Volltext Seite (XML)
Tannengewinden geschmückt. In vielen Schaufenstern waren die Büsten des Kaiserpaares ausgestellt. Unter den Linden bewegte sich eine zahllose Menschenmenge, welche die zum Schlosse fahrenden fremden Fürstlich keiten mit lebhaftem Enthusiasmus begrüßten. Das Kaiserpaar wohnte dem Gottesdienste in der Schloß kapelle bei; die Festpredigt hielt Oberhofprediger Dr. Kögel. Die Kaiserin ging zwischen dem Kaiser und dem Könige von Sachsen. Nach dem Gottesdienst fand eine Defiliercour statt; auch der Reichskanzler war zur Beglückwünschung erschienen. Abends zeigte Berlin eine glänzende Illumination, die besonders unter den Linden, der Friedrich-, der Wilhelm- und der Leipzigerstraße großartig war. 8 Berlin. Der Kaiser hat nachstehenden Tages befehl erlassen: „Auf Meinen Befehl hat heute, den 27. Januar, die Ueberführung der Fahnen und Stan darten der in Berlin garnisonierenden Truppenteile des Garde-Korps aus dem Palais weiland Kaiser Wilhelms I. nach Meiner Residenz, dem Königlichen Schlosse, stattgefunden. Achtnndzwanzig Jahre haben die glorreichen Feldzeichen in dem historischen Fahnen zimmer unter den Augen ihres Königlichen Kriegsherrn gestanden, und beinahe täglich hatten dessen Blicke auf ihnen geruht. Es ist, als ob diese Fahnen und Stan darten den Geist, welcher aus den milden, sorgenden Herrscheraugen sie umleuchtete, den heldenmütigen Regi mentern, welche, sei es zu harter Friedensarbeit, sei es zu blutigen Kämpfen, ihnen folgten, getreu über liefert haben. Es war der Geist, der in unermüd licher, treuer Pflichterfüllung in der Hingabe au diese Feldzeichen bis in den Tod die höchste Ehre des Sol daten findet, der Geist, welcher seinen großen, ruhm gekrönten Kaiser bis zum letzten Atemzuge mit Liebe und Sorge für Sein Heer, für Sein Volk in Waffen erfüllte. Der Kranz, welchen Ich in dem nunmehr vereinsamten Fahnenzimmer niedergelegt habe, muß freilich verwelken, aber unverwelklich bleiben die Lor beern, mit denen die heldenmütigen Truppen der Garde, erfüllt von jenem Geiste, ihre Feldzeichen mit unsterb lichen Thaten geschmückt haben. Als unvergeßliche Erinnerung lebt in Meinem Herzen das Andenken an den Tag, im Jahre 1881, an welchem Mein ehr würdiger Herr Großvater Mir als Hauptmann im 1. Garde-Regiment zu Fuß auf Meine Bitte erlaubte, die Fahnen des Garde-Korps demselben zur Großen Parade am Kreuzberge zuzuführen. Aber in tiefer Wehmut gedenke Ich jenes späteren Tages, an welchem Ich als Kronprinz die 2. Garde-Jnfanterie-Brigade am Schlosse zu Charlottenburg vorüberführte. Der An blick ihrer glorreichen Feldzeichen verklärte die schmerz erfüllten Züge des edlen Kaiserlichen Dulders mit einem letzten Aufleuchten der Freude und gab ihm die Worte ein: „So begrüße Ich nun die Truppen zum ersten Male, die Ich jetzt die Meinen nenne." Gottes Ratschluß hat es nicht gewollt, daß der Feldherr, wel cher diese Feldzeichen zu glorreichem Siege führte, sie als Königlicher Kriegsherr begrüßen und der Welt zeigen konnte, daß der hochherzige Sohn des großen Kaisers für Sein Heer, wie für Sein Volk im Geiste Seines Vaters sorgen und arbeiten würde. Zum letzten Male haben nun die lorbeergeschmückten Feld zeichen das Palais unseres großen, unvergeßlichen Kaisers verlassen und sind noch einmal von dort an dem historischen Eckzimmer, aus deren Fenstern das aufmerksame, scharf blickende Auge ihres Kaiserlichen Kriegsherrn ihr Geleite musterte, vorüber geführt wor den; vorüber an dem Palais des Kaisers Friedrich, welcher als Kronprinz gleichfalls den vorbeizichenven Truppen die teilnehmendste Aufmerksamkeit schenkte, vorüber an der Ruhmeshalle, zu deren Reichtum an Schloß Bergenhorst. Novelle von Marie Widdern. ! (Nachdruck vcrvown.) (Fortsetzung.) Aber