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Schneefall und dann treten die Schneeflocken auf, eine Zusammenballung, die wegen der lockeren Anhäufung ihrer einzelnen Teile und der zahlreichen mit einge schlossener Luft angefüllten Hohlräume eine vollkommen rein weiße Farbe erhalten, undurchsichtig, ganz wie auch der Schaum auf perlenden Flüssigkeiten. Die Bildung der Schneeflocken hat man in den tiefer liegen den Wolkengebilden zu suchen, zuerst bilden sich ein fache Eiskrystalle, dann setzen sich neue an und beim Herabfallen vergrößert sich die Flocke mehr und mehr, wie eine Lawine im kleinen. Bei stärkerer Kälte ist die Luft meist außerordentlich trocken, dann kann na türlich eine derartige Anhäufung nicht stattfinden und die Krystalle kommen in vollkommenem Zustande bis auf die Erde herab, meist von beträchtlicher Höhe. Die Form derselben ist eine außerordentlich wechselnde, bald einfache Sterne, bald mehr oder minder zusammen gesetzte Figuren; immer aber bildet der sechsstrahlige Stern die Grundform derselben, mögen sie nun aus einfachen Nadeln und Spitzen oder dünnen Blättchen und Täfelchen sich zusammensetzen. Wenn das Schnee gebilde nicht locker zusammengehäuft ist, sondern fest zusammengeballt, so erhalten wir die Graupetkörncr, die hauptsächlich im Frühling und Herbst erscheinen. — Berlin hat gegenwärtig zwölf Thaler- Millionäre und etwa 900 Martmillionäre. Das will viel sagen, aber das nur eine halbe Million Ein wohner zählende Hamburg ist der deutschen Hauptstadt, was reiche Leute anbetrifft, doch noch über. — Von Herrn Bäckermeister Schaarschmidt in Chemnitz wurde ein 7 Pfund schwerer Biscuit- kuchen als Geburtstagsgeschenk an Se. Majestät den Kaiser nach Berlin gesandt. Auf vorherige Anfrage beim kaiserlichen Hofmarschallamt erhielt Herr Schaar schmidt die Zusicherung, daß das Geschenk angenom men werde. — Das Allgemeinbefinden des Herrn Reichs- tagsabg. Rechtsanwalts Temper in Zwickau hat sich sehr gebessert; die Sprache hat sich wiederge funden, nur der gelähmte Arm läßt noch zu wünschen übrig. Die Aerzte haben Hoffnung, daß der Kranke wieder vollkommen hergestellt wird. — Glauchau, 26. Januar. Wegen Reinigung der Expeditionslokalitäten bleibt die Kanzlei der hie sigen Königlichen Amtshauptmannschaft Freitag und Sonnabend, den 1. und 2. Februar für alle nicht ganz dringlichen Sachen geschlossen. — Hohenstein-Ernstthal, 25. Januar. Vier Monate Gefängnis wurden vom hiesigen Schöffen gericht dem 19jührigeu Dienstknecht K. in Oberlung witz als gerechte Strafe zuerteilt für eine Rohheit, die er an einem 7jährigen Radfahrer ausübte. Der Knabe fuhr im Auftrage seines Vaters am 26. Oktober v. I. mittags auf einem Zweirad von Hohenstein die Goldbachstraße entlang nach Oberlungwitz. Unterwegs auf der Goldbachstraße überholte er unter genauer Beobachtung der gesetzlichen Vorschriften ein Geschirr und wollte dann ein zweites, welches etwa 50 Schritte vorausfuhr, ebenfalls überholen, woran er aber dadurch verhindert wurde, daß der oben er wähnte Dienstknecht K., welcher auf dem voraus- fahrenden Wagen saß und den Radfahrer bemerkt hatte, vom Wagen herabstieg, sich dem nichts ahnenden Knaben näherte und ihn im geeigneten Augenblick durch einen kräftigen Stoß an der Lenkstange des Fahrzeuges zum Fallen brachte. Der kleine Radfahrer stürzte kopfüber an einen Straßenbaum und ersparte sich dadurch glücklicherweise den noch gefährlicheren Sturz über einen an dieser Stelle sich befindenden ziemlich hohen Abhang. Der Uebelthäter freute sich seiner That und ging lachend davon, während einige Augenzeugen dem Verunglückten zu Hilfe eilten. Derselbe war mit einigen leichten Verletzungen am Kopfe davongekommen. — Meerane, 25. Jan. „Das hiesige