm als Mitwisser des Verbrechens einen Anteil an der Schuld des Dr. Rimoli zuer kennen würde, was ihn niederdrückte, die bange Vor aussetzung, daß nach dem vorliegenden Verhältnis seine langjährige Dienstzeit in St. Salvatore ohne Zweck, d. h. ohne den genügenden Gelderfolg bleiben würde, war es, was ihm jede Hoffnung auf eine bessere Zukunft nahm. Man kann daher begreifen, mit welcher Begierde er nach seiner Freilassung der Abwicklung seiner finan ziellen Angelegenheit entgegensah. Ohne einen Tag zu verlieren, wendete er sich an die Gerichtsstelle, welche die Ordnung des Nachlasses des Direktor Ni- moli unter sich hatte; er machte seine Angaben und erhielt auch die Zusicherung, daß man nach Kräften sein Interesse wahrnehmen werde; auf diese Hoffnung gestützt, kehrte er, das von Alice von Waldheim erhal tene Gold und die Dukaten im Säckel, wieder bei der Witwe Forghese ein. Wenn sich 15 Millionen Menschen wie wilde Tiere hinschlachteten, werde das Volk zur Erkenntnis kom men, die alte Staatsordnung Zusammenstürzen und das Ideal der Sozialdemokraten verwirklicht werden. Sie wünschten diesen blutigen Weg nicht und stimmten deshalb gegen die Vorlage. Windthorst ist von der Notwendigkeit der neuen Militärordnung noch nicht überzeugt. Er erwarte, daß die Notwendigkeit in der Kommission bewiesen werde. Kriegsminster v. Bronsart bestreitet, daß nach der Vorlage die Artilleriebespannung bei uns teurer sein solle als in Frankreich. Je besser wir uns rüsten, desto besser seien wir gesichert. Warum sollen wir aufhören zu rüsten, wenn die Anderen weiter rüsten? Wehrlos, ehrlos! Kontreadmiral Hausner: Die Trennung in der Marineverwaltuug besteht verfassungsmäßig heute schon. Bei dem ernormen Material in der Marine ist es auch nicht möglich, das Kommando mit der Ver antwortung für die Verwaltung zu belasten. Die Trennung bei der Marine sei nicht schwerer als bei der Armee. Beide stünden gleichmäßig unter dem Befehl des Kaisers. Die kolvniqlen Verhältnisse seien durch die Vorlage nicht berührt. Bebel erklärt, er wolle keine Wehrlosigkeit Deutschlands, sondern eine Aendernng der deutschen und europäischen Politik, die mit der Ännexion Elsaß- Lothringens auf Irrwege geraten sei, die zu einer Katastrophe führen müsse. Richter meint, mit den stolzen Worten: „Wehr los, ehrlos!" werde nichts bewiesen. Minister Bronsart erwidert, er habe die Worte nicht in Bezug auf Mitglieder des Hauses gebraucht. Schließlich wurde der Nachtragsetat uud das Auleihegesetz au die Budgetkommission verwiesen. Dresdner Planderbriefe. VIII. (Nachdruck verboten.) Ans dem Leben Ottos des Reichen habe ich noch einiges nachznholen. Ich schloß meinen letzten Brief mit dem Hinweis, daß Otto bei all seinem Reichtum viel Kummer und Schmerzen zu leiden hatte, beson ders gegen seinen Lebensabend. Zu dem einen Un glück, daß ihn traf, war sogar der Reichtum, der ihm aus den Freiberger Silberadern zuströmte, selbst die indirekte Veranlassung. Einen großen Teil seines Bergscgens verwendete er nämlich zum Ankäufe von Grundbesitz, vor allem in Thüringen. Auf diese Weise brachte er Weißenfels und viele andere Güter in seinen Besitz. Diese Ge bietserweiterung des reichen Nachbars erregte aber mit der Zeit bei dem thüringischen Ludwig IV. (dem Frommen) ernste Besorgnisse, weshalb er Otto dem Reichen die Lehen über die gekauften Güter verweigerte. So entstand denn ein Krieg zwischen den beiden Nachbarn, in dessen Verlaufe das launische Glück