Volltext Seite (XML)
ersäufen gedachten, machte ihrem Leben ein schleuniges Ende. Auf Blak-Island waren zuletzt nur noch drei übrig, denen das Schicksal ge stattete, ein elendes, unwürdige» Leben über das Ziel des natürliche» AlierS biuzuschlcppcn. Frankreich. 395 raum herbei, sah die Thür der Kajüte offen, sah, wie eine dunkele Gestalt mit dem Messer herausschlich und schnell verschwand. Die Verzweiflung fuhr ibin durch Herz und Mark; er stürzte mit Blitzes schnelle die Stufen zur Kajüte nieder; da lag Maria leblos, aber ohne Spuren äußerer Gewalt. „Maria, meine Einzige, mein im Leben und Tod", so rief er und bob sic mit leidenschaftlicher Gewalt in die .Hohe: „Maria, komme zu Dir." Sie schlug die Augen auf: „Ich will ja sterben, ich bin bereit", stöhnte ste. „Nein! leben sollst Du, Maria, meine Geliebte, leben." Er trug ste zum Fenster der Kajüte und schob mit Kraft die Läden bei Seite; John Dorp kuckte mit seinem breiten Gesichte hinein. „Sachte, mein Junge, stink und sachte!" flüsterte er, nahm Rey nolds seine Bürde ab und legte ste sorgfältig ins Boot nieder. In der nächsten Minute war auch Reynolds mit Marien s Muller wohl behalten an Bord, die Stricke wurden gelöst; das Boot trieb vom Schiffe ab, die Segel wurden aufgezogen, und ste flogen mit dem Wind der Küste zu. Welche Sprache wäre im Stande, die Empfindungen der Mutter und Tochter zu schildern, als ste die wache Uebcrzenzung, die glückselige Gewißheit empfanden, tief und voll im Herzen empfan den, aus solchem Schrecken und Gräuel so wunderbar gerettet zu seyn. Sie weinten, ste beteten, ste dankten mit warm überströmendem Herzen ihrem Befreier Dory. „Ei, schön Madame, ja wohl", sagte der wackere John, „klug war's angestcllt, das muß wahr seyn, just so klug, wie meine Lootsen- fabrl in der letzlcn Nacht, und ich denke, cs soll mir was Recht s dar auf zu Gute geschrieben werten; denn ehrlich gesagt, ich habe eine mächtige Rechnung im großen Schuldbuch auflauscn lassen, und ich meine, cs wird bis morgen früh noch mancher Posten dazukommcn." Sie näherten sich ter Küste mit großer Schnelligkeit. „Seht da, Capitain Reynolds", Hub Dory wieder an: „da sind ihrer etliche von Euren Kasten, und auch von Euren welche, Madame, wie mir's nach dem Anfangsbuchstaben scheint; ich habe sie wohlbcdächllich in mein Boot hineiugcstaut, und wie sie abstoßcn wollten, war ich so pfiffig und kroch selbst hinein. Nun aber, mein' ich, Ihr lhut gcscheidter, wenn Ihr gar nicht a» der Insel landet. Auf Blak-Island sind sie kalt Alle Wrackräubcr, und sind da noch viele Dinge zu thun, wozu sie keine Zuschauer am Strande brauchen mögen." — „Und was wird mit Dusenbach geschehen?" fragte Reynolds. „Dafür laßt John Dory sorgen; wir werten auf Blak-Island ein Kriegsgericht über ibn halten, und man soll die Eztecution von hier bis Nantucket sehen. Jetzt aber Und wir an der Stelle, wo Ihr landen mögt; seht Ihr dort die Spitzes Laßt mir mein Boot zu Newport bei Tuckcrswhars stehen, da kann ich mir'S wiederholen. Nun gute Fahrt! Hier habt Ihr ruhig Wasser, guten Wind und Helles Sternenlicht, und darüber seht Ihr das Leucht feuer von Sckonnet." Früh am anderen Morgen lies das Boot glücklich in den Hafen Von Newport ein. Die kleine Gesellschaft, die allein von allen Passa gieren des „Palatin" übrig geblieben, verweilte in dieser Stadt, bis Marien S Mutter von ihrer Krankheit hergestellt war. Kurze Zeit dar auf reichten sich Reynolds und Maria vor dem Altar die Hand. Als wäre ihnen der Anblick und die Nähe des Meers, woran sich ihnen so furchtbare Erinnerungen knüpften, noch immer schrecklich, eilten sic so schnell als möglich gen Westen landeinwärts und ließen sich in einem der innersten Bezirke von Pcnnsylvanicn nieder. Ihre zahlreiche Nachkommcnschast bewohnt noch heut denselben Landstrich. Für jetzt kchrcii wir an Bord des „Palatin" zurück. ES war tief dunkle Mitternacht. Die Schiffsmannschaft und die Leitte von der Insel waren dermaßen beschäftigt gewesen, daß fast alle