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Sebastian" in der Kathedrale zu Besanxon, daß alle Nonnen eines Klosters sich in ihren Heiligen verlieben, und daß man sie nur wird steilen können, wenn man lh» vom Hochaltar hiiiweziiimml und auf Lem Boden verwahrt. Nach der Maler-Chronik von Antwerpen wurde das Gemälde der „Grablegung Christi" bei Quinlyn Mcssys vom Tischler-Gewerk für dreihundert Gulden bestellt. Er erhielt aber nur einen Theil von dieser Summe; das klebrige wurde in eine immerwährende Rente zum Besten seiner Kinder verwandelt. Philipp II., König von Spanien, ließ dem Tischler-Gewerk eine ansehnliche Summe dafür bieten, aber dieses wollte lieber das Gemälde behalten, als cs mit Lorthcil verkaufen. Das schöne Werk hatte zwei Arlen von Bilderstürmern zu befürchte», die des sech zehnten Jahrhunderts und die von k794; die Einen wollten cs zcrstö- ren, die Anderen wollte» cs als Kriegsbeute forlnehme» und nach Frank reich bringen. Aber Dank dem Ester seiner verschiedenen Besitzer, es wurde vor Vernichtung und vor Verbannung bcwahrt. Ein Volk, ans dem so große Künstler hcrvorgegangcn, und das in sei nen Kirchen und Prival-Mnsceu so schöne Werke ausznweiscn hat, kann nicht ei» bloß materielles Volk seyn, und ich glaube, daß m dieser Hinsicht derSBri» viele Reisende täuscht. Freilich, wenn man sich an das Aenßcre, an die Physiognomiken, an die Worte halte» will, obgleich es auch in Bel gien schöne Gestalten und geistreiche Gesellschaften giebt, und wenn man die Schnelligkeit und Ungeduld im Unheil besitze, von tmen sich unsere Franzö sischen Reisenden fortreißm lasscn, sv könnte man allerdings glauben, daß Fleisch und Blut hier den Gedanken erstickt hätten. Aber abgesehen davon, daß man bei näherer Beobachtung der Menschen an ihnen Eigen schaften entdeckt, die sich den Blicke» nicht sogleich darstcllc», n»d die sich, seh es nun aus Trägheit oder aus Mißtraue» gegen Fremde, welche mit vorgefaßter Meinung hierher gekommen sind, in dem Maßt, wie inan sie verfolgt, zurückzuzichen scheine», sich aber doch am Ende zei gen und mit unerwarteter Freiheit entsallc», so sollte man sich doch durch die Dinge von dem strenge» Unheil zurückbaltcn lasscn, welches man etwa über die Mcnschcn zu sällen geneigt wäre. Man kann käme geringe Meinung von einem Volke hegen, das den Thurm von Brüssel und von Antwerpen und das Stadthaus von Löwe» baute, von einem Wolke, welches Maler wie Rubens, van Dyck und Quinty» Mcffys hrr- vorbrachle, das den architektonischen Lurus der Häuser, die Anmulh und Mannigfaltigkeit ihrer Forme», die Knnst, cm ihnen Zicrraihen an- zubriugc», die de»! Gewerbe oder der Würde ihrer Bewohner entsprechen, zu einer Höhe gesteigert hat, die von wenig Nationen, selbst unter den größten und gebildetste», erreicht wurde; oder wenn "wir uns dieses kleine Bolk in einem einzige» Mau» perionisizirl vorsicllcn, so darf man doch wohl von einem Manne nicht schlecht denke», der seine Wohnung, obgleich er sic nur wie ei» irdisches Gasthaus betrachtet, worin er we nige Tage verweilt, so geschmackvoll zn verschönern verstand. In Frank reich verschwenden wir »»seren Geist an flüchtige Morte, die sreilich eine ganze Welt in Bewegung setze», oder a» Schriften, welche dic kost- harste» und daucrndsicn dieser Worte ausbcwahrcn; in Belgien hingc- gcn vcrwcndcl ma» zwar nicht dieselbe Summe, das ist sicher, aber doch, in Betracht dcr Kkmh'cil des Volkes, ein gutes Thcil aus Denkmäler, Gemälde, ans unvergleichliche Ackerbau-Arbeiten, Kanal-Anlagen, Gc- wcrbsiciß und Handel; was wir de» Gedanken weihe», widmen sie den Tbate». Ich ziche cs vor, dcr Bürger eines Jdccii-Landes zu setz»; aber Gott behüte mich, daß ich leichtsinnig von einet» Lande des Han delns sprechen sollte. Es glimmt im Belgischen Wolke, um nur von Kunst zu reden, eit! inneres verborgenes Feuer, das mühsam durch die Schwersalligkett seiner physische» Constitution und seiner Bastard-Sprache