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Wochen- und ilachnchlslüall zugleich kkschUfts-Aiizeijier fiir HchlSm, NSIitz, Bcriisdorf, Üiüvkrf, St. kgihM, HkiiiriOort, Mliiitmn Md Wst». Nr. 14. Amtsblatt für den Stadtrat zn Lichtenstein. —— »s. Jahrgang. Donnerstag, den 17. Januar 1889. Dieses Blatt erscheint täglich (außer Sonn- und Festtags) abends für den folgenden Tag. Vierteljährlicher Bezugspreis: 1 Mark 25 Pf. — Einzelne Nummer 5 Pfennige. — Bestellungen nehmen außer der Expedition in Lichtenstein, Markt 179, alle Kaiserl. Postaustalten, Postboten, sowie die Austräger entgegen. — Inserate werden die viergeipaltene Korpuszeile oder deren Raum mit 10 Pfennigen berechnet. — Annahme der Inserate täglich bis spätestens vormittag 10 Uhr. Deutscher Reichstag. Sitzung vom 15. Januar. Da heute der Reichskanzler im Reichstage er wartet wurde, war der Zugang zu deu Tribünen ein ungemein großer. Aber viele waren gekommen und nur wenige waren auserwählt, deun die Kontrolmaß- regeln wurden scharf gehandhabt, namentlich auch auf der Journalisten-Tribüne. Dank dieser Maßregeln wurden Unzuträglichkeilen, wie sie sonst au „großen Tagen" des Reichstages eintretcn, vermieden. Das Haus war gut besetzt. Zum Schriftführer wurde an Stelle Dr. Tröndlins, der sein Amt niedergelegt hat, Dr. Meyer-Jena gewählt. Dann wurde die Etatsbe ratung beim Etat des Auswärtigen fortgesetzt. Der Berichterstatter, Abg. Graf Behr, fand wenig Auf merksamkeit. Für Zanzibar wird ein Vizekonsul ge fordert. Abg. Richter weist darauf hin, daß nach dem Inhalt des neuen Weißbuches der Generalkonsul in Zanzibar das Abkommen zwischen der ostafrikanifchen Gesellschaft und dem Sultan von Zanzibar vermittelte, obwohl ihm aber bekannt sein mußte, daß diese Ge sellschaft keine genügenden Mittel besaß, um die Hoheits rechte und die Verwaltung an einer 75 Meilen langen Küste auszuüben. Die ganze Gesellschaft habe nur in einigen jungen Offizieren und Beamten bestanden. Das Grundkapital betrage allerdings auf dem Papiere 3 Millionen, doch waren nicht für 1 Million realisier bare Werte vorhanden. Nun scheine es bedenklich, das Recht niit dem Sultan zu verhandeln auf einen Vize konsul zu übertragen. Unter diesen Umständen bean tragt er Aussetzung der Abstimmung, bis die Debatte über das Weißbuch genügende Klarheit gebracht habe. (Während der Rede Richters tritt Fürst Bismarck ein.) Fürst Bismarck: Heute oder morgen werde eine Vorlage über die ostafrikanischeu Angelegenheiten an den Bundesrat und dann an deu Reichstag ge langen. Dann werde Gelegenheit zu einer kolonial politischen Debatte sein. Die Errichtung eines Vize konsulats sei notwendig bei der Wichtigkeit unserer Beziehungen zu Zanzibar. Der Generalkonsul habe das Recht, auch einmal krank zu werden und dann bedürfe es der Vertretung. Beim Kapitel Kammerun-Schutzgcbiet weist Abg. Woerm ann (nat.-lib.) auf die Ausnutzung der Privi legien der Royal-Nigger-Company in der Nähe von Kamerun hin, wodurch die deutschen Interessen schwer geschädigt würden. Er wünscht das Vorgehen seitens des auswärtigen Amtes bei der englischen Regierung. Fürst Bismarck erwidert: Es fehle an der er forderlichen vertragsmäßigen Berechtigung, um eine direkte Aufforderung in der gewünschten Weise an England zu richten. Vielleicht mache Abg. Woermann seinen Einfluß in der Presse geltend; in solchen An gelegenheiten falle oft die Stimme der Presse gewich tiger aus als die diplomatische Anregung. Staatssekretär Graf Bismarck konstatiert, daß die Nigger-Company die erhobenen Beschuldigungen in Abrede stelle. Es sei zunächst ein Beamter nach Lagos geschickt worden, um die Dinge festzustellen, und es sei zu hoffen, daß England bei seiner