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«,28 Kajütendielc zerbrach. Mehrere Sacke desselben, jeder gegen lOV Pfd. wiegend, waren ans die Backbords-Hängematten geflogen, und einer sogar gerade ans das oberste Schrankbrcil vom Büffel des bomman- deurS. Die Ankerkelten, weiche zusammengerollt und in ihrem Behält- »iß ausgeschoffen waren, waren alle drei in einem sonderbar verwirrten Zustande aus das untere Verdeck geworfen und mehrere Tonnen aus dem Raum hcrausgespült worden; zu diesem nun noch der aufgerührte Schmutz, mit Stroh, Kohlen, Papier, Seetang vermischt und Alle« in großer Masse auf dem Werbeck umbergestreut liegend, wachte unsere Wohnung unten eben nicht sehr angenehm, besonders wenn man noch hinzufügt, daß wir unsere Kleider während der Zeit, die wir auf dem Wracke waren, weder wechseln noch trocknen konnte». Herr HobbS, Schiffs-Secreiair, verdankt sein Leben, nächst Golt, dem Hercinstürzcn des Ballastes in seine Kajüte, denn er konnte seine Kammerthür nicht offnen und konnte nur aus demselben Wege, auf dem der Ballast hereingekommen war, hinauskommen. Nachdem wir gesunden hatten, daß der Kutter unten wie oben Wrack war, daß aber der Kompaß unzerbrochen und viel Plankcnwerk noch in dienlichem Zustande war, dachten wir daran, den Klüverbaum auf den Stumpf des großen Maste« zu setzen, welches wir auch glück lich vollendeten, indem wir Kohonägel als Tritte in die Sparren trie ben, und nun bemühten wir uns, Feuer anzumachcn, weil es außeror dentlich kalt war, wa« uns ebenfalls gelang, obgleich nach vieler Mühe, indem wir etwas Werg durch Neiden mit den Händen trockne ten und cs unter die Pfanne des einzige» trockenen Pistols an Bord legten. ES war ordentlich eine Erquickung, die Flamme zu sehen, die, einmal brennend, wie das heilige Feuer im Tempel, nicht wieder auS- gclöscht wurde. Dieser Erfolg brachte eine andere sehr natürliche Zdeen- folgc zu Wege. Neber der Gallerte hing eine Anzahl tüchtiger Schöp- senkculen, die für Leute in Lissabon zum Geschenk bestimmt worden wa ren, noch wohlbehalten und lockend an ihrem Platze; von diesen berei teten wir u»S, da der Fischkcffel, mit dem ter Kutter ausgeschöpft wurde, gerade zur Hand war, ein warme« Essen, welches un« Allen sehr wohl «bat. Nach unserem Mahle brachte un« der AuSgucker Alle stürmend aus da« Verdeck mit dem erfreulichen Ausruf: Ein Segel! Ein Segel! und richtig, es war eine Brigg, leewärts sichtbar. Unsere Sache war cs nun, das Schiff vor den Wind zu bringen und vor Allem die Ta kelage wegzuschaffen. Die« war bald gethan, und Keiner bedauerte c«, obgleich sie uu« sehr nützlich gegen die Sturzwellen gewesen war; doch traf uns noch die Unannehmlichkeit, einen oder zwei unserer armen Bursche in das Takelwerk verwickelt zu sehen, wenige Fuß unter Wasser. Nachdem die Sparren über Bord gegangen waren, bewegte sich der Kutter fort und machte gegen zwei Knote» Wasser auf die Brigg zu. Uuserc einzige Kanone ward losgemachl, die Pulverkammer auf- gebrochen und die Munition in gutem Instante gesunde». Wir gaben Feuer, und e« gelang uns, die Aufmerksamkeit de« fremden Schiff« zu erregen, da« auf uns zusteucrte und gegen acht Uhr Abende in Sprcch- weiie kam. ES war ein Franzose, ter sehr theiluchmend bei unserem Mißgeschicke war; ter Capilain erbot sich, gern zu Ihun, wa« in seinen Kräften stand. Er halte nur ein Boot, welches an Bort war, und e« wäre schwierig gewesen, es bei so hochgebender See auszusetzcu, doch wollte er sich alte mögliche Mühe geben, die noch am Lcdrn Befindli chen, wenn sie da« Wrack verlassen wollten, aus demselben abzuhole». Die« schlugen wir ihm, nach einer kurzen Bcralhung zwischen dem Kommandircnden und den ersten Offiziere», höflich ab, worauf ter Fran zösische Eapilain un« versprach, bl« zum Morgen sich bei tcm Wrack zu lcgen und ein Licht zu zeigen. Gegen Mitternacht kam eine andere Brigg auf, welche, al« sie un« zu Gesicht bekam, auf Sprechwcite hcrankam und sich al« eine Engli sche kund gab. Sie ließ ohne Weitere« die Hcckjollc aussctzcn, aber