dem bisherigen Günstling schnöde den Rücken kehrte. Nicht nur wurden Ottos Mannen geschlagen — er selbst hatte das Unglück, gefangen und auf der Wart burg in strengem Gewahrsam gehalten zu werden. Das geschah im Jahre 1182. Der erzürnte Land graf verweigerte auch hartnäckig die Freilassung Ottos, und nur dem ernstlichen Zureden des dem Markgrafen von Meißen befreundeten Kaisers Fried rich I. (unter dem Namen Barbarossa bekannt) gelang es endlich, den Thüringer zur Herausgabe seines Ge fangenen zu bewegen. Doch behielt der Landgraf in sofern seinen Willen, als Otto gegen Rückerstattung des Kaufpreises sämtliche erworbenen Ländereien (mit Der Willkommen, welcher ihm von den beiden Frauen zu teil wurde, war nicht so gewinnend, wie er es seit Jahren gewesen war. Wohl streckte ihm die Alte nach der spekulativen Art guter Weiber die Rechte entgegen, wohl lächelte und herzte Sofia, aber es war nicht zu verkennen, daß ein gewisses Miß trauen die Stimmung beengte; auch nachdem Giacomo eindringlich versicherte, daß er nicht den geringsten Anteil an der Schuld des Direktors von St. Salva tore gehabt habe, daß die für ihn rückständige Summe von mehr als fünftausend Franken sein ihm recht mäßig zufallender Lohn sei, daß ihm das Gericht zweifellos sein in Mühe erworbenes Geld auszahlen werde, wollte die Situation für ihn nicht von der erhofften Gemütlichkeit sein. Aber Giacomos Lebensanschauung war von praktischem Kern. „Ich verarge Euch nicht die Zurückhaltung, die Ihr gegen einen in Mißkredit gefallenen Mann beo bachtet", dachte er, ohne jedoch seine Meinung durch ein Wort zu verraten; „warten wir, bis der Spruch des Gerichts über den Erhalt meines Geldes gefällt ist; fünftausend Franken und darüber werden der acceptabelste Ausgleich für meine in Zweifel gestellte Ehre sein." Mit lobenswertem Eifer brachte er endlich die Entscheidung des Gerichts herbei. Die Zurückstellung seines Lohnes, resp. der größeren Hälfte seines Lohnes, hatte sich in dem Rechnungsbuche des Dr. Rimoli verzeichnet gefunden; also nahmen die Herren vom Gesetz keinen weiteren Anstand, den Nachlaß des Di rektors mit einer Quittung über den Betrag zu be reichern, wogegen Giacomo die Summe von fünftau alleiniger Ausnahme von Weißenfels) wieder zurück geben mußte. Schwerer und tiefer war der Kummer, der ihm aus dem Schoße seiner eigenen Familie erwuchs. Schuld daran war die Schwäche und Nachgiebigkeit, welche er in etwas zu ausgiebiger Weise seiner Ge mahlin Sophie gegenüber an den Tag legte. (Mark gräfin Sophie war eine Tochter Albrechts des Bären, Markgrafen von Brandenburg, und eine Schwester Bernhards von Askanien (od. Anhalt), des Gründers des askanischen Hauses Sachsen ^Wittenberg.) Dieselbe bevorzugte nämlich unter ihren beiden Söhnen Albrecht und Dietrich den letztgenannten jüngeren, und diese Vorliebe trieb sie zu einem ver hängnisvollen Schritte. Ihr Gemahl, Markgraf Otto, hatte bereits testamentarisch verfügt, daß, wie es ganz in der Ordnung war, Albrecht sein Nachfolger in der Markgrafschaft Meißen werden solle; als Erbe für Dietrich hatte er Weißenfels und einige andere Güter bestimmt. Nun aber wußte Sophie durch un ablässiges Drängen und Bitte» ihren schwachen Ge mahl schließlich zu bestimme», daß er nachträglich diesen seinen letzten Willen änderte, die dem Dietrich zugedachten unbedeutenden Ländereien für Albrecht bestimmte, de» jüngeren Liebling Sophiens aber zum Erben der Mark erwählte. Als Albrecht dies