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Wübcntljcb erichcinc» drei Nuntm-rn. Prannmeratlons- PrclS 22^ Sgr. () Tblr.) oiceichährtick, Z Tblr. kur da» ganze Iabr, ohne Er höhung, in allen TkcNc» de, PrenSischen Monarchie. Magazin für die Man »ränumerirt auf dieses Bcibtalt der Mg. Pr. Staats- Aeitung in Berlin in der Croedition (Mohren - Straße Nr. Z4); in der Provinz so wie ii» Äntlande bei den WohUoöl. Post, Leintern. Literatur des Auslandes. 134. Berlin, Montag den 7. November 183«. Frankreich. Joachim Murat in Korsika. Lon Alerandre Dumas. Es war am 22. August I8>8, als Murat, stets von seinem treuen Gastfreunde begleitet, in einer Bucht am Gestade von BonneNe aus eilt Fahrzeug harrte, das ibn aus Frankreich hinweg bringen sollte, weil hier nicht langer seines Bleibens war. Korsika mit seinen wirlhlichcn Städten, freundlichen Btrgen und undurchdringlichen Wäldern war kaum fünfzig Lieucs entfernt; Korsika galt es zu erreichen und in sei nen Städten, Gebirgen oder Wäldern zu erwarten, was die Könige über das Schicksal des Mannes beschließen würden, der sieben Zähre lang selbst über das Schicksal von Millionen Menschen zu wachen balle. Um zehn Uhr Abends begab sich der König an die Meeresküste; das Schiff, das ihn aufnehmen sollte, hatte sich noch nicht eingestellt, doch war nicht zu fürchten, daß man sich gegenseitig verfehlen lönne; denn drei im Unglück lreu gebliebene Freunde hatten während des Ta ges die Bucht diuchspähl; cs waren die Herren Blancard, Langlade und Donadicu, alle drei See-Offiziere und Männer von Kopf und Herz, die ihr lieben zum Pfände eingesetzt halten, Mural glücklich nach Korsika zu geleilen, und in der Thal gcfäbrdcttn sic cs auch durch die Erfüllung ihres Lcrsprccheus. Mural erblirklc ohne Unruhe den noch öden Strand, im Gegentbeil gewährte ihm diese Verzögerung noch einige Augenblicke kindlicher Freude. Aus dieser Landspitze, aus dem Sande dieser Erdznngc klammeile der unglückliche Lerbanule sich noch an sein mütterliches Frankreich fest; Halle er erst den Fuß aus jenes Fahrzeug gesetzt, das ihn forilragen sollte, so stand ihm eine lange, ja, viellcichi eine cwige Trennung bcvor. Plötzlich schreckte er ans seinen Gedanken auf und fcufzlt lief; er hatte in der durchsichtigen Dunkclbcil der süd lichen Nacht ein Segel bemerkt, das wie ein Phantom über die Wellen dahinglilt. Bald ertönte ein Matrosenlird, und Murat erkannte das verabredete Zeichen. Er antwortete, indem cr das Zündpulvcr einer Pistole abbrannle, und sogleich richtete das Bool seinen Lauf dem Lande zu; aber da cS drei Fuß tief unlcr Waffcr ging, so mußte es zehn oder zwölf Schritte vom Ufer entfernt bleiben. Zwei Männer warfen sich sogleich ins Meer und erreichten schwimmend die Küste, während der Dritte, in seinen Mantel gehüllt, am Steuerruder zuruck blieb. „Willkommen, meinc treuen Freunde", ries der König, indem er Blancard und Lauglade cnlgegcnging, bis die Wellen seine Füße be netzten. „Der Augenblick ist gekommen, nicht wahr? der Wind ist günstig, das Meer ruhig, ich muß abrcisen?" ,^Za", anlworlcle Langlade, „ja, Sir», Sie muffen abreisen, und doch wäre cs vielleicht weiser, die Sache bis aus morgen zu verschie den." — „Warums" fragte Murat. — Langlade erwiederte nichts, aber, sich nach Westen wendend, erhob er die Hand und pfiff nach Art der Seeleute, um den Wind