hindurchdringt, in welcher cs allerdings sehr linkisch so vernünsiigc und praktische Dinge aitsdrückt. Dieses Feuer ist rs, das dic Violine eines Beriot erklinge» macht, das den glänzendc» Pinsel eines Wuppers belobt, eines ihrer jüngsten Maler und echten Sohnes von Rubems' Baterlande; das den Marmor ciucS Eces erweicht, der einen ihrer berühmtesten Septembcr- Märlvrcr darstcllte, den von eitler Holländische» Kugel tödtlich getroffc- nlti, süc seine» Glaubcn und sein Vaterland gefallene» Merode; cs ist dieses Feiter, das in dcr Bcrgangcnheil einige Abschnitte dcr Geschichte dieses Bölkes mit bestem Glanz erleuchtet, dieses Bölkes, dessen Boden seit so vielt» Jahrhunderte» da» Schlachtscld des Lccidenls war, und dessen Geschichte, wenn auch ost durch Eroberungen utNcrbrccheu, im vierzehnten Jahrhundert, mittcn in dem noch barbarischen Europa, das Phänomen einer glänzenden Civilisatioii zeigt, welche nicht das Ergcbniß ter Nachahmung scvn konnte, denn Jlaltcn lag viel zu sern. Wer sich sür Komcrle inleressirt, der Hal auch gewiß eiiien Bel gischen Violinisten gehört, dessen Namen ich nicht weiß, der aber unter die Geschicktesten in seiner Kunst gezählt wird. ES ist ein Mann von ungcsahr fünsunddrcißig Jahren, mit kurz verschnittenem Haar, plum per Figur, ohne Züge, ohne Ausdruck, die Augen ausgenommen, welche von Tiefe zeugen, von linkischem, schwcrsälligcm Bcncbmcn, zu Ver beugungen fchlcchl geformt, und eben so wenig dazu gemacht, mit leich tem Schrill in einen Saal einzulrctcn und den konkaven Kreis gehörig abzumcsscn, den die Gäste nach und nach um die Hanssrau bilden; er nimm! das Beifallklatschen, das seine majestätische» Andanle's begleitet, ebne scheinbare Bewegung und fast ohne Dankbezeugung auf, kurz, cs ist cin Belgier, nicht von jener kosmopolitischen Art, bereit elegante Blust er man in Brüssel antrisst und deren Stutzer von den unsrigrn lischt übertroffen werden, sondern ein echter, dcm Volke entstiegener Belgier, unter dcm dreieckigen Giebel geboren, von Steinkohlen durch- räuchert und von Bier ausgcschwcmmt, dessen Sinn für Musik in einer Sakristei erwachte, und der seine Kunst in einem Provinzial-Konser vatorium studirte. Vor eiuiger Zeil wohnte ich einem Konzerte bei, wo dieser Violinist sich hören stieß. Er trug cin Stück von seiner Com- 410 Position mit so vieler Kraft, Gediegenheit, Lebhaftigkeit, Geschmack, ge steigerter und ausdaucmdcr Wärme vor, daß er allgemein bewundert wurde. Er danklc sür dic Beifallsbezcugungkii durch eine.kurze Kopf- verneigung und zog sich zurück. Ich folgte ihm in das Gemach, welches die Stelle dcr Coulisse vertrat, und betrachtete ibn mit einer Neugier, die ihn weder zu beleidigen, noch zu rühren schien. Aber derselbe Diann, de» ich im Konzert-Saale so ruhig, so unlheilpehmend, wie es schic», mil stumme» Mienen und allein in der ganzen Versammlung von der Musik unbewegt gesehen halte, stand im Nebenzimmer keuchend, mit offenem Munde und feurigem Auge, und trocknete sich mit seinem Taschentuche den Schweiß ab, der in großen Tropfen aus seinem gan zen Gesichte hcrvorquoll, welches vor wenig Augenblicken noch starr und kalt wie eiiic MaSkc war. Diese zurückgehaltene Bewegung, dieser plötz liche, reichliche Schwciß waren eine Bestätigung jenes inneren Feuers, das lies in dcm Belgischen Volksstamm glimmt; cs war dieser Künstler dic pcrsonisizirte Genialität seines Vatcrlaudcs. Nisard. Chin a. Kuusiferltgkcttcn der Chinescn. In jeder techttischcn Kunst haben cs die Chinesen zu hoher Voll kommenheit gebracht. Ihre Gong's und Glocken, so wie auch ihre alten Vase» und Dreifüße aus Bronze, gebe» ein vollgültiges Zeugnis; davon, daß sie uns in den verschiedenen Branchen der Metallurgie schon schr srüh überlegen wäre». Besonders aber verdiene» die hochpolirtcn Chinesischen Mctallspicgcl unsere Bewunderung. Diese Spiegel haben die merkwürdige Eigcnthümlichkcit, daß, wenn die Sonneuürahlcn von dcr polirten