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596 zu Brüdern in der KönizSwürdc die glößien Genicn aller Zeiten und Länder, und kein Landsmann hat es bis jetzt versucht, ihn zu ent thronen. Die dramatische Kunst ist bei solcher Armulb an Schriftstellern natürlich sehr i» Rückstand gekommen. Das Theater muß vor Allem der Gegenwart sich unbequemen; aber die Wissenschaft des Zeitgemäßen fehlt den Portugiesen ganz. Das jetzige Portugiesische Theater in Lissabon, das einzige, ans dessen Bübne man die Nationalsprache redet, ist ter gewöhnliche Sammelplatz der niederen Klaffen oder wenig stens einer sehr gemischten Gesellschaft; man spielt hier schlechte Stücke vor einem Publikum, bas nicht fähig ist, sie zu beurtheilen; mit guten Stücken würde man daher auch nur eben so weil kommen. Der Direk tor selbst hält von den einheimischen Werken nur wenig: ist gute Einnahme sein Haupt-Augenmerk, so läßt er ihnen gewöhnlich die Por tugiesische Uebersetzung eines Pariser Drama'» oder Vaudeville'S den Rang ablausen. Noch vor kurzem bat er seinen Theater-Kunden Vic tor Hugo s Angelo Malipicri und die amüsante Farce Prosper und Vincent dargebolcn. Uebrigens ist die Aufschneiderei Französischer und Deutscher Pro vinzial-Bühnen sehr bescheiden in Vergleich mit der des Lissaboner Theaters; denn nicht selten liest man aus den Anschlage-Zetteln Ankün digungen wie die folgende: „Heute, den °ten u. s. w. Erste Vor stellung des Angelo, eines großen Drama'« des berühm ten Victor Hugo, das bereit» in allen Hauptstädten Eurv- pa'S mit ausgezeichnetstem Beifall ausgenommen worden usw. (ES folgt nun die Zuialpse des Stückes.) Ferner, am selben Abende, erste Vorstellung des Prosper und Vincent, eines alled liebsten Stückes, dessen In trigue um die Achnl ich keil zweier Zwillingsbrüder sich dreht. Nichts ist drolliger und kurzweiliger, als zu sehen u. s. w. u. s. w. (Es folg! die * Analyse des Vaudeville's). Man bemerkt übrigens, daß das Portugie sische Theater seit einiger Zeil sich verbessert. Die Einführung cincr Französischen Bühne in Lissabon Hal zu dieser Verbesserung milgcwirkt. Wer die schlecht unterhalirnk Außenscile und den unedlen Eingang des Französischen Theaters sieht, der würde sich's nicht träumen lassen, daß hier die beste Gesellschaft von Lissabon zusammenkomml. Der Saal de« Hanfes ist klein, finster, eng, und die Korridore, in denen man recht nach Herzenslust Taback raucht, versenden einen gar nicht sehr aristokratischen Geruch. Dennoch drängt sich hier das Publikum, und die reichsten und angesehensten Familien haben fast jede eine Loge zu dem jährlichen Abonnements-Preise von 1700 bi« 1800 Franken. ' Die Königin Donna Maria Hal da« Theater ganz besonder« in Assertion genommen und befriedigt diese Leidenschaft ohne allen Rückhalt. Sie läßt keine Vorstellung unbesucht und scheint besonder« an dem echt pathetischen naturgetreuen Spiel der Mademoiselle Ebarlon große» Ge fallen zu finden. 'Auch da« Vaudeville macht Ihrer Majestät viel Ver gnüge». Der vorirefflickc Komiker Charter reizt sic eben so ost zu einem ' herzlichen Lachen, als die schlichteste Bürgerftau. Da« Portugiesische Publikum ist im Allgemeinen kalt und gemessen. Es applaudirt und zischt nur selten, und das fatale Klatschen des Beifalls, eine wahre Abgeschmacktheit, ist i» Portugal säst ganz unbe kannt. Dessenungeachtet kann man hier, so gut wie anderwärt«, Glück machen oder durchsallin; die Mittel zu diesem Zwecke sind von anderer Art. Wenn da« Publikum schweigt, so bat der Diedler vcripielt, wen» rS lacht oder weint, so hat cr gewonnen. Viellcickt wird man diese humane Methode, sein Urtheil über ein Stück zu äußern, in die Par- lerre'S der Französischen Theater nie verpflanzen können; wer aber auch in Pari« das Geschrei, die Windungen und Krümmungen jene« Hau sen« von Besessenen steht, der da« Parterre beißt: dem kann es Nie mand