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3. Wieviel Erderschütterungen wurden verspürt und in welchen Zwischenräumen? 4. War die Erder schütterung stoßförmig oder wellenförmig oder schwan kend? 5. Wohin war dieselbe gerichtet ? 6. Wie lange dauerte sie an? 7. Wnrde ein Geräusch ver nommen und welcher Art war dasselbe? 8. Hatte die Erschütterung Spuren an Gebäuden hinterlassen? sind leichte Gegenstände umgefallen? oder verschoben worden? oder in schwgnkende Bewegung geraten? sind Uhren stehen geblieben? 9. Welche Wirkung übte die Erschütterung auf Menschen und Tiere aus ? Prof. Dr. Creduer, Leipzig. — Aus Zwickau wird geschrieben, daß in der Leitung der kleineren Strafanstalten am 1. Februar mehrfache Veränderungen bevorstehen. Oberinspektor Premierleutnant a. D. Rühlemann,-welcher seit 1885 das Landesgefängnis für Franen in Voigtsberg bei Oelsnitz leitet, ist als Stellvertreter des Direktors an das Landesgefängnis Zwickau versetzt. An seine Stelle tritt Oberinspektor Bäßler von der Hilfs strafanstalt Nossen, deren künftige Leitung dem Ober inspektor Höckner, bisher an der Strafanstalt Zwickau, übertragen worden ist. Ueber die künftige Leitung der nunmehr bald im Umbau vollendeten Männer strafanstalt Hoheneck ist noch keine Entscheidung er gangen. — Am 2. d. wurde in Chemnitz die Unter tunnelung des Bahnhofs, welche die Verbindung mit der Nord- nnd Ost-Vorstadt herstellt, dem öffent lichen Verkehr übergeben. Zu den gegen 250000 M. betragenden Kosten wurden voll feiten der Regierung 80000 M. als Zuschuß gewährt. Der Tunnel selbst ist gegen 200 Meter lang, 5 Meter breit und 304 Meter im Lichten hoch. Die Wände find bis zum Widerlager aus Elbsandsteiu hergcstellt, die Gewölbe und Lichtschächte dagegen aus Maschinenziegeln; der Fußboden ist mit Asphalt belegt. Lichtschächte ver breiten am Tage und Gaslaternen in der Nacht die nötige Helligkeit. — In einem Glauchauer Gasthofe quartierten sich am 1. d. abend zwei Dienstmädchen von aus wärts eiil und zwar bezogen sie gemeinschaftlich ein Zimmer. Ganz unversehens war am darauffolgenden Morgen die eine verschwunden nnd hatte der andern einen mit schwarzem Leder überzogenen Handkoffer der außer einigen Kleidungsstücken auch noch das Dienstbuch ihrer Schlafgenossin enthielt, gestohlen. — Pirna. Bei der am 2. Januar auf Mügelm Sporbitzer Revier stattgefundcnen sogenannten Ober- forstmeisterjagd wurde das Frühstück auf Bahnhof Mügeln eingenommen, während das splendide Jagd diner dann in der Königl. Villa zu Strehlen arran giert war. Se. Mas. der König unterhielt sich bei dieser Gelegenheit in leutseligster Weise mit den zur Neujahrsgratulation in der Residenz erschienenen Oberforslmeistern des Landes und erkundigte sich in eingehender Orientierung über die Verhältnisse in den verschiedenen Forstbezirken in Bezug auf den Stand der Kulturen nnd den Wildreichtum. — Stolpen. In dem benarchbarten Neudörfel sand dieser Tage die Auszüglerm Christiane Sommer durch Ersticken den Tod. In dem Stubenofen der Genannten hatte sich Ruß nnd Asche entzündet, wo durch ein dichter Qualm entstand, welcher für die be dauernswerte Frau verhängnisvoll wurde. 