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suchte er, sich aus der unerwarteten Falle zu befreien, sein herbeigerufener Diener stand dem komplizierten Schließ mechanismus de» alten RitterhelmS ebenfalls ratlos gegenüber, und so begab sich denn Herr Ziem in seinem sonderbaren Kopfschmuck auf die Straße, wo er unter den Passanten nicht geringes Aufsehen erregte. Einem des Weges kommenden Schlosser gelang es nicht ohne Mühe, ihn endlich aus seiner komischen Gefangenschaft zu befreien. * * Paris, 3. Februar. Zwischen dem Depu tierten Laguerre und Lacroix fand heute vormittag ein Duell mit zweimaligem Kugelwechsel statt, bei welchem beide Duellanten unverletzt blieben. * * Brüssel, 3. Februar. Der von Brüssel nach Namur um halb 10 Uhr vormittags abgegan gene Zug rannte, nachdem er den Bahnhof von Gronendael passiert hatte, gegen den Pfeiler einer Brücke, welche zusammenstürzte. Die Lokomotive, der Bagage- und vier Passagierwaggons wurden zer trümmert. Die bisher ermittelte Anzahl der Toten beträgt 14, die der zum Teil sehr schwer Verwun deten etwa 50. Ein Hilfszug mit Aerzten und Hilfs personal wurde von Brüssel sofort an die Unglücks stätte gesandt. Die Verwundeten werden hierher ge bracht. * * Brüssel, 4, Februar. Die Leiche» der bei de« gestrigen Eisenbahnunfall um's Leben Ge kommenen sind sämtlich hierher gebracht worden. Die Aufräumungsarbeiten sind bis morgen verschoben worden. Bedeutende Trümmer des Mauerwerks der Brücke versperren den Weg, dieselben müssen mittelst Dynamit gesprengt werden. In Hoeylaert sind 15 tödlich Verwundete, darunter mehrere Kinder, unter gebracht. Der Minister der Eisenbahn van den Peerenboom, besuchte heute die hierher gebrachten Verwundeten. Fast alle Verunglückten haben schwere Verletzungen der Beine erlitten. In den Kranken häusern sind bereits 8 Amputationen vorgenommen worden. Die Untersuchung über die Ursache des Unfalls ist eingeleitet. * * London, 4. Febr. Nach einem Telegramm des „Reuter'schen Bureaus" aus Zanzibar vom 3. d. M. sind daselbst Briefe des Missionars Mackay, wel cher jüngst aus Uganda vertrieben wurde, datiert aus Usambiro vom 26. November vor. Jrs., eingetroffen. Derselbe teilt darin mit, daß er keine direkten Berichte über Stanley und Emin Pascha erhalten und daß eine neue Umwälzung in Uganda stattgefunden habe, Kiwiwa sei von den Arabern vertrieben und der jüngere Bruder an dessen Stelle gesetzt worden. Vor seiner Absetzung habe Kiwiwa mit eigener Hand 2 Araber, welche die Haupturheber der Vertreibung der englischen Missionare waren, getötet. Ein Bürgerkrieg wüte in Uganda. Mehrere Deutsche haben sich nach Lamu begeben. Deutscher Reichstag. Sitzung vom 4. Februar. Das Haus ehrt das Andenken des verstorbenen Abg. Magdzinski, dem der Präsident von Levetzow warme Worte des Nachrufs widmet, durch Erheben von den Plätzen. Der Präsident teilt ferner ein Dankschreiben der K. K. österr. Botschaft für den Aus druck der Teilnahme des Hauses bei dem Ablebendes Kronprinzen Rudolf mit. Die Botschaft wird nicht ermangeln, diese Beileidskundgebung an den Stufen des Thrones niederzulegen. Eingegangen ist u. a. das Preisausschreiben für das Denkmal Kaiser Wil helms 1. Die Ausführungsbestimmungen zur Ein führung der Gewerbeordnung in Elsaß-Lothringen werden in dritter Lesung angenommen, ebenso die Konvention über das Verbot des Branntweinhandels unter den Nordseefischern. Hierauf folgt die Bera tung des Antrags auf Aufhebung der Kornzölle. Dr. Broemel (freis.) polemisiert gegen die Kar- dorff'schen Ausführungeu über die Notlage der Land