Volltext Seite (XML)
594 Waldes ivie Ungeheuer, welche dem Reisenden auslauecn, um ihn z» zerreißen, weiterhin streckt Euch ein ungeheurer Monolith seine kalten, rauhen Hände entgegen, dort aber an dem Tümpel vor dem Fichten- Walde steht eine Reihe Quadersteine, wie die Opferaltäre der Skandi navischen Gottheiten, auf denen man rolhe Flecken von Eisenerz bemerk!, welche der Phantasie für Menschen-Blni gelten können, da« hier auf Ldin'S Altären vergossen worden. Wohin man sein Auge auch wende» mag, überall rage» unzählige, bald i» Hausen gesammelte, bald will kürlich zerstreut liegende Granit-Massen hervor, deren Anblick dem allge meinen Bilde der Gegend den Ausdruck der Unfruchtbarkeit und Zerstörung verleiht, indem es scheint, daß der erzürnte Himmel hier die Erde mit einem Stein-Regen überströmt habe, so baß ter wißbegierige Verstand sich in allerlei Räthsel verliest, um zu erklären, durch welche Kräfte Lieft Erscheinung hervorgebrachl worden sey? Mag dieselbe nun auch eine Ursache haben, welche sie wolle, wir wenden uns jetzt zu jenem Hügel, von welchem ans sich eine herrliche Landschaft unseren Blicken erschließt. An de» Wäldern und Hügeln hinstreisrnd, fällt das Auge aus die blaue Fläche des Baltischen Meeres, an dessen Rande eine Stadt liegt, in deren Milte ei» alter Thurm und einige Glockeiispitze» sich erhebe», während zur Linke» und zur Rcchic» zwei Vorstädte sich ausbreilen; kiese Stadt ist Wiborg, die Hauptstadt von Alt-Finnland. Die Sonne warf ihre letzten Strahlen, und ccr Meerbusen umzog sich mit Wolke», als wir, nachdem wir die südöstliche Vorstadt hinter uns gelassen hallen, das mitten durch de» Festuiigswall gejührle Thor passirre» und in die Sladt einsuhren. Die Wache verlangte unsere Pässe, welche uns eine Minute daraus schon zurückgcrcicht wurden, und bald flog das Kariol aus dem Pflaster dahin, so raß cs auf dem gro ben Kiesel kläglich erdröhnte. Wir befahlen, uns zu dem Gastwirlh „Mottl" zu fahren, dessen Haus uns al» ei» ziemlich guter Gasthof empföhle» worden war. Der einfältige Ei - MVista aber verstand uns nicht und wollte uns durchaus nach dem schmutzige» Posthume fahren. Endlich nach langer Wanderung durch die enge» und gefährliche» Straßen, welche lebhaft an das gute Reval erinnern, gelangten wir nach einem zweistöckige» steinerne» Gebäude von ziemlich manierlichem Aeußercn. Eine breite hölzerne Treppe, welche n»ler unseren Fußen zitierte, führte uns in die obere Etage. Die Wirthin, eine dieiistwillige ulte Frau, mit einem Bunde Schlüssel am Gürtel, wie dies einer Wir thin geziemt, eilte, uns zu bewillkommnen, und befahl, uns ein noch nicht besetztes Zimmer anzuweiscn. Eine Tasse Thee mit den berühm ten Wiborg'schcii Bretzeln kam sehr grlegeu, um die ermüdete» Reisen den zu stärken, und eine halbe Stunde später sanken wir schon auf weiche Federbetten nieder, indem wir von ganzer Seele diese hier noch heilige Schwedische Gewohnheit priesen. Am folgenden Morgen, als wir kaum erwacht waren, erschien eine rosige runde Finnin, im rochen Mieder und gestreiften Stocke mit einem großen Präsent«-Teller, auf welchem alles Zubehör eines gute» Früh stücks stand. — Keine üble Sitte! Ich setze mich an das Fenster, wo sich meinem Blicke ein Theil der Stadt, der schmale Arni des Finni schen Meerbusens und jenseits desselben das alte Schloß mit feinem hohen achteckigen Tburme präsentirie. Der Eroberer von Karelien, Torkel Knutson, hatte im Jahre I29Z, um sich in seiner Eroberung zu behaupte», das scstc Schloß Wiborg an der Stelle des von ihm zerstörten Fleckens Suomc-Lin»a, der alicii Hauptstadt von Karelien, erbaut. Die friedlichen Finnen, welche nic- inals solche Festungen gesehen hatte», schrieben bei, schnelle» Bau des Schlosse» einer übermenschlichen Kraft zu, und so verdreiicle sich auch km Volke die Sage, daß ein mächtiger Berg-Riese dem Baumeister bei dem Bau gehotsen und densetbcn alsdann in sein unterirdisches Reich geschleppt habe. Diese Sage ist hier noch in so gutem Anden ken, daß die Wiborgschen Viiruve, um