verargen, wenn cr sich fragt, wie c« wohl zugehe, daß die im Rufe so größer Galanterie stehenden Franzosen von der außerordent lichen Unschicklichkeit eine« solchen Betragen« in Gegenwart der schönen und eleganten Welt keine Ahnung haben? Im Italiänischeu Theater (Gan Carlos) finden wir dasselbe Publikum wie im Französischen. Dieser Saal, der eine edle Form hat, ist vor einigen Monate» neu dekorirt worden. Obgleich nun der Eiser de« Direktor« gebührendes Lob verdient, so muß man cs koch bedauern, daß bei dec beabsichtigten Verschönerung, mit welcher ter Französische Dekorateur, Herr Maurice, beauftragt gewesen, eine verkehrte Idee ob- gewaltet hat Man wollte die Sache in großem Maßgabe oussübrcn, find ließ darum Herrn Cartulat Simon, Associö de« Herrn Maurice, von Pari« kommen. Der künstlerische Geschmack diese« Herrn berech tigte zu glanzenden Erwartungen; allein cr mußte den ganzen Saal mit einer Art von dunkelblauem goldbelegtcm Papier überziehen; und so ist dieser Raum einer der düstersten und traurigsten geworden, die man sich denken kann. Bellini'« Norma ist in Lissabon immer sehr gern gesehen. Sig nora Mattei, die Prima Donna, welche in Portugal einen Rus be gründet bat, der in Italien glänzend begann, spielt die Titel-Rolle dieser Oper. Doch diese Künstlerin säügt allmälig an, sich zu erschöpfen und einer furchtbaren Rivalin, der Signora Brighanli, immer mehr Terrain einzuraumen. Die Brighanli wagt sich mit ihrer mclallrcichen und leidenschaftlichen Stimme an die stärksten und dramatischsten Par titen. Hätte diese bochbegabte Sängerin nur keinen so erschrecklich großen Mund! Signora Brigbanti hat e« wirklich nur diesem Umstande zuznschreiben, daß mancher zaghafte Zuschauer vor ihr sticht und bci der Mattei von seinem Schrecken sich zu erholen sucht. Doch — wir wol len unsere Nachforschungen hinter den Coulisseii de« Italiämschen Theater« nicht weiter treiben! Auch würden wir kaum noch Subjekte finden, die einer Nennung würdig wären, de» Signor Maggiaroiti Herausgegeben von der Redaktion der Allg. Preuß. Staat«-Zeitung, etwa ausgenommen, der, so gut c« gchcn will, die Rollen Lablachc's singt, während feine Frau, die plumpe und enorme Signora Maggia- rolli, in Balletten tanzt und aus die Rolle der Sylphide nicht ver zichten will, obgleich sic, in Ansehung ihres Embdnpoinl« mit der M'ß Dfchcck, kolossalen Andenken«, sehr wohl eine Vergleichung ausbält. °) Die Balletle sind säst alle von Herrn Bcstri«, dem Sohne, der aber an chorcographischeni Talente Herrn Taglioni sehr Nachsicht. Das Ballet ist übrigens in Lissabon sehr gern gesehen; denn Mademoiselle Noblen eine Französin, deren bloßer Name die Bürgschaft des Gelingen« in sich trägt, führt hier Terpsichore»« Hcrrscherstab in ihren schönen Händen. Kehren wir zur Ilaliänischcn Oper zurück. Portugal, da« Land der Entdeckungen, de« Handel« und der Seefahrt, dein Vasco dc Gama noch mehr gilt, al« selbst Camoen«, ist an Musik eben so arm, wie an Lile- ratur. ES erborgt seine musikalischen Genüsse den Ilaliänern, wie seine dramatische» den Franzosen. Bellini ist der auserkorene Liebling der Lissaboner: eine Aufführung feiner Norma setzt die ganze Stadl in rauschende« Entzücken, und ohne Zweifel würde die Beatrice desselben Komponistcn hier mehr Furore machen, al« sämmtliche Cavalinen und Kabalette» de« akkrcditiriesten Maestro «. Rossini selbst, dieser Meister der Meister, bat in Portugal keinen echten Beurlheilcr und würdigen Dolmetscher seiner ganz poelischcn und barmonischen Organisation, oder besser gesagt, er ist nicht in der Mote. Figaro, der lebensfrohe Barbier, vermag die Runzeln dc« Publikums kaum ein wenig zu ver» scheuche», und Semirami«, die furchtbare Königin von Babvlon, deren Krone Paris, das neue Babel, auf den Scheitel einer Sontag und Grisi drückte, erregt in Lissabon kein Tbeiluahmc, geschweige denn Enthusiasmus. Da wir gerade