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Wöchentlich erscheinen tret Nummern. Pränumermions- Prel« 22j Se,r. (si Thtr.) merteliährlich, 3 Thlr. kür ba» ganze Jahr, ohne Er- köhiing, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. für die Man »ränumerirl aus dieses Beiblatt der Mg. Pr. StaalS- Zeitung in Berlin in der Expedition (Mohren - Straße Nr. 3i) in der Provinz so wie im Auslande bei den Wohllöb^. Poft - Äemttrn. Literatur des Auslandes. 80. 1836. Berlin, Montag den Juli Afrika. Neueste Reift nach Nubien. Noch manches Jahrhundert wird voriibcrgehcn, ehe das Inlcreffc, welches die Denkmäler Aegyptens und Nubiens erregen, erstorben ist. Ein mystischer Schleier deckt noch den Namen ter Völker, die sie er bauten; allein dieser Schleier wird mit jedem Tage durchsichtiger. Schon bat jene Reihe von Tempeln, Gradmäicrn und Pyramiden, welche mehr als zweihundert geogr. Meilen lang an den Gestaden des Nils sich ausdcbnt, durch die (theilweisc) Entzifferung der Hieroglyphen historische Bedeutung erhallen, und die Geschichte Aegyptens und Aethiopicns ist uns jetzt bekannter, als sic den Griechen und Römern war. Der Name Mcroe war noch zu keinem Griechischen Ohre gedrun gen, bevor Hcrodol seinen Landsleuten erzählte, was er durch die Priester zu Memphis von diesem allen Reiche erfahren batte. Auch gefielen sich die Geographen des AltcrthumS darin, solche Fabeln und Wunderdinge, die in bekannteren Regionen keine zweckmässige. Stelle mehr sande», »ach Aethiopien zu verlegen. Elephantine bildete schon in Hcro- doi s Zeitalter die Gränzc Aegyptens. Hier war auch das unüber- tchrittcne Ziel der Persischen Eroberung. Die Ungliickssälle, welche daS Heer des KanibyseS bcimsuchten, leiteten Aethiopicns Unabhängigkeit, und so bildete sich die erste Markscheide zwischen dem unlerworftnen Aegypten und den Nubiern, welche dem Kultus, den Gesetzen, den Künsten und Sitten treu bleiben konnten, die sic seil der Pharaonischen Zeit mit den Aegypten, gemein hallen. Dieselbe Gränzscheide zwischen beiden Ländern bestand auch unler dec Herrschaft der Ptolemäer, und die erste Katarakte des Nils war immer der Markstein der Römischen Herrschaft. Plinius, Strabo und Ptolemäus bezeugen uns zur Genüge, wie wenig man.in jener Periode mit den Ländern im Süden AcgyplcnS bekannt war. Eben so unermüdel im Erobern, wie die heidnische Roma, aber Mehr vom Glücke begiinstigl, brach daS Ehristcnlhum sich Babn durch das obere Nil-Thal. Die grosse Menge antiker Tempel, welche in Kirchen nmgcschaffcn wurden und noch jctzt Griechische und Koptische Inschriften tragen, giebt uns einen Begriff von der einstmaligen weilen Ausbreilung des ChristculhumS in jenen Gegenden. Nie christliche Re ligion behauptete ihren Einfluß bis zum Ende des I3lcn Jahrhunderts, jun welche Zeit die Muselmänner Aegyptens, eine geschwächte und von jeder auswärtigen Hülse entblösste Nation leicht überwindend, Nubien den Slrcifzügcn der Beduine» öffneten. lieber NubicnS Zustand im Mittclalter wurden wir schr geringe Notizen habe», wenn Makrisi aus dem ältere» Werle Ibn Se lim's nicht viele interessante DRumcnlc ausgezogcn Halle, ans deren Wichtigkeil Burckhardl aufmerksam gemacht und die fast sämmtlich den Acgvplc» zunächst liegenden Theil NubienS betreffen. Dann müssen wir erci Jahrhunderte überspringen, um einen Europäer