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-Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumerations- Preis 22; Sgr. (- Tblr.) »ierteliädriich, 3 Tblr. sür eas ganze Jahr, ohne Er Höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarch«. a g a für die Ma» pränumerirt auf diese« Beiblatt der Allg. Pr. StaatS- Zeitung in Berlin in der Expedition (Mohren-Straße Nr. 34); in der Provinz so wie im AuSlande bei den Wohllöbl. Pog-Aenuern. Literatur des Auslandes. 75. Berlin, Mittwoch den 22. Juni 1836 Holland. Das Hans des Admirals de Ruyter. Aus Eug. Sue s Geschichte der Französischen Marine. Auf der linken Seite des Platzes der Kathedrale zu Amsterdam jah mall ein einfaches Haus. Das hohe und steile Dach senkte sich »iS auf die geschnörkeltc» Fenstergicbel herab. Sius der Vorderseite des Hauses befanden sich fünf Fenster; eine sorgfältig gescheuerte Treppe Lon Sandsteinen führte zu einer Thür von starkem Eichenholz, die mit kupfernen, hellglänzende» Nägeln beschlagen war. — Das war das HauS »r Ruyter'«. Am 28. Just 1678 kehrte er, in Folge eines neuen und heftigen Anfalls seiner alten Krankheit, eines Nierrnkrampss, dahin zurück. ES rvar ungefähr sieben Ubr Abends, der Himmel war durchsichtig blau, die Luft warm. Die nachfolgende Scene ereignete sich in dem Garte», der sich Himer dem Hause de« Admirals befand. Der Sille jener Zeit gemäß, waren die Alleen gerade, breit und »orchaus regelmäßig befchnilten, die Wege mit feinem weißen KicS bc- streut und mit Buchsbainn eingefaßt. Dieser war auf die mannigfachste Weife zugcstutzt; hier bildete er Festons, dort Gruppen von Menschen und Lhicren, höchst fremdartigen Ansehens; wiederum bildete er eine Nische, geräumig genug, nm die Statue eines berühmten Seemannes «uszunehmen, die ein kunstsleißigcr Zimmermann der Werste» von Amster dam aus starkem Eichenholz gebildet und mit den schreiendsten Farben angestrichen hatte. Zn der Mitte dieses Gartens befand sich ein mit dem klarsten Wasser ungefülltes Bassin. Die User desselben waren mit weiße» u»d blauen Fliesen von Zapanischcm Porzellan ansgelegt; in der Mitte er hob sich ein riesiger Neptun, aus Marmor gemeißelt, der an manchen Stellen bereits durch die Zeit gebräunt wär; die Statue ruhte auf xranilncn Felsen, die über und über mit Moos bewachsen waren. Sic bildeten den gewöhnlichen Hase» sür eine ans dem Bassi» schwimmende Floiille kleiner hölzerner Schiffe, das würdige Sviclwcrk der Enkelin »c Ruyter'«. Ganz in, der Nähe des Bassins erblickte man eine große Anzahl gelber und schwarzer Flamä»dischcr Hühner, besondere Lieblinge »es allen Admirals. Nnlcr diesen Thieren befanden sich mehrere Perl hühner mit grauem Gefieder und scharlachrothem Kopf, und ein Pfau, brr feinen prachtvollen Schweif ausbreitete und die hellglänzenden Far. Heu desselben von der Sonne bestrahlen ließ. Am äußersten Ende der großen Allee, in deren Mitte da« Bassin lag, stand ein Gewächshaus, umgebe» von einer Hecke hochstämmiger Rosen aller Arten und Farben. Die Rose war die Lieblingsblume des Admirals. Einige Zweige hatten sich nm den glatten und silberglänzenden Stamm zweier großer Birken geschlungen, die vor dem Eingänge einer Grolle standen. Sie rankten in Gestalt von Gnirlanden von der einen Seile