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Wochen- nud Nachrichlsblal! zugleich CesiWs-AnzeMr siir Hohiidorf, Zielitz, BeriisSiirf, Wdorf, St. kgiSien, HciiiriPoit, Mariemli uiid Miilscil. Amtsblatt für Sen StaStrat zn Lichtenstein. — ———— — SS. Jahrgang. Nr. 68. Donnerstag, den 21. März 1889. Dieses Blatt erscheint, täglich (außer Sonn- und Festtags) abends für den folgendem Tag. Vierteljährlicher Bezugspreis: 1 Mark 25 Pf. — Einzelne Nummer 5 Pfennige. — Bestellungen jnehmen außer der Expedition in Lichtenstein, Markt 179, alle Kaiser!. Postanstalten, Postboten, sowie die Austräger entgegen. — Inserate werden die viergespaltene Korpuszeile oder deren Raum mit 10 Pfennigen berechnet. — Annahme der Inserate täglich bis spätestens vormittag 10 Uhr. Tagesereignisse. — Die linden Lüfte sind erwacht! Der Frühling hat angefangen. Lange genug hat uns der Winter mit seinem wechselvollen Wetter geneckt, obgleich man wußte, daß seine Herrschaft bald ein Ende haben und er einer milden Witterung das Feld und die Herr schaft würde einräumen müssen. Nun ist er da, der liebe Frühling, und alt und jung jubelt ihm laut entgegen, denn nun hat die Sonne, welche täglich einen größeren Bogen am Himmel beschreibt, und ihre erwärmenden Strahlen auf die von Frost erstarrte Natur herniedersendet, den Sieg in dem harten Kampfe gegen den hartnäckigen, langen Winter davongetragen. Neues Leben erwacht auf Feld und Flur, und die munteren Vögelein ließen am gestrigen Tage, an wel chem bereits Frühlingsluft wehte und die Schneedecke vollends entfernte, sowie die Flüsse und See'n von der harten Eisdecke befreite, ihre munteren Weisen ertönen. Mit Eintritt des Mondwechsels scheint eine entschiedene Besserung in dem Wetter eingetreteu zu sein. Alles faßt wieder neuen Mut und neue Hoff nung — heute, bei Beginn des Frühlings. Möge er alle die Hoffnungen, die sich an seine Einkehr knüpfen, reichlich erfüllen! — Das evangelisch-lutherischeLandeskonsistorium hat angeordnet, daß nächsten Freitag, als am 1. Bußtag, in allen Kirchen Sachsens vormittags über Ev. Matth. 19, 16—26, und nachmittags über Ev. Joh. 14, 21 gepredigt und daß nach beiden Gottes diensten eine Kollekte für die innere Mission gesam melt werden soll. — Nückfahrtkarten auf Strecken bis zu 100 Kilometer sind vom 1. April an in Preußen anstatt zwei Tage drei Tage, wie in Sachsen, giltig. — Se. Maj. Kaiser Wilhelm hat in Erwiderung auf eine Adresse, welche von acht Vorstandsmitgliedern des Zentralausschusses der vereinigten Jnnungsverbände Die Billa am Nhern. Original-Novelle von Mary Dobson. —--- (Nachdruck verboten.) Der Kaufmann und Fabrikherr Wendtorfs, dessen Besitzung kaum eine halbe Stunde von einer größeren Provinzialstadt entfernt war, ging au einem Winter morgen, wo schon die Lwnne die Eisblumen hatte schwinden lassen, in seinem wohldurchwürmten und ge schmackvoll eingerichteten Wohnzimmer auf und ab und der Ausdruck seiner Gesichtszüge verriet, daß nicht eben Gedanken erfreulicher Art ihn beschäftigten. Dabei blickte er ost nach der Thür und zugleich un geduldig auf seine Uhr, bis endlich ein junger Mann eintrat, welcher allerdings ihm ähnlich war, doch nicht seinen eigenen energischen Gesichtsausdruck besaß. Vater und Sohn begrüßten sich, denn obgleich die Mittagsstunde nahte, hatten sie sich noch nicht ge sehen, und aus einen auf dem Tisch liegenden Brief deutend, sagte er in ernsterem Tone, als er wohl sonst zu seinem einzigen Erben zu sagen Pflegte: „Helbert, Deine Reise nach England wird jetzt zur Notwendigkeit!" „Meine Reise nach England?" wiederholte leicht die Farbe