in das Innere dieses so schwer zugänglichen Landes zu begleiten. Im Jahre 1098 begaben sich dcr Französische Arzt Poncet und der Pater .Lavier de Brcvcdcnl durch die Oasen' NubicnS und Sennaar'S nach Gondar. Fünfzig Jahre später fuhrt uns Norden nur bis Derr. Mil dem Schollen Bruce sehen wir die Nubischc Wüste wieder; allein dieser wirft nur einen flückligc» Blick auf einige alle Monumcnle und erzählt von dem Russischen Nil-Thale sehr wenig Erst mil Anfang des I9len IahrhundcrlS beginnt die wissenschaftliche Ausbeutung des aiten Aelhio- vienS. Europa verdankt diese Bortheile einem Muselmann. An den Fersen des Sohnes Mehmed Ali's, unter seinen Generalen und Heeren von ihm geschützt und geschirmt, überschrcilcn jetzt Dcnlschc, Engländer und Franzoscn die Katarakten und lassen sich ans den Trümmer» des aiten Mcroe nieder. 'L cgh war^ einer dcr Ersten auf dieser Bahn voll Forschungen, Gefahren und Abenteuer». Durch die Pest von der Lcvanlc zuruck- zescheucht, wendet er sich 1813 nach Nubien, dring! bis Ibrim vor, dem alten Lande dcr Blcmmycr, und begegnet aus seiner Rückkehr dem edel» Burckhardt, diesem wahrhaft grossen Deutschen Reisenden, dcr alle seine Vorgänger weil hinter sich zurücklasscn sollte. Bon cincin Wegweiser und zwei Dromedaren begleitet und mit All Franken in dcr Tasche durchwandert Burckhardt eine» Raum von AüO Cmgl. Meile»; drei Mal und in drei entgegengesetzten Richtungen kreuzt er NubicnS Ebenen; er besucht die großen Märkte von Berber und Tschcndi; Nichts entgeht seinem allseitigen Forschergeiste. Dcr klassische Rciscbcrichl des unsterblichen jungen' Schweizers versetzt unS in das alte und neue Nubien: Denkmäler, Landschastc», Bölkcrstämmr, Sillc», Sprache, Handel und Industrie — Nichts ist vergessen, und in jedem Gebiete erkenne» wir den Silberblick des Genies wieder. Man kann wohl sage», daß Burckhardt die Länder, die er besucht, zum zweiten Male entdeckt hat. Ein anderer Rcisc-HeroS, der geistig uud körperlich gewaltige Bel- zoni, wollte de» Ruhm, die archäologische» Forschungen seines Freun des Burckhardt fortgesetzt zu haben, keinem Andere» als sich selber gönne». Bald hat er den durch Burckhardt entdeckten schönen Tempel von Ebsambul erreicht; sein Feuerciser, seine Schlauheit und'Riesen kraft brechen ihm Bah» durch alle Hmdermffe. Zwei,»al täuscht er die .Habsticht dcr Arabcr; sie muß ihm bei seinem große» Unternehme» hel fen; drei Sandhügel werden weggeräumt, und die Sonne beleuchtet ein mal wieder, nach so viele» Iahrbundcrlcn lies« Finstcrniß, das In»erc des MottumcntcS, die großen Säulenhallen, die« zahlreichen Skulpturen und die Gemälde, so srisch und lebendig, als hätte dcr Künstler erst gestern Abend die letzte Hand daran gelegt. Ebsambul, dies schöne Denk mal dcr anlikc» Kunst, wird dem staunciidcn Europa wieder enthüllt, und dcr Oberst Strato», dcr cs mit malhcmalischcr Ecnauigkcil anS- mißt, gicbl uns den Bollgenuß des Ganzen wie des Einzelnem Die fernere» archäologische» Arbeiten Belzoni'S in Nubien geben ihm neue Ansprüche auf die Erkenntlichkeit dcr AllerthumSforschcr. In Belzoni'S Fußstapscn traten zunächst Waddington und Han bury, da»» Gau, und als gelehrte Forscher Cbampollio» und Rosellini. Da»» betrat Eaillaud diesen klassischen Boden; er drang weiter vor als alle bisherige Reisenden, indem er das Nilthal bis in die Nähe des