von Lissabon « Theatern reden, so wäre es un gerecht, eine« socialen Schauspiel« nickt zu gedenken, dessen kokette Feierlichkeiten von Zeil zu Zeit in die Genüsse der Portugiesischen Aristokratie einige Abwechselung bringen. Da« Hotel des Grasen Far. roto, Baron« von Luintella, ist ein würdiger Pendant des Opern hauses. Wirklich gebührt dem Grafen Farrobo die größte Anerkennung. Die au« den öffentlichen Tempeln verbannte Kunst muß an jeden ret tenden Felsen sich anklammern. Wohl ihr, wenn der Mann, der ihr ein Asyl gewährt, nicht bloß von hohem Adel ist, sondern auch Talent und wahren Geschmack besitzt. Drr Gras Farrobo besitzt alle« diese«; man kau» sein Haus ein beständige« Orchester nennen, wo Alle« mit Maaß, Takt und Harmonie auSgesührl wird. Der edle Gras bat ein vollständige« Vokal- und Instrumental-Konzert bci sich organisirt. Er würde keinen Bedienten in seinen Dienst nehmen, der qickl zuvor be- wicscn hätte, daß die Natur ihm wenigstens ein gutes musikalisches Obr verlieh. Die Konzerte, die man zur großen Befriedigung drr safhionablen Welt hier giebt, sind dem Grafen ein Gegenstand von höchster Wich tigkeit, aus den cr die eifrigste Sorgfalt wendet. Da« Italiänische Theater, welches für sich allein dreißig Millionen Net« an Beisteuer erhält (während man dem Französischen und Portugiesischen Theater keinen Cruzado bewilligt), zeigt in der Bildung seine« Repertoire weniger edlen Kunsieifer, als da« Hotel Farrobo. (l-a Pi-VE.) Mannigfaltiges. — Englische Kupferstecher. Von allen Künstlern Großbri- lanien« sind es fast nur die Kupferstecher, die jetzt auch außerhalb England« cinen verdienten Rus genießen, und doch find gerade diese Künstler von der Konigl. Akal'.mic in London anSgeschiossen. In neuerer Zeil ist zwar in den Statuten dieser Akademie insofcru eine Aenderung bewirkt worden, als scck« Kupferstecher in dieselbe ausge nommen werden können, jedoch nicht als ordentliche Mitglieder, sondern nur als Beisitzer (Fsinieiate«). Diese halbe Ebre, die ebenso gut eine halbe Schande genannt werden kann, wollen sich indessen die Meister von Ruf nicht gefallen lassen, und daher kommt c«, daß cs gewöhnlich nur Kunsthändler oder mncrgeordnelc Arbeiter find, die unlcr dec Firma von Kupferstechern den Titel Beisitzer der König!. Akademie (abgekürzt: K. lh. F.) führen. Der bereits mehrmals von uns erwähnte, zur Förderung von Kunsizwcckcn ernannte Parlaments- Ausschuß hat über diesen Umstand auch einige berühmte Kupferstecher vernommen. Herr Pye sagte unter Anderem/„Unmöglich laßt sich an- ncbmen, daß die Akadenuc mit jener Ausschließung die Unwichtigkeit unserer Kunst selbst ober das geringe Verdienst dcrrr, die sie damals ausüblen, habe andrulen wollen. Denn gerade zu jener Zeil lcblen und blüblcn Sir Roben Slrange, Woollett, Wivare« und Sharpc, lauter Kupcistcchcr, deren Werke stock jetzt in ganz Europa gesucht und bewundert werden. Dagegen ersehen wir au« den Verzeichnissen der Akademie-Ausstellungen, daß Emaille- und Blumen-Maler, ja sogar Uhrgehäuscmachcr und Ciseleur« Mitglieder der König!. Akademie ge wesen find." — Herr Burnett fügte Hinz« : „Um die festgesetzte Zahl Ler Beisitzer vollständig z» crbalicn, bat man zu den Kupferstechern untergeordnete» Ranges seine Zuflucht nehmen müssen. Zu den schwie rigsten Zweigen unserer Kunst und den am höchsten geschätzten gekört der historische Kupferstich in Linienmanier; mir ist aber nicht bekannt, daß ein Künstler in diesem Fache jemals ein Beisitzer der Akademie geworden scv." — In der Tbat haben auch die berühmteste» der jetzt lebende» Englischen Kupferstecher, namenllick I. Pvc, Doo, Burnet, For, Goodall, Finden, Robinson, Watt, Rainbach und Andere, niemals zur Akademie gehört. Miß Dscheck hieß bckanntllck der Clephant, »er kick in r>,iH<>i, unv Pari« als Sckauspicler auf den Theatern vroducirte Rcdigirt von I. Lehmann. Gedruckt bci A. W. Havn.