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Wöchentlich erscheint» krci Nummern. Pränumecailon«- Prei« 22; Sgr. (j Thlr.) vicrtcliäbttich, 3 Thlr. sür da« ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man pranumerirt aus diese« Beiblatt der Allg. Pr. Staat«- Zcitung in Berlin in der Expedition (Mohren - Straße Nr. 34); in der Provinz so wie im Äuslande bei den WohNödl. Post - Remtern. Literatur des Auslandes. 127. Berlin, Freitag den 21. Oktober 1836. C h l n a. ' Ein Besuch in Maimatschin. Lie Stadl Kiachla, an der Gränzc Sibiriens und der Mongolei, ist, kraft eine« zwischen Edina und Rußland abgeschlossenen Beitrages, der einzige Orl, wo diese beiden kolossalen Reiche mit einander verkeh ren. Hier konzeuttirt sich der ganze Binnenhandel Nord-Asiens, und hier wohnen die Agenicn der reichsten Kaufleute von St. Petersburg. -Während nun Kjachta der Sitz des Russischen Handels ist, besitzen die Chinese» ein Depot von gleicher Art iu Maimatschin"». Eine geschloffene Esplanade trennt beide Städte. Lon Russischer Seite be merkt man ein Europäisches Thor mit einer Hauptwache, und von Ehinesischer einen prächtigen, mit Inschriften und mythologischen Figu ren geschmückten Eingang. Las Innere von Maimatschin hat einen ganz Ehinesischcn Eba- rakter. Die Straßen sind gut angelegt, aber eng; und gehl man durch eine derselben, so erblick! man nichts als lange und kahle Mauern, die in weiten Distanzen von beständig geschloffenen Thüren unterbrochen werden, denn in China hütel man sich gar sehr, die Vorübergehenden merken zu lassen, was im Innern der Häuser vorgehl. Hinter diesen traurigen Mauern stecken die Wohnungen und die Läden der Privat leute, einen Hosraum cinschlicßend. Das Innere eines Chinesischen Hauset ist gewöhnlich kostbar möblirt; man siebt hier Divans, lakirte Tische, grolle Spiegel und Gemälde; die Fußboden sind mit Malten dedcckl. Das vornehmste Möbel, ter Divan oder langt Sofa, sieht mitten im Salon, und die Gesellschasl schlägt beim Sitzen dir Beine unter, wie diese« bei allr» Orientalen Sille ist. Jedes Privatbank Hal ein Dlumenbecl, dessen Pflege eine der liebsten Beschäftigungen dieser merkwürdigen Nation ist. Die ausfallendste Eigenlbümlichkeit von Mai- malschin ist aber negativer Art — man sicht kein einziges weibliches Wesen. Kein Individuum de» anderen Geschlechtes darf sich hier aus- hailc», ohne Zweifel wegen dir Nähe der Eurvpäifchen Etablissements. Ein Russischer Slabs-Osfizier, der vor kurzem Gelegenheit gehabt, Maimatschin zu sehen, hat uns solgcnde Schilderung eine» Besuches niiigelheilt, den er dem Eargulschi"") oder vornehmsten Agenten des Ministeriums der answänigen Angelegenheiten abgcstattel"""): „Ich hielt in Begleitung de» Gränz-Inspektors, des Zoll-Inspek tors, einiger anderer Bramlen und eines Delafchcmcnt» Kosaken mei nen Einzug in Maimaischin. Unser Wirlh empfing uns an der äuße ren Thüre seine» Zimmers, drückte nnS die Hand und sührle uns in seinen Salon, wo er sich zu unserer Etile aus den Diva» niederließ. Sogleich präsintirie man Thee in Porzellan-Taffen mil Unterlassen in Form von Kahne», dann kamen trockene Fnichle und Konsell. Nach tiefer vorläufigen Eercmonie stellten wir uns gegenseitig unsere Beam ten vor. Die Eonversalion begann mil Gemeinplätzen