berbeizuriisen. „Las ist nnnölhig", rief Lonadieu, der im Boot geblieben war; „da langen seine ersten Stöße schon an, und bald wirst Du so viel haben, daß Lu nicht wissen wirst, was Du damit anfangcn sollst Nimm Dich in Acht, Langlade, nimm Dich in Acht, durch das Herbei- ruscu de» Windes erweckt man ost den Sturm." — Murat bebte, denn es klang ihm, als würde diese Warnung, die vom Meere hcrübcr- lönle, ihm vom Geiste der Gewässer zugerufcn. Doch der Eindruck war nur vorübergehend und cr sogleich wieder gcsammctt. „Desto besser^, sagte cr, „je mehr Wind wir haben, desto schneller segeln wir." — „Freilich wohl", entgegnete Langlade, „wenn er aber fonsährt, so zu blase», so sührt er uns, Goll weiß, wohin." — „Reisen Sic in dieser Nacht nicht ad", sprach Blancard, seinen Rath dem seiner Freunde hinzusügcnd. —„Nun, und warum nichts" — „Sie sehe» doch jenen schwarzen Strciscn, nicht wahre Nun wohl, bei Sonnenuntergang war er kaum sichtbar, jetzt bedeckt er schon einen Tbeil des Horizontes, und in einer Stunde wird kein Stern mehr am Himmel scvn." — Haben Sie Furcht?" fragte Murat. — „Furcht!" entfiederte Langlade, „wes wegen? Vor dem Unwetter!" Er zuckte mj, den Achseln; „das wäre gerade, als wenn ich Ew. Majestät fragen wollte, ob Sie sich vor einer Kanonenkugel furchten ... Was wir da lagicn, war nur Zhrctwcgc», Sire.... Detin was kann ein Unwetter solchen Scehundcn, wie wir, schaden." — „So wollt» wir abrcisen", rief Murat seufzend aus.... „Lebe wolst, Marouin.... Goll allein kann Dich für oa« belohnen, was Du an mir gcihan. Zech bi» zu Zbrcn Dienficn, meinc Herren." Bei dicici, Merlen hebt» die beiden Scelculc den König auf ihre Schuller», schrillen ins Meer hinein, und in cum» Augenblicke befand er sich an Bord; Langlade und Blancard stiegen nach ibm ein. Dona- dien blieb am Steuerruder, die beiden anderen Offiziere übernahmen die Leitung des Schiffes und begannen ihren Dienst mit dem Aufspannen der Segel. Wie ein Roß, das den Sporn süblr, so fing das Boot an, sich zu beleben; die Seeleute warfen dem Lande einen gleichgültigen Blick z», und Mural, als cr gewahr wurde, daß das Fahrzeug sich cnt- serulc, wandle sich nach scinem zurückblcibcndcu Freunde bin und ries ihm noch einmal zu: „Du hast Dcine Rcisc-Znstructtoncn bis Triest!... Vergiß meine Frau nichl!. .. Lebe wohl! Lebe wohl!" „Goll beschütze Sie, Sire!" sprach Marouin; noch eine Zeit lang konnte er dem sich entfernenden Boote, drsscn Segel durch die Dunkel- heit leuchtete, mit den Augen folgen; nach und nach wurde es immer maller und verschwand endlich ganz. Marouin vcrwcille noch am Ge stade, obgleich cr nichts mehr sah und Hörle. Endlich lras noch ein durch die Enlscruung grdämpslcr Rus sein Ohr. Dieser Rus war Mural's letztes Lebewohl an Frankreich. Als mir Herr Marouin eines Abend« an dem Orte selbst, wo sich die Sache zugclragcn Halle, alle die Umstände rrzähllc, die ich so eben mitgelhcill, waren sie ihn, noch so gegenwärtig, obgleich zwanzig Jahre dazwischen lagen, daß cr sich auch dcr geringsten Zufälle bei dieser nächtlichen Einschiffung ctinucrlc. Er versicherte mir, daß von jenem Augenblicke an cine düstere Ahnung sich seiner bemächtigt hätte, daß cr sich gar nichl von der Küste habe losrcißrn können und mehrere Male im Begriff gewesen seh, den König zurück,uruscu; aber wie bei chiem Träumenden habe sich sein Mund gcöffncl, ohne