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268 Ma» erlaß! uns wobl eine Charakteristik der Mcute von Nach- ahmeru, welche die Prinzipien Balzac's, Michel Ravmond's unk George Saud's mit geringereni Talent und in obskureren Zirkeln fonpslanzcn. BcrachiungSwcrib als Echrislstcller, sind sic cs doch kcmeSwegeS als Förderer des Sittcnvcrderbcns. — Einige Autoren von besseren. Nur und geringerem Einflüsse, wie De Vigny, Janin, Snc, die Damen Gi- rardin, Gay u, s w,, gleichen mehr den Novellisten