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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeration«- Drei« 22; Cgr. (^ Thlr.) viertcMrtich, ! LHIr. für da» ganze Jahr, ohne Er- hühung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man pränumeriri aus diese« Beiblatt der Allg. Pr. Staat«. Zeitung in Berlin in der Expedition (Mohren - Straße Rr. .34); in der Provinz so wie im Au-Iande de! den Wohllödl. Pest-Armlern. Literatur des Auslandes. 79. Berlin, Freitag den I. Juli 1836. Rußland. lieber die Schrift der Russen im zehnten Jahrhundert. Bon dem Wirkl. Staats-Rath Früh». Nedim oder richtiger Abi Feredsch Muhamed den Jschak el Nedim, bekannter noch unter dem Namen Ibn abi Jakub el Nedim und Ibn Jschak el Nedim, ist ein alter Arabischer Schriftsteller, von welchem wir aber leider nur sehr wenige Nachrichten besitzen. Es ist ihm, wie Selam Tolmatsch, Ibn Chordadbeh, Ibn Foszlan, Abu Dolff, Jstachry, Mukaddcst und so vielen andere» uns interessanten Heroen der Arabischen Literatur, ergangen: die Biographen und Geschichtschreiber dieses Bölkes, welches sich durch seinen Fleiß stets auSzeichnele, haben ihn, so wie diese, ganz übersehen. Ibn Chalekani, Abulfeda, Sojuti u. A., bei denen man noch irgend einige Auskunft über das liebe» und Wirke» Nedim's finden könnte, sagen durchaus nichts darüber, und ein gleiches Schweigen beobachten die Europäischen Orientalisten Herbelol, Easiri, Neiske, Köhler, de Rosst, Eichhorn, Wachler re. Nur au« der wissen schaftlichen „Bibliographie" des bekannten Türkischen Geographen und Historikers Hadschi Chalsa erfährt man, daß Nedim im 4ten Jahrhun dert der Hedschra — d. h. im lOte» unserer Zeitrechnung — lebte. Aber bestimmter ersehen wir aus der besonderen Borrede zu dem gleich zu nennenden Werke Nedim'«, daß dasselbe im Jahre der Hedschra Z76 — oder 987 nach Christi Geburt versaßt worden ist. Das Werk Nedim « führt den Titel: Kitab ul lilirisl, d. h. Ka talog oder „Register". „Dieser Katalog", sagt der Verfasser selbst in der Vorrede, „liefert ein Berzeichniß der Bücher aller Aradischen sowohl al« nicht Arabischen Völker, so viel nämlich von letzteren sich auch in Arabischer Sprache und Arabischer Schrift vorfindel. Es handelt von den verschiedenen Wissenschaften, giebt die Lebensbeschreibung und Ge nealogie der Gelehrten, welche um selbige stch verdient gemacht, zeigt ihr Geburt« - und Todesjahr an und da« Alter, welche« sie erreicht, nennt die Länder, i» denen sie gelebt, und hebt ihre rühmlichen so wie ihre schlechten Eigenschaften hervor. Es beginnt mit den ersten An fängen jeder Wissenschaft, wie ste ausgetaucht, und reicht bis auf unsere Zeit, d. b dis zum Jährender Hedschra Z77." Diese Worte allein würden hinreiche», um unsere Aufmerksamkeit aus Nedim'« „Katalog" als aus ein Werk zu richten, welche« uns be deutenden Aufschluß über die ältere Geschichte der Arabischen Literatur und die Schrift-Systeme der verschiedenen Völker geben kann. Au« diesem Werke schöpfte aber auch der Syrische Schriftsteller Abul Feradsch (Bar Hebraeus) seine Nachrichten über de» Nestorianischen Philosophen Malta den Junu«; der ungenannte Verfasser der üidliotüecae zilülo- «opbarnm, in Castri's Arabisch-Spanischer Bibliothek, führt au« diesem Werke eine Stelle aus den Werken de« Claudius Ptolemäus und dessen Uebersetzungen in« Arabische an; Hadschi Chalsa schöpfte seine Nachrich ten über die Arabischen Kaligraphen und verschiedene Ansichten über die Schriftarten der alten Araber daraus. Besonders merkwürdige Fragmente sammelte aus demselben der Baron Sylvestre de Sarp über die Schrift der Abysstnier, Himjariten und alte» Araber, über die verschiedenen Stoffe, deren man sich im Alierthum bediente, um daraus zu schreiben, so wie ein paar biographische Notizen über Abu Chalife und den berühmten Masndij. Leider existirt in Europa nur noch ein und zwar sehr un vollständiges Exemplar dieses merkwürdigen Werkes — nämlich da« aus der Königliche» Bibliothek zu Paris, welches durch Wansleben au« Kahira dahin gebracht worden ist und nur aus dem ersten Theile besteht. Indessen muß irgendwo in Europa noch ein zweites Exemplar vorhan den seyn, da Golius in der Nachweisung der Materialien, welche er bei der Ansertigung seines Wörterbuches der Arabischen Sprache benutzt hat, den „Nedimschen Katalog" anführt; wo aber diese« Exemplar sich befindet — ist mir unbekannt Für die Russen ist gedachtes Werk jedoch ganz besonder« wichtig, da in demselbe» von der Schrift die Rede ist, welche im zehn ten Jahrhundert bei den Russen im Gebrauch war, und der Ver- faffer"sogar Proben dieser Schrift giebt. So viel mir bekannt, ist die« bis jetzt die erste Kunde, welche wir von Arabischen Schriftstellern über diesen Gegenstand erhallen haben, und sogar die einzige bestimmle, welche wir überhaupt darüber besitzen. Diese aber lautet folgender maßen : „Russische