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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Prönumer«üon«< Preis 22; Sgr. sj Thlr.) vierteljährlich, 3 THIr. für da« ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man »ränumerirt auf diese« Beiblatt ter Allg. Pr. StaatS- Zeitung in Berlin in der Expedition (Mohren - Straße Nr. 34); in der Provinz so wie im Auslände bei den Wohllöbl. Post - Aemtern. Literatur des Auslandes. 82. Berlin, Freitag den 8. Juli 1816 Frankreich. Mirabeau, Cromwell und Napoleon. Von Chateaubriand.") Durch die Wirren und Zufälle seine« Leben« unter die größten Ereignisse und in die Mine von Gcbrandmarkten, von Räubern und Abenteurern hiucingeworsen, besaß Mirabeau, dec Tribun dec Aristo kratie und der Abgeordnete der Demokratie, eben so viel vom Gracchus wie vom Don Juan, vom Catilina wie vom GuSman d'Alfarache, vom .Kardinal Richelieu wie vom Kardinal Netz, vom Wüstling der Regent schaft wie vom Wilden der Revolution; dazu kam noch, was er'von den Mirabeau« besaß, dieser verbannten Florentinischen Familie, die noch etwa« von jenen bewappneten Palästen und von jenen gewaltigen durch Dante gefeierten Parteien bewahrte; dieser in Frankreich natüra- listrten Familie, welche in einer Reihe von außerordentlichen Männern den republikanischen Geist de« mittelalterlichen Italien« mit dem Feu- dal-Gcist unsere« Mittelalter« vereinigte. Mirabeau « Häßlichkeit, auf die seinem Stamm cigenthümliche Schönheit gepfropft, machte au« ihm fast eine der mächtigen Gestalten au« dem jüngsten Gericht Michel Angelo «, de« Landsmann« der Arrig- hctli. °) Die Furchen, die von den Pocken aus dem Antlitz de« Red ners zurückgeblieben waren, sahen eher au« wie Brandmale, die die Flamme hinterlassen hat. Die Natur schien seinen Kopf für die Herr schaft oder für den Galgen geformt und seine Arme zur Erwürgung einer Nation oder zur Entführung eine« Weibe« zugeschnitten zu ha ben. Wenn er, seine Mähne schüttelnd, da« Volk anblickte, ward e« gefesselt; wenn er seine Tatze erhob und seine Krallen zeigte, entbrannte der Pöbel in rasender Wnih. Milten im fürchterlichsten Tumult einer Sitzung sah ich ihn in seiner düsteren Häßlichkeit unbeweglich auf der Rednerbühnc stehen; er erinnerte dann an Milton'« Chao«, ohne Ge, fühl und ohne Form im Mittelpunkt seiner Verwirrung ruhend. Zweimal traf ich Miradeau aus einem Bankett, einmal bei Vol taire« Nichte, der Marquise von Villette, da« anderemal im Palais- Royal in Gesellschaft von Depmirten der Opposition, mit denen Cha- pelier mich bekannt gemacht hatte. Ehapelicr wurd« auf demselben Karren mit meinem Bruder und Herrn von Malesherbe« nach dem Schaffst gefahren. Al« wir von unserem Diner weggingen, war von Mirabeau'« Fein den die Rede. Ich, ein junger schüchterner und unbekannter Mensch, hatte, ihm zur Seite gehend, kein Wort gesprochen. Da sah er mir mit seinen lasterhaften, aber geistvollen Augen in« Angesicht, legte seine stumpfe Hand auf meine Schulter lind sagte zu mir: ,,Sie (die Feinde) werden mir meine Ucberlegenheit niemals verzeihen!" Ich fühle noch den Druck jener Hand; es war mir, al« ob Satan mich mit seiner feu rigen Klaue berührte. Zu zeitig für ihn und zu spät für den Hof, bot Mirabeau sich diesem seil, und der Hof kaufte ihn. Er setzte seinen Ruhm gegen eine Pension und gegen eine Gesandtschaft ans« Spiel; auch Cromwell war nahe daran, seine Zukunft gegen einen Titel und gegen den Hosenband- Orden zu vertausche». Seine« Stolze« ungeachtet, schlug er sich nicht sehr hoch an; später bat der Ueberfluß an Geld und Stellen die Ge wissen im Preise gesteigert. Da« Grad entband Mirabeau seiner Versprechen und sicherte ihn gegen Gefahren, die er wahrscheinlich nicht zu besiegen vermocht hätte; fein Leben würde seine Schwäche im Guten aufgedcckt haben; skln Tod ließ ihm den Ruf seiner Stärke im Bösen. Cromwell halte etw«S vom Priester, vom Tvrann und vom großen Manne; sein Genius ersetzte seinem Vaicrlande die Freiheit. Er befaß zu viel Thalkrast, al« daß er im Stande gewesen wäre, eine andere Macht al« die (einige zu begründen; er vernichtete sowohl die Institut lionen, die er Vorsand, als die, welche er einführen wollte, so wie Michel Angelo den Marmor unter seinem Meißel zerbrach. Würde wohl der Besieger der Irländer und der Schotten, aus Napoleons Schauplatz versetzt, auch der Besieger der Kontinental-Bölker Europa'« geworden sev»? Cromwell hat keine Institutionen geschaffen, wie Bonaparte; er hat kein Gesetzbuch und keine Verwaltung hiuter- ') Au« dessen so eben erschienenem „Versuch über die Englische Litera tur" xur I» littrinure -ugixi'-« r rot), in welchem der Ueberseyer