erfuhr, geriet er begreiflicher weise in Hellen Zorn, der durch die aufstachelnden Reden seiner Freunde, besonders seines Oheims Bern hard von Askanien, noch gesteigert wurde. Mit Hilfe dieser Freunde begann er einen förmlichen Krieg gegen seinen Vater, der damit endigte, daß Albrecht den alten Mann gefangen nahm und auf die Feste Döben bei Grimma brachte, wo Otto von seinem Neffen, dem Prinzen Konrad (einem Sohne des früher ein mal erwähnten Dedo V. von Rochlitz, der auch der Fette oder Feiste hieß,) scharf bewacht wurde (1188). Zwar wurde der bedauernswürdige Greis kurze Zeit darauf infolge eines strengen Befehls Kaiser Friedrichs, der über den unnatürlichen Vorgang erzürnt war, wieder freigelassen; als er aber 1189 die Waffen gegen Albrecht kehrte, um ihn für seinen Frevel zu züchtigen, rief dieser seinen Schwager, den Herzog (späteren König) Ottokar von Böhmen zu Hilfe, welcher als bald mit wilden Kriegshorde» in Meißen einbrach und mit Sengen und Brennen, Plündern und Morden derart im Lande wüstete, daß sich Albrecht endlich selbst bemühen mußte, die Geister, die er gerufen, wieder loszuwerdeii. Doch konnte er nicht hindern, daß die Praktisch gesinnten „Bundesgenossen" den väterlichen Schatz von 30 000 Mark Silber (1 Mark — 1/2 Psd. Silber) für ihre Bemühungen mit sich gehen hießen. Und so kam es, da auch Albrecht mit des Vaters Schätzen wenig sorgsam umgegangen war, daß Otto auch nach dieser Richtung in seinem Alter nicht mehr den neiderregenden Beiname» des „Reichen" verdiente. Der unselige Streit zwischen Vater und Sohn wurde endlich ans einer Fürstenversammlung zu Würz burg beigelegt; doch wurde bei dieser Gelegenheit dem Albrecht die Erbfolge in der Markgrafschaft zugejprochen. Markgraf Otto überlebte diesen schwersten Kummer seines Lebens nicht lange; er starb schon am 18. Feb. 1190. Beigesetzt wurde er in seinem Lüblingskloster Marienzelle (Altzelle bei Nossen), welcbes von da an bis zu Friedrich dem Streitbaren die Begräbnisstätte der Wettiner blieb. Markgräfin Sophie aber, die überlebende, hatte noch manchen bitteren Schmerz über ihre Kinder zu durchkoste». König Ottokar von Böhmen verstieß nach 18jähriger Ehe seine Gemahlin Adele, die jüngere send und zweihundert Franken in blankem Golde aus gezahlt ward. Es lag ein gewisser Triumph auf seiner Miene, als er nun wieder die simple Wohnung der Forghe- ses betrat. „Nun, Sofia," rief er, nachdem er die Alte lächelnd begrüßte, „wirst Du bereit sein, in vierzehn Tagen mit mir vor den Altar zu treten?" Sofia zögerte nur ein paar kurze Sekunden, dann schlug sie zu. „Ich habe niemals daran gezweifelt, daß Du ehrlich bist und es ehrlich mit mir meinst", erwiderte sie, dem so vom Glück begünstigten Bräutigam schmeichelnd. „Eh, Giaco", scherzte sie, „werde ich immer, so lange Du lebst, Deine teure Sofia sein?" „Vielleicht", lachte Giacomo. „Und was werdet Ihr treiben?" fiel die Alte ein. „Wenn er nach meinem Willen geht, werde ich Ackersmann", sagte Giacomo. „Wir mieten einen Bauernhof und betreiben die Wirtschaft", meinte auch Sofia. Giacomo lachte. „Ich denke, mein kleines Vermögen wird aus reichen, ein Stück Ackerland zu kaufen," entgegnete er. „Man hat mehr Gewinn von der Arbeit, wenn der Boden Eigentum ist." Diesem Ausspruch wurde die ungeteilteste Aner kennung entgegengebracht. Man begab sich auch sofort a» die Rechnung, um sich zu vergewissern, daß Gia comos Barschatz zur Erwerbung einer Wirtschaft genüge. (Fortsetzung folgt.)