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sich Madame Favart selbst bis in di« Schanzgräben von Mastricht Nach komme» ließ. So war cs Sille bis zum Ende des achtzehnten Iahc- httnderls. Bei de» Schauspielerinnen fanden die Herzöge und Pairs, die Offiziere der Leibwache, die Kadetten vo» hoher Familie und die kleinen Abbe'« eine geistvolle Unlerballung, ihr Vergnügen und ihr Ver derben, lauler Dinge, welche die Revolution so gänzlich vom Thealer lrennle, daß die armen Schauspielerinnen gezwungen wurden, »ur noch ihre Kunst zu üben und weiter nichts. klebrigen« waren auch die obersten Jako biner nicht alle ganz rein von Verbindungen dieser Art, und die heuch lerische Senlimcutalilät ihrer öffentlichen' Grundsätze würde eine ganz falsche Meinung von ihren häuslichen Eilten geben. Lei ihnen aber war es nichts als bloße Ausschweifung, ohne Edelmulh, ohne Größe, ohne Geld. Eine berühmte Schauspielerin, Mlle R-, die dem dringen den Verlangen eines berüchtigte» Terroristen nachzegcbcn batte, glaubte eines Tages zu bemerken, daß die Stimme ihres Liebhabers sanft und seine Gestalt menschlich seh; der Augenblick schien ihr günstig, um eine Frage zu wagen: „Bürger", sagte sie, „was wirst Du mir zu meinem Geburtstage fchrnkcn?" — „Ich werde Dir das Leben schenken", ant wortete er. Mil dem Direktorium und seiner Reaktion kehrten die Thorheilen des Lurus und die großartigen Vergnügungen zurück. Einige Emigran ten, die in den Besitz ihrer Köpfe und eines Theils ihrer noch nicht verkaufte» Güter ^wieder eingesetzt waren, Generale, die sich bei der Plünderung der feindlichen Städte bereichert hallen, wollten nun ein wonnigliches Leben führen; die Verschwendung war gräuzenlos: man wars, so zu sagen, das Geld aus den Fenstern; die Spielhäusec waren wieder von leidenschaftliche» Menschen überfüllt, die aus eine» Wurf im Roulettespicl die ganze Beute eines Feldzugs, die Tressen ihrer Uniform, die Quasten ihrer Säbel setzten, und die dem Volke aus dem Fenster von Nr. i 13 ganze Hände voll Louisdore von dem Gewinn eines Abzugs zuwar- sen. Die Restaurateure machten damals ihren Schnitt; dieLSulc jcnerZeil aßen, als wenn sie seil 93 gefastet hätten. Herr R. S. I. D. gab allein für jedes Mittagessen hundert Franken aus, und matt zeigte uns vor kaum zehn Jahren bei Vcrp »och einen Kellner, der täglich 20 Franken Trinkgeld erhielt, weil er die Ehre halte, dieses Garganlua. Diner zu bedienen. Die Weiber, vorzüglich die Schauspielerinnen, wur den bei diesen Reaktionen des Vergnügens nicht versäumt, und die kostbarsten Huldigungen langten haufenweise zu ihren Füßen an. Der Glanz des Kaiserreiches und seiner hohen Würdenträger erhielt ihnen dies Leben voll Uebcrfluß, wo Alles sich nach ihnen drängte. Unter dem Direktorium und dem Kaiserreich glänzle die berühmte Clot..., eine große schöne Tänzerin mit ernstem, schmachtendem Ant litz und einer Taille, biegsam wie ein Weidenzweig; man sagte damals, Ville. Georges seh eine schöne Statue und El. ein schönes Geschöpf. Ihre blonden goldenen Haare kröiilc» eine sanfte Stirn, unter der zwei Saphir-Augen glänzte». Auf einem schlanken, zierlichen, stolzen Halse wiegte sich ihr Haupl, so weich und zart, wie ein Fcdcrbufch. Die Lobredner jener Zeit sprechen noch mit Augen voll Thränen, aber sol cher Thräne», die dem Schmerz über eine verlorene schöne Empfindung stießen, von einer gewisse» unbeschreibliche» Hüflcnbewegung, die über El.'s ganzen Körper ein Bebe» unaussprechlicher Wollust ausgoß. Wenn sie die Arme erhob und sich neigte, um eine Pirouette zu beginnen, wenn dies Heben der Arme die ganze Zeichnung ihres Wuchses frei sehen und wenn die Neigung des Körpers die Hüfte dieses herrlichen Weibes bervortectcn ließ, soll cs ein Gemälde zum Todlschießcn gegeben haben. Man erzählt aber nicht, daß ihr irgend Jemand sein Leben zum Opfer gebracht hatte, doch nennt man mehrere Personell, die ihr eintrgglichcre Opfer weihten und für die Erlaubniß, sic zu liebcn, Millionen verschwen deten. Der glänzendste und vornehmste ihrer Anbeter war der Fürst Pignatelli, Graf von Egmont, ein Spanier, Inhaber eines berühmten Namens, Besitzer uncrmcßlichen