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wirklich der Fall sein, so dürfte höchstens die origi nelle Freitreppe im großen Hofraum noch aus jener Zeit herrühren. — Meißen. Der zweite Reblauskursus in diesem Winter, welcher am 4. und 5. Januar an der hiesigen landwirtschaftlichen Schule von dem Direktor derselben abgehalten wurde, zählt 13 Teil nehmer. Von diesen waren 5 Guts-, bezw. Wirt schafts- und Weinbergsbesitzer, 3 Oekonomiescholaren, 2 Handelsgärtner, 1 Landwirtschaftslehrer, 1 Winzer und 1 Gartenbauschüler. — Kieritzsch. In Heuersdorf hat sich am 23. Dezember der Gutsauszügler Gottfried Berger aus seiner Wohnung entfernt und ist bis jetzt noch nicht dahin zurückgekehrt. Die bekümmerten Fami lienangehörigen richten unter Aussetzung einer Geld belohnung an jedermann, der Auskunft über den Verbleib des Vermißten zu geben imstande ist, die Aufforderung, solche an oen Gutsbesitzer Oswald Schramm in Heuersdorf gelangen zu lassen. 8 In Koj en (Prov. Sachsen) wurde auf Ersuchen -er Naumburger Polizei ein anscheinend vornehmer Herr wegen eines im Gasthof zur Sonne ausgeführten Üeberzieher-Diebstahls verhaftet. Bei der Entkjeidung des Gefangenen stellte es sich heraus, daß sich unter dessen Kleidung die vollständige Sträflings-Uniform der Halleschen Strafanstalt befand. Man hatte einen wegen schwerer Verbrechen verurteilten, aber dem Zuchthaus entsprungenen Sträfling wieder erwischt, der in sicheren Gewahrsam kam. § Zur Feier von Kaisers Geburtstag äußern sich die „Berl. Pol. Nachr." wie folgt: „Aus Anlaß der bis zum 16. Juni d. I. fortdauernden Hoftrauer wird in den beteiligten Kreisen vielfach die Frage aufge worfen, wie es mit der Feier des Kaisertichen Ge burtstages am 27 d. M. gehalten werden soll. Die Feier des Königsgeburtstages ist dem preußischen Volke stets ein Herzensbedürfnis gewesen; an diesem Tage vereinigen sich von Alters her alle Elemente des Volkes zu einem einmütigen feierlichen Ausdruck der Liebe, Treue und Verehrung gegenüber dem Herrscher hause, welches mit dem preußischen Staate und Volke so innig verwachsen ist. Die traurigen Ereignisse des verflossenen Jahres haben zur Folge gehabt, daß in demselben auf die Befriedigung dieses Herzensbedürf nisses verzichtet werden mußte. Und so besteht der Wunsch, Kaiser Wilhelm II. an dem ersten Geburts tage nach seinem Regierungsantritt bei der Feier des selben die Gefühle der Liebe, Treue und Ergebenheit in der üblichen Weise kundzugeben. Es würde daher in weitesten Kreisen sicher schmerzlich empfunden werden, wenn die Hoftrauer der Erfüllung dieser Wünsche sich als hinderlich erweisen sollte, und man würde es freudig und dankbar begrüßen, wenn dem preußischen Volke trotz der Hoftrauer eine Feier des Königsge burtstages ermöglicht würde, bei welcher es in der gewohnten Weise seiner Liebe und Treue zu dem Herrscherhaufe vollen Ausdruck geben kann." Z Der „Reichsanzeiger" veröffentlicht den Be schluß des Reicysgerichts, wonach das Reichsgericht in Erwägung, daß zwar nach dem Ergebnis der Vor untersuchung hinreichende Verdachtsgründe für die An nahme vorliegen, daß Geffcken durch Veröffentlichung aus Kaiser Friedrichs Tagebuch Nachrichten, deren Geheimhaltung anderen Regierungen gegenüber für das Wohl des deutschen Reiches erforderlich war, öffentlich bekannt gemacht hat, daß jedoch für die An nahme des Bewußtseins Geffcken's, daß es sich um Nachrichten bezeichneter Art handle, genügende Gründe nicht vorhanden sind, beschloß, Geffcken hinsichtlich des ihm zur Schuld gelegten Landesverrats außer Ver- Schloß Bergenhorst. Novelle von Marie Widdern. —(Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) Seine verstorbene Gemahlin gehörte zu den edelsten ihres Geschlechts. Sie war ein Engel an Güte