dem Bunde mit der sümeren Macht zu entgehen, bis auf die heutige Zeit so bauen, daß böse Gei ster ihnen nicht zu Helsen brauchen. Man muß jedoch bczwciscln, daß dieses Schloß in zcner Zeit gebaut worbe» seh, wo die Leusel »och Archi tekten waren, da cs noch ziemlich gut erhallen ist, trotz dem, daß cs so manche Belagerung von den Dänen und Russe» ausgehalten hat. Wenn das Gebäude wirklich »och dasselbe ist, so ist es auch nicht ein einziges Mal renovirl worden, wenigstens weiß Niemand in ganz Wiborg etwas Genaues darüber, und wenn sich auch im Schlöffe noch irgend schriftliche Zeugnisse darüber vorgesunden habe», so konn ten dieselben von dem Unglücke im vorige» Jahre nicht verschont blei ben. Sim 7. April — am Grünen Donnerstage nämlich, als derMceir tust» noch mit Ei» bedeckt war, emstand plötzlich ein hesiigcr Sturm, wobei der Blitz in da« alte Gebäude de» inneren Thurmes de» Schlosses einschlug, so daß derselbe i» einem Augenblick in Flammen stand. Die Garnison de» Schlosse» war bei aller ihrer Unerschrockenheit 'nicht im Stande, etwa» dagegen zu tbun; der ganze Thurm war nur ein Feuer- schlund. Endlich ftürzic Alles zusammen, und die Feuersbrunst verlöschte erst aus Mangel an brennbare» Stossen von selbst. Dies ist da» letzte histori che Faktum de» Schlosse« Wiborg, welches, wenn auch nicht sehr wichtig, doch durch da» ungewöhnliche Ereigniß eine« Gewitter« in jener Jahreszeit immer merkwürdig genug ist. (Schluß folgt.) Frankreich. Die Königin Hortensia bei Napoleon'S Landung von Elba. (Schluß.) Die Königin konnte da» Lachen nicht zurückballen. — „ES gehr doch j» dieser Well sonderbar zu!" sagte sie. „Und wa» ist au« Bu- trattn, dem Russische» Geschäsisirägcr, gewordene" — „Ich habe ihn gestern gesehen, er hat mir erzählt, daß der König dem diplomatischen Eorps bas Wort gegeben, Paris nicht zu verlassen." — „Wird er die« Versprechen Hal«» lönnen?" saA>» die Königin. „Ich zweifle sehr." — „Da« Volk", antwortete ich, „rottet sich in den Vorstädten zu sammen, und um diese Ausregung zu erklären, sagt man, daß Ew. Majestät Geld unter diese Leute habe verlheilen lasse». Man scheint Ezcesse gegen die Bourbons zu sürchlen." — „Ach das wäre traurig! die Sache de» Kaisers müßte fleckenfrei bleibe»! Gehe zu Madame Ebarlcs und sage ihr, wenn dec Herzog oder die Herzogin vcn Orleans für ihre Kinder besorgt scyn sollten — penn e» sind immer die Kin der, die in solcher sorgenvollen Zeit Unruhe machen — so sollst» sic sie nur zu mir schicken. Ich würde für sie einstehe», denn ich habe vom Volke nichts zu fürchten, wen» c» sich empöre» sollte. Die Art und Weise, wie der Herzog von Orleans meine» Bruder ausgenommen hat, werde ich niemals vergessen. Es ist Pflicht, ihm nützlich zu sehn." Nachdem ich die Königin verlasse», ging ich zu Mad. Eharle», die in dec run st« la z>aix wohnst, um meine Bestellung auszurichtcn. Als ich durch die Straße Eernlty zurückging, bemerkte ich eine Frau, die eine» Brils an die Königin dem Portier sehr dringend anempsahl, indem diese, wie sie sagte, ib» aus der Stelle lese» müsse. In dem Augenblicke kam auch Dem. Ribou, welche die Königin sehen wollte, da sie ihr etwa» Wichtiges miizntheilcn habe. Ich versprach, sic de» Abends hinzusühren, und dachte auch, zugleich den gcheimnißvvUcn und anony men Brief mitzunehmen. Als die Königin een Brief erbrochen, las sie mit Schrecken, daß die Ehouans die Jäger-Uniform dec Kaiserlichen Garde angelegt hätten, und daß sie aus diese Weise sich dem Kaiser näher» und ihn umbrin ge» wollte». „Ist cs möglich", sagte sic; „was soll mau lhun? Wird der Kaiser diesem neue» Schlag ausweichen könnens" Dem. Ribou, die der Königin vom Herzog von Otranto einen Brief überbrachte, bestätigte die Nachricht. — „Der Herzog von Otranto", sagte sie, „benachrichtigt den Kaiser von der Gesahr, die ihn in der Nähe von Paris bedroht. Ew. Majestät müssen diese» Bries ihm rasch zukomme» lassen, weil er, ohne darauf vorderen« zu seyii, unschlbac verloren ist." — „Aber durch welche» Mittels" sagte