8 Gotha, 4. Jan. In dem bekannten Prozesse des Rechtsanwalts Dr. Pausa in Leipzig gegen die Lebensversicherungsbank zu Gotha ist von dem hiesigen Landgericht in dem heute verkündeten Urteil die Aende- rung oer Bankverfassung, durch welche die kostenlose Kriegsversicherung eingeführt worden ist, für ungiltig erklärt und die Lebensversicherung dementsprechend ver urteilt worden 8 Berlin, 4. Jan. Der Kaiser ordnete bei seinem gestrigen Aufenthalt in Potsdam verschiedene bauliche Veränderungen im Schloß Friedrichskron an, wo die kaiserliche Familie künftig Sommerresidenz nimmt. Ans der Thatsache, daß der Kaiser der heu tigen Hofjagd in Potsdam fern blieb, wird auf Un päßlichkeit geschlossen. Die Annahme ist indes unbe gründet, der Kaiser nimmt vielmehr an der morgigen Hofjagd im Grunewald teil, die besonders große Di mensionen annimmt. — Hauptmann Wißmann begiebt sich noch im Laufe des.Januar im Auftrage des Aus wärtigen Amtes nach Östafrika, wo ihm n. a. die Bildung der anzuwerbenden Truppe obliegen wird. Die Entschließung, wer au Wißmann's Stelle die erste Emin-Pascha-Expedition leiten soll, ist noch nicht ge troffen, doch wird daran fcstgehalten, daß die Expedition ungesäumt abgesendet werden soll. Die Ausrüstung ist im wesentlichen bereits beendet. 8 Berlin. Wie alljährlich, so hatte sich auch dies mal wieder zur Weihuachtswoche eine aus drei Personen bestehende Deputation der Halleschen Salz wirkergesellschaft hier eingefunden, um die Geschenke ihrer Innung, Wurst, Eier und Salz, an das Kai serpaar zu überbringen. Für den Nenjahrstag abends 6 Uhr war die Deputation in das königliche Schloß beschieden. Die drei Halloren erschienen daselbst in ihrer altertümlichen Tracht am Schlüsse der kaiserlichen Tafel; sie überreichten dabei ihre Gaben, welche zugleich als letzter Gaug die Tafel herumgegeben wurden. Die Eier steckten in einer Pyramide von Salz, die Warst wurde besonders herumgereicht. Die Halloren halten sich nach altem Brauche hier in Berlin neun Tage auf, da sie der Reihe nach alle Mitglieder der königlichen Familie aufsnchen und dort ebenfalls einen Teil ihrer Gaben überreichen. 8 Zur Schulreform schreibt die „Nordd. Allg. Ztg.": Die Gesittung und Bildung eines Volkes hängt zunächst von seinen religiösen Ueberzeugnngen und dem Stande seines Schulwesens ab. Die Pflege der Religion hat— davon muß sich jeder überzeugen, der die letzten Jahrzehnte mit Ansmerksamkeit verfolgt hat — im deutschen Volke erhebliche Fortschritte ge macht. Die materialistische Weltanschauung, welche im Anschluß au die Darwinsche Lehre einen neuen Aufschwung erringen zu wolle» schien, verliert immer mehr an Anhängern, oder, richtiger gesagt, man hat sich mit Erfolg bemüht, dasjenige, was jene Lehre richtiges enthält, mit derjenigen Weltanschauung in Einklang zu bringen, welche das Dasein Gottes znr Voraussetzung hat, sodaß die Wissenschaft eben dadurch einen wesentlichen Fortschritt zu verzeichnen hat. Die Pflege der Religiosität ist durch den materialistischen Ansturm nur vertieft wordeu. Hand in Hand mit der auf Religiosität begründeten Ge sittung mnß die Bildung des Volkes sich heben, und Deutschland geht denn auch in der einsichtsvollen Fürsorge, die es seinem Schulwesen angedeihen läßt, wie auf vielen anderen Gebieten, den Völkern mit gutem Beispiel voran. Das Interesse, welches na mentlich dem höheren Schulwesen bei uns cutgegen- gebracht wird, hat sich besonders in den: abgclaufenen Jahre in bedenkendem Maße gezeigt. Die Bewegung znr Herbeiführung einer Reform des höheren Unter richts gewann — diese Thatsache läßt sich nicht leugnen — an Stärke, wenn auch, wie schon oft hervorgehoben ist, die Ziele derselben durchans noch nicht klar sind. Es wird besonders eine größere Betonung der sogenannten realen Fächer im Unterricht gewünscht, wobei allerdings eine gewisse Feindschaft gegen die alten Sprachen in unerfreulicher Weise hervorgetreten ist. Indessen darf man sich der Hoffnung hingeben, es werde gelingen, eine an sich von idealen Ge sichtspunkten ausgehende Forderung auch in ihren Trägern von unberechtigtem Beiwerk zu reinigen, und so schließlich zu einer wirklichen Förderung der natio