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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumermion«- Preis 22; Sgr. (s Thlr.) vierteljährlich, 3 Thlr. für da» ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Aelle» der Preußischen Monarchie. für die Man prännmerirt auf diese» Beiblatt der AUg. Pr. Staais- Zeitung in Berlin in der Erpcditien (Mohren-Straße Nr. 34); in Ler Provinz so wie im Auslands bei de» Wohllöbl. Post - Aemtcrn. Literatur des Auslande s. ^22 Berlin, Montag den 10. Oktober 1836. Island. Isländische Skizzen. !L 0 n X. Bi armier. Zweiter Artikel.") Als wir nach Repkiavik kamen, beabsichtigten wir, nur einige Tage daselbst zn bleiben. Wir wollten die wenigen Sommer-Wochen de. nutzen, um eine Exkursion nach dem Innern von Island zu machen. Allein hier kommt man mit einer Reise nicht gar so leicht zu Staude. Hier zu Lande gicbt es keine Diligenxcn, weder Chausseen »och Eisen bahnen, noch auch Dörfer, in denen man von Zeit zu Zeit cinkehren könnte. Man muß vielmehr sein Zell und die nöchigcn Vvrrälhe stets mit sich sichre», als ob man durch eine Wüste zu ziehen halte. Denn sobald man Reykjavik und einige an der Küste gelegene Dänische Fischcr-Koloniccn passstl hat, flutet man nur je in weilen Zwischen räumen wieder einmal einen armen engen »Nd schmutzigen Vauerhos, Ler eben nicht sehr viele Erfrischungen darzubiclcn hat. Anfangs Juni kann man hier kaum zu ein paar guten Pferden kommen; denn wäh rend des ganzen Winters werben diese Thicre mit so elendem Fuller iraklirl, daß sie gänzlich abmagern und im Frühling erst wieder längere Zeit auf der Weide bleiben müssen, um nur einiges Ansehen zn erhal ten. In dem laufenden Jahre sahen sich die Isländischen Wauern aus Mangel an Fuller gcnölhigt, das Zugvieh zum großen Theil zu lobten. Nur mit unsäglicher Mühe, nachdem wir uns an mehrere Dänische Kaufleute gewandt, gelang es uns, die Zahl der uncnlbrhrlichsten Sallel- und Zugpferde anfznlrcibrn. Am 26. Juni waren wir auf dem Wege nach dem Gevser. Wer nur an den Anblick eines civilistrlcn, gut eingebauten Landes gewöhnt, wer nur prächtige Slädle, großartige Monumente und zusam- mcngcdränglc Völkcrmaffcn sehen will, sür den wird eine Reise in Island nichts sehr Ergötzliches darbieien; denn hier muß man durchaus von Mem abstrahiren, was anderswo als absolut nolhweudig erscheint; man muß durchaus das Land nehmen, wie cs ist; man muß seine cigenthümlichen Schönheiten cbcn sowohl als die ihm anstehenden Män gel eigens studircn; nur alsdann wird steh uns hier bei jedem Schrille 'eine neue Quelle der Beobachtung eröffnen. Was uns betrifft, so machte cs uns cin ganz cigenthümlichcs Vergnügen, die ödesten wüsien- äbnlichen Landschaften anzustaun.m; wir haben die verschiedenen Ein- drückc, die die Abwcchsclung auf uns hervorbrachtc, so wie alle merkwür dige Reise-Ereignisse in unser Tagebuch besonders ausgezeichnet. Wald sahen wir uns in der Mitte einer sumpfigen Ebene, auf einem morasti gen schlüpferige» Boden, in dem keine Spur eines Weges zu entdecken war; bald marschicten wir über lauter Lava oder über einen ganz mit Asche überdeckten Boden, die der Wind überall umher in Wirbeln austricb. Auf einigen dieser Lavascldcr erinnern sich die hiesigen Greise noch grüne Wiesen und mehrere bewohnte Plätze gesehen zu haben: ein in cincr