Schrift." „Einer meiner Bekannten, desse» Worten ich mit vollem Rechte Glauben schenken darf, hat mir erzählt, daß er einst von einem der Könige des Bergts Kabk sd. i. Kaukasus) an den König der Russen geschickt worden scy; und bemerkte dabei, daß di« Russen ihre eigene Schrift besäßen, welche in Holz eingeschnilten") wurde. Dabei zog er ein Stückchen weißes Holz hervor, da« er mir hinrcichle. Auf demselben waren Charaktere eingekerbt, von denen ich jedoch nicht mehr genau weiß, ob sie Wörter oder einzelne Buchstaben darstcllten, die aber folgender Gestalt geschnillru waren: Schon längst unterliegt c« keinem Zweifel mehr, daß die Russen schon sehr früh die Kunst kannten und ausübten, Worte und Gedanken durch Schriftzüge darzustcllen. Den Beweis hierfür geben die Friedens- lraktale, welche Oleg und Igor im Jahre 9>l und 948 mit den By zantinischen Kaisern schlossen — der Erstere mit Leo VI. und mit Alexander, der Letztere mit Konstantin V II und Romanus I. Jeder dieser Traktate war in 2 Exemplaren abgefaßt, von denen das eine von Seiten der Russen, das andere von Seile» der Griechen unlerschrieben wurde; und in dem letzlen dieser Traklale ist die Rede von „Urkunden", d. h. Pässen, welche die Russischen Fürsten den nach Konstanlinopel reisenden Kaufieulen ihrer Nation ertheilen sollten. Einige Gelehrte haben geglaubt, daß diese Urkunden durch Grie chische Urkundenschreiber oder Secretaire verfaßt worden sehen, indessen scheint die Nothwendigkeit, zu solchen Maaßregel» seine Zuflucht zu nehmen, gar »ichl vorhanden gewesen zu seyn: denn auch durch Jbu FoSzlan haben wir in neuester Zeit erfahren, daß die Russen, welche er zu Anfang des lOten Jabrhnndcrt« an den Usern der Wolga sand, wirklich der Schreibkunst mächtig waren. Dieser Arabische Reisende erzählt nämlich, — indem er al« Augenzeuge eine Begräbniß-FeierUch- keit der damals noch heidnischen Russen beschreibt, — daß dieselben auf die Grabsäule stet« den Namen des Verstorbenen und den des regie renden „König«" geschrieben hätte». Welche Schriftart ste aber bei dergleichen Inschriften gebraucht haben, ist »och nicht bekannt, doch möchte man annehmen, daß dies Slawische gewesen sehen. Daß aber das Slawische Alphabet, welche« der Grieche Konstantin, — später als Mönch Kyrillu« genannt, — um die Milte des 9ten Jahrhundert« in Mähren au« Griechtschcn Buchstaben mit Hinzufügung einiger Charak tere au« andere» Quelle» zusammenstellle — daß dieses Alphabet mil den ersten Keime» des ChristeMbums zugleich in Rußland eindrang, ist keinem Zweifel mehr unterworfen. Wir besitzen au« dem Ende des lstte» Jahrhundert« zwei Münzen „Wolodimir's" mil Slawischer Um schrift, und in der Zehnl-Kirche zu Kiew, welche im Jahre 996 erbaut worden ist, befindet sich eine Inschrift, ebenfalls in Slawischen Buch staben, welche wahrscheinlich eben so alt al« da« Gebäude selbst ist. Indessen führt uns die merkwürdige Stelle, welche wir hier au« Ne dim« Werken angeführt habe», zu den, Schluffe, daß sich die Rnffen ini lUten Jahrhundert außer der Slawischen Schrift auch noch einer anderen bedient haben: den» in der unbeschädigt erhaltenen, leider zu kleinen und zu dürftige» Probe jener Schrift findet sich nicht die ge, ringste Spur von Slawischer Spracht. °°) Die Runenschrift aber war damals bei deu Deutsche» und Skandinavier» gebräuchlich, u»d dürste man daher wohl annehmen können, daß dieselbe durch dir Waräger nach Rußland gekommen seh. Karamsin will die« zwar nicht zugeben, weil diese Schriftsprache zu mangelhaft sür die Bezeichnung aller Slawischer Laute gewesen seh, indessen muß man bedenken, daß die Skandinavische Sprache lange Zeit in Rußland noch gesprochen ward, als die Nor. mannen oder Waräger stch mit den Eingebornen Slawischen Stamme« noch nicht völlig vermischt hallen. Hinlängliche Beweise hierüber geben z. B. die Russisch-Skandinavischen Namen der Wasserfälle de« Dniepr, welche Konstantin Porphprogeiiilu« anfllbrl. Auch Karamsin räumt ja selbst ein, daß die Runenschrift den Opfer-Priestern, Magiern (^Ilve) bekannt gewesen sevn dürste, indem sie sich derselben zur Bezeichnung der Name» der Götzen bedient hätten, und sührt sogar eine Stelle au« Annalen de« I4len Jahrhundert« an, in welcher gesagt ist, daß die Slawen bi« zur Einführung de« Kyrillischen Alphabet« „keine Bücher (nach einer anderen Kopie „keine Schrift") gehabt, sondern nach Strichen und Einschnitten gelesen und gerechnet, weil ste Heiden waren." Unter diesen „Striche» und Einschnitten" dürste wohl nur Runenschrift gemeint seyn und kann man hierauf auch nur deuten, was bei unserem Arabische» Autor vo» „Hvizstückchen" und „«»geschnittenen Figuren" vorkommt. Indessen war jene Art des Schreibens nicht allein aus Ru- Demnach hätten also die Russe» schon im Glen Jahrhundert die Hoti« schneidekunst gekannt "l Geschichte de« Russischen Reiche« von Karamfln, Ih > i> >16.