Tage blatt" schreibt: „Seit vorgestern hat eine Gesell schaft von ca. zwanzig Zigeunern sich zwischen dem „Kuchengarten" und dem „Jägerhaus" häuslich niedergelassen. Es ist dieselbe Kohorte, von deren Anwesenheit in der Nähe Glauchaus wir kürzlich be richteten. Die Zigeuner, aus Hagenau im Elsaß ge bürtig/ wohnen in vier primitiven Zelten, auf deren Boden ein Holzfeuer mehr qualmt als brennt und die ohnedies braunen Gesichter wie Meerschaumköpfe schwärzt. Auch gegen Witterungsunbilden scheinen diese Nomaden unempfindlich zu sein, denn wir sahen mehrere derselben, aller Fußbekleidung ledig, über die schneebedeckten Wege schreiten, um sich dann auf dem nackten Erdboden am Feuer niederzulassen. Die Leute haben ein 6 Wochen altes Kind bei sich, welches kürzlich in Glauchau getauft wurde, und das die Mutter täglich in eiskaltem Wasser zu baden pflegt. Wie verlautet, haben die Zigeuner bei ihrer Fahrt von Glauchau nach ihrem gegenwärtigen Aufenthalts ort in Höckendorf in einem Gasthaufe Einkehr ge halten und dort für 60 Mark Wein getrunken. Diefe auf anscheinende Wohlhabenheit zu schließende That- sache hindert aber z. B. die zur Truppe gehörigen Kinder nicht, jedermann anzubetteln — Mit welchem Eifer und Erfolg in unseren sächsischen Seminaren die edle Sangeskunst gepflegt wird, das zeigte sich wieder einmal in einem Konzerte, das am vorvergangenen Sonnabend in der Gesell schaft „Harmonie" in Waldenburg stattfand und in welchem die Zöglinge des Seminars unter der Leitung ihres verdienten Musikdirektors Reichardt in hervor ragender Weise mit thätig waren. Ein Chorgesang von Reichardt: „Warum willst du draußen stehen" wurde in vorzüglicher Weise vorgetragen und insbe sondere ist an dem Scmiuarchore eine tadellose Text aussprache neben wohlthuender Tonreinheit zu rühmen. Auch das schlichte Volkslied findet hier eine liebevolle Pflege. Das Konzert war veranstaltet worden, um den von der Gesellschaft erworbenen prachtvollen Blüthner'schen Flügel einzuweihen. Zu diesem Be- huse war es gelungen, einen der angesehensten Klavierspieler unseres engeren Vaterlandes, Bertrand Roth, Lehrer am König!. Konservatorium in Dresden, zu gewinnen. Die Lonata apussionata, mit welcher der Klaviermeister das Konzert eröffnete, wurde vor züglich gespielt und ebenso gelangten die übrigen Klaviervorträge, unter ihnen das originelle „Vogel als Prophet" von Schumann, zu einer reizenden Geltung. — Kirchberg. Der Fleischbeschauer Flechsig in Stangengrün hat in einem daselbst geschlachteten über 3 Ztr. schweren Schweine eine große Menge Trichinen gefunden und sonach viel nahes Elend von der Be wohnerschaft abgewendet. — Vor einiger Zeit verschwand der Wollwaren- hündler Kegel aus Pirna nnd zwar, wie man annahm, weil das demselben gehörige Geschäft ihm in der letzten Zeit mehr Verbindlichkeiten auflegte, als die Einnahmen aus demselben gestatteten. Daß diese Annahme keine unzutreffende war, beweist die nunmehr erfolgte Konkurseröffnung zu dem Vermö gen des Ausgetretenen. Kegel, welcher Frau und Kinder zurückgelaffeu, dürfte sein Heil über dem großen Wasser anderweit versuchen wollen. — Einen Beweis von Dankbarkeit hatte kürzlich ein Meißner Jnnungsmeister zu verzeichnen. Eine Anzahl von Handwerksbürschen, denen von dasigen Schloß Bergenhorst. Novelle von Marie Widdern. —----- (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) Der Doktor erkannte jedenfalls sofort, daß die Tage des armen, blödsinnig gewordenen Grafen gezählt seien, Sie dagegen, lieber Baron, noch ein längeres Leben vor sich hätten. Man beschloß nun mit Ihnen beiden, wie elend und krank Sie auch waren, nach Italien zu gehen. Hier ließ man Sie, wie gesagt, die Rollen wechseln. — Da kein Testa ment vorhanden