Nacht ausgrbrochcner-Vulkan Hal Alles in Fclsenlrümmer und Aschen hausen verwandelt. Rings um dieses öde Land bemerkte man lange Reihen von Gebirgen, die mit Schnrcbändcrn umgürlcl waren. Wir gingen hier mehrere Stunden, ohne auf eine Spur von Kultur zu stoßen, ja selbst ohne irgend cin lcbcndigc» Wesen oder auch nur einen Strauch und cin Hälmchen zu gewahren. Nur zuweilen entdeckten wir plötzlich einen blauen Scc, der gleich einer Silbcrschaale aus der Mille der vulkanischen Felsen hervvrlauchte, »m bcm Ecbirgsvogc! cin siischcs Bad und bcm Nciscndcn cincn klaren sprudclndcn Quell zü biclcn. Hier und da, aber immer nur in ziemlich langen Zwischenräumen, bcmcrklcn wir das grüne Gchäge und die Rascnmauern eines Baucrhoses. Wir rillen immer gleichauf denselben zu; unser Führer pochte mit dem Pcit- schcngriff drei Mal an die Thür; alsbald erschien der Landwirlh, um uns zu bewillkommnen, und bas jungc, schüchterne und neugierige Is ländische Mädchen trat mit dem aus chic Schullcr bcrabbaugcndcn blon den Haar aus uns zu, nm uns einen Napf Milch zu reichen. Es machte uns Vergnüge», nus in jedcn Bauerhof, so ärmlich er immer aussah, hinein zu begeben und uns mit dem in seiner räucherigen Küche auf einem Pfcrdckopse sitzenden Ballern zu unlerhallen. Das Innere dicscr Wohnungen besteht gewöhnlich aus fünf bis sechs Ablhcilungen. Die eine bildet die Küche und das Schlafziüuncr für ihn und seine Diener schaft; eine andere dient zur Milchstube, und eine dritte zur Schmiede, so wie zur Aufbewahrung des Tischlerhandwerks. Denn hier zu Lande beschlägt der Bauer selber seine Pferde und fertigt sich auch seine Mö beln selbst an. Man hat bemerkt, daß den Isländern eine besondere . ») Verql, Nr. sg Magazins b 2-, Geschicklichkeit für alle Zweige der Industrie angeboren sch. Ohne Zweifel ist diese Geschicklichkeit cin Ergcbniß der Noth, die hier jedes Individuum zwingt, sich die unentbehrlichsten Dinge selber zu bereiten. Die Isländer machen sich Löffel und Zaumringc aus Horn. Aus der Wolle weben sic ihre Kleider und verfertigen sie sich zugleich ihre Seile. In einem und demselben Zimmer sieh! man hier die Hausfrau die zu nncm Kleidungsstücke bestimmte Wolle kämmen, walkcn und färben- Aus Wallsischknochcn verfertigen sie ihre Nadeln, Knöpfe und Stiele z» den verschiedenen Handwerlszcugen. Ein Stück Lava dient ihnen als Hammer und cin Fctscnblock als Amboß. In dcn erste» Wintcr- msnalcn, vor der Icn des Fischfang s, bringe» die meisten Bauern ihre langcn Abende mit Anscriigung mechanischer Arbeiten zu. Manche unter ihnen kommen durch bewundernswürdige Ausdauer so weit, daß sie selbst Bildhauer- und Goldschmiede - Arbeit unfertigen. Ich habe ei» Isländisches Möbel-Stück gcschen, das von cincm Bauer mit treff licher Bildhauer-Arbeit verziert worden war. Dcr Küiistlcr hatte seinen Namen unter das Werk gesetzt, aber nur dcr Baucrhof, in dem er lebte, hat ihn kennen lernen. Wie viele geniale Leute verkommen hier nicht unter ihrem Nascndachc, ohne ihre Talente zu entwickeln und ohne dcr Welt je bekannt zu werden! In einigen Tbcilen Islands fanden wir von Zeit zu Zeit einzelne Bancrwohnungcn am Fuße eines Hügels an einander gcreihl, i» anderen hingegen brachte» wir oft ganze Tage zu, ohne auch nur eine einzige zu bemerken. Alles um uns her bot den Anblick einer Wüste; Alles