über unser Aller, unseren Rang in der Gesellschaft n. dgl.; dann kam es zu einigen De tails über Waffen und Kostüm, und endlich bcmüble sich der neugierige Chinese durch klug gestellle Fragen, den Zweck meiner Reise zu erfahren. Die Umwege, aus denen er diesem Ziel enlgegcnstcuerlc, machlen mir viel Belustigung, und La ich keinen Grund Halle, ihm die Wahrheit zu verheimlichen, so sagte ich frei heraus, der Kaiser bade mich beaus- >ragt, di, Hüttenwerke ter Provinz Nertschinsk zu besuchen; »ach Kiachla aber fev ich au» bloßer Neugierde gekommen. Ich weiß nicht, ob er meinen Worten Glauben beimaß; allein er schjcu wenigsien« be friedigt, und ich werde gewiß die Ehre haben, in einem Rapporte zu figuriren, den er an Se. Ebinesische Majestät schicken wirk. Unsere Unterhaltung vermittelte ein Dolmetscher. - Als man unserem Wirihe meldete, daß eben ausgelragen seh, schrit ten der Sarguischi und ich, Hand G Hand, dem Epeisesaale zu. E« waren süns Gäste gebeten, und doch hatte der Tisch nicht mehr Um fang, als ein gewöhnlicher Spieltisch. Vor Jedem von uns standen zwei porzellanene Schalen wie Unter-Taffen: die eine war leer, die andere zur Hälfte mit Essig gefüllt. Wir ballen unsere Messer und Gabeln mitgcbracht; die Chinesen bedienen sich bckannllich nur kleiner Släbchen au« Elfenbein, die sie mil de» drei ersten Fingern der rech- ") Rickliger Mai-mai-tsching, welche» wörtlich Stadt des Kaufen« und Pcrkausen» bedeutet- Kaufen beiht Elnnegfch m»i, und Per taufen ,»ai beide Wörter sind nur durch eine subtile Modulation der «ttmnw geschißen. "> dsargutscht heißt Richter und ist ein Monqvltschxs Wort von «arg», Gericht, RcchtShandet einen Prozess fuhren). "'» Vergl mit dieser Schilderung eine ähnliche in Nr. 1ZS de» Magaiin» v,m Z US» ten Hand sehr geschickt handhaben und mit deren Hülse sic sogar flüssige Speisen zu sich nehmen. Der Tisch war mil Gerichten bedeckt, die man in Schalen auslruz, denen ähnlich, welche uns stall der Teller dienlen. Die Gcrichle be standen aus kleinen Stücken Wildpret, Schweinefleisch, Hammelfleisch und Geflügel, sämmilich in Zell gebraten. Plan nimmt seine Portion aus der Miniatur-Schüssel auf den Miniatur-Teller und taucht sic, bevor man sie verzehrt, in Essig. Die Schalen mit Fleisch, Gemüsen, Kohl, Gurken, Blumenkohl und verzuckertem Backwerk wurden eine »ach der anderen hcrumzrrcicht: es waren in Allem zwciundfunfzig! Ich ließ nur wenige Gerichte an mir Vorbeigehen,- lhcils an- Neugierde, tbeils auch, weil der Sarguischi so gütig war, mir immer die leckersten Biffen vorzusctzen. Da» Diner endete mit acht verschiedenen Sorten seller Suppen, welche Zahl das Maximum der Ebincsischen Etikette ausmachl. Da die Ehinesen bei Tische niemals Brod essen, so hallen wir im» Brod milgenommcn. Unausbörlich reichte man nnS kleine Stücke Silberpapier, um den Mund abzuwischen. Da« Getränk war eine Art Neis-Branntwein von fatalem Geschmack. Die Gläser glichen unseren Ligueur-Gläschcn. Die Mahlzeit dauerte ungcsähr eine Stunde. Unsere Unterhaltung war heiter und lebhaft; sic drehte sich baupl- sächlich um die Sitten der Ehineflschen Damen. Ein EbinesischeS Liner ist Europäern im Ganzen nicht sehr mundrechl; nur da« gehackte Schweinefleisch und das Backwerk schmecken gar nicht übel. An der Tafel herrscht