wir konnten bemerken, daß eine« der Scnktaue ans dem Blocke glitt; dennoch glaubten wir, daß da« Boot da« Wasser erreicht hätte, und hielten einen Mann mit einem Tau bereit, um cs an unseren Bord zu schleppen. Aber e« erschien kein Boot,-und ungefähr »ach einer Stunde holte u»s die Brigg an und meldete, daß da« Boot mit zwei Mann unlcrgegangcn wäre, daß sie aber bi« zum Morgen in der Nähe bleiben würde. Al« der Morgen anbrach, brachte er leider einen stärket, Südwest- wind mir nassem, trüben Weller und hoher Sec. Wir sahen unsere beiden Freunde in der Enlsernung, sie aber erblickleu un« nicht und hielten sich sern; Alle«, was wir lhun konnte», war also, un« aus un sere eigenen Kräfte zu verlassen. Wir banden also den Boots-Teleskopen an den Knorren tcs Bugspriet«, zwei Mann am Steuer, und ein Offi zier sah nach vorn an«. Der Wind trieb un« England zu, wir mach ten ungefähr zwei und eine halbe Meile die Stimtc und genösse» einige Ruhe, wenn man unseren Zustand so nenne» will; aber es gab Augen, die sich nicht schließen, und Gefühle, die sich nicht beschwichti gen konnten. Al« diese Aussicht auf die noch erschöpfte Bemannung cinstürmte, als der Sturm brüllte und die Scc über unsere» zersplitter ten Stern zusammenschlug, al« man betrachtete, daß noch neunzehn Men schenleben, die crst vor wenigen Stunden i» verhältnißmäßige Sicher heit hätten gebracht werden könne», ein Spiel des Winde« und der Wellen in einer hülflosen Barke umbertriebcn, müssen die von diese» Gedanken erzeugten Qualen fürchterlich gewesen sevn ; und wen» es Augen blicke gicdt, in denen ein Offizier erwägen darf, daß sein Pflichtgefühl seine Klugheit überwogen hat, so sind es gewiß solche, wie diese traurige Begebenheit sie bervorgeruse» hat, wie sehr auch eben die,er Offizier über seiiien glücklichen Erfolg späterhin, in Sicherheit, sich frcuen und Beifall ärndlen mag. An, zistc» ward der Wind schwach, ließ aber eine hoble See, — ein starke« Kräuseln, wie bei der Fluch oder einem Strome, ward auf dec Oberfläche bemerkbar. Nach muthmaßlicher Berechnung befanden wir uns in der Nähe von UShant und fürchteten uns sehr vor den Heiligen (Klippen und Strudel). Wir machten un« Senkbleie, indem wir mehrere Kugeln in eine Segelleincwand nähten und über Bord ließen; unsere Vermuchung bestätigte sich. Wir schickte» einen Mann auf den Stumpf de« Maste«, der auch, trotz de« nebligen Wetter« um die Klippen, die Brandlmg an der Sieuerbordseite sah. Alle Leute arbeiteten nun auf Leben und Tod, eine der Ankertaukclten herauSzulan- ge»; jede Masche mußte einzeln losgemacht, jede« Kettenglied getrennt werde», ehe wir eine lange Reihe über da« Verdeck hinziehcn konnten. Das war ei» langweilig Stück Arbeit. Ich will keineswegeö bei Er zählung diese« traurigen Zustande« übertreiben, aber Gott weiß, und die, welche jene Angst gelitten haben, werden e« stet« fühlen, daß nur die wunderbarste Hülfe einer gnädigen Vorsehung sie erretten konnte; aber der Anblick aller Gegenstände unteu und be;onder« diese verwickel- len Ankertaukellen würden jeden Beschauer erschreckt haben. Wie diese Kelten 10 in einander verwickelt worden «aren, kann Niemand, selbst wenn man den Wellensturz über ein halb unter Wasser sichende« Schiff bei stürmischer Scc hinzurcchnet, begreifen. Gegen Mitternacht, al« wir beinahe unsere mühsame Arbeit vollendet hatten, also folglich nicht sehr heiter waren, sprang ein günstiger Wind aus und trieb mi« dem Kap Lizard zu. Am nächsten Morgen (am I. April Eharfrcitag) lachte uns die Aussicht, bald Falmouth zu erreichen. Unsere unglückliche kleine Barke machte ungefähr drei Knoten bi« gegen vier Uhr Nachmittag«, al« der Wind, der bisher stark von Süd-West geblasen hatte, eben so stark nach Nord - West umsprang. Um diese Zeit wurde» wir vo» einer andere» Art Gefahr geäng stigt; ein anderes Element bedrohte un«; als wir nämlich de» Back raum öffneten, um zu sehen, ob wir vielleicht noch etwa« Zwieback fin den könnten, schlug un« Rauch entgegen, und bei näherer Untersuchung fanden wir, daß