nalen Bildung zu gelangen. Jedenfalls muß aber immer wieder hervorgehen werden, daß es überaus gefährlich erscheint, wenn man den historischen Zusam menhang mit der Vergangenheit zu verlieren und lediglich aus theoretischen Erwägungen eine Neu regelung des höheren Schulwesens vorzunehmen trachtet. Die Forderung, daß die realen Bildungselemente eine größere Berücksichtigung verdienen, mag an sich ge rechtfertigt erscheinen; jedoch darf man nicht verkennen, daß cs namentlich bei uns in Deutschland zwei Arten von allgemeiner Bildung, eine humanistische und real naturwissenschaftliche, giebt, und daß die Zweiteilung, weit entfernt, ein Uebelstand zu sein, vielmehr als ein Segen betrachtet werden muß, indem beide Rich tungen wetteifern, im Leben des Volkes das Höchste zu leisten. 8 Elberfeld, 1. Jan. Im Arresthause fand man gestern früh den wegen mehrerer Sittlichkeitsver brechen in Untersuchungshaft befindlichen Dr. med. Schürks aus Remscheid an der Thür seiner Zelle er hängt. Der Verstorbene war auf seinen Wunsch zum letzten Male heute vor acht Tagen nachmittags vor den Untersuchungrichter geführt worden und hatte auf dem Rückwege vom Landgericht zum Arresthause einen mißglückten Fluchtversuch gemacht. 8 Nürnberg, 4. Januar. Das Schöffengericht verurteilte den sozialdemokratischen Reichstagsabgeord neten Grillenberger wegm Beleidigung eines hiesigen Premierleutnants zu vierzehntägiger Gefängnisstrafe. Die Beleidigung geschah im Grillenbergerschen Blatte durch eine Notiz, welche die Familienverhältnisse des betreffenden Leutnants besprach. 8 Fürth, 2. Januar. Der berüchtigte Dieb und Deserteur Philipp Rieß aus Bruck entsprang in der Nacht vom Sonntag auf den Montag aus der hiesigen Frohnfeste. Nachdem er das Gitter an seiner Zelle entfernt hatte, ließ er sich mittelst eines Leintuches in die Nähe drs Bodens und sprang dann auf zwei wvlleue Decken, die er vom Fenster vorher herabwarf und später mitnahm. In dersel ben Nacht wurde in dem Heimatsorte des Ver brechers bei Witwe Volland ungebrochen und Eß waren und 300 Mk. in Banin gestohlen. Da Rieß mit der Häuslichkeit bei der bestohlenen Frau genau bekannt war, so wird mau nicht fehl gehen, denselben als den Dieb zu bezeichnen, da Bruck in 2 Stunden von hier aus zu erreichen ist. Die ganze Gendarmerie der Umgegend ist aP der Suche. ** Paris, 4. Januar. Bon emem heute Nacht durch Unvorsichtigkeit mit Petroleum entstandenen Brande in der Rue des Martyrs ist eine Frau in den Flammen umgekommen, eine andere wahnsinnig geworden; das betreffende Haus brannte völlig nieder. ** Paris, 4. Jan. Boulanger's Manifest wurde in 100,000 Exemplaren im Seine-Departement ange- Schloh Bergenhorst. Novelle von Marie Widdern. -- —(Nachdruck verboten.) In seinem Arbeitszimmer ging der Generalad- ministrator der gräflich Bergenhorst'schen Güter mit mächtigen Schritten auf und nieder. Der noch im besten Mannesalter stehende Herr befand sich sichtlich in freudigster Aufregung. Das verriet nicht blos die lebhafte Röte des tiefgebrüunten Gesichts, davon sprachen auch seine leuchtenden Augen. Immer aber, wenn die breitschultrige, fast hünenhafte Gestalt in die Nähe der Fenster des elegant eingerichteten Gemachs kam, schweiften die Blicke des Generalad ministrators ungeduldig den Linden begrenzten Weg hinab, welcher das Rittergut Bergeuhorst von dem Kreisstädtchen Gvnten mit seinen dreitausend Ein wohnern trennte. Endlich wurde in der Ferne das Rollen eines Wagens vernehmbar. „Sie kommt!" murmelte Stettmüller und ein glückseliges Lächeln zuckte um den bärtigen Mund. Dann öffnete er mit fester Hand rasch die breite Glasthür, welche direkt ans dem Gemach in das