ReichlbumS und von der Natur mit dem feinsten Geschmack begabt. Er war es, der die erste Bcrline mit Englischen Federn aus London kommen ließ. Dieser niedrige, bequeme und merkwürdig geformte Wagen machte zu jener Zeit großes Aufsehen. Eben dieser Fürst war es auch, der auf dem von den Marschällen gege benen großen Ball in drei verschiedene» Auzügc» erschien, deren Pracht für eine ganze Woche Stoff zur Unterhaltung lieferte. Im Lause seiner galanten Verschwendungen richtete der Fürst Pignatelli auch die schöne und nicht sehr haushälterische El. wieder glänzend ein. Er schuf ihr einen prachtvolle» Hausstand, setzte ihr ein Iahrgehalt von 1,200,000 Franken aus und schenkte ihr die reichsten Equipagen für LvngchampS, zu einer Zeit, wo LongchampS noch etwas zu bedeuten hatte. Aber El. balle ein so gulcS Herz, eine so milleibige Seele, daß sie ost aus Trägheit und aus Großmnlh ihrem Schuhmacher tausend Franken für ein Paar Schuhe gab, um nicht erst eine Banknote wech seln zu müssen; sie war so Iheilnehmend bei den Leiden der Lhcater- Bcvölkeimng, der Statisten, der Figuranten, der Ehoristen, daß selbst die Freigebigkeit des Fürsten Piguatclli nicht zur Deckung aller dieser ehrcnwcrlheu Bedürfnisse ausrcichtc. Der Spanische Admiral Mazaredo unterstützte El. in ihrer Wobltbätigkeit und vermehrte ihr bescheidenes Einkommen um 8 oder 600,000 Franken. Zu diesen neuen Gaben Mazaredo's gesellten sich bald die kleinen Galantcrieen des Herrn Pu..., der nur während der Mahlzeit drei Stunden an ihrer Seile zubrachie und diese passive Tischgenossmschafl mit nicht weniger als 100,000 Fr. jährlich bezahlte, so daß die Totalsumme ihrer Einnahmen sich auf 16 bis 17 bunderttanscnd Franken belief. Arme Tänzerinnen von 1836, staunl über diese kühne Rechnung und ruft voll Schmerz aus: „Mil dem Tanze ist es vorbei!" Man erzähle von dem Lurus, der bei El. herrschte, wahrhaft er- siauuenswnrdigc Einzelheiten. Sie bewohnte in ter Straße MenarS ei» Jimmcr, welches Mlle. Bourgvin von der Eomcdie sranxaise mne- gehabt baitc. Damals war Pari« Griechisch, und man verzierte alle Häuser wie Agamemnon's Palast. Die Griechischen Draperieen in El.'« Gemach waren von Sedaner Stoff, zu 70 Franke» die Elle. Ihr 410 Bett, das niedrig und natürlich auch von Griechischer Form war, halte 9000 Franken gekostet; ei» schwarzer Kaschmir, 18,000 Franken werth, diente ihr zur Fußhülle; mit einem änderet! Kaschmir von ungeheurem Werlhe war die Erhöhung bedeckt, aus der das Belt stand, und der Persische Teppich des Zimmer« kostete nicht weniger als 6000 Franken. Die Bronzen, die aus Italien entwendete» Staliicn drängte» sich in diesem Ghnäccum und waren nur der geringfügige Nebenzicrrath eines unschätzbaren MeublemcnlS. Aber ach! mitten unter dieser Sardanapa- lischen Ueppigkeit war die arme El. durch ein seltsames Mißgeschick nichlS- dcstowenigcr von Leiden hcimgcsuchl. Die Natur, die sich in der Ber einigung so vieler Reize ganz erschöpft halte, ließ nur einen Makel an diesem schönen Ganzen. El. wäre eine Halbgöttin gewesen, hätte sie unbeweglich ans ciiiem Picdestal von Achat oder Malachit flehcn kön ne», abcr sie mußte tanze», und die uuglückliche Bajadere konnte sich nicht verhehle», daß die durch diese diabolische Anstrengung bewickle Er schütterung eine bedeutende Störung i» dem System ihrer körperlichen Emanalioncn bcrvorbrachte. Heinrich IV. würde sich in seiner Bearner Derbheit, so wie er cs einst lhat, deS rechte» Ausdrucks bedient haben, um diesen Uebclstand zu bezeichnen. Die ungleich höflicheren Mitglieder der Oper flüsterte» sich nur leise zu, daß El.'die Spuren eines durch den Moschus, de» sic im Ucbermaß anwaiidle, wenig vertilgle» Dulles zurücklaffe. Ein armselige«, düsicrcS Leichcnbegängniß durchzog eines Tages Paris. LS war Elvt..., die arm und vergessen starb. Aber wie hcrrlich war ihr Leben! Welch eine glänzend« Epoche für die weltlustigen und geldgierigen Weiber! Welcher Glanz, welcher blendende Schein umgab diese für Gold angebcleien, mit dem Degen erkämpften Frauen, die von Gesandten, Marschällen und Königen be weint wurde»! O, über die niedliche Anekdote von jenem Bruder Na- poleoii'S, wie