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gleich seine Pseise anbol, was er bis jetzt nicht geihan. Zn demselben Augenblick trat aber mein Bedienter mit meiner eigenen Pseise ins Zimmer." Bellassen wir schnell diesen diplomatischen Salon, um die tLskorlc ciiljiihoicn, die uns nach Berber geleiten soll. Ihr Befehls haber, der Schlich der Ababdö, so munter und höflich wie ein Mann, der uns brandschatzen will, ist tin sehr schöner Afrikaner von regelmäßi- gen Zügen, elegant gekleidet und mit schneeweißem Turban. Unter sei ner Leitung komme» wir wohlbcschützi j»s Nilthal. Denke dir nun, weither Leser, zur Rechten und Linket, eine une bene Wüste, «ine Wüste aus rachem Sande, blitzend in der Sonncn- glut, überwölbt von einem wolkenlosen tiefblauen Himmel, und hin und wieder mit schwarzen oder braunen Felsen gleichsam gesprenkelt. Mitten durch diesen Elulsand strömt der majestätische Nil in einer Breite von einigen hundert Klaftern. Bald brechen sich seine Wellen an Grcmil- felsen, die aus seinem Belte omporstrebcu, bald gleiten sic ruhig dahin und enthüllen unseren Blicken lange Sandbänke, auf denen das scheußliche Krokodil schlafend ruht. Der Nilfirom zeigt sich hier wie ein breites Silberband mit einer schmalen Einfassung von frischem Erün. Er ist launisch auf seinem Lause, mag er nun, zwischen hohe Mauern ein geengt, mit Pfeilesschncllc dahin stürmen oder sanft und schmeichelnd grüne Inseln umspülen, unlcr denen besonders die Insel Argo mit ihren 22 Dörfern, ihren merkwürdigen Ruinen, ihrer dicksten Beschattung und üppige» Vegetation Erwähnung verdient. Aber jener malerische Nil, die dunkeln Felsen, welche oft an seinen Ufern hinzichen, und das'schmale gesegnete Thal, seine Schöpfung: alles dies fesselt die Aufmerksamkeit lange nicht in solchem Grade, wie die riesenhaften in Felsen gehauenen Tempel-Trümmer. Diese stehen ge wöhnlich nicht auf kultivirlcm Boden und verdanken einen Theil ihres hehren Anblicks der Nacktheit und Monotonie ihrer Umgebung. Die Meisten derselben sind von Gau, Caillaud, Burckhardt und Hoskins be schrieben worden. Wir erkennen sie als Schöpfungen der alt-Aeqpptischen Kunst und wissen sogar von einigen dieser Tempel, was für Könige sie erbauen lassen. Die zerstörten Tempel bei Ibrim wurden nach Ehampollion auf Befehl Tulhmosis des Ersten errichtet; Tnth- mosis der Drille ließ die Tempel bei Scnnö, Amada und Tümas erbauen; und der von Athor knüpft sich an den Namen der Gemahlin Scsostris' des Großen. (Fortsetzung folgt) England. Die Poesie der Bewegung. Bon einer Engländerin. Nicht ohne Seufzer bedenke ich, wahrend ich diese Zeilen schreibe, das, Einsachheit und Volksihümlichkcit — zwei Tugenden, aus die wir früher mil Recht stolz sevn dursten — sich immer mehr von uns ent fernen. Scheint es doch, daß ich selbst meinen Gegenstand nicht geradezu heraussagen kann, und daß ich weine Zuflucht zu einer umschreibenden Phrase nehmen muß, anstatt meinem Leser unumwunden zu erklären, daß ich im Begriffe bin — ihn zum Tanze zu führen. Gul! es ist jetzt heraus, und ich will nur bedacht sehn, ihm zu zeigen, daß ich keine ganz ungeschickte Tänzerin bin. Sehr empfehlen wird mich freilich mein Geständniß nicht, daß ich die Zeil, welche man der Existenz der Na tional-Tänze Englands, Schottlands und Irlands zügcstandcn hat, überlebt habe. Das Mcnuet, der Contretanz, die Hornpftisc") sind den Französischen Louvre'S, Colillo»'S und Allemande», einer Französischen Berstummclung des Deutschen Walzers, gewichen. Diese machten wieder den Schottischen und Irischen Reels Platz, bis sie bald von der Qua drille verdrängt wurden, und diese letztere schwebt jetzt in der Gefahr, dem Deutschen Walzer ihren Platz räumen zu müssen. Haben wir aber auch unsere verlorene Nationalilät zu betrauern, so brauchen wir doch nicht zu fürchten, daß es dem Tanzlustigen an Borralh und Abwechselung fehlen werde; denn der große Noverrc rälh mit Recht de» Kunstler», neue Quelle» für ihre Kunst in de» Ge bräuche», Gewohnheiten und Sitte» der