de« Einganges zur anderen, deren duftende Blütben und grünende Blätter gegen die dun- leln Wände der Grotte, in welcher sich' der Admiral mit seiner Familie befand, scharf, aber lieblich abgränzten. k« bedarf de« lieblichen und doch so kräftigen Pinsels eine« Ger hard Dow, Holbein oder Vandhck, um das Gemälde, welches man im Innern der Grotte erblickte, würdig wiedcrzugcben; und wie manches würde dennoch dem Maler entschlüpfen, was dieser Scene einen so un widerstehlichen Reiz gab: die tiefe Stille, welche im Garten herrschte, »er kräftige, erfrischende Dust der Rosen, der liebliche Gesang der Vögel, die durch das Gebüsch schlüpften; — endlich die herrliche Harmonie, »ie durch diesen Duft, dieses Getön, diesen Farbcnglanz über das Ganze verbreitet wurde, können wohl die höchste Freude, die größte Bewunde rung erregen, aber man kann sie nicht malen. Was aber diesem Orte den größten Werth verlieh, war, daß er den »cscheidencn Aufenthalt de Ruyter « bildete, de« Mannes, der auf allen Meeren die Ehre der Flagge zu behaupten wußte, welche die Republik ihm anvcrtraul hatte; des Manne«, der, stark durch sein Wissen und ruhig „»irr dem Krachen de« Donner«, ost den wülhenden Sturm in jenen Nächten beherrschte, wenn furchtbar gestaltete Wolkcn durch den stn Feuer glühenden Himmel hinzogen; de« Manne«, der oftmals einer Flotte von hundert Segeln den Befehl criheilte, eine feindliche Flotte »ou zweihundert Segeln zu schlagen; des Manne« endlich, der in den blutigsten Schlachten, die mit dem frühesten Morgen begannen und erst »it dem Einbrüche der Nacht endeten, siegreich befehligte Dazu aber kommt der traurige niederdrückcnde Gedanke, daß nach kaum sechs Monaten von so vielem Ruhme nnr noch ein Name übrig blieb; denn sechs Monate spater stand diese jetzt so glückliche Wohnung verlassen und öde, der Sarg de« alten de Ruyter ward, mit dem Hcr- zog«mantcl°) bedeckt und mit Königlicher Pracht umgeben, aus der selben getragen. Das sind, mit einem Worte, die großartigen Gegensätze, die heili gen Erinnerungen, die der Pinsel de« kunstreichsten Malers nicht wir- dergeben kann und die doch der sonst so einfachen Wohnung de Ruvtcr'S den hohen Charakter einer stillen Größe verleihen. Der Admiral hatte den Wunsch geäußert, den Abend in seiner Garten-Grolle zuzubringcn; Anna van Geldern, die drille Gemahlin de Ruyter«, Halle einen großen Lehnstuhl dorlhin bringen lassen, auf den der alle SeehelL sich niederlicß. Ec war mit einem langen grauen Schlafrock bekleidet, den ei» rolhcr Gürtel umschloß. Die Strahlen der sinkenden Sonne stahlen sich durch das dichte Laub und umleuchtelen das ehrwürdige graue Haupt des alten Seemannes, das sich aus die RücNehnc seines Stuhles stützte. De Ruyter war damals sechzig Zahle alt. Seine Erscheinnng war immer einfach und freundlich; nur der Schmerz halte sein Ge sicht, sonst voll und blühend, gebleicht und gefurcht, während seine grauen lebhaften Augen in der Fiebcrglnlh von ungewöhnlichem Glanze strahlten. Hinter der Stuhllehne des Admirals stand ein junger Mann von ungefähr vierundzwanzig Zähren und betrachtete de» alte» Heide» mit der innigste», schmerzlichsten Theilnahme. Seine Gestalt war schlank, aber kräktig, er trug ein einfaches braunes Kleid, eine orange Schärpe und Strümpfe