hören Sie, Gnädigste, es ist eine ziemlich lange Geschichte, die ich Ihnen mitzuteilen habe. „Vor einigen Wochen," erzählte der Justizrat dann, rief mich der Wunsch meines Bruders uach der Oberförsterei Steinkrug bei Letzbergen. Er war krank und sehnte sich nach mir. Ich blieb einige Zeit bei ihm. Au dem vorletzten Tage meiner Anwesenheit auf Steinkrug aber unternahm ich eine kleine Exkur sion in die reizende Umgegend — por psäo«, Gnä digste, wie ich das so liebe. Ich hatte mich schon eine ganze Weile, vergnügt wie ein Rohrsperling, durch die üppigen Getreidefelder gewunden, als ich plötzlich frappiert stehen bleibe. Eine entzückende kleine Villeggiatur lag vor mir, das reizendste ma lerische Heim, welches sich denken läßt. Sofort lenke ich meinen Fuß nach dem zierlichen Schweizerhäus chen und hatte mich demselben schon ans hundert Schritte genähert, als ich Plötzlich einen gellenden Schrei und dann eine bebende Frauenstimme rufen hörte: „Vater, komm — komm — zu Hilfe, der — Häscher ist schon da!" Im Moment aber — es geschah alles in Win deseile — stürzte ein alter Mann aus der Villa heraus und — direkt auf mich zu. Schon fast Aug Ange mit mir, blieb er betroffen stehen. „Herr Justizrat — Sie — ? O, mein Gott, so hoffen Sie doch ihren Schritten nachgespürt. Aber flxO ist ja eine Sterbende — lassen Sie sie doch ihre Trophäen ihre tapferen Regimenter so Großes beige tragen haben, nach dem Schlosse Meiner Vorfahren, dem ehrwürdigen Zeugen der glorreichen Bahn, auf welcher Mein Haus in zwei Jahrhunderten Branden burg-Preußen vom Kurfürstentum zur Deutschen Kaiser krone in hoher Weisheit, in unermüdlicher Arbeit und mit Thaten blendenden Ruhmes geführt hat. Ich bin überzeugt, daß die Feldzeichen des Garde-Korps auch in der neuen Umgebung, in welcher sie von nun an bereit gehalten werden, für alle Zeiten ein Wahrzeichen des alten Ruhmes bleiben werden. Wilhelm." 8 Berlin, 27. Jan. Der Kaiser hat den Prinzen Heinrich unter Belassung seiner Stellung als Abtei lungs-Kommandeur der 1. Matrosen-Division in der Marine zum Kapitän zur See und in der Armee zum Obersten ernannt. § Berlin. Zwei große Gelddiebstähle, bei welchen zwanzig- bez. zehntausend Mark auf rätsel hafte Weise abhanden gekommen sind, werden vom Sonnabend gemeldet. In dem ersten Falle handelt es sich nm einen versicherten Geldbrief aus Wien, welcher, zwanzig Tausendmarkscheine enthaltend, in dem Geschäftslokal des Adressaten, eines am Kupfer graben wohnhaften Bankiers, vom Geldbriefträger ordnungsgemäß dem Kassierer gegen dessen Quittung gleichzeitig mit anderen Briefschaften ausgehändigt worden ist. Als der Kassierer nach wenigen Augen blicken den Geldbrief aufuehmen wollte, um ihn zu öffnen, war derselbe spurlos verschwunden. Es fehlt sowohl über den Verbleib des Geldbriefes jede Spur, als man auch keinerlei VerdachtsmoiMste bisher hat auffindcn können, welche einen Anhalt dafür gäben, wo der Thäter zu suchen wäre; denn der Kassierer selbst ist nach Aussage des Prinzipals durchaus zu verlässig und das Publikum hat zu dem vergitterten Zahltische desselben nur in sehr beschränkter Weise Zutritt. Im zweiten Falle ist ein zehntausend Mark in Doppelkronen enthaltender Sack im Comptoir eines hiesigen großen Bankgeschäftes auf ganz mysteriöse Weise verschwunden. Der Geldsack befand sich wohl verwahrt in einem Tresor, welcher, nach Entdeckung des Verlustes, ohne irgend welche Spuren einer ge waltsamen Eröffnung befunden wurde. Den Verlust entdeckte inan im Laufe des Sonnabend Vormittag, nachdem der betreffende Schrank bereits längst ge öffnet worden war. Ein Diebstahl kann hier nur von einer mit den örtlichen nnd sonstigen Verhält nissen sehr genau vertranten Persönlichkeit und mit