wirtschaft. Die von Kardoff zitierten Aussprüche, wonach die Hälfte der Landwirte bereits bankrott sei, die andere es zu werden im Begriff sei, beruhten auf ungeheurer Uebertrcibung. Hätte ein Freisinniger die Landwirtschaft dem Auslande gegenüber so diskreditiert wie von Kardoff, so würde ihm Landesverrat vorge- worsen worden sein. Er gehe aus solche elende Ver dächtigungen nicht ein. (Ordnungsruf). Die Produk tionskosten für die Landwirtschaft seien billiger ge worden. Die landwirtschaftlich bebaute Fläche habe sich vergrößert. Es sei billig, daß der Besitzer, der alle günstigen Konjunkturen des Kapitals erhalte, auch die ungünstigen Konjunkturen trage. Norddcutschland verkaufe ans Ausland das Getreide 7 Mk. pro Zent ner billiger, als der Inlandspreis betrage. Früher sagte man, die Juden verteuerten das Getreide, jetzt sie drückten die Preise. Ob teurer oder billiger, der Jude würde verbrannt. Von Heydebrand und Dr. Lohse (kons.) hätten Beweise für die Notwendigkeit der Zollaufhebung nicht erbracht. Wollte man konsequent sein, so müßte mau die Aufhebung sämtlicher Zölle beantragen. Die Getreidepreise seien heute nicht höher, als in der zollfreien Zeit. Die Preisnotierungen auf den verschiedenen Welthandelsplätzen beweisen, daß die Preissteigerung von dem Zoll ganz unabhängig ist. Die letzte ungünstige Ernte würde die deutsche Land wirtschaft empfindlich geschädigt haben ohne Zölle. Wenn die Getreidezölle für die Brotpreise verantwort lich seien, so dürfe das Brot heute nicht teurer sein, als im Jahre 1879. Der scheinbare Lohnrückgang bei den Berufsgenossenschaften sei rein rechnungsmäßig. Die industriellen Zentralstellen meldeten im Gegenteile eine Steigerung der Löhne. Abg. Kröber, (Volkspartei) ist gegen das ganze Zollsystem und glaubt weder an das Elend der Groß grundbesitzer noch an das der Bauern. Wenn man den Schilderungen v. Kardoffs glauben wollte, so würde der Staat am besten thun, den Besitz an Grund und Boden abzulösen. Von Bennigsen hält die Kornzölle noch heute für den bedenklichsten Teil des Zolltarifes. Miß ernten, Kriegsfälle und dergleichen würden deren Aufhebung um so leichter herbeiführen, je höher die Zölle seien. Andererseits verkenne er nicht die miß liche Lage der Landwirtschaft, die durch die Ver besserung der Transportmittel bedingt sei. Die Wir kungen der Zölle seien in verschiedenen Gegenden verschieden, bedauerlicherweise am geringsten im Osten, wo die Landwirtschaft einer Besserung am bedürf tigsten sei. Eine Katastrophe der Landwirtschaft würde verhängnisvoll sein. Der Mittel- und Klein besitz bedürfe der Reform des Steuerwesens, wodurch der Grundbesitz mehr erleichtert würde, als durch Zölle. Dem Anträge Bebels könne er nicht zu stimmen, da eine so schnelle Einwirkung auf die Preife nicht möglich, nachdem sich der Bekehr mit den Zöllen eingerichtet hat. Die Durchschnittspreise des Getreides seien heute nicht höher als vor zehn Jahren. Dr. Orterer (Centrum): Gewerbe und Industrie seien auf die Kaufkraft der Landwirtschaft ange wiesen. Die weitesten Kreise der Bevölkerung würden durch die Aufhebung der Zölle geschädigt. Die süd deutsche Bevölkerung könne die Zölle nicht entbehren, deren Aufhebung die Brvtpreise erfahrungsgemäß nicht ermäßigen werde. Wie wvlle man den Zoll ausfall von 60 Millionen im Reichshaushalte decken? Der Antrag bezwecke nur, Unzufriedenheit zu schüren. Abg. Rickert befürwortet die Kommissionsver- wcisung, da der Antrag formelle Mängel enthalte. Lohnerhöhungen seien infolge der neuen Wirtschafts politik nicht eingetreten. Auch die kleinen Sparein leger hätten nicht zugenonmen. Gerade heute sollte man an die Zollaufhebun; denken, wo sie noch ohne Katastrophe möglich sei. Die Situation sei ernst genug, um nicht länger zu warten. Der Landwirt schaft könne nur durch eist Sinken der Gutspreise geholfen werden, die wieder in Einklang gebracht werden müßten mit den nickt durch Zölle künstlich gesteigerten Getreidepreisen. Dr. Fischer (nat.