große Reinlichkeit; die Küchen sind in sehr gutem Stande, und da» Brenn-Maicrial wird recht sinnreich verwendet. Da man bei einer Ehinesischcn Mahlzeit nicht sowohl viel, al» vielerlei zu essen bc- komml, so könnte mau ihren Köchen wohl empfehlen, mil dem Fell rlwas sparsamer zu sch». Spezereien, und besonder» Knoblauch, spielen eine große Rolle, und das Schweinefleisch ist die Liebling»-Speis« der Ehinesen. Nach dem Diner kcbrlen wir in den Salon zurück, wo man uns Tbee und herrliche Eonfilüren reichle. Die Arl, wie man in China de» Thee bereit«, ist von der unsrigcn sehr verschieden. Eine große Bowle wird zur Hälsle mit schwarzem Pccco gestillt, welche» die be liebteste Thee-Sorte ist; man gießt kochende» Wasser daraus, läßt e» eine Weile die Tbecbläller durchdringen, und schenkt alsdann ein, ohne Zucker oder Milch hinzuzusügeu. Durch diese» schlichte Verfahren be hält der Tbee sein ganze» Aroma. Während wir beim Nachtisch saßen, beurlaubte sich unser Wirlh, um seine Kleidung zu wechseln; e» ist nämlich ein Zeichen großer Höf lichkeil, wenn man seine Toilette nach dem Diner macht. Er erschien dieses Mal in einer Robe von sehr schönem in» Braune spielenden Seidcnzeug, über die er eiiieu Spenser au» blancm Aila« gezogen balle. Er zeigte uns verschiedene Kuriositäten, sowohl Bücher als Waffen, und erbot sich, un» in den vornehmsten Tempel zu beglei- lcn, damit die Zwischenzeit vor Anfang de« Schauspiel« angenehm ver ginge. Dcr Tempel, seinem Acußercn nach ein Chinesische« Pavillon, war viereckig, mit großem vorspringendem Karnieß, da» aps Säulen ruble. Nicht« gewährt einen seltsameren Anblick, als die vielen Male reien und Verzierungen an diesem Karnießc. Die Säulen sind vergm- del und mil Inschriften bedeckt; und an den Mauern sieh! man mpiho- logischc Embleme nebst Sprüchen au» den kanonischen Büchern. Da» Innere des Tempels Hal drei Ablheilungcn: die Idole siehe» in Nischen und vor denselben eine Arl Tische mil äugezündelen Kerzen, Vasen voll Wasser, Räucherwerk und verschiedene Opsergaben. Tapelen und Fah nen entziehen dem Besucher den Anblick der Götterbilder. Die Mauern sind mil Fresko-Malerei und Vergoldungen geziert: diese Gemälde be ziehen sich aus die Begebenheiten vergöllerler Heroen. Dcr Anblick der Idole Hal etwas Schreckhafte«: ihr Kostüm ist eben so grotesk, wie ihre Pbvsiognomiecn, und alle Gegenstände, die sie umgeben, sind mit wahrem Kunst-Talent geschnitzt und gemalt. Neun dieser Gottheiten waren in drei Gruppe» verlheill: in der Mitte aber thronte Fo (Buddha) in einem Gewände an» gelbem Atla», welche Farbe sonst nur der Kaiser tragen darf. Der Tempel von Maimatschin war mir eines der merkwürdigsten Gegenstände, die ich auf allen mei nen Reisen gesehen. Als die Stuudc de» Schauspiel» geschlagen batte, begaben wir nnS dahin und nahmen in der Loge de» Sarguischi Platz. Da« Theater glich denen, die man bei Volkssestcn auf den Pariser Elvsäischen Feldern zusamnienzimmeri. Es war mil vielem Geschmacke verzier! und ausae- mall. Die weiblichen Rollen übernehmen Jünglinge von etwa fünfzehn Jahren, die eine zarle und hübsche Gesichlsbildung haben. Da« Publi kum fltzl unler freiem Himmel, mil Ausnahme de« Sargulschj und der vornehmsten Kaufleute, welche dcr Bühne gegenüber in Lo^cn sich nie-