von Miltons k'-wE-tt! to»e die Gedanken und Betrachtungen über den Geist der Menschen, der Zeiten und Revolutionen niedergelegt hat, die in ihm auf- tauchten, als sein Genius wieder mit dem jenes Englischen Dichters in Be rührung kam. ") Arrighetti, woraus Riquetti qeworden war, hieß die Florenlinische Familie, von der die Mirabeau « abstammten lassen, wie die, nach denen Frankreich und rin Theil von Europa noch jetzt regiert werden. Napoleon trieb seine gewaltige Reaktion zu weil; aber er halte die Nolhwendigkeit, der Anarchie den Garaus zu mache», zu seiner Entschuldigung; sein kräftiger Arm ließ da« Schwerdt nur zu weit fahren, und so durchbohrte e« auch die Freiheit, die hinter der Ge setzlosigkeit stand. Die besiegte» Völker haben Napoleon eine Geißel genannt; die GolteSgeißeln behalten aber etwas von der Ewigkeit und Größe de« himmlischen Zorns, von dem sie auSgcben: Os-iu aristo, flabu xnbis «piritum, et vivelis. „Dürre Gebeine, ich will euch mit mcincm Hauch anwchen, und ihr werdet leben." Dieser Hauch oder diese Kraft hat sich in Bonaparte offenbart, so lange er leble. Aus einer Insel geboren, um wieder auf einer Insel zu sterben, an den Glanzen dreier Konlmente, in die Milte der Meere geworfen, wo Camoön« ihn vor- herzuverkündigen schien, indem er den Geist der Stürme und Ungewitter dorthin versetzt«, konnte Bonaparte auf seinem Felsen keine Bewegung Ihlln, ohne daß uns ein Erdbeben davon Kunde gab; ein Schrill des neuen Adamasto« am anderen Pol war an diesem zu fühlen. Wäre Napoleon aus seinem Kerker entkommen und hätte er sich nach den Vereinigten Staaten zurückgezogen, so Patten schon seine Blicke, ans den Ocean gerichtet, hingercicht, den Völkern der alten Welt Besorg nisse zu erregen. Seine bloße Gegenwart am Amerikanischen Gestade des Atlantischen Meeres hätte Europa genöthigt, sich am entgegenge setzten User zu lagern. Als Napoleop Frankreich zum zweiten Mal verließ, meinte man, er hätte sich unter den Trümmer» seiner letzten Schlacht begrabe» sollen. Lord Byron sagle in seiner satyrischen Ode gegen Napoleon: „Zwischen fürstlichem Tod und sklavischem Leben war deme Wallt höchst unedel brav." Da« hieß die Macht der Hoffnung in einer de« Herrschens gewohnten und von der Zukunft erfüllten Seele schlecht be- unheilcn. Lord Byron glaubte, der Diktator der Könige habe mit der Niederlegung seine« Schwerdt« auch aus seilten Ruhm verzichtet und wolle in Vergessenheit erlöschen; Lord Byron hätte aber wissen sollen, daß Napoleon s Geschick eine Muse war, wie alle große Geschicke; diese Muse wußte eine mißlungene Entwickelring in einen Keim zu neuer Verjüngung ihres Helden zu verwandel». Die Einsamkeit von Napole on'« Eril und Grab verbreitete über ein glänzende« Andenken eine an dere Art von Slrahlenschein. Alexander starb nicht unter den Augen Griechenlands; er verschwand in Babylon« zauberischen Ferne». Bo naparte starb nickt unter de» Augen Frankreich«; er verlor sich an dem prachtvollen Horizont ter glühenden Zonen. Der Mann der stärksten Wirklichkeit verfloß in Dust wie ein Traumgebilde; sein Leben, da« der Geschichte angchörlc, verhauchte in die Poesie de« Tode«. Er schläst den ewigen Schlaf', wie ein Eremit oder Paria, unter einer Weide, in engem, wildeln Fclscnthal, am Ende eines einsamen Fußsteige«. Die Tiefe de« Stillschweigens, das aus ihm lastet, gleicht der Gewalt de« Geräusch«, das ihn ehemals umgab. Die Nationen sind fern, ihre Menge bat sich zurückgezogen. Der Bogel der Tropen, der, wie Buffon so prächtig sagt, an den Sonnenwage» gespannt ist, stürzt sich von dem Licktgcstirn herab und rubt eine Weile allein auf der Asche, deren Ge wicht einst den Erdball niederbeugie. Bonaparte durchschiffte den Ocean, um nach seinem letzten Eril zu gelangen, und kümmerte sich wenig um den schönen Himmel, der einen Christoph Columbus, einen Vasco und Camoön« in Entzücken versetzte. An das Hinterthcil des Schiffs gelehnt, achtele er nicht daraus, daß über seinem Haupt unbekannte Sternbilder funkelten; ihr Strahl begeg nete zum erstenmal seinem gewaltigen Blick. Was lag ihm an Ster nen, die er von seinen Bivouaks au« nirmal« gesehen, und die über seinem Reich nicht geglänzt hatten? Und doch hat seinem Geschick kein Sternbild gefehlt; die eine Hälfte de« Firmament« strahlte auf seine Wiege hernieder; der anderen war es Vorbehalten, sein Grab zu er hellen. Afrika. Ncucsic Reise nach Nubien. (Schluß.) Fahren wir nun weiter stroman und bei der Stellt vorüber, wo der Nil und der Asiabora« der Alte» zusammenflirßen. Das Land, welche« da vor un« liegt, ist die im Atteribum so berühmte Insel Meroe, da« Ziel her langen Reise unseres Forschens.