-lib.): Tie Getreidezölle seien eingeführt als eine Notwendighit für den gesamten deutschen Bauernstand ohne Rüfsicht auf die ein zelnen Besitzer. Für die Aufhebung der Zölle sei keine Notwendigkeit erwiesen. Bebel giebt im Schlußwort zr, daß der Antrag lediglich einen propagandistischen Charakter habe, der nach außen hin auch nicht ^n gewünschten Zweck verfehlen werde. Die Lage i?r kleinen und mittleren Gutsbesitzer sei ja eine raurige. Vor Jahren wurden noch die Petitionen unZollerhöhung zahlreich unterzeichnet. Heute habe m<» sich über zeugt, daß die Zölle nichts helfen. Mit diesem ganzen System komme man nun dahin,die Privat wirtschaft durch den Sozialismus zu ffetzen und damit sei er ganz einverstanden. Die Erweisung der Vorlage an eine Kommission wird bgelehnt. Der Antrag kommt demnächst zur zweite 'Lesung vor das Plenum. — Morgen Wahlprüfum-n und dritte Beratung des Etats. Vermischtes. * Eine Katastrophe im Bessemer Stahlwert In der Bessemer Stahlgießerei Crewe stürzte ein Betster mit mehreren Tonnen geschmolzenen Stahls um, vo raus eine furchtbare Explosion entstand. 25 Arbexx wurden verletzt, darunter mehrere tödlich. Die Wo, stätte ist vollständig ausgebrannt. * In einer Farm in der Gegend von Charlott in Nordamerika ereignete sich folgende ergreifende Szene: Ein sehr angesehener Farmer, Heinrich John son, geriet eines Abends, als es schon zu dunkeln be gann, im Hofe seines Hauses mit einem Neger, Namens Houston, der zu seinen Bediensteten zählte, in Streit. Der Neger, der sehr jähzornig war, er griff plötzlich eine eiserne Stange und schlug mit der selben so gewaltig auf den Kopf seines Herrn, daß dieser tot zusammenstürzte, ohne auch nur einen Schrei ausgestoßen zu haben. Frau Johnson, die dieser schrecklichen Szene zusah, fiel ohnmächtig zusammen. Der zehnjährige Sohn Johnsons, Willy, befand sich in diesem Augenblicke im Hofe und spaltete Holz. Als er sah, wie der Neger seinen Vater zu Boden streckte, eilte er in das Haus, ergriff ein Gewehr, zielte vom offenen Fenster nach dem Neger und traf denselben so gut, daß der Mörder leblos niedersank. Die Toten schau-Jury sprach den jungen Johnson frei und die Mitglieder derselben veranstalteten eine Sammlung und kauften dem Knaben ein prachtvolles Gewehr. * Bieruhr. Einem tiefgefühlten Bedürfnisse hat ein Berliner Erfinder avgeholfen, indem er Bierseidel-Untersätze anfertigte, welche in ihrer Mitte ein Zifferblatt mit beweglichem Zeiger haben, der mechanisch wirkt, und zwar dergestalt, daß, wenn die dazu gehörige Feder aufgewunden, mittelst eines Drückers die richtige Anzahl der getrunkenen Seidel Die Erbin von Wallersbrunn. Original-Roman von Marie Romany. ----- (Nachdruck verböte».) (Fortsetzung.) „Betrug war es, durch welchen ich für mich Be sitzung und Reichtum erworben! Ludwig von Erlenburg ist nicht verunglückt, ist nicht gestorben, Alice, Ludwig von Erlenburg lebt!" Alice durchrieselte es mit eisiger Glut. Mit einem jähen Ruck hatte sie ihre Finger der Hand des Vaters entzogen; ein Schrei, den sie nicht zurück- zuhalten imstande war, entrang sich ihrer Brust. „Ja, Ludwig von Erlenburg lebt!" wiederholte Herr von Waldheim