Oberfläche rcflcktirt werden, das Bild des zierlichen Randes und dcr Krcise, dic ans de» Rücken dcr Mctallplalte gravirl sind, auf dcr Mauer odcr einem Stück Papier schr deuttich sich abspicgclt. Ihre Brillen, mit imgehcurcn Linsengläsern aus Fclskrysiall, sind eine ganz originelle Erfindung. Sie liege» qucr über dcr Nase, werden aber durch seidene Schnüre, mit Gewichte» an de» Enden, die man über beite Ohren wirft, sestgchallcu. Im Drechseln des Holzes und Elscnbcins ist der Chinese unver gleichlich; seine elfenbeinernen Handkörbchen und Fächer müssen die Verzweiflung eines Europäischen Technikers erregen. Auch Hal wohl noch kein Artist unseres Welitheils den Versuch gemacht, aus einer soliden elfenbeinernen Kugel sicbcn odcr acht andere dergleichen zu drechseln, kie alle, von einander abgesondert, in dcr äußere» Hohlkugcl stecken und eben so schön gearbeitet flnd, wie die letztere. Die inneren Kugeln werden durch kreisrunde Löcher ausgcdrcchsclt, von denen man das erste in die Kugel bohrt, wenn sic »och solide ist. Nicht weniger ma»iscstirt sich dic Industrie und Geschicklichkeit dcr Chinese» i» ihrer Verarbeitung dcr härtesten Stoffe, wovon die Chine sischen Riechfläschchen aus Agal und Fels-Krystal! Beweise geben. Diese ungefähr zwei Zoll langes, Fläschchen sind vollkommen ausgchöhlt, und zwar durch Oeffnungen 'am Halse, die weniger als einen Viertel- Zoll im Durchmesser haben. Zu allem dem ist die innere Seite dieser Fläschchen mit kleine» Charakteren beschriebe», die ma» durch ihre lransparcme Substauz lest» kann! Auch dic Seiden- und Taffl-Manusakture» dcr Chinesen dürsten wohl schwerlich von denen irgend eines anderen Volkes erreicht wcrdenx eben dies gilt ihrem Porzellan, so sern man das Material selbst darun ter versteht. Ihre lackirlen oder übcifirmßlcii Arbeiten sind nur den Japanischen untergeordnet. Mil den eigentlich schönen Künsten ist cs im Ganzen viel schlim mer bestellt; doch besitzen die Chinesen einheimische Künstler, welche Insekte», Bögel, Früchtc und Blumen meisterlich zu male» wissen, und dic Schöiihcit und Mannigfaltigkeit der Farben kann nirgends über troffen werden. Jii Allem, was dic Bcgucmlichkeiten des äußeren Lebens betrifft, und waS mit technischer Geschicklichkeit bewerkstelligt werden kann, dürfte China wohl noch lange den Vorrang vor dem Abcndlande behaupten y daher wir uns nicht zu verwundern brauche», wenn dcr gemeine Chinese, der ebe» nur sür technische Vollkommenheit empfänglich ist, in Europa Alles schlechter, unbequemer u»d unzweckmäßiger findet, als in feiner Heimalh. sXccount ul' Gliina.) Mannigfaltiges. — Vcnhcidigttng der Polygamie. Dic Diskussionen übev Polygamie, welche man in den Zeitungen von Kalkutta findet, haben einen Eingeborncn dazn bestimmt, diesen oricntalischeii Gebrauch mit folgenden Gründen i» Schutz zu nehmen: „Ihr Englische Ecnttemcn skandalisirt so gern darüber, daß meine Landsleute viele Weiber nehmen. Wenn Eure Religion und die Sitten Eures Landes Euch nicht erlaube», mehr als ei»e Frau zu hcirathe», warum sollten wir diesem Beispiel folgen, da wir doch von anderem Stamme und anderem Glaube» sind? Jedermann, dcr Asien genauer ke»nt, muß auch wissen, daß es bei uns mehr Frauen als Männer giebt, sey es nun, weil mehr Mädchen al« Knaben geboren werde», odcr weil Ihr Engländer die Männer in Schlachten lödlct. Da« Wahre von dcr Sache kann nur ein Zauberer wissen. Wollt Ihr nun jedem Man» nur Eine Frau verstaue», was soll dann aus de» vielen übrigen Frauen werden? Sic müssen doch Jemand haben, dcr ihnen gut ist und sie versorgt? Gewiß hat uns schon die Natur dazu bestimmt, daß wir viele Frauen und vieles Glück habe» solle» — cs gehört dies zu nnscrer Wohlfahrt und ist von Anbeginn so gewesen. Ich bitte Euch also, in die Verordnun gen dcr Vorsehung nicht einzugrcifcn." HerauSzezcbc» von der Redactio» ter Allg. Preuß. Staars-Zeiluna. Ncdigirl von I. Lehmann. Gedruckt bri A. W. Hayn.