Vorgärtchen führte. Hier stand er Momente lang regungslos. Die Hand über die Bugen haltend, blickte er die Allee hinab, in der sich nun ein elegantes Gefährt zeigte — die rasch näher kommende Equipage des allmächtigen General administrators der Bergenhorst'schen Güter. Dann aber — dann: die kostbaren Apfelschimmel standen. Ein Bedienter öffnete den Schlag und schon im nächsten Augenblick lag eine zarte, schlanke Frauengestalt im nobelsten Reisekostüme an der breiten Brust des Administrators. „Hilda — Hilda! — Jetzt bist Du eine Lu- bostrow vom Scheitel bis zur Sohle!" flüsterte Stettmüller und dann fügte er hinzu: „Aber welch' eine unverhoffte Freude brachte mir gestern Deine Benachrichtigung, daß Du endlich, endlich wieder in die Heimat und zu Deinem Vater zurückkehren wolltest!" Die Blicke Friedrich Stettmüllers hingen dabei immer bewundernd an dem schönen Gesicht seiner Tochter. Sie versenkten sich zärtlich in die nacht- dnnklen, strahlenden Augen, deren intensives Schwarz so wunderbar zu dem Hellen Aschblond der mächtigen Flechten auf dem kleinen Köpfchen des Mädchens kontrastierten. „Und nun komm auch ins Haus, Töchterchen", sagte Stettmüller dann, indem er Hildas Arm in den seinen legte. Während Bedienter und Kutscher jetzt Koffer und Hutschachteln, Kisten und Kästchen aus dem Wagen hoben, führte der Administrator das einzige Kind, welches er achtzehn Monate hindurch nicht gesehen, durch die zu ihrem Empfange festlich ge schmückte Zimmerflucht seines Hauses. Aber Hilda hatte kaum ein Ange für die Blu mengewinde um Thüren und Fenster, Sie sah nicht, daß auch manches an der Einrichtung der Gemächer verändert und wie besonders ihre Zimmer mit voll ständig neuen Mobilien ausgestattet waren. Ach, die junge schöne Tochter des gräflichen Generalad ministrators hatte in der Zwischenzeit ja so viel besseres gesehen. Sie war in der Residenz gewesen und hatte die nobelste Pension gefunden. Friedrich Stettmüller war ein reicher Mann und da er Hilda zu einer bedeutenden sozialen Stellung erziehen wollte, so sparte er nicht. Es waren kolossale Summen gewesen, mit denen der einfache deutsche Landmann den Aufenthalt seiner Tochter in der Residenz unter den jungen Damen aus den vornehmsten Ständen bezahlte. In der Heimat lachte man über die Marotte des Administrators und zischelte sich in die Ohren: Stettmüller könne partout nicht die verwandtschaft lichen Beziehungen seiner verstorbenen Frau zu der Heimgegangenen letzten Gräfin Bergenhorst vergessen. Aber den Administrator kümmerten derartige Klatsche reien wenig. Die Leute wußten ja nicht, was er wußte: sie hatten keine Ahnung davon, daß seine Tochter sich mit dem Erben der Bergenhorst'schen Güter verlobt habe., ' Leo von Guntrun war nur ein entfernter Neffe des augenblicklichen Herrn dieses riesigen Grundbe sitzes. Aber da Graf Kurt lange verwitwet und kinderlos war, so erfreute sich der lebensfrohe junge Mann, welcher von Kindheit an alljährlich ganze Monate auf Bergenhorst zugebracht, der vollsten Liebe des alten Herrn. Was war da natürlicher, als daß Bergenhorst auch zu Gunsten Leos testiert hatte, daß er bestimmte, sein ganzer Besitz solle der einst in die Hände des Lieblings übergehen, den er über die Tanfe gehalten hatte. Als Leo vor zwei Jahren nun wieder einmal aus dem fernen Schlesien, wo er auf dem tiefver schuldeten Gute seines Vaters lebte und bei der Be wirtschaftung half, nach Bergenhorst gekommen, sah er auch die eben erst erblühte Hilda wieder. We nige Wochen darauf aber hatte das junge Mädchen schon das Versprechen des Aristokraten, sie — trotz allem und allem — dereinst zu seiner Gemahlin zn machen. (Fortsetzung folgt.)