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Konsular-Agenten. Vormals residirten die Europäische» Konsuln zu Teluan; nachdem aber Einer derselben eine Maurin auf der Jagd ge- tödtct, ward ihre Residenz nach Tanger verlegt. Jener Umstand soll, wie man sagt, nur zum Vorwande gedient haben, da das eigentliche Motiv des Exils der Konsuln die Eifersucht der Muselmänner wegen der Hinneigung ter schönen Maurischen Frauen zu den Christen gewe sen. Darum wird « auch christlichen Reiscndcn sehr erschwert, sich die Erlaubnis zum Aufenthalte an dem Orle auszuwirken; in jedem Falle aber wird sie nur ans eine bestimmte Zeil ertbeilt, während weicher man den Fremden mit der strengsten Aufmerksamkeit beobachtet. Seit der Auswanderung der Konsuln giebt es nun zu Teluan nur einige von denselben ernannte Agenten, die sämmtlich Juden sind, mit der einzigen Ausnahme des Großbritanischen, ter ein Engländer ist und ein fire« Gehalt bezieht; die klebrigen erhalten als Salair nichts al« die aus das Visiren der Pässe gesetzten Sporteln von den hier nur selten vordeipassireudcn Fahrzeugen. Kaum waren wir zu Teluan «»gekommen, als uns das seltsame diplomatische Corps die Aufwartung machte; man empfing und begrüßte uns, als ob wir gekrönte Häupter wären. Es war für mich da« drol ligste Schauspiel, da« ich je gesehen. Die jüdischen Konsular-Agenten tragen fast alle al« Zeichen ihrer Würde, und besonder«, um sich bei den Mauren ein gewisse« Ansehen zu geben, Europäisches Kostüm oder wenigsten« etwa« demselben Achnlichcs. Der Eine erschien vor un« in engen schwarzen Beinkleidern, der Andere in Matrosen-Pantalon«; dieser hier, ein Mann von kaum vier Fuß Hohe, trug einen langen Rock, dessen übermäßig weite Schöße die Erde fegten, während Jener, ein sechs Fuß hoher Riese, einen kurzen neumodischen Frack anhatte, dessen Schwalbenschwcis ihm kaum bi« an die Lenden reichte. Dieselbe Buntscheckigkeit charakterisiere ihre Westrn, ihre Hüte, so wie ihren ganzen übrigen Plunderstaat. Die drolligste Figur machte aber ein kleiner ceremoniellcr Greis, ich glaube, der Agent von Portugal, der seinen Bart in eine acht Zoll hohe Kravate verbarg, die ihn, bi« über den Mund ging und sein Haupt zu einer vornehmen Unbeweglichkeit zwang, die ibm eine der klassischen Haltung de« Diplomaten ganz ent sprechende Altitude verlieb. Im Allgemeinen zeichnet sich hier der Jude durch eine ihm ganz eigcnthümliche abschreckende Physiognomie au«, die ihm der Jahrhun derte lang erlittene tyrannische Drück der Afrikanischen Herrscher aus geprägt zu haben scheint. Aber je häßlicher die Männer, desto schöner sind hier die jüdischen Frauen. Besonder« merkwürdig ist die Feinheit ihrer Züge, so wie die ganze Bildung ihres Gesichts, da« weder rein Griechisch, noch rein Römisch, sondcrn zwischen Bcidkin in dcr Mitte steht; es ist weniger klar al« das erste, aber graziöser als da« zweite. Alle Jüdinnen haben schölte feurige Augen und eine sehr weiße Haut; sie sind von mittlerem Wuchs, aber schlank und wohlgebildei. Die jüdischen Frauen sind keineswcgee wie die Männer irgend einem Zwange in der Tracht unterworfen; sie haben vielmebr das ur sprüngliche Kostüm ihrer mütterlichen Vorsahrcu beizudrhallc» gewußt. Dies reiche und brillante Kostüm kleidet sic vortrefflich; ec- schmiegt sich genau an die Formen an und trägt dazu bei, ihre Schönheit zu erhöhen. Es besteht aus einem hellfarbigen Rocke, Faldeta genannt, der nach unten zu sich aufschlitzt und mit zwei großen goldgestickten Umschlägen besetzt ist, die über da« Knie binabreichcn, ferner au« einem tuchenen oder sammetncn Mieder (Puntas, das in gleicher Weise mit Goldsaden durchwirkt ist und über der Brust zugcschnürt wird; unmit telbar über dasselbe wird dcr Caso, eine Art grüner, rotber oder blauer Brustlatz getragen, dcr keine Knöpfe bat, der aber frei nach beiden Seiten berabhängt. Der Caso ist nicht minder golddurchwirkt, als da« klebrige. Da die Jüdinnen über die weilen bcrabhängendc» Hemd ärmel weiter nicht« tragen, so kann man bei