Anwendung großer Gewandtheit ansgeführt sein. Die Kriminalpolizei recherchiert eifrig nach dem Thäter, von welchem auch in diesem Falle bis zur Stunde jede Spur fehlt. tz Kassel, 26. Jan. Oskar Möller, der Ent führer einer unmündigen Amerikanerin, ist wegen dieses Vergehens zu neun Monaten Geiängnis verurteilt worden. Zwei Personen, welche ihm bei seinem Unter nehmen Vorschub leisteten, sind mit geringeren Strafen davongekommen. § S o e st, 26. Januar. In der benachbarten Ortschaft Welver wurde einem Knechte im Kampfe mit Weidendieben der Schädel gespalten. Der Mörder ist bisher nicht ermittelt worden. 8 Bremen, 26. Jan. Der Dampfer „Benbrack", von Savannah mit 3500 Ballen Baumwolle nach Bremen unterwegs, ist bei Texel gescheitert; die Mann schaft ist glücklicherweise gereitet. tz Hamburg, 26. Jan. Raubmörder Dauth, dessen Prozeß heute vor dem hiesigen Schwurgericht zur Verhandlung gelangte, wurde zum Tode und dauerndem Ehrenverlust verurteilt. 8 Sangerhausen, 26. Jan. Eine Kaiser- 'letzten Seufzer in Ruhe aushauchen. Ueberdies ist die ganze fürchterliche Geschichte ja auch wohl ver jährt und die Aermste —!" „Von wem reden Sie denn?" rief ich ganz konsterniert. Aber schon war mein Blick ans eine zusammengesunkene Gestalt gefallen, die vor der Thür der Villa in einem Schaukelstnhle ruhte. „Herr Gott!" rang es sich entsetzt über meine Lippen, „sind Sic das wirklich, Gräfin?" Zwei magere, abgezehrte Arme erhoben sich wie abwehrend; dennoch trat ich rasch näher. „Fürchten Sie nichts von mir," sagte ich leise, „mich führte nur der Zufall in dieses Haus. Aber, wenn ich auch gewußt, wo Sie zu finden sind, hätte ich Sie doch nicht verraten, um so weniger, als niemand Ihr Verderben wünscht." Die großen schwarzen Augen in dem bleichen, furchtbar verfallenen Gesicht blickten forschend zu mir auf. Dann reichte sie mir die Hand. „Ich glaube Ihnen, Justizrat!" hauchte sie. Der alte Stettmüller war inzwischen an meine Seite getreten. Nnn er sah, daß ich mich mit seiner Tochter verständigt hatte, wurde er freundlich und herzlich und bot mir seine Gastfreundschaft an. Ich blieb auch für ein paar Stunden in der Villa. Wie ich mich dann aber zum Heimweg rüstete, bot mir der alte Herr seine Begleitung an undZauf dem Wege zu dem Hause meines Bruders erfuhr ich hernach die Geschichte des elenden Weibes, das sich kurze Zeit hindurch Gräfin Bergenhorst genannt. Das verbrecherische Paar hatte seiner Zeit ganz unbehelligt Amerika erreicht. Sie wandten sich nach geburtstagsfeier ganz eigner Art hat sich der Orb Oberröblingen bei Sangerhausen geleistet. Dort haben die stimmberechtigten Gemeindemitglieder aus Antrag des Gemeindevorstehers beschlossen, daß zur Geburtstagsfeier des Kaisers 150 Mark aus der Ge meindekasse gegeben werden, wofür bei einer am Sonntag stattfindenden Versammlung jeder auf das Wohl des Kaisers ein oder mehrere Seidel Bier trinken und nebenbei auch eine Zigarre rauchen kann. Zu der Versammlung wurde jeder geladen, ob stimm berechtigt oder nicht. ** In New York kamen kürzlich drei Kinder, zwei acht- und neunjährige Mädchen und ein sieben jähriger Knabe, ohne irgend welche Begleitung an. An ihren Gürteln hatten sie ein Schild, auf welchem sich die folgende Aufschrift befand: „An alle Zug führer! Diese drei Kinder sollen nach Galveston, Texas, reisen, wo sie ihren Vater finden. Sie kommen von Deutschland. Ihre Billets sind in ihren Taschen." Deutscher Reichstag. Sitzung vom 28. Januar. In der heutigen Sitzung des Reichstages teilte der Präsident mit, Se. Maj. der Kaiser habe die Glückwünsche des Präsidiums anläßlich seines Geburts tages unter huldvollen Worten des Dankes entgegen- geuommen. Hierauf ging das Haus zur Tagesord nung, der zweiten Beratung des