und ging selbst in die schmutzigste Hütte, wenn es galt, sich hilfreich zu bewähren. „Und deshalb", lachte Hilda chnisch, „wird seine zweite Frau ein Phänomen in dieser Beziehung sein. Aber nun kein Wort weiter über diese Ange legenheit", fuhr sie fort und saß wieder in aller Ruhe und Gemächlichkeit auf ihrem Platze. vorrvns, sagt der Franzose", meinte sie dann noch aleichgiltig. „Machen wir vorläufig diesen Wahl- fprnch auch zu dem unseren." * * Acht Tage waren vergangen. In der Säulen halle vor dem Stammschlosse der Bergenhorst saßen zwei Herren. Ans beiden Häuptern lag schon der Schnee des Alters und doch differierten ihre Jahre um ein Erhebliches: Graf Kurt zählte beinahe fünf zehn Herbste mehr als sein unglücklicher Halbbrnder, welcher aus der zweiten Ehe der lange verstorbenen Gräfin Thea Bergenhorst stammte und den ebenfalls guten Namen der Wilchingen führte. Aber dieser Name war auch alles, was Baron Richard besaß, da seine Mutter, laut einer Testamentsklausel ihres ersten Gemahls erblos wurde, wenn sie sich wieder vermählte, und sein Vater ihm nur Schulden und eine entsetzliche, leider in der Familie der Wilchingen erbliche Krankheit hinterlassen hatte. Der arme folgung zu setzen, die Haft desselben aufzuheben und die Kosten der Reichskasse aufzuerlegen. 8 Das „Militärwochenblatt" schließt seine Neu jahrsbetrachtung mit folgenden Worten: „Bei den unermeßlichen Summen, welche für die Steigerung der Kriegsmacht in allen Staaten aufgewendet werden, muß es zweifelhaft bleiben, ob es uns überall und in jedem Augenblick gelingen wird, die bestgerüsteste und verhältnismäßig zahlreichste Armee zu sein. Wir können eifrig. danach streben; doch ob wir es erreichen, hängt von des Heeres Willen allein nicht ab. Eins aber vermag dies selbständig und vermag dies allein: die Bewahrung ihrer sittlichen und geistigen Ueber- legenheit! Unbedingter Gehorsam und makellose Mannes zucht vom Gemeinen hinauf bis zum kommandierenden General, unerschütterliches Festhalten an dem Gesetz der Ehre, männliches furchtloses Einstehen für die eigene Ueberzeugung, schnelles zielbewußtes Handeln, sei es infolge erhaltenen Befehls, sei es auf Grund eigener Einsicht und Verantwortlichkeit, treue, neidlose Kameradschaft, warmherzige Sorge für die Unterge benen, rastlose Aufmerksamkeit auf den eigenen Wir kungskreis wie auf die eigene Person und endlich ein freudiges Gottvertrauen, das, die Unzulänglichkeit alles menschlichen Wirkens erkennend, sich des frohen Glaubens getröstet: Gott wird weiter helfen, wenn ich nur das Meinige gethan habe. Das ist gewiß: Wenn dereinst die eisernen Würfel rollen werden, so können wir mit Sicherheit auf keine andere Ueber- legenheit rechnen als auf die, welche in dem Geiste unseres Heeres liegt. Und darum gilt es, diesen Geist frisch zu erhalten, ihm in ununterbrochenem Kampfe mit der Selbstsucht zu immer neuen Siegen zu verhelfen und ihn durch die Erziehung unserer Mannschaft im ganzen deutschen Volk treu zu nähren. Ueber alle materielle Verbesserungen und über alle Hebungen hinaus bleibt die Pflege jenes Geistes die zwar unscheinbarste, doch zugleich die höchste Aufgabe der Armee. § In Weimar haben sich 20 Kaufleute vereinigt, um das von einer Dresdner Firma gelieferte Christ- baum-Konfekt in Bezug auf Gesundheitsschüdlichkeit chemisch untersuchen zu lassen. 8 Sein 109. Lebensjahr hatte am 6. Oktober der jüdische Rentier Markus Jordan in Bielefeld vollendet. Aus dem Zivilkabinett des Kaisers kam nun eineAnfrage an den Oberbürgermeister, ob die in den Zeitungen enthaltenen Nachrichten über den alten Jordan thatsächlich richtig seien. Nachdem dieses bejaht worden, ist Herrn Jordan im Namen des Kaisers eine goldne Medaille mit dem Bildnis weiland Kaiser Wilhelm I. durch den Oberbürgermeister Bin- nemann überreicht worden. 