ihnen oft den ganzen Arni bi« zum Ellenbogen entblößt sehen. Ihre kleinen nackten Füßchen sind in rolhe Pantoffel» gehüllt. Die Skisa ist ein Diadem von Perlen, Smaragde» oder anderen kostbaren Siemen, das an ter hoben Stirn befestigt ist und die graziösen Köpfe würdig schmückt. Die jungen Mädchen tragen ibr Haar in langen Flechten; die verheiralbeten Frauen bedecken e« oder schneide» es gänzlich ab. Da« Ensemble ist malerisch; der Glanz, da« Gold komrastirl mit den düsteren Farben, zu denen die Männer verdammt sind. Wenn indeß die Maurische Polizei sich i» die Toilette der Jüdinnen gar nicht cinmischl, so zwingt sic diesel ben doch, wenn sie ausgebcu, die Halste vom Gesichte frei zu lassen, damit sic dadurch von den Maurinnen unterschieden würden, die dasselbe ganz und gar verhüllen. Die Jüdinnen geben wenig an«, weil sie stets Beschimpfungen von Seiten dcr Muselmänner fürchten müssen, Beschimpfungen, die immer ungestraft bleiben oder, wenn die« nicht der Fall ist, nie an dem beleidigenden Theile, sondern vielmebr an dem Opser selbst gerächt werden. Der geringste Fehltritt, dcr von cincr Jüdin begangen wird, irgend ein zweidcuiiges Benehmen, ja, nur ein Verdacht wird mit der Peitsche bestraft, und alle diese Exekutionen werden mit dcr empö- rendstcn Grausamkeit und Rohheit vollzogen. Die Maurische» Franc» pflegen nur insgeheim durch die Ahrisa gezüchtigt zu werden; für die Töchter dcr Üngläubigcn hingegen hcgt man solche zarte Rücksichten nicht, sondern dcr erste beste Soldat, ter gerade herbeikömmt, fällt über sic ber und peitscht sie obne Mitleid und Schonung aus öffentli cher Straße aus. Es läßt sich nun leicht begreifen, daß sie, um solchen Bcschimpsungc» zu entgehen, lieber zu Hause bleiben. Sie bringen den ganzen Tag damit zu, die Wirtbschast zu besorgen, PuntitaS zu machen, oder zu sticken, während ihre Bätrr oder Männer dem Handcl nachgehcn. Sie sprechen nur Spanisch, können in keiner Sprache lcscn und tragen mcistciiS Hebräische oder Spanische Namen; außcr solchen, wie Esther, Jntiih und-anderen biblischen Namen, kommen bei ihnen 58Ü besonder« folgende: Simcha (I-aetiti^, Estrella (Stern) und Ma sst lob (Guiglück) häufig vor. Die Juden sind nicht eifersüchtig, sic bewachen ihre Franc» nicht und taffe» ihnen eine Freiheit, die in den Augen der Muselmänner ein Skandal und sür mehr als Eine Muhammedanerin ein Gegenstand de« Neide« ist. Desto inrhr werden dir btiralbsfLhigcn Mädchen bewacht, die gewissermaßen in ihrem eigenen väterlichen Hause wie in der Gefan genschaft oder in einem Kloster leben. Sic kommen au« demselben nur heran«, um in die Synagoge zu gehen. Ein Mädchen, da« sich sonst aus der Straße oder während de« Tage« aus der Terrasse blicken ließe, würde keinen Man» bekommen, klebrigen« werden die Jüdinnen hier gewöhnlich zu dreizehn Jahren verlobt und mit dem vierzehnten verhei- rathet; zu sunszebn Jahren sind sic bereit« Mütter und Anime». Die frühe Ebe scheint indeß auf da« weibliche Geschlecht nachtheilig zu wir ken; denn kaum sind sie einige Jahre verbcirathet, so deteriokiren sie gleich ihren Männern, da« heißt, sic werden wie diese immer häßlicher und ungraziöser. Die jungen Mädchen haben etwa« Naives, Anmuihiges und eine gewisse Indolenz, di« sie liebenswürdig macht. Wir benutzten den hei ligen Sabbat, um einigen jüdischen Schönheiten unsere Aufwartung zu machen; wir dursten nicht sehr weit gehen, denn unser Wirth Bcnde- lanr halte selber zwei Töchter, von denen die Eine dreizehn und die Andere funszehn Jahre alt die poelischen Gemälde au» dem „Liede der Lieder" ganz zu verwirklichen schienen, und unter deren Bilde ich mir seit der Zeil immer die junge Königin Esther und die schöne Achrenlese- rin Ruth verstellte. Die älteste war verlobt, und ihr unfeiner navia (Bräutigam) kam mir hier wie eine Bremse unter frischen Blumen vor. Die Häuser der Jude» sind in dcmsrlben Style erbaut, wie die Maurischen: die Zimmer öffnen sich nur nach dem Hose und empfan gen kein Licht von außen. Die Straßen sind, mit