wechselnd, der junge Mann. „Ja, oder solltest Du Dich nicht erinnern, daß schon unter uns die Rede davon gewesen?" entgeg nete sein Vater, ihn forschend betrachtend. „Gewiß, Vater! War es doch immer mein Wunsch, mich nach einem anderen Geschäfte umzu sehen !" „Nun, so stimmen wir ja überein, höre mich also an. Mr. Barclay erwartet Dich so bald als möglich. Deutschlands überreicht wurde, wie jetzt verlautet, folgendes gesagt: „Meine Herren! Ich danke Ihnen für die soeben und in der Adresse ausgesprochenen Worte und freue Mich, daß es Mir endlich gelungen ist, auch mit dem Handwerkerstande in nähere Berüh rung zu treten, was Mir bis jetzt leider nicht möglich war. Wenn der Handwerkerstand infolge der großen Ereignisse, welche durch das Hinscheiden Meines Großvaters und Vaters sich vollzogen haben, bangend in die Zukunft schaute, so war es Meine erste Auf gabe, das Erbe Meines Großvaters anzutreten und Meinen Landen den Frieden zn erhalten. Ich freue Mich, daß Sie Mich so schön verstanden haben, zu welchem Zweck Ich Meine große Reise unternommen. Es ist richtig, Ich hatte sie unternommen zur Erhal tung und Sicherung des Friedens. Es ist ein anderes, wenn ein neunzigjähriger Mann die Regierung leitet, wie Mein seliger Großvater, welcher ein thaten- und erfolgreiches Leben hinter sich hatte; er war der älteste unter den Kollegen, sein Wort und sein Nat wurden gesucht und man that ihm viel zu Liebe. Nun komme ich als dreißigjähriger Mann, niemand kannte Mich, Ich mußte Mir erst das Vertrauen Meiner Kollegen erringen. „Ich glaube aber, daß Mir mit Gottes Hilfe die Erhaltung des Friedens auf lange Jahre hinaus gelungen ist, denn nur im Frieden kann auch das Handwerk gedeihen. Darum üben wir Gottes furcht, bleiben wir einfach und arbeiten wir fleißig, dann werden wir auch zu den gewünschten Zielen ge langen. Das deutsche Handwerk muß Meiner Ansicht nach wieder auf die Höhe kommen, wie vor dem dreißigjährigen Kriege. Ich habe bereits im Auslande erfahren, daß dasselbe sich bedeutend gehoben hat und jetzt ganz obenan steht. Dieses habe Ich auch aus der Statistik bestätigt gefunden. Nach Ihren Worten m der Adresse verdanken Sie Meinem Großvater diese großen Fortschritte. Ich versichere Ihnen, daß Ich und Meine Regierung dem Handwerk im Sinne Sein Sohn muß eines Sterbefallcs wegen in das Geschäft seines Schwiegervaters eintreten und Du sollst ihn ersetzen. Es ist mir lieb, daß unser langgehegter Plan endlich zur Ausführung kommt, daß Du den hiesigen Kreisen gewissermaßen fremd wirst und man vor allen Dingen Deinen Namen nicht mehr neben dem von Fräulein Waldheim nennt!" Helbert Weudtorffs Gesichtszüge drückten einen leichten Grad von Befangenheit aus, sich aber schnell fassend, antwortete er anscheinend arglos: „Wer kann meinen Namen mit dem von Fräulein Waldheim in Verbindung bringen, Vater?" „Das fragst Du, Helbert, und hast Dich erst gestern abend wieder dem jungen Mädchen gegenüber mehr als aufmerksam benommen?" erwiderte mit un verkennbarer Verstimmung der Fabrikherr. „Die Ge richtsrätin müßte ein solches Betragen, das ihre Tochter ins Gerede bringt, ernstlich untersagen! „Daß sie es nicht thut, Vater," antwortete leb haft der junge Manu, „gilt mir als ein Beweis, daß sie mit meiner Werbung einverstanden ist." „Und ihre Zustimmung zu Euerer Verbindung geben würde, nicht wahr?" fügte heftig der Fabrik herr hinzu. „Das glaube ich ebenfalls, denn Du wirst jeder Mutter als Schwiegersohn willkommen sein, doch erhältst Du die meinige nicht. Elisabeth Waldheim, die Tochter einer unbemittelten Beamten witwe, welche durch Unterricht ihr