war öde und düster; man vernahm nichts, als das gellende Geschrei des Regenpfeifers oder zuweilen Las Geräusch eines bei unserer Annähe rung ausflicgcndcn Trupps von Schwänen. In diesen vcrlasscnen Ebe- ncn cmfindct man eine wahre Freude, wenn "man einmal zufällig einer anderen Karavane begegnet. Die Isländischen Bauern pflegen dann immer von ihren Pferden zu steigen, umarmen sich einander, lassen sich auf einen Stein nieder und erzählen sich die interessantesten Neuigkei ten. Derjenige, der aus dem Innern hcrkömmt, weiß, ob ter Fisch fang gut ausgefallen und ob die Pferde nicht trank sind. Wer aber direkt von Reykjavik abgercisi, dcr spielt hier eine höchst wichtige Rolle, denn cr kennt dcn Preis-Courant aller Waaren; er weiß, welcher Dä nische Kaufman» zur Zeit der billigste ist; er weiß, wie es mit Krieg oder Frieden steht, was der Bischof macht und was dcr Gouverneur sagt. So trägt cr Lcnn Alles, wie er cs selber vernommen, Word für "Wort vor und vertritt somit das Journal, die offizielle Zeitung Islands. La cs hier wcdcr Wäldcr, noch Ectraidcfcldcr, noch Wiesen giebt, so bcstcht das Reizende dcr Landschaft nur in dem Gebirge, das sich bald in langcn Kcticn bis an das llfcr dcs MccrcS binzieht, bald in großen Massen thurmäbnlich sich erbebt und in die Wolken hinein ver liert. Die Farbe desselben wechselt unaufhörlich, je nach dem Himmel, dcr cs bedeckt, und nach dcr Tageszeit, zu der man cs beobachtet. Bon dcm Gipfel dicscr Gebirge sticgcn wir wieder in die vulkani schen Sand-Ebenen hinab, indem wir uns längs dcr großen Flüsse hielten, über die unsere Pserde binübcrschwammcn, oder indem wir die Küste entlang vor dcn Buchte» vorbeipasstrtcn, wo dcr Fischerkah» und das Kaufmannsschiff anzulegcn pflegen. Hier sahen wir die Meereswo gen gleich Sstberdecken übcr das Üfcr sich ausbreiten und die Hufen unserer Pserde bespülen; dort brachen sic mit Gewalt an einer Klippen reihe und sticgcn als Pcrlcngarbcn oder als funkelnde Schaumflutben hoch in die Lust. Die ganze Küstengcgcnd war öde; nur die Schwalbe streifte in malerischem Fluge mit ihren Fittigc» an die Oberfläche dcr Wellen dcs Uscrs, und über dem Gewässer erblickte man die strahlen den Augen des Sccbundes, jener Sccjungfer des Mittelalters. In eini- gcr Euisernung erhob sich die auf der Düne erbaute Kapelle aus Holz. Es war an einem Sonntage. Die um den Priester versammelten Fischer halten eben ihr Kirchenlied angcstimmt, eine Melodie, die unserem Ohr als rin höchst feierlicher Klageto» erklang; es war cin wunderbarer Kontrast. Diese stille friedliche Kirche gegenüber dem reißenden, stür mischen Meer, dcr Anblick dieses Krcuzcs mitten in dcr Einöde und die Harmonie dicscr gottesfürchtigen Stimmen im Vergleich mit dem Ge räusche Ler Wellen und Lem Pfeifen des Windes. Das Feierliche und Poetische dieser merkwürdigen Gegenden ge winnt um so mehr Rciz, wenn man sich dabei Ler verschiedenen Data erinnert, die die Geschichte uns in Beziehung auf dieselben überliefert; denn jede Bucht, jedes Thal und jedes Gebirge hier hat seinen Platz in den alten Sagas oder in den neueren Annalen gesunden. Die Ge schichte ist oft traurig; es ist die Beschreibung des Ausbruchs eines Vulkans, das Bild einer Hungersnoth, einer Seuche und aller der ver schiedenen Plagen, von Lenen Island in keinem Iahrhuudcrlc verschont