Gegenstände von Werth an den Slraud in Sicherheit gebracht waren. Noch drei Böte lagen neben dem Schiff, und fünfzehn Mann befanden sich noch an Bord, darunter fünf todtkrank, sechs, die noch im Kirlraum nach werthvollcn Gegenständen suchten, und vier an den Schlepptauen, die ausvaßlcn, um Alles, was sich noch finden ließ, emporzuwindcn. Joh» Dory mit sechs bis acht Leuten von der Insel lag lässig neben der großen Luke ausgc- strcckt, und cs schien, als wenn sich außer Dory keiner von ihnen um das bekümmerte, was vorging. Dory näherte sich von Zeit zu Zeit der Stiege zum Berdcck und guckte hinunter. Dusenbach beaufsichtigte die ganze Arbeit in eigener Person. „Nun, waS habe» sie denn aus dem Kielraum hcrauSgefischl", bub Dory endlich an. Im Nu klammerten sich Alle mit den'Händen um die Stiege und sahen mit neugieriger Erwartung in den Kiclranm hinab. Schnell wie ein Gedanke riß Dory den Capitain Dusenbach an der Ferse, schlug ihm ein Bein unter und stürzte ihn kopfabwärts i» die Tiefe; seine Leute, die um ibn waren, nahmen alsbald denselben Weg, indem Dory s Gefährten eben so geschickt, wie ihr Meister, Hand au- legtcn. Die Stiegen zum Verdeck wurden gesperrt und jeder Zugang zu den inneren Räumen des Schiffes verschlossen. Einige Minuten lang war ein geschäftiges Hin- und Hcrlaufcii aus dem Verdeck; daun stieße» die Böte ab. Aber ehe sic noch den Strand erreicht hallen, stiegen vom Bord des „Palalitt" drei schwere schwarze Rauchsäulen em por, und bald loderte das ganze Schiff in Flammen auf. Ein großer Theil der Schiffsmannschaft befand sich bereits am Lande; wie cs diesen erging, ist bald erzählt. Ueber die Beute des „Palatin" entspann sich ein blutiger Kamps, indem von beiden Seiten Viele aus dem Platze blieben; die wenigen übriggeblicbenen Matrosen ließ,man nicht allein am Leben, sonder» nahm sic auch in die Gemein schaft der Inselbewohner auf. Aber daS auf bösen Wegen erworbene Gut verschaffte ihnen wedcr Zufriedenheit noch Glück, sondern wurde ei» Anlaß beständigen Zwistes, herber Vorwürfe und Gewissensbisse. ES kam die Zeit, wo Einer des Andere» Anblick nicht mehr ertragen konnte; mehrere entschlösse» sich, so bald als möglich von den Genossen ihrer verbrecherischen Laufbahn zu fliehen, luden ihr Hab' und Gut auf ihre Bölc und ließen sich hier und dort an der Küste des festen Landes nieder. Unmäßiger Trunk, womit sie die Schrecken ihres Gewissens zu Schloß Malmaison. ES ist heute Sonntag i» Paris; die Sonne scheint, die Börse ist geschlossen, der Ausrufer schweigt, die Reute ruht aus; auch wir wollen uns ein wenig erholen; komme» Sie, folgen Sie mir, ich führe Sie »ach Malmaison. — Ich besuchte es in den Tagen des Glanzes; in den Tagen der Traurigkeit kehre ich dahin zurück. Kein Fremder ver säumt wohl, dieses Schloß zu sehen; Poeten, der Verfasser des Jocelyn, dcr der Orientalen, Bs-rangcr, Frauen vorzüglich sind neugierig, dieses „Adlernest", wie Lord Byron cs nannte, anzustauncn. — Ich wollte Sie schon im Mai dahin führen, dcn» das ist der Monat dcr Wall- fahrtcu; Napoleon starb dcn I. Mai, Josephine am Msten; ich wollte Ihnen das Grab der Kaiserin zeigen; ich hätte gewünscht, daß Sie der Tvdlenfeier beiwohnten, die man in Ruel jährlich für die Wohltbätcrin der ganzen Gegend veranstaltet. — Jetzt hält u»S nichts mehr zurück, und wir wollen uns auf dcn Weg machen. In einem Tilbury, wie unser Englischer Gesandte, fuhren wir ab und kamen in Is Stunden glücklich an. Madame Frane-vis, die Ka- stellanin von Malmaison, wollte imS Schwierigkeiten machen; wir aber zeigten ihr ein paar Zeilen von Herrn Hagerman», dem jetzigen Besitzer, und traten ein. — Das Territorium, mit dem Bonaparte das Gut ver größert hat, ist zcrsiückt und verkauft worden; aber das ehemalige Wohn haus, das alte Schloß und der Park sind ganz und vollständig geblie ben. — DaS ist die Hauptsache; da findet man noch den ganzen Wohl geruch des Kaiserreichs, die herrlichste» Bäume, die die Frische des Erd bodens in langer Blüthc