tägliches Brod verdient, ist keine Frau für Dich!" — „Weil sie um ihr tägliches Brod arbeitet, Vater?" fragte mit einiger Erregung der Sohn. „Das kann ihr doch in Deinen Augen kein Vorwurf sein, nachdem auch Dein Vater ein armer Arbeiter Meines Großvaters schützend zur Seite stehen werden. Ihnen, als den Vertretern der deutschen Innungs- Verbünde, muß Ich sagen, die Einrichtung der Ver bände und des Zentralausschusses sind eine schöne Sache, insofern, als zum Gedeihen des Handwerkes durch sie Gottesfurcht und Sittlichkeit gepflegt werden. Ich danke Jbnen nochmals für die Mir ausgesproche nen Glückwünsche und bitte Sie, diesen Meinen Dank Ihren Auftraggebern zu übermitteln." — Ganz Sachsen rüstet sich, die Feier des Wettiner-Jubiläums festlich zu begehen. Neben Fest zügen und sonstigen feierlichen Veranstaltungen tau chen auch hier und da Pläne auf, welche, wie es mit dem ursprünglich geplanten historischen Festzuge in Dresden der Fall war, entweder sich von vorn herein als unausführbar, oder aber als wenig zweck entsprechend beweisen, wie die Errichtung eines Gedenk steines auf dem Lilienstein, worüber dieGebirgsvereine noch lebhaft diskutieren. Ueber alle Redensarten hinweg ist inzwischen von anderer Seite mit der That zur Tagesordnung geschritten. Dem rührigen Wohlthät'gkeits-Verem „Erzgebirger" in Dresden, von dessen stillem Wirken zum Besten seiner not leidenden Landsleute so mancher Hilfsbedürftige im Erzgebirge und in Dresden zu erzählen weiß, war es Vorbehalten, den richtigen Weg zu zeigen, wie eine Dresdner Zeitung berichtet, welchen der Wett streit um eine möglichst würdige Begehung der Feier beschreiten sollte. Im Schoße des Vereins war bereits seit längerer Zeit unter dem Namen „Erzge birgsheim" die Begründung einer Unterkunftsstät e in Angriff genommen, welche in erster Linie erzge- birgischen Bedürftigen zeitweiligen unentgeltlichen Aufenthalt in Dresden gewähren soll für dieDaww einer Kur bei Augen- oder Gehörleiden, wofür in den allermeisten Orten im Erzgebirge Spezialärzte fehlen. Der Vorstand hat sich nun mit einer Anzahl hochangesehener Persönlichkeiten des Erzgebirges in dieser Fabrik gewesen ist, dessen Fleiß und Geschick lichkeit den Grund zu dem gelegt hat, was wir jetzt das Unsrige nennen!" „Dessen schäme ich mich gewiß nicht, sondern danke ihm vielmehr täglich, was er für mich und damit auch für Dich gethan!" „Und dennoch schätzest Du Elisabeth Waldheims Streben nicht, das hier doch allgemeine Anerkennung findet?" unterbrach ihn sein Sohn. „Lebte der Ge richtsrat noch, so brauchte allerdings seine einzige Tochter nicht für ihren Lebensunterhalt zu sorgen, und Du würdest gewiß nicht anstehen —" „Ich würde Dir auch in diesem Falle meine Zu stimmung zu einer Verbindung mit ihr verweigern", entgegnete mit großer Entschiedenheit der Fabrikherr. „Du mußt ein reiches Mädchen heiraten, Helbert, denn wir sind nur in der Meinung der Leute reich, in der That aber nicht." „Ungeachtet des großen Vermögens meiner ver storbenen Mutter?" fragte überrascht der junge Mann. „Das habe ich mit ihrer Bewilligung für das Geschäft verwandt und nur ein geringer Teil davon ist in Grundstücken angelegt!" Es folgte eine längere Pause. Helbert Wendtorfs kam offenbar die Erklärung über feine Vermögens verhältnisse unerwartet und ein Schatten von Ent täuschung flog über seine offenen Gesichtszüge. Das Schweigen unterbrechend, fuhr sein Vater sort: „Hätte noch Frau Waldheim die Aussicht, von ihrem reichen Bruder in Batavia zu erben?" „Du weißt so gut wie ich und jedermann in der - Stadt, daß das unmöglich ist!" entgegnete der Sohn.