trostlos die Königin. „Ich sehe wohl ein, daß es die größt« Eile Hal, ich weiß aber Nieman den auszutreibc», ter dic Besorgung diese» Briese« übernähme. Die Person, bei der man eine» Bries an den Kaiser findet, ist verloren. Alle meine Bekannte sind versteckt, wie sollte ich es dieselbe» wissen lassen s ES ist zum Verzweifeln!" — „Wie, gnädige Frau, Sie hätten nicht Einen sicheren, Ihne» ergebenen Menschen?" — „Ach", sagte die Kö nigin, „ans wen soll man in solchem Augenblicke rechnen? Wer würde sei» Leben daran wagen? Mein Kammerdiener, der Sohn meiner Amme, ist mein treuester Diener. Wenn er den Bries zu besorgen übernehmen will, so soll er eines meiner Pferde nehmen und augenblicklich abgehcn. Geschwind; es ist nicht viel Zeit zu verlieren." Ich balle viel Mühe, de» Vincent auszufinden. Er übernahm mit Freude» diesen Auftrag und reiste gegen Morgen, von gulcm Willen »nd Eiser getrieben, ab. Aber Alles Halle sich in der Nacht geändert. Als ich den 20. März aufstanb, besuchte mich Bulrakin, dec mir mil- theilte, daß auf die Nachricht von dem Uedergangc de» Marschall Ney der König diese Nacht, ohne Befehle oder Pässe für die Gesandten zu- rückzulassen, abgereist scy, und daß da« ganze diplomatische Corps, eben so gut wie er selber, sich in der größten Ungewißheit befände. Einen Augenblick nachher besuchte der General Sebastiani de» Herrn Lavalette. Sic waren sehr befreundet, und auch Sebastiani wollte Herrn Lavalette überrede», mit ihm die Postverwaltung wieder zu übernehmen. „Nein, gewiß nicht", sagte dieser; „ich werde nicht» ter Art thun. Wenn der Kaiser zurückkömmt, kau» ec mir den Posten übertragen, aber feine Be fehle muß ich erst erwarten." — „Das ist ein« Thorheil", fagle Se- bastiani; „Paris ist sich selbst überlasse». Die Bourbons sind in aller Eil abgereist. Wen» cs Niemand übernehmen will, die Ordnung aus- recht zn erhalten, so lause» wir Gefahr, Alle ge lündert zu werden, und wir werden für das Unglück, das daraus enlsleheu kann, verant wortlich sevn." Herr von Lavalette ließ sich überrede». Aber er wollte, ehe er handelte, wissen, was EambasörcS von diesem Schritte denken würde. Da Cambacörcs während des Kaiser» Abwesenheit oft die Regierung über nommen Halle, so konnte cr in diesem Augenblick al« sein Stellvertreter deliachlel werden. Er begab sich also zu dem Großsicgelbewahrer, de» er in der größlen Gemülhsrube aniras. — „Machen Sie, was Sie wollen", sagte er zn Herrn v. Lavallctle, „ich gebe keine Befehle. Zu wobl erinnere ich mich der Vorwürfe, die mir ter Kaiser bei seiner Rückkehr aus Rußland wegen der Mallcl'schcn Assaire gemacht. Es war iiolbwendig, Schuldige der Arl schnell verurlbeile» und richten zu lassen; ich glaubte. Dank verdient zu haben. Statt dessen sagte mir der Kaiser mit strengem Ton: „„EambacercS, Sic Haden sich „nter- fangen, Franzose» binrichten zu lassen, ohne mich davon zu benachrich tigen! Wenn jch von meinem Vorrechte, ihnen Gnade angcdcibeu zw lassen, Gebrauch hätte machen wollen?! Wie? Noch lebe ich!"" Seit dcc Zeit habe ich nicht« Rehr übernommen, und ich werde mich nur in diese Sache mischen, wenn ich bestimmte Bcschle de« Kaiser« erhalten habe." Alle Angestellten der Post, von Herrn Ferrand, ihrem bisherige». Chef, verlasse», empfingen Herrn Lavalette al» ihren Vorgesetzten. Ma dame Ferrand, dic sür ihre» Mann zitter«, ließ nicht mit Bitte» nach, bi« Lavalette einen Beseh! sür die Post, ihr Pferde autzutieftrn, un terschrieben hatte. Aus diese Unterschrift wurde er später zum Tode veruciheilt. Ein gewisser Bro, früher Kammerdiener der junge» Prinzen, kam an diesem Tage zur Königin. Er war der O»kel einer hübschen Tän zerin, Namen» Virginie, die der Herzog von Bcrrv begünstigte. Sie hatte ihrem Onkel erzählt, daß der Prinz de» Abend vorher von ihr Abschied genommen habe. Er war sehr gerührt, al« er von ihr schied und sie der Sorge ihrer Familie empfahl. Seine letzten Morst waren: „Ach! beklage» Sie mich, daß ich Sie wahrscheinlich für immer verlasse» Mtiß, und vergessen Sic mich nichr."