entgegenkommen den Haltung in unseren kolonialpolitischen Angelegen heiten die Sache gütig zu regeln bereit sein werde. Abg. Richter verweist auf die schädlichen Folgen des Branntwemhandels in Westafrika und auf die Gefahren der Waffenausfuhr nach Kamerun. Die westafrikanischen Schutzgebiete kosteten dem Reiche mehr als sie etwa einigen beteiligten Firmen ein brächten. Durch den Karolinen-Streit habe Deutsch land in seinen Handelsbeziehungen zn Spanien einen größeren Schaden erlitten, als die ganze Kolonial politik bisher Nutzen gebracht habe. Wenn die Ko lonialpolitik wirklich so nutzbringend sei, weshalb hielten denn die Hamburger die Taschen zu? Gebe» Sie doch, Sie haben's ja dazu! Abg. Richter wünscht ferner Auskunft über die Sklaverei in den westafri kanischen Schutzgebieten. In der Nähe von Kamerun soll noch Sklaverei bestehen, ebenso eine der Sklaverei ähnliche Vielweiberei. Er frage, ob es richtig sei, daß in den deutschen Faktoreien Sklaven beschäftigt würden. Fürst Bismarck verweist auf die großen Kosten, welche die Aufhebung der Sklaverei erfordern würde. Jedenfalls müsse man sich hüten, die Tausende gegen uns aufzuhetzen, die bei der Sklaverei beteiligt seien. Die Sklaven würden verhungern, wenn sie ohne Weiteres freigelassen würden. Was die Aufreizung der deutschfeindlichen Elemente anbelange, so könne er nicht annehmen, daß Richter in dieser Beziehung mit der vaterlandslosen Presse, die ihn allerdings unterstütze, sympathisiere, mit einer Presse, die keine Gelegenheit vorübergehen lasse, in den Garten des Reiches Steine zu werfen und dem Vaterlande Un annehmlichkeiten zu bereiten. Abg. v. Kardorff (Reichsp.) weist auf die immensen Ausgaben hin, die England und Frankreich für ihre Kolonien leisten. Deutschland trete dagegen auf. Aba. Woermann: Abgeordneter Richter habe mit völliger Unkenntnis die Dinge gesprochen. Der Branntweinkousum in den Schutzgebieten sei ein müßiger. Derselbe könnte nur unterdrückt werden, wenn auch die übrigen in Westafrika beteiligten Mächte den Branntweinhandel hinderten. Gerade von Eng land aus gingen Branntwein und Pulver nach den Kolonien. Redner rechtfertigt die Hamburger gegen den Vorwurf, die Taschen znzuhalten. Mit der weiteren Entwickelung der Kolonialpvlitik werde sich auch das Kapital derselben mehr zuwenden. Skla venarbeit herrsche in Kamerun nicht. Die dort be schäftigten Neger seien vollständig frei. Abg. Richter erklärt, er habe nur Auskünfte gewünscht. Die Auskünfte Woermanns nehme er mit Reserve auf, weil Woermann ein direktes Inte resse an der Kolonialpolitik habe. Was der Angriff des Reichskanzlers auf die Presse aulauge, so hätte er sich mehr um die offiziöse Presse kümmeru sollen, welche die Mißachtung aller anständigen Leute habe. Die freisinnige Partei sei stolz daraus, eine freie und unabhängige Presse zu besitzen, die selbst dem mächtigsten Manne in Europa die Wahrheit zu sagen wage. Reichskanzler Fürst Bismarck: Er halte eine unabhängige Presse für notwendig, aber diejenige, welche er im Ange hatte, sei weder frei noch unab hängig und sage nicht die Wahrheit. Äbg. Stöcker pflichtet dem Wunsche bei, die Brauntweineinfuhr in den Schutzgebieten zu beschrän ken. Die Sklaverei werde verschwinden, wenn der Negerhandel verhindert werde. In Kamerun bestehe keine Sklaverei, da dort die arbeitenden Neger nicht festgehalten werden könnten. Die freie Schnapsein- fnhr verhindere die Missionsarbeit. Es entspreche nicht dem Patriotischen Ehrgefühl, einzelne Nuzuträg- lichkeiten und Unfälle so aufznbauschen, wie es die freisinnige Presse thue, die immer Rücksicht auf das Judentum und den Kapitalismus nehme. Bei dem Zuschüsse zu den Verwaltungskvsten für das südwestafrikanische