Ivie» Grades N. Breite erforschte. Dcr neueste Reisende ist Herr HoskinS, ein Engländer. Nachdem Hcrr.HotkmS schon ein Jahr an den Ufern des Nils ver weilt Halle, entschloß ec sich am I. Februar 1833, weiter im Süden vor- zudringen. In Theben, wo er kurze Zeit verweilte, überlegt: er sich die Sache noch einmal. Soll ich nach Mcroe gehen? Soll ich nach London zurückkebre» ? so dachte er i» einem jener Augenblicke, wo die -Erinnerung an das Hcimaihland und dcr Zauber unbekannter Regionen den Reisenden unschlüssig macht. Die Ankunft Bandoni'S, eines talent volle» Iialiättischcn Zeichners, bestimmte ihn endlich, dem Lande Nubien und scuicn Denkmälern den Vorzug zu geben; er wollte nicht eher »ach England zurückkebren, bis er seine» Landsleuten das ganze alle Aelhio- picu in seinem Portefeuille mitbrinzen könnte. Herr HoSkins irrt sich aber, wenn er behauptet, sänimtliche Monumente Nubiens scycn durch seine Vorgänger ungenau gezeichnet worden. Ohne Zweifel waren ihm dic Zeichnungen Gau's, Caillaud'S und Roscllini'S gar nicht zu Gesicht gekommen. ES ist in dcr That verdrießlich, daß er mit einer schon ser- ligcii Theöric und mit ganz firen Idee» über historische Punkte, deren Aufhellung wenigstens erst von seiner Untersuchung abbing, dic Reift untcrnommen. Dennoch solgrn wir gern einem so kühnen und geistrei chen Führer, der sich im Ganzen nur sielten täuscht, und dessen Beob- achtniigcn eben so maunizfalng als interessant und belehrend sind. Wenn du, geneigter Leser, »och niemals in dcm Salon eines Tür kische» oder Acghptische» Befehlshabers in -Nubien Aufnahme gesunde» hast, so erfahre zunächst, was man lhnn und lasse» soll. Beim Eiil- Irclen braucht dcr Rciscnde nur ci»c lieft Reverenz zu machen und seine rechte Hand aus dic linke Seile der Brust zu legen. Darauf läßt er sich mil unlergeschlagcneii Beinen auf dem Divan nieder, macht kauernd eine zweite Verbeugung inid fährt, wen» sein Wirth von schr hohem Range ist, mil der rechten Hand erst nach dem Munde und dann nach der Slirn. Jetzt beginne» die Komplimc»tc des Türkei,: „Wie befindet Ihr Euch? — Was sür ein schöner Mam, scyd Ihr! — Welch schöner Bart! — Ihr gleicht einem dcr Unsrigen! — Scyd willkommen und cmpsanget meinen Dank!" Sofort dringt man dir ein Täßchen Kaffee nebst Pfeife. Bist du eine vornehme Pcrscm, so läßt dich dcr Wirch aus seiner eigenen Pseife rauchen. Ist er kein Beamter von hohem Rang, so crsordcrl die Höflichkeit, daß er sich bald von seinem Sitze erhebe; doch erlaubt ihm sein Stolz diese Aufmerk samkeit gegen einen Fremde» nur selten. Alle Türken haben eine ge wisse Grandezza in ihrem Benehmen, oder sie wisse» sich diese Gran dezza leicht anzueigncn. Sogar sreigclassene Sklaven, dic sich zu Rang und Würde empvrgeschwungcn, zeigen dieselbe vornehme Ungezwungen heit, wie Leute, die von Kindheit an zu befehle» gewohnt sind. Die Arl vo» Erziehung, welche darin besieht, daß man einen Bries von vier oder fünf Zeilen nothdürflig lesen kann, macht keine Demarcatious- Linic; denn dieses Talent fehlt mehr als einem bedeutenden Ehes ganz und gar. „Ich überreichte" — so erzählt HoskinS — „meinem Nasir den Ferman des Pascha'S; rr küßte ihn, wie eS herkömmlich ist, und fuhr damit nach sci»er Stirn, woraus ibn, ein Koptischer Schreiber den Inhalt vorlas. Kaum balle der Schreiber gecndcl, als der Nasir mir