Völker zu suche». „Ich rathc ihnen", sagt er, „fremde Gegenden zu besuche» und die Völker in ihren Wohnsitzen zu beobachten. Sie werden crfabrcn, daß AngoulLmc das Vaterland des Mcnuet, die Auvergne das Balerlaud der Bourröe isi; i» Lyon werden sie die Heimat der Gavolle, in der Provence die des Tambourins finden; und wenn sic erst zu den Baske» und Spaniern dringen, welchen Lohn würden sie nicht in der Anschauung der Chaconne und noch mehr des reizenden Fandango finde»? In Deutschland wer den sie wieder m eine neue Well von Tänzen emgehcn; in Oesterreich, Böhmen, Mähren, und vorzüglich in Ungarn, werden sic von den man nigfaltigsten Bewegungen, Aliilüden lind Figuren, die alle der Ausdruck einer remeii und freie» Lcbcnsheilerkcil sind, in Erstaunen gesetzt wer den. Sachsen, Pole» lind Preuße» werden. ih»e» die nachahmungs- werthesten Muster liefern; sie werden bald erfahren, daß unsere alten Sarabanden und Couranten direkt von Krakau zu uns gekommen sind; und würden sie erst Rußland besuchen, so würde» sic in jeder Gegend des ungeheuren Reiches neue Gemälde für ihre Kunst entdecken!" Doch uusert National-Tänze sind dabin! Und zeigt ihr Ver schwinden nicht auch einen Wechsel unserer Sillen? Vor vielen Jahren wurde der Geburtstag der Königin Charlotte, tugcndhastc» Andenkens, durch eine» Ball gefeiert, bei welchem die Schöne» und Elegants des HoscS ihre reizende» Formell und ihre Geschicklichkeit durch Mcnuels und Coiilrcläiize zur Schau lruge». Sir Christopher Halton gewann bei der Königlichen Jungfrau und ihren Dame» nicht weniger durch seine Graviiäl im „Pavan" und feine Gewandtheit im „Galliard", als der Prinz George von Wales über unsere Herzoginnen und Gräfinnen durch die Tänze seiner Zeit. Sir Thomas Elyol gicbt unserem Eng- *) Hornpsetse beißt ein an den nordwestlichen Küsten Englands üblicher Volkstanz. In Deutschland kennt man ihn unter dem Ramen Hornvipa oder Matelotte. .8 tischen Tauzc gar eine mystische Bedeutung; er sagt nämlich, eS scy zwischen dem tanzenden Paare auf nichts Geringeres als auf die Ehe abgesehen, und der Tanz seh deshalb eine der chrwüldigsten Sitte». Würden jetzt unsere Mütter es wagen, einen Ball in ihrem Hause zu veranstalten, wen» man noch an die Auslegungen des Sir Thomas dächte und den Ball als eine Einleitung zur Berhciralhung der Töchter ansähe? Sir Thomas erwähnt der Tänze Braute, Bargenell, PauyonS, Turgyon und Nound, welchen wir noch aus Shakespeare den Fünftrilt und Coranto hinzufügen können. Lom Pavan ist jetzt jede Spur ver loren, sei» Namc beulet darauf hin, daß er edel gewesen scy» muß. Sir John HawkinS sagt: „Der Pavan, von Pavo (Pfau), ist ein ma jestätischer Tanz; die Herren trugen dabei Hut und Degen, hohe Beam ten waren in ihren StaalS-Uniforme», Prinze» i» ihren Mänteln; die Damen trugen Prachtkleider mit langen Schleppen, deren Bewegung beim Tanzen dann dem Radschlagen des Pfauschwanzcs glich. Die Spanier sollen diesen Tanz erfunden habe». Erufsincau sagt, daß die Tablaiur des Pavan in der Orchesographia des Thoinet Ärbcau sich fände. - Wir batten einen besonderen Aenuet sie la eouo, und Noverrc erzählte, daß er den Hofdamen diesen Tanz auf folgende Methode ge lehrt habe. Er befestigte an das Mieder der Dame ein Tilch von 12 Ellen, und in diesem mußte sie sich hin- und herziehen lassen, bis sie es durch kunsivollc Sprünge dahin gebracht halte, von diesem Anhäng sel nicht mehr belästigt zu werden, ohne dem Anstande und der Hal- luiig des Kopses zu schaden. Das Mcnuet war voll Anmulh und Ga- laulcrie; die Verbeugungen, womit cS begonnen und geschloffen wurde, und jede Bewegung dcr Thcilnchmcr warn, voller Würde und Ehrer bietung, und gewiß ist das Vcrhältniß zwischen diesem Tanze und der Gallopade wie das Vcrhältniß eines Riners zu einem Rotzjungen. Die Englische Nation erkannte das sehr wohl, und das Mcnuet war das allgemeine Studium. Alle Bälle wurden mit diesem Tanze eröff net, und 12 Jahre lang mutzte ihn Noverre aus dem Drury-laue fast jeden Abend lcmzen. Die Höst