8 München, 5. Januar. Der Polizei ist es gelungen, eine Bande von sechs Personen abzufassen, welche sich hier und in einem entfernten Dorfe mit der Herstellung falscher Hundertmarkscheine befaßte. Che mikalien und eine Druckerpresse wurden gefunden. Die Fälschungen waren noch nicht ganz vollendet. 8 Würzburg, 6. Januar. Große Aufregung herrscht in der hiesigen Studentenschaft. Der Studiosus Bannenberg, der kürzlich aus dem Bahnhofsrestaurant hinnusgeworfen und schwer verletzt worden war, wurde gestern mit einer großen Kopfwunde und Stichwunden tot im Bette anfgefunden. Der Mörder ist unbekannt. ** Wien, 6. Januar. Die Meldung von der geistigen Erkrankung des Feldzeugmeisters Ringels heim wird heute für unbegründet erklärt. ** Budapest, 6. Januar. Ein furchtbarer Sturmwind hat auf der Strecke Agram-Fiume bei der Station Meja ein großes Eisenbahnunglück ver- Mensch litt an Epilepsie, die ihn oft Tage lang in sein Zimmer bannte. Als er seine Eltern verloren, nahm sich der Stiefbruder, der schon in sehr laugen Jahren sein stolzes Vatererbe angetreten, sofort des Unglücklichen an. Damals lebte Gräfin Vera noch und die reizende kindliche Frau pflegte den armen Schwager mit rührender Hingabe für dieses traurige Amt. Aber auch als sie die Augen geschlossen, ent behrte Richard Wilchingen nichts. Der Graf trat dem Bruder seinen erprobten Kammerdiener ab und leistete dem Kranken selbst, so viel es seine sehr in Anspruch genommene Zeit erlaubte, Gesellschaft. Momentan befanden sich die beiden Herren auch allein in der Säulenhalle. Sie spielten Schach und waren so eifrig bei dem ihnen lieben Vergnü gen, daß sie absolut nichts um sich her sahen und hörten. Sv entging es ihnen auch, wie in der breiten Thür, die in das Innere des Schlosses führte, schon seit längerer Zeit der Haushofmeister stand und sichtlich des Augenblicks harrte, wo er es wagen durfte, seinem Herrn eine Meldung zu machen. Aber der alte Manu mußte lange warten, ehe er sich in der Lage sah, dem Tischchen näher treten zu können, an dem der Graf und sein Halbbruder saßen. Endlich aber wagte der Haushofmeister ein leises Geräusch zu verursachen und sofort wandten sich die Augen des Grafen nach der Thür: „Nun, Schmidt, was bringen Sie uns?" fragte er freundlich, wie er stets mit seinen Beamten und Dienern zu sprechen pflegte. „Das Fräulein aus dem Schulhause ist in Begleitung der Tochter des Generaladministrators da," erwiderte der alte Mann mit tiefer Devotion. ursacht. Eine orkanartige Bora riß acht Waggons eines Lastzuges los, schleuderte sie vom Damm herab und zertrümmerte dieselben vollständig. Die Kon dukteure Gregorius und Steinig, sowie der Zugpacker Gilgenkach sind getötet. ** Charkow, 7. Januar. Der Schlitten der Prinzessin Lieven wurde bei der Station Kraßnopow- lowska, das Bahngeleis überfahrend, von einem Zug zertrümmert. Der Kutscher ist tot, die Prinzessin fiel bewußtlos zwischen die Schienen und blieb un verletzt, trotzdem der Zug über dieselbe hinwegging. ** Paris, 6. Januar. Eine Delegation von Panama-Aktien-Jnhabern erbat unter Führung des Deputierten Leherisse von Boulanger Schutz ihrer Interessen. Boulanger sprach sich in abfälligster Weise über die Regierung und das Parlament aus, welche im vergangenen Juni die moralischen Verpflichtungen gegenüber den Panama-Interessenten übernommen pätten, und die heute die Opfer eines allzu großen Vertrauens in die Regierenden geworden seien. Er versprach seine moralische Unterstützung und unter zeichnete, um zu beweisen, daß cs ihm auch mit mate rieller Hilfe.ernst sei, sofort mehrere der letzten Lose. Die Delegierten begaben sich darauf in das Lokal der Panama-Gesellschaft, um dieser von