Ausnahme einer oder zweier, in denen sich Kaufma»n«Iäden befinden, auf beiden Seiten mir nackten, hohen und düsteren Mauern besetzt. Nur die weibliche Neugier Hal an denselben kleine heimliche Luken angebracht, durch die mau kaum den Kops stecken kann. Unsere Anwesenheit batte in der „Miilah" Sensation erregt, und wen» auch die jüdische Bevölkerung, aus übertriebener Furchtsamkeit, bei unserem ersten Erscheinen von alle» Seiten floh, so guckte doch fast au« jeder Luke ci» mit einer „Sfisa" geschmückter Frauenkops hervor; nicht« war pikanter al« diese seltsamen phantastischen Erscheinungen, die wie durch eine Zauberrnthe plötzlich brrvorgerufen zu sehn schiene»; wir glaubten fast die verwünschten Prinzessinnen au« „Tausend und Line Nacht" vor uns zu sehe». kleberall, wo wir schöne Frane» bemerkte», gingen wir ohne alle Um stände ins Haus hinein; es hätte Keiner gewagt, da« Hau« un« zu ver schließen. An den Hauslhüren erkennt man gleich, daß Angst und eine nur allzubegründctc Furcht dahinter wohnen. Sie bestehen aus uugehcu re», drei dis vier Zoll dicken Bohlen, die mit starken Siscnplaltcn belegt und mit dreifachen Niegeln versehen sind; man glaubt, die Thore von Festungen oder Gefängnisse,i vor sich zu habe»; dic Häuser dcr Juden sind in der Thal da« Eine und da« Andere zugleich. Außcr der ersten Thür, die »ach der Straße binausgcbl, sicht man noch cine zweitc, die in den Hos führt und die nach demselben Muster wie die erste einge richtet ist. Beide sind so niedrig, daß ma» sich tief bücke» muß, um hindurch zu kommen. So schrecklich i»deß diese Pforten aussehcn, so öffneten sie sich doch gutwillig vor un«; aber kaum waren wiö esiige- irelc», als die Dvppclihür wieder aus ihre plumpen Pfosten dumpf zu- rückfiel; die Riegel schlofft» sich knarrend hinter un« zu, und wir waren wie Gesungene zu betrachleii. klebrigen« fanden wir hier überall gute Ausnahme, besonder« bei den Frauen; die Männer waren fast sämmilich abwesend; man führte un« in die Zimmer ein und erwies uns cinc unbegränzie Gastfreund schaft. Die jungen Mädchen zeigte» un« ihre reichen Garderoben, dic sie in cincr Art von Truhen aufbewabnen, deren sich die eleganten Frauen zur Zeil Ludwig'« XlV zu bedienen pflegten; sie erklärten uns den Gebrauch jede« Theile« ihre« Anzüge« und paßte» sich denselben zu gleicher Zeit an; aber ihre großen schwarzen Augen und ihr feine« graziöse« Lächeln machten uns häufig zerstreut, so daß wir weniger Autmerksamkeil auf die Lehre al« ans die Lehrerin wandten. Die Mütter nahmen uns unsere Zerstreutheit nicht eben sehr übel, und dic Töchter konntcn sich nur geschmeichelt finden. In fünf Minuten waren wir wie alte Bekannte; die Jüdinnen zeigte» sich hier in eben dem Gradc gesellig, al« die Juden im Allgemeinen ungesellig waren. Charles Didier. Mannigfaltiges. — Raumer'« England. Trotz der vielen Angriffe, die da« Wert unseres gelehrten Landsmannes über „England im Zabre IM" von Seile» einiger Englischen Journale und namentlich noch vor kurzem in der ^uarlorl^-tiuviecv gefunden, hat sich dasselbe doch cincr immer steigenden Lheilnahme zu erfreuen. Während nämlich Mnrrav, der Verleger von Mr«. Austin « Englischer. Ucbersetzung jene« Werke«, au eine zweite Auflage desselben denkt, ist gleichzeitig in Nord-Amerika ein wörtlicher Abdruck dieser Ausgabe und in Pari« (bei Fournier in 2 Bden.) eine Franjösische klebertragung, und zwar, wie cs scheint, nicht nach dem Deutschen Originale, sondern, eben so wie früher die „Briefe eine« Verstorbenen", nach dcr Englischen Versio» erschiene». Da« Französische Publikum wird bei dieser Gelegenheit auch etwas mit dcr Deutschen Geschichte bekannt, denn jede« Journal spricht bei der An zeige de« neuen Buche« von dem ..nölühre auteur elo l lli^tnire fix« Iluhenulaufl«-»" «nd kann daun auch ,sicht umhin, seinen Lesern einen Wink davon zu geben, wer denn eigentlich diese Hobriistanfen gewesen sind. HerauSgcgeben von der Redaktion der Allg. Preuß. Staat«-Zeitung. Redigirt von Z. Lehmann. Gedruckt bei A. W. Havn.