erhält. — Früher war diese Besitzung unbe deutend, eine Scheune, ein PachthauS, ein unbekanntes kleines Gut gewesen. — Als die Normannen die Seine hinauf fuhren, landeten sie dort, verwüsteten Alles und begingen so viel Grausamkeiten, daß der Ort der „Unglück-Hasen" und das Haus, in dem später Lebenslust und Freude herrschen sollten, daß „Unglücksbaus" genannt wurde. ES giebt in Frankreich zehn Dörfer, welche dcn Namen Malmaison führen; das Departement dcr Scinc und Oise zählt allein schon fünf; aber das Malmaison, in dem wir jetzt sind, gehört zu der Gemeinde von Ruel, zu dem Ruel des Kardinals von Richelieu, in dem er einst eine Kirche erbauen ließ. Wir sind nur zwei Meilen von Versailles entfernt. Die Wasser leitung, der Hase» und dcr Wald von Marly sind in unserer Nähe; das Haus von Boissv-d'AnglaS liegt zwei Schritte vor uns auf der Chanfföc, die den Namen desselben trägt; der Pavillon von LucicnncS bcgränzt die Aussicht auf dcr Anhöbc. Das Gut Sonchörc ist vor unseren Augen; cS gehörte srübcr der Familie MeSmes, ging dann zn de» BeanbarnaiS über, die es dem Marschall Bertrand abtralen. Einige Zeit darauf kaufte es dcr Lieferant Ouvrard, dcr es jedoch, seiner Ge wohnheit gemäß, nicht bezahlt bat. Daraus cnlstande» Prozesse, Se questration des EigeuthumS und Verkauf desselben in Parzellen, so daß man aus einem Theile des Gutes zehn machte. Im Iabrc 846 machte Malmaison (denn darauf bin ich jetzt zu- rnckgekommen) einen Thcil der Königlichen Güter aus. Karl der Kahle, welchem Guy, Abt von St. Denis, einst ich weiß nicht welchen Dienst geleistet hatte, schenkte diesem das Gut zur Belohnung. Der Abt trat es ungefähr um 1244 seinen Mönchen ab, und diese überließen es im Jahre 1622 dem Christoph Perrot, eincm Parlaments - Nalhe, dcr sich vo» dieser Zeit an nur Perrot von Malmaison nannte. Bou dcr Familie Perrot ging Malmaison zu den Lecoultcur und Canteleur über. Jacques Delille verbrachte dcn Sommer dort und über setzte in dem Schlosse einen Theil von Virgil's Gcorgica. Josephine hatte den Kovs ihres Mannes aus dem Schaffet fallen sehen; sic selbst war im Gefängnisse. Tallien befreite sie; Barras be wirkte die Zurückgabe ihrer Güter; sie vergaß diese Dienste niemals. Sie «ar eben so gut wie zärtlich. Herr bhanörier, der ste schon sehr jung gekannt balle, führte ste »ach Croissv, i» der Nähe von Chaton. Er halte in diesem Dorse wi» kleines hübsches HauS, wohin die junge Witlwe mit ihren beiden Kindern, Eugen und Hortensia, sich flüchtete. Eugen lernte das Tischlcrbandwerk; Hortensia klöppelte Spitzen; sic mußten ja leben und arbeiten, sich überall Freunde verschaffen und HulsSqucllcn eröffne». Enge» bat dcn Tischlermeister von Croissv nie mals vergessen und in seinem Testament ihm eine Pension ausgesetzt, die ihm noch jetzt ganz regelmäßig gezahlt wird. Aber »ach der Schrcckcnszeit suchte man sich an Eleganz und in Vcrzuügungc» zu übertreffen; cS waren viel Tbränm vergossen worden, »n» wollte man wieder lachen. Mit unglaublicher Schnelligkeit gingen die lebhaftesten Aufregungen vorüber; Begebenheit drängte sich an Bc- gebenheit; die eine machte immer die andere vergessen; die Gemülber waren von seltener Beweglichkeit; Bälle wurden in Paris und in dcr Umgegend gegeben; man war lange genug traurig und finster in scincm Hause geblieben und batte für sich und für die Seinigen gefürchtet, ebne aber den Mutb zu baden, es zu gestehen; die Herzen waren ge preßt, alle Energie niedergedrückt; Blut mischte sich in die Tbränen, lödtliche Kälte in den Schweiß; aber man trocknete diesen und stillte jene. Dafür beiurste man auch jetzt der Ruhe und der Lust. Uebcrall erblickte man Spazicrcngchcnde, die sich die Hand reichten und aus- ricfen: „Ah, Sie sind cs! wie froh bin ich, Sie wiederzusehcn; ich glaubte Sie lobt.".... Barras gab glänzende Soiröen, in denen Josephine strahlte. Auch Bonaparte wurde eingcladcn, und kaum hatte er mit dieser Frau ge sprochen, so herrschte sie allein über scinc Seele. Sie heiralbctcn sich;