ihrem Schritte Mitteilung zu machen. Sie wurden mit „Vivo Oou- iauAsr!" empfangen, zwei Antiboulangisten wurden bei diesem Anlaß durchgeprügelt und hinausgeworfen. Die Panama-Affaire ist also ein neues Agitations mittel für die Wahlkampagne des Generals. ** London, 7. Januar. Nach einem Telegramm der „Times" aus Philadelphia über die (bereits ge meldete) Kollision zwischen dem Bremer Dampfer „Main" und dem britischen Dampfer „Montana" wurde ein auf letzterem befindlicher Ingenieur getötet, die Mannschaft jedoch von der Besatzung des „Main" gerettet. Der „Main" ist wenig beschädigt. ** Ueber die Sonnenfinsternis vom 1. Januar wird aus San Franzisko telegaphisch gemeldet: Das Wetter war auf fast allen Beobachtungspunkten klar. Der Direktor des Warner-Observatoriums, Smith, welcher von Nelson (Californien) die Natur erscheinung betrachtete, meldet, daß, soweit es sich um die Entdeckung eines Planeten innerhalb der vom Mer kur beschriebenen Bahn handelte, seine Beobachtungen keinen Erfolg hatten, da alle vier Berührungspunkte bewölkt waren. Er benutzte ein ausgezeichnetes Chrono meter, welches vorher ans die Zeit des Lick'schen Ob servatoriums gestellt war. Zwei sehr kleine farblose, spitzige Protuberanzen wurden gesehen. Neben dem Ende der einen war die andere von der Sonne abge löst. Die Bailey'schen Tropfen (kouä) wurden bei der zweiten und dritten Berührungsstelle gesehen, aber sie waren ganz anders, als die in Denver 1878 be obachteten. Die Corona konnte nicht abgezeichnet wer den, wie sie sich aber durch das Teleskop ausnahm, war sie nicht sehr groß. Im Braß-Thal konnte man während des Zeitraumes der totalen Verfinsterung die Sterne und großen Planeten mit dem bloßen Auge erkennen. Bou diesem Punkte aus boten die Corona und die Protuberanzen ein großartiges Schauspiel. Das Thermometer fiel vom Zettpuntt der ersten Be rührung bis zur Totalität um 7 Gr. In Virginia City, im Territorium Nevada, fiel es während des Fortschreitens der Verfinsterung um 10 Gr. Den Beobachtern in Healdsburg waren per Sonne verdunkelt. Der Zeitraum der totalen Sonnenfinster nis dauerte 80 Sekunden. Dort waren Venus, Mars, Jupiter, Merkur und die bedeutendsten Fixsterne sicht bar. Die Corona erschien mit langen Lichtstrahlen, welche dem Aequator der Sonne parallel waren. Prof. „Und die beiden Damen wollen gehorsamst gebeten haben, den ältern Flügel des Schlosses, wie auch das Palmenhaus besichtigen zu dürfen." Derartige Ansuchen waren Graf Kurt nichts Neues. Das Schloß war wegen seines Alters und seiner prachtvollen inneren Ausstattunb berühmt. Ebenso das erst von dem jetzigen Besitzer erbaute Palmenhaus. „Führen Sie die Damen nur ohne Umstände in alle Räume, die sie zu sehen wünschen, umher", erwiderte der Graf freundlich. Aber als der Haus hofmeister schon halb in der Thür verschwunden, rief er ihm noch nach: „Apropos, Schmidt! Bitten Sie Fräulein Hart doch, nachher noch ein wenig im Palmenhause zu verziehen. Ich habe inbetreff der Witwe Gärtner ein Anliegen an sie und komme nach einer Weile, um unter der großen Fächerpalme mit ihr zu konferieren. Der Haushofmeister verneigte sich nochmals und die beiden Herren waren wieder allein. Aber das Spiel war einmal gestört und dem Kranken beson ders schien nicht viel daran gelegen, es wieder auf- zunehmen. „Die Tochter Deines Generaladministra tors soll ja eine vollendete Dame geworden sein", sagte er, „und macht auch sonst viel von sich reden. Unser guter Berger (so hieß der Kammerdiener) weiß ja gar nicht genug des Lieben nnd Guten von ihr zu erzählen." Der Graf unterbrach seinen Bruder. „Da haben ja die achtzehn Monate in Berlin Wunder gewirkt," meinte er. „Erinnerst Du Dich noch Richard, in welcher Weise man früher von der Tochter meines