in wahnsinniger Erregung; „er lebt in Verzweiflung, im Elend, im Jammer seines Daseins! Er lebt, um durch die Misere, die ich über ihn brachte, von meinem Frevel ohne Unterlaß der Gottheit Kunde zu geben, um durch die Klagen, welche er zum Himmel schickt, meine Seele für die Ewigkeit der Hölle zu weihen!" Noch ein dumpfes Stöhnen, dann blieb Herr von Waldheim stumm; völlig kraftlos ruhte er im Lehnstuhl, den Blick mit dem Ausdruck wildester Verzweiflung nach oben gewandt. Er bemerkte nicht, daß Alice aufstand und sich langsam, ohne einen Moment das Auge von den Zügen des vielgeliebten Vaters zu verlieren, dem Ausgang des Gemaches zu bewegte. Er sah nicht, daß Diener kamen, hörte nicht, daß seine Tochter Befehle erteilte und Botschaft ent sandte; er bemerkte nicht, daß der Arzt erschien, empfand es nicht, daß man seine Brust uno Schläfen mit Aether benetzte; er wnßte nichts davon, daß der Priester hereintrat, daß man Gebet um Gebet für ihn hersprach; er sah nicht, daß die Augen aller, die nun zugegen waren, sich mit Thränen angefüllt hatten, daß Alice schluchzend vor ihm auf den Knieen lag. Eine bange, unheimliche Stunde verran. Nicht ein Laut, nicht die leiseste Bewegung verriet, daß Herr von Waldheim noch dem Dasein gehörte: nur ein schwacher Hauch seines Atems bezeugte, daß der Geist dem matten Körper noch nicht entflohen war. Plötzlich regte er sich. Nur ein schwaches Stöhnen war es, das über seine Lippen bebte, und mir eine unsichere Bewegung seiner Rechten, mit der er nach dem Haupte der vor ihm knieenden Tochter griff. „Alice", flüsterte er kaum hörbar, „betest Du zu Gott nm Erlösung? flehst Du zum Himmel, daß nicht der Last meiner Sünde durch die Verdammnis meiner Seele Vergeltung wird?" „Ich bete, Vater," hauchte Alice. Sie war sich kaum bewußt, was sie sprach. „Und flehst Du," rief der Gutsherr lauter, „daß nicht der Geist des Freundes, den ich mordete, mich, ein Gespenst der Hölle, in das Jenseits begleite? flehst Du „O, Vater —" „Daß nicht mein Name, der Name des Ver brechers, hier auf Erden geschändet sein möge, damit nicht der Fluch meiner Sünde das unschuldige Haupt memes Kindes trifft?" Die Augen aller Anwesenden füllten sich. „Fieberwahn," sprach der Arzt vor sich. „Vertrauen Sie, Herr von Waldheim, besänf tigte der Priester; „Gott wird vergeben: —" Wie von einem Dämon getrieben, snhr der Gutsherr auf. Einem Gespenst nicht unähnlich starrte er um sich. Er sah den Arzt, im Hinter gründe des Gemaches, die Diener, er hörte den Priester, ersah das Kruzifix mit brennenden Kerzen umgeben, und mit einem ächzend hervorgestoßenen „Mein Herrgott, erbarme Dich!" schien ihm der Atem stille zu stehen. Der Priester betete laut. „Alice", rief der Gutsherr plötzlich, ohne auf die Trostesworte des Geistlichen zu hören, vergieb Du mir meine Schuld, so wie der ewige Richter meine Sünde vergebe! Was auch die Zukunft bringen möge, fluche nicht meinem Leben, fluche nicht der Stunde, in welcher einst das Schicksal Dich mir zur Tochter gab!" In kindlicher Ehrfurcht neigte Alice das Haupt. „Segne mich, Vater," hauchte sie unter Thränen, „Dein Segen wird dw Stütze meines ferneren Lebens sein." Eine feierliche Pause kam. „So möge Gott Dich schützen!" quoll es endlich mit der ganzen Innigkeit des Gefühls von den Lippen des Gutsherrn: „Gott, der Dir das Leben gab, errette Dich von den Gefahren, in welche die Thorheit meiner Jugend Dein Dasein geleitet hat!" Herr von Waldheim stöhnte, dann sank er zurück) Der Arzt bemühte sich, ihm soweit es thun- lich war, Erleichterung zu geben, indes der Priester