er eine« Morgens um sieben Uhr, au» den Armen einer Tänzerin kommend, eine Lhzfcige von der Hand Andricup's, des kleinen Colm'S der Oper, erhielt, der, als zweiter Anbeter, unten mir Wulh auf den gekrönte» Liebhaber harrte! Ein König sich mit einem Coli» schlagen! Das war unmöglich. Der Kaiser, der es nicht ver trug, wenn man die Könige beschimpfte, die er geschaffen Halle, ließ Andrieux aufsuchen, um ihn einzustccken, um ihn zu sollcrn, zu zwicken, zu süsiliren, zu vierlheilcn; abcr dir woblgcwarnle Colin war selbiges Tages nach Rußland gewandert, wohin seine „Colinetle" (wie damals Herr von Iouy gesagt haben würde) ihm folgte. Hat die Regentschaft wohl so etwas aufzuweisen wie die Caprice de« Prinzen Eugen, der an die reizende Bi... schrieb, daß er sich in Italien langweile und sie bei sich zu haben wünsche. Die Tänzerin verlangt Urlaub, um sich zum Prinzen zu begeben; man verweigert ihn, weil man sie nicht entbehren kann. ES wird darüber an den Kaiser berichtet, und dieser bewilligt ihn. Mlle. Bi... gehl nach Italien, um dem Prinzen vierzehn Tage die Langeweile zu vertreiben. Der Kaiser — wie man sicht, und wie es bekannt genug ist — entzog sich keiner Arbeit, verschmähte keine Rolle, wenn es das Wohl des Staates oder da« Vergnügen seiner Lieblinge erforderte. Der Mann, der von Moskau au« Reglements für die Französische Komödie ergehen ließ, erfuhr einst, daß das Corps de Ballrt ter Oper sich mit jedem Tage vermindere. Der Dculschen, der Ilaliäncrinnc», der Siebcnbür» gerinnen, der Preußinnen, der Badncrinncn und der Württembergerin nen überdrüssig, kehrten die Tapferen der Armee gern zu ihrer Franzö sin zurück, und in der Liebe nach eben so leichten Siegen heißhungrig wie im Kriege, schosse» sie wie Sperber auf da« Corps de Ballet los. Aus diesen »ur für eine» Lag beabsichtigten Verbindungen wurde mit unter ei» dauerndes Band. Die Kaiserlichen Krieger, diese Mäimcr mit de» großen Schnurrbärten und dem leichten Herzen, diese Verehrer .des weiblichen Geschlechts, ketteten sich osl an bloße Figurantinnen, die sie vom Theater sonnahmen und mit sich ans« Land, zum Teufel oder sonst wohin sübrlcn; kurz, mau sah sie nicht wieder: die schönste» wa ren i» Folge dieser militairischen Requisitionen verschwunden. Die Re krutinnen wurden immer seltener, zuletzt fehlten sic ganz. Eines Tages wollte der Kaiser einer Opern-Vorstclluug beiwohnen, um die Häßlichkeit und Abgelebtheit der Figurantinnen kennen zu lernen, die von der Wuth seiner Krieger verschont geblieben waren. Da rief er ungeduldig einmal über da« ändere: „Welche Scheusale! Woher sind diese Weiber! Man schaffe andere an!" Noch an demselben Abend rrhielt der Polizei-Mi nister den Besebl, in all' den Etablissement«, die damals wie jetzt unter polizeilicher Aussicht standen, eine allgemeine Werbung zu veranstalten. Diese Aushebung in Masse von achtzehn- bis süufnndzwanzigjährigen Schönen wurde sogleich den folgenden Tag ins Werk gesetzt, und bei der nächsten Vorstellung war man erstaunt, das ehrenwerlhe Corps der weiblichen Statisten von prächtigen gigantische» Gestalten verstärkt zu finden. Der Minister halte wahre Grenadiere auswählrn lassen. Das linkische Benehmen und die Ungeschicklichkeit dieser Novizen erregte an fangs viel Gelächter, besonders als einige von ihren Klienten sie er kannte»; man lachte heftiger, man rief sie unter allgemeinem Jubel ganz laut bei ihren Name», und zuletzt fand man die Maßregel ganz vernünftig. Unter Napoleon käme» die große» Satelliten, di« dr» Kaiserlichen Stern umkreisten, allein hinter die Coulissen der Oper, um den Glanz ihrer Stickereien und Ordensbänder lcuchlen zu lassen. Die fremden Gesandten halten ebenfalls Zutritt; aber gewöhnlich verschmähten diese Kolosse von Rubin und Macht das ihnen cingeräumtc Privilegium und versammelten sich in den prachwollcn Logen jener Damen. (Fortsetzung söigt.) Bibliograph!«, ülelanAe <1 eeononri« sociale, sie litleraturo et sie morale. — Bon Laponneraye. Erster und zweiter Theil. 12 Fr. I'oloAne sian« »es ouciennes limiles, et I'cmznrv siez Kussies en 1836. — Mit 2 Kancn. 8 Fr. (äu an sie zioesiv. — Bon Alfred Rousseau. 7x Fr.