die ganze Masse feuchten Brodie« heiß, beinahe ent zündet war; und dicht nebenan befand sich unsere, wen» auch wohlver wahrte, Pulverkammer. Diese Entdeckung war erschrecklich, aber keiue Zeit war zu verliere», und wir warfen Alle« über Bord. Der Wind trieb un« mm den Kanal hinaus weg von der Engli schen Küste, bi« zum Montag den 4ten, wo wir die „CaskelS", die In sel Alderney und ein Schiff in hoher See sahen. Die einzige un« vom Himmel gelassene Kanone warb wieder lo«gcmacht und abgefeuert, al« da« Schiff auf seinem Kur« nach der Rhede von Alderney sich un« näherte. Wir machte» uns bemerkbar und kamen in Sprechwcite; c« war die Sloop „Spccdy", von Southampton nach Jersey bestimmt. Unser Kommandirender prahle sic an, woraus der Eapitain Luca«, zu seiner Ehre sch es hier gesagt, sogleich ein Boot bcrabließ und es mit dem Auerbicie» seines Beistandes an Bord tc« „Quail" sandle; also- bald wurden die Seile herubcrgeworsen, und ehe zwei Stunde» vergin gen, war unser Kutter ins Schlepptau genommen. Am nächste» Mor gen (Dienstag den 5lcn) wurden wir bei Samt HelicrS Pier auf Zer- iev dicht vor Anker gebracht. Hier wurde uns jede nur erdenkbare Auf merksamkeit bewiese». Der Gouvcrmur (Gemralmajcr Eampbell) und seine Gemahlin behandelten uns mit der größten Artigkeit, so wie Ma jor Gosset von ter Schützenbrigadc und seine Gatlin. Der SchiffS- mannschasl wurdcu passende Quarlierc im Fort-Regent angewiesen, und dem Kommandircntcu samml den Offizieren stand die OsfizicrStascl der Schützcnbrigade offen; Zeder wetteiferte in Freundschaftsdiensten mit dem Anderen. Icugmffc wurden dem Schiffsvolkc gegeben und in we nige» Tagen gegen Z8 Pfund Sterling durch Sudscriptivn für die Wittwen und Waisen unscrec im Sturm verunglückten SchiffSacnossen jusammcngcbracht. Tausende besuchten täglich da« Wrack und äußerlen ihre Verwunderung über eine so wunderbare Rettung. Bei solcher Theilnahme und unler solcher sorgfältigen Pflegt kamen unsere verwnndclcn und erschöpften Matrosen bald wieder zu Kräften, und in zwölf Tage» ward der „Quail" vom Dampfschiff „Ariadne" nach Portsmouth geschleppt und zur rechte» Zeit abgelöhnt. Der General- Eommandeur, Sir Philipp Durham, wendete sich an die Offiziere und Mannschaft, drückte ihnen die Zufriedenheit Zhrer Herrlichkeiten über da« bei dem letzten Unglück bcwiescne Betrage» au« und versicherte dem Eommandeur, daß er gewiß behaupte» könne, Zhre Herrlichkeiten (die Ad miralität) würden ihn nicht vergessen, sondern ihm, bei Ablöhnung de« „Quail'«", einen Beweis ihrer Zusrirdcnbeil gebe». Sir Philipp hatte wahr gesprochen, denn die Admiralität bestallte gütigst (einige Lage vor Ablöhnung des „Quail") den Lieutenant Bisson zum Commandcur der schönen, neuen in Sdeerncß nach der neuen Methode de« Eapitain Symonds gebauten Brigg „Bouctia", mit der Erlaubniß, die Offiziere und den Rest von der Bemannung der „Quail" bei sich zu behalte», die ihm auch Alle, Man» für Mail», folgten. (I). 8. ä.) Mannigfaltiges. — Horace Vernet. Daß dieser ausgezeichnete Französische Künstler nach St. Petersburg gereist sev, ist bereit« von den poMische» Blättern gemeldet worden. Gegenwärtig wird auch noch hmzugcsügt, daß er wahrscheinlich ganz und gar in Rußland bleibe» werde, indem er die ihm von dem Könige der Franzosen ausgeiragenen Arbeiten für Ver sailles sämmtlich zurückgegkbcn und dagegen die Ausführung von vier großen Gemälde» — deren jedes er mit 50,OVO Franken bezahlt erhielte — für den Kaiser von Rußland übernommen habe. Da e« jedoch be kannt ist, wie rasch Horacc Vernet seine Kunstwerke aussührt — er soll bereit« über tausend Bilder gemalt und unter Anderem da« große Gemälde - Papst Piu« VIII. in der Basilika der St. Peters-Kirche" in sechs Tage» vollendet haben — so braucht auch au« der Ucbtrnabme diese« Auftrage«, den er in St. Petersburg ausführen will, noch nicht auf seinen bleibenden Aufenthalt daselbst geschloffen zu werden. HerauSgegeben von der Redaclion der ALg. Preuß. Staat«-Zeitung. Redigier von Z. Lehmann. Gedruckt bei «. W. Hayn.