Schutzgebiet bezweifelt Abg. Bamberger die Königen Rechte der Deutschen. Reichskanzler Fürst Bismarck: Bei den west- afrikanischen Verhandlungen schädige uns namentlich die Haltung der heimischen Opposition erheblich. Die Kolonie versprach einen erfreulichen Aufschwung. Wenn jetzt die Engländer kommen und der Sandbüchse nach laufen, so Muß diese doch mehr Wert haben, als hier behauptet wurde. Was habe das auswärtige Amt von der Kolonialpolitik? Doch nur mehr Arbeit. Wenn hier hervorragende Abgeordnete Verträge in Südwest- Afrika als zweifelhaft bezeichnen, dann dürften die Engländer, die diese Vertrüge bisher anerkannten, sich auf den Patrioten Bamberger berufen und sie ferner nicht mehr anerkennen. Abg. Bamberger erwidert, er glaube dem Vater lande mehr zu dienen, wenn er die Kolonialpolitik be kämpfe, anstatt verteidige. Fürst Bismarck: Es müßte dem Abg. Bam berger doch klar sein, daß uns seine Ausführungen im gegenwärtigen Augenblicke der Verhandlungen schädlich seien. Oder solle er dem Botschafter in London tele graphieren : Stellen Sie die Verhandlungen ein, Herr Bamberger wünscht keine Kolvnialpolitik. Abg. v. Kard orff verweist darauf, daß die Opfer auf Samoa auch auf das Konto der Freisinnigen gehören. Abg. Bamberger erwidert, daß damals die Mehrheit des Reichstags mit ihm gestimmt habe. Abg. Richter: Die Sache in Südwest-Afrika liege unklar. Die Freisinnigen würden stets eine aben teuerliche Kolonialpolitik bekämpfen. Fürst Bismarck teilt mit, daß über Samoa weitere Nachlichten noch nicht eingegangen seien. So bald solche angelangt seien, würde die Regierung ent sprechende Maßnahmen treffen. Fürst Bismarck pole misierte ferner scharf gegen Richter, der zwei Leiden schaften in sich vereinige: die Liebe zum Vaterlande und eine unüberwindliche Abneigung gegen den Reichs kanzler. Der ganze Etat des Auswärtigen wird schließlich an genommen. Donnerstag Forisetznng der Etatsberatung. Tagesereignisse. —* Lichtenstein, 16. Januar. Die Karls bader Damenkapelle (aus 7 Damen 3 Herren be stehend), welche sich gestern abend im Helmsale hier zum ersten Male hören ließ, erfreute sich trotz der in letzter Zeit recht viel gebotenen musikalischen Genüsse dennoch einer sehr wohlwollenden Teil nahme. Diese Teilnalnne mochte auch schon durch den Umstand geweckt sein, daß mit dieser Kapelle eine ganz eigenartige Gattung von Musikern sich vorstellte. Sie überraschten ebenso durch ihr schneidig- aumutiges Spiel wie durch den ungewohnten Reiz ihres Vortrages. Die Instrumente, deren sich die Damen bedienten, waren: Violinen, Pauke, Trommel und Violoncello, die der Herren Flöte, Clarinette und Contra-Baß. Die erzeugte Musik war zwar keine rauschende, dafür aber um so anmutiger und lieblicher. Mit gleicher künstlerischer Fertigkeit ge langten Märsche, Tänze, Opern-Fragmente rc. zum Vortrag und errangen überall besonders bei der letzten Nummer des Programms, einem Galopp von Millöcker, „Kvsakenritt", wobei noch Schellengeläute und Peitschenknall recht effektvoll angewandt wurden, einen wahrhaft stürmischen Applaus, so daß sich die Künstlerinnen noch zu einer Wiederholung des Stückes verstehen mußten. —* Bernsdorf, 16. Jan. Bei der in diesen Tagen stattgefundeneu Geflügel-Ansstellung des Chem nitzer Geflügelzüchtervereinö erlangte Herr Gottl. Dietzsch hier den ersten und zweiten Preis auf Tauben. — Die herrliche Zeit der Karpfen-, Wild- und Bratwurstfchmäuse ist wieder da! Wer etwa seinen Appetit in Hasen-, Gänse-, Reh-, Hirsch-, Schweine-, Kalbs-, Schöps-, Rinder- und andere» Braten stillen will, der hat hierzu Gelegenheit. Natürlich muß man aber auch den nötigen, möglichst großen Geldbeutel mitbringen, denn an solchen Tagen werden nur die