von gleicher Farbe. Seine frische Gesichtsfarbe, sein langes, kastanienbraunes Haar, sein lebhaftes graues Auge geben Zug für Zug da« Bild von de Ruyter'« Zugend; denn dieser zunge Mann, Engel de Ruyter, ein Sohn des Admiral«, sah seinem Vater sprechend ähnlich. Die Gemahlin de Ruyter«, angcthan mit einem schwarzen Kleide, eine blendend weiße Mütze auf dem Kopse und mit einer breiten Fla- mändischen Halskrause geschmückt, saß an der Seile ihre« Gatten auf einem hölzernen Stuhl und drehte das Spinnrad, während seine Toch ter, Madame Semer«, welche unsern von ihr saß, die Spitzenklöppcl fleißig durch die Finger gleiten ließ. Dem Admiral gegenüber saß sein Schwiegersohn, der Pastor Bernhard Somers, ein Mann von sechsund dreißig Zähren, in einfacher, schwarzer Kleidung. Auf seinem Schooße batte er die Bibel ausgeschlagen; während seine Tochter, die achtjährige Anna, de Ruyter s Enkelin, in dem heiligen Buche mit vielem Wobt- gefallcn einen Holzschnitt betrachtete, der Tobias darstellt, wie er seinem Vater das Augenlicht wiedergiebt; der Prediger hatte sich zu ihr hcr- abgebeugt und drückte einen Kuß auf ihre blonden Locken Das Lesen der heiligen Schrift gewährte de Ruyter da« größte Vergnügen, und cs verging kein Tag, weder am Lande noch am Bord, an dem er sich nicht ans derselben vorlesen ließ. Er hatte de» Vortrag auf ei»en Augenblick nnlcrbrochen, und alle Mitglieder der Familie horchten mit großer Aufmerksamkeit auf die Worte de« greisen Admirals. „Der Name Iona«", sagte de Nuvter, „erinnert mich an die Be lagerung von Chalam (um da« Zahr 1666); ich befand mich am Bord des „Zonas" mit meinem armen Cornelius de Wilt, den sie ans eine so unbarmherzige Weise niedcrgemetzelt haben." De Ruyter seufzte bei der Erinnerung an den schmachvollen Tod seines Freundes lies und schmerzlich auf; dann suhr er fort: „Zch erinnere mich noch sehr wohl, daß cs am Bord de« „Zonas" war, als ich den Befehl gab, die Brander auf der Themse vorrucken zu lassen, um vier große Schiffe in Brand zu stecken, die von dem Kastell Upnor verlhcidigl wurden; und obgleich sie die Kanonen dc« ForlS passircn mußten, erreichten sie doch glücklich ihr Ziel." — „Und wer befehligte jene Brander, mein Vater?" fragte Engel dc Ruyter. — „So viel ich mich erinncre, mein Sohn, so war es der alte Keuvenhowcn, dann Willem Willems, . .. und wer noch?. . . ich glaube Popknga ... ja, ja! Popinga kommandirte den Brander „der goldene Apfel." — „Und haben Sie die Name» der anderen braven Capilainc vergessen, mein Vater?" fragte der Pastor Somers mil dem lebhaftesten Znlercsse, das man erklärlich finden wird, wenn man be denkt, daß er alle nur mögliche Data sammelte, um einst die Lebcns- geschichle seine« Schwiegervater« zu schreiben. Er mußte aber sein Vor haben mit ängstlicher Sorgfalt verbergen und das lebhafte Znlcreffe, welches er an den Erzählungen dc« Admirals nahm, mit einer endlosen Neugier beschönigen, denn von dem Augenblick an, wo de Ruvter den Verdacht geschöpft hätte, man lasse ihn die Einzelheiten aller Gefechte erzählen, um sic al« Matcrialicn für seine Biographie zu benutzen, wurde er verstummt scvu. Er wurde dann unruhig und verdrießlich, *) De Nuuter wurde, nach seinem Tode, von dem König von Svante» zum Herzoge ernannt