Elisabclh's und Charlottens waren nicht die cinzigen Höfe, wo man sich durch den Tanz ergötzte, und von Sir Christopher Hatton bis zu Lord Henry Petty herab haben StaatSmänlier nicht nur in der Politik, sondern auch auf Bälle» manchen Schritt gewagt. Man be trachtete den Tanz nicht bloß als eine anständige Hebung, sondern auch als eine nolhwcndige Erholung von den gewichtvollcn Geschäfte» des Tages, dcne» sich richterliche Beamte u»lerziehen mutzte». ES ist »och nicht lange her, daß die Richter noch pflichtmäßig jede» Lichtmetzlag in der Sergeant's-In» tanzten. Ja, cs crschien einst eine Verordnung, vermöge welcher dH sämmtlicheu Sachwalter aus dcr Zunft gestoßen werden sollten, weil sie nicht nach alter Sitte den vorhergehenden Lichtmcßtag getanzt halten. Warum mußte diese Sitte aufhörcn! Welche Wonne wäre es für unsere jungen Juristen, Lord Brougham m einem Pavan, Lord Lyndhurst in einem Galliard sich brwegeii zu sehen, Lord Denman einen BargcnM, Lord Abmgcr einen Coranto produzier», die Richler Park und Patteson im sio« ä sin« und den Richter Gastier im z>as seul zu sehen, während dcr wcge» stilles Alters von Ihätiger Theilnahmc befreite Lord Eldon nur dabei stp» müßte, um das Fest durch seine würdevolle Gegenwart zu weihen und dann und wann einen Wink sreulidlichc» Beifalls zu geben. Lasset uns nun vom Königlichen und Gerichts-Hose aufs Land gehen und fragen, was aus dem Contretanz geworden ist. Hört man »och etwas von ihm? wer weiß mehr etwas von dem sogenannten Kisscntanz und dem Sir Siogcr de Coverlev, mit welchem jede Weih- nachls-Gesellschaft ihre Vergnügungen beendigte? Ach, dcr Contretanz hat seine» Todestanz gehabt! Und dennoch war er nächst dcr Horn- pfeise dcr einzige echt-Englische Tanz. Die Hornpfeife (der Tanz) hat den Namen von dem beliebten Instrumente, das dabei spielte, aber die Benennung: „GolloZe llornniiie" zeigt an, daß dieser Tanz einst zu den Ucbungen aus dcr llnivcr>ilat gehört habe. Ehemals wurde er voll Parrisot lind Miß Gavton auf dem Königlichen Theater verherrlicht, wie sich »och viele alle Besucher dieses Theaters zu erinnern wissen werden; jetzt stellt ihn bloß dcr geistvolle T. P. Cook auf dcr Bühne dar, außerdem sicht man ibn noch in den Schenken der Seehäfen und auf den Bällen, welche die Tanzmcistcr auf dem Lande veranstalte». Bei der Erwähnung der Tanzmeister-Bälle müffcn wir bcmcrkcn, daß diese der einzige Kreis sind, in welchem das gegenwärtige Svsiem Verbesserungen hervorgebracht bat. In London Hal eine falsche Philo sophie des Geschmackes diese öffentliche» Proben dcr Geschicklichkeit ver drängt und neuere gekünstelte Leibesübungen an die Stelle dieses zwar langsamen, aber sichere» und festen gvmnastische» Systems gesetzt. Dcr alte Schlendrian dieser Tanzmcistcr-Bälle war sowohl wegen der dabei ausgcführten Tänzc, als wegen der Anzüge dcr junge» Damen und Herren ein auserlesenes Bild dcr Lächerlichkeit; jetzt vcrbält cs sich da mit ganz anders. Die beste Methode und schönste Variation waltet dabei; von dem schüchterne» Versuch ciucS zis« seul bis zur Bereini gung von 20 bis 30 sterbliche» Sylphiden und Fccn herrscht in Figur, Bewegung und Gruppirung die schönste, den Zuschauer bezaubernde Harmonie. Anmutb und Gefühl sind jetzt unlcr dc» Engländcr» (we nigstens nnker den Englischen Kindern) nationalisirt; sie cnllch»en sic von den Tänzen des ganze» Europa, von den Genie» der Lüslc und von den Gebilden der Mythologie. Das stattliche Menuet in Beglei tung der Gavotte führt uns ein Bild dcr schönsten Tage des alten Frankreichs vor; in der moderne» Quadrille scheu wir cüi schöaes Ideal der Belustigung seiner Landleute an einem Festtage; die tiese Sentimentalität des Gcrmaniscbcn Charakters tritt im Walzer vor unse re» Augen auf; imd welche Gefühle knüpfen sich an den Masurck Po lens? Er ist so leicht, kunstlos, schwebend, elegant und doch so musi kalisch erakl. Er gleicht dem Tanze üppiger und roch unschuldiger Nym phen, die Grazie mit Fröhlichkeit verbinde»; kurz er verbindet das, was