daß ein Laut ihm cutt schlüpst sev. Er sürchlcle, für sinnlos gehalten zu werden, und erst um ein Ubr Morgens, also driuebalb Stunde» nach dcr Abfahrt dcs Boolcs, kehrte er mit Gcsühlcn dcr liefsten Trauer nach Hause zurück. Unsere dahinsegelnden Abc,Neurer befanden sich unlertcffcn auf dein breilcn Seewege, dcr von Toulon „ach Bastia führt, und anfangs schic» dcu, .Könige die Fahrt dic Vorbeisagnngcn dcr Scelculc Lügen zu stra fen; denn der Wind, anstatt sich zu rcrstärkcn, licß immer mchr nach, lind zwei Stunden nach dcr Abreise schaukclle sich das Boot, ohne vorwärts oder rückwärts zu gehen, aus den Wellen, die sich von Augen blick zu Augenblick immer mehr glättete», bin und her. Murat sah traurig auf den, Meere, a» bas er sich gefesselt glaubte, die leuchtende Furche verlöschen, die das kleine Fahrzeug hinter sich zog; er hallt sich mit Mulb gegen den Sturm, aber nichl gegen diese Stille gewaffnet; und ohne seine Reise-Gcsäbrlcn zu fragen, deren Unruhe er mißver stand, lcgtc cr sich im Hinttrtbcil dcs Schiffes nieder, wickrlle sich i» seinen Mantel, schloß die Angen, als ob cr schlicke, und überließ sich seiucn Gcdankcn - Fluihcn, dic stürmischer und bcwcgicc als die des Mccres waren. Dic drei Scelculc, dic ihn cingcschlascn glaubte», setzten sich zusammen an, Steuerruder nieder und hielte» mit einander Rath. — „Sie chattu Unrecht, Langlade", sagte Donadieu, „eine Barke zu nehmen, sic mochte klein odcr groß sch»; obne Verdeck können wir dem Sturme nicht widerstehen, obne Ruder kommen wir bei dcr Windstille nickt vorwärts." — „Bci Gott, cs blieb mir keine Wahl übrig. Ich mußte mit dem zufrieden sch», was mir in den Weg kam, und wäre cs nickt gerade die Zeil des Thuufischsangcs, so Halle ick auch nichl einmal dieses elende Ding auslrciben können, oder ich hätte in dcm Hasen suchcn müsse», und da wird so ausgcpaßt, daß ich wohl hinein, aber schwerlich wieder bittaukgckommcn wäre." — „Zst cs den» zum wenigsten scsi?" fragte Blancard. — „Meiner TrcU, Du weißt selbst recht gut, was Bretter und Nägel, die seil zehn Jahren im Salzwasscr sich hcrumgctticbcn, aushalten lönncu. Bei gewöhnliche» Umständen möchte ich'darin nicht von Marseille nach dem Schlosse Zs fahren, aber in einem Fall, wie dcr nnsrige, umsegelt inan dic Wclt in einer Nußschale." — „Still!" rief Donadicu. Dic Scclcuie horchten auf; ein fernes Brausen licß fick vernehme», doch nur so schwach, daß cs des geübten Obrs ter Söhne des Meeres bcdurste, um cs zu unter scheide». — „Za, ja", sprach Langlade, „das ist eine Warnung sür die, welche Beine odcr Flügel haben, um das Nest wieder zu erreichen, da» sie nicht hätten vcrlaffrn sollen." — „Sind wir weit von den Znseln?^ fragte Donadicu mit Lcbhasiigkcit. — „Ungcsäbr eine Licuc." — „Rich ten wir da» Schiff dahin!" — „Und warum das?" sagte Murat, der sich plötzlich erhob. — „Um dorl, wenn cs «»geht, zu landen, Sirc." — „Ncin, nein", rief Murat aus, „ich will nicht eher als in Korsika wieder Land betteten; nicht zum zweiten Mal will ich Frankreich Lebe wohl sagc». klebrigen« ist das Mccr ja ruhig. und da bläst auch her Wind von neuem." — „Alles nicdcrgclasscn!" schrie Donadieu. So gleich beeilten sich Blancard und Langlade, das Manöver auszusübrcn Das Seqcl glitt am Mast herunter und senkte sich ins Sckiff »jcdcr. „Was machen Sie?" rief Murat; „haben Eie vergessen, daß ich