Etats, über. Bei den Zöllen und Verbrauchssteuern bemerkte Abg. v. Bennigsen gelegentlich der Verhandlungen über das Zuckersteuergesetz, es sei innerhalb des Hauses der Wunsch ausgesprochen worden, die möglichste Beschränkung, wenn möglich Beseitigung der Prämien bei Ausfuhr von Zucker im Wege der internationalen Konventionen mit den beteiligten Mächten anznstreben. Leider seien die Ergebnisse der Londoner Zuckerkon- serenz nicht sehr befriedigend. Teils seien die Mächte diesen Bestrebungen ganz fern geblieben, teils Hütten sie sich, wie Oesterreich, nur mit bedeutenden Reser vationen angeschlossen. Auf dem Wege der Repres salien sei ein nennenswerter Erfolg seitens dieses oder jenes Landes nicht erreichbar; es bleibe zu hoffen, daß die meistbeteiligten Mächte des Kontinents zu einem einheitlichen Vorgehen in der Zuckerfrage veranlaßt würden. Die vorsichtigen Erklärungen des Staats sekretärs anläßlich der Znckerkonferenz deckten sich durch aus mit den damals ausgesprochenen Wünschen des Plenums, die Regierungen möchten aber nichts un versucht lassen, im Wege internationaler Verträge die Beseitigung des Exportprämienverfahrens für Zucker zu erreichen. Abg. Witte trat den Ausführungen im wesent lichen bei; man möge mir ernstliche Schritte thun, und die bisher indifferenten Mächte würden sich ge zwungen fühlen, der Konvention beizutreten. Schatzsekretär v. Maltzahn konnte aus den Ausführungen der beiden Vorredner mit Freude kon statieren, daß die Stellung der verbündeten Regierungen auch die Billigung des Reichstages zu finden scheine. Für die Regierungen war maßgebend die Aufhebung der Begünstigung der Zuckerproduktion und der Ge sichtspunkt, daß die deutsche Industrie stark genug sein werde, der ausländischen wirksam zu begegnen. Allein die Aufhebung der Zuckerprämien durch ein einseitiges Vorgehen Deutschlands herbeiführen zu wollen, wäre ein Unding. Nur der Weg der Kon vention könne die gewünschten Ziele haben. Die verbündeten Regierungen seien der Ansicht, daß die bereits der Konvention beigetretenen Regierungen auch ernstlich entschlossen seien, unser Bestreben zu teilen dem Süden und dort erst wurde Hilda die Gattin des Doktors. Absr eine unglücklichere Ehe gab es wohl kaum. Hilda haßte den Mann, welchem sie sich zu eigen gegeben und war bald auch nicht mehr imstande, Bollner ihre wahre Empfindung zu ver bergen. Nun aber war ihr Schicksal besiegelt. Der Doktor wußte sich zu rächen und er rächte sich. Keine Sklavin wußte sich mit raffinierterer Grau samkeit behandelt, als die rechtmäßige Gattin des deutschen Arztes. — Ja, er ging so weit, daß er ihr die notwendigsten Nahrungsmittel entzog. Natürlich verfiel die Unglückliche unter dieser Behandlung. Ein Brustleiden bildete sich bei ihr heran und sie sah den sicheren Tod vor Augen. Da aber überkam sie eine grenzenlose Sehnsucht nach der Heimat und ihrem einsamen alten Vater. Und von neuem eine Flüchtige, verließ sie das Haus ihres Gatten. Sie hatte sich nur mit so geringen Mitteln versehen können, daß die Aermste schon die Reise über den Ocean im Zwischendeck eines Kauffahrers zurücklegen mußte. Eine telegraphische Depesche, die über Bergenhorst zu Stettmüller gelangt, berief den unglücklichen Vater nach Hamburg, wo er in einem schmutzigen Gasthause die einst so blühende, schöne Tochter elend und fast mit dem Tode ringend fand. Aber sie hatte noch so viel Kraft, um ihm nach seinem Heim zu folgen. Und hier Pflegte der alte Mann nun sein einziges Kind mit rührender Sorg falt. Er wußte, sie ging ihrer Auflösung schnell ent gegen und wünschte nur, die Minuten festzuhalten, m denen sie noch bei ihm war. Furcht für ihre Sicherheit hatte er dabei nicht gehegt — nach dem Landsitz kam selten jemand und