und auch keins gemacht werden konnte, so mußte ein Graf Bergenhorst so lange wie möglich am Leben bleiben, damit der Nießbrauch der Besitzungen Hilda zu gute käme, die damit zugleich ihre Rache an Herrn von Guntrun kühlte. Wissen Sie nun, weshalb Ihr armer Bruder als Baron Wilchingen bestattet wurde? Ja! Nun, ich denke auch. Der Aermste war kaum unter der Erde, als man auch noch zu anderen Betrügereien schritt. Herr Doktor Bollner, ein talentierter Tau genichts, fälschte die Handschrift des Grafen und stellte im Namen desselben das Ansuchen an mich, kolossale Kapitalien auf Bergenhorst aufzunehmen. Natürlich kam mir die Geschichte sofort ver dächtig vor. Ich hatte ja auch schon alle Veran lassung zu dem Glauben, daß man Sie hier willenlos eine falsche Rolle spielen lasse und der Verstor bene nicht Baron Wilchingen, sondern Graf Bergen horst gewesen. Ich ließ daher die Schriftzüge unter suchen und als sie sich als eine sehr gelungene Fäl schung erwiesen, machte ich mich sofort auf, um hier mit einem Donnerwetter, wie man bei uns zu Lande zu sagen Pflegt, dazwischen zu fahren. Indessen handelte die Braut Herrn von Guntruns zu Gunsten des Verlobten im Palast Bonetti. Sie hatte sich als einfaches Kammermädchen in die Dienste der sauberen Gräfin geschmuggelt nnd durch sie wurden auch unsere letzten Zweifel gelöst. So, mein Bester, nun wissen Sie alles, und wir können Sie nur noch bitten, sich an den Ge danken zu gewöhnen, mit uns in die Heimatzurück zukehren. Freilich müssen wir vorher einen tüchtigen Arzt konsultieren. Jetzt aber erlauben Sie mir, mich auf ein Viertelstündchen zu entfernen. Ich möchte mich nur mit Hilfe eines Detektive, der schon zur Hand ist, der Personen der beiden Verbrecher ver sichern." „Du lieber Himmel," rief Richard da, „also in einen Skandalprozeß wird der Name der Bergenhorst gezogen. Lieber Glöckner, muß das denn sein? Ich bitte Sie um Gotteswillen, lassen sich die Sachen nicht auf irgend eine andere Weise regulieren?" „Leider nein! Ihre Identität muß gerichtlich wieder hergestellt werden. Aber lassen Sie mich, damit die Vögel nicht Lunte riechen und davonfliegen." Nur die letzten Worte waren von Lucie gehört worden, die eben erst wieder in das Gemach trat. — Mit einem tiefen, erleichterten Atemzug folgten ihre Blicke nun der Gestalt des Justizrats — das edle Mädchen sandte in diesem Augenblick ein Gebet zum Himmel, daß die Flüchtigen ihren Weg finden möchten, ohne von der Hand der irdischen Gerech tigkeit ergriffen zu werden. Meistern am Weihnachtsheiligenabend in der Herberge eine besondere Festfreude bereitet worden war, hatten diese Wohlthat nicht vergessen, sich nach dem Geburts tage jenes besonders beliebten Meisters erkundigt und sandten ihm gelegentlich dieser Feier aus 4 Richtungen ihre Glückwünsche und zwar aus München, aus Straß burg, aus Köln am Rhein und aus Dresden. Es giebt also noch dankbare Handwerksburschen. — Einen seltenen Fang machte dieser Tage ein von Zwenkau nach Rötha Gehender. Als derselbe sich zwischen Böhlen und Rötha befand, bemerkte er einen in der Luft kreisenden großen Vogel, welcher beim Niederschweben sich in die Drähte der Tele graphen-Leitung verwickelte, wodurch er sich etwas verletzte und niederfiel, worauf er von dem Manne eingefangen wurde. Es war ein 25 Pfund schwerer Schwan. — OelSnitz i. V. Der Mittwoch Abend brachte einige Aufregung in das sonst so ruhige Dorf Ober hermsgrün. Eine Karawane Zigeuner hielt in der Dämmerstunde auf 3 Gespannen ihren Einzug. Im Gasthofe fanden sie die erhoffte Unterkunft nicht, sie mußten den Weg nach Süßebach fortsetzen. Um sich nun Gewißheit vom Abzug der aus 30—35 Köpfen bestehenden Baude zu verschaffen, gingen mehrere Dorf bewohner der Bande nach. Am Ende des Dorfes fiel aus dem Zigeunerhaufeu plötzlich ein Schuß auf die Dörfler, dessen Blei an den Ohren zweier junger Männer vorbeisauste. Dieser Schuß wurde von ent gegengesetzter Seite durch blinde Schüsse erwidert, worauf die Zigeuner abzogen. 8 Ein Landmann aus Altenburgs Umgebung hatte im vergangenen Jahre eine Reise nach Däne mark, Schweden und Norwegen gemacht und war da bei auch mit einem Pfarrer aus der Magdeburger Gegend zusammengekommeu, der einen fo angenehmen Eindruck auf den Mann gemacht hatte, daß derselbe jenem zum Neujahr Glück wünschen wollte. Leider war ihm aber bei der Eile der Vorstellung der Name des Geistlichen nicht recht verständlich genyrden, was auch zur gegenseitigen Unterhaltung nicht nötig ge wesen, da die Anrede „Herr Pfarrer!" genügte. Den Ortsnamen aber glaubte der Bauersmann verstanden zu haben und schrieb darum auf den Brief: „Anden Herrn Pfarrer im Kirchdorfe — Kümmelda," die rich tige Bestellung der Post überlassend. Und die Findig keit derselben bewährte sich auch hier! Schon nach drei Tagen traf die Antwort des Pfarrers ein, wo raus sich ergab, daß der Mitreisende der Pastor Weiß flog in Bömmelda bei Barby gewesen. 8 Berlin, 26. Januar. Heute Abend 7 Uhr 25 Min. ist auf dem Anhalter Bahnhof Se. Maj. der König von Sachsen, begleitet von dem General adjutanten von Carlowitz und dem Flügeladjutanten Müller von Berneck, von Dresden kommend, einge troffen. Zum Empfange hatten sich - der König!, sächsische Gesandte Graf von Hohenthal und Bergen, der Miltärbevollmächtigte Oberstleutnant von Schlie ben, sowie auch die übrigen Herren der sächsischen Gesandtschaft und die hier anwesenden König!, sächs. Offiziere eingefunden. Ebenso waren der Polizei präsident und Gouverneur von Berlin anwesend. Kurz vor Einlaufen des Zuges fuhr Se. Maj. der Kaiser vor, um seinen König!. Gast zu begrüßen und nach dem Schloß zu geleiten. Als der König den Wagen verlassen hatte, reichten sich beide Monarchen die Hände, schüttelten sie gegenseitig kräftig und küßten sich herzlich. Vor dem Bahnhof hatte sich ein zahlreiches Publikum versammelt, das die hohen Herren freundlich begrüßte. tz Berlin, 26. Januar. Der Student Eichler Ob die innige Bitte dieses unschuldigen Frauen herzens Gottes Thron erreicht hatte — doch Wohl, denn trotz des Steckbriefes, der hinter den beiden Flüchtigen erlassen, schienen sie wie vom Erdboden verschwunden — zu Lucies großer Freude, eigentlich auch zur Erleichterung Leos, dessen Versöhnlichkeit es auch lieb schien, wenn die Betrügerin einen sicheren Port erreichte. Es war ihm ebenfalls angenehm, daß er seine junge Ehe nicht auf Hildas gänzlichen Ruin erbauen durfte und frendig in Schloß Bergenhorst einziehen konnte. Da kein zweites Testament vorhanden, so trat natürlich das erste in Kraft und Leo von Guntrun wurde, wie von Kindheit an bestimmt, Herr von Bergenhorst — mit der Klausel freilich, daß, so lange Baron Richard am Leben sei, diesem die Ober hoheit zustehe. Wilchingen hatte übrigens schon vor dem Neffen die alte Heimat bezogen, und unter den lieben, alten Bekannten, wieder in der Behandlung des Schloß arztes, erholte sich der Baron zusehends. Ihm hatte Luft gefehlt — Unterhaltung. Beides verordnete ihm vor allen Dingen der alte Sanitätsrat aus Gonten — und seine Mittel schlugen an. — Freilich, gesund konnte er nie mehr werden; aber der greise Kammerdiener, der ihn nun wieder pflegte, meinte doch: „Die Krämpfe kämen jetzt seltener, als früher." Er blieb auch dabei, daß der Herr Baron in der letzten Zeit vor der Abreise nur so oft die bösen Zufälle gehabt, weil er sich gegrämt, daß Bergen- Horst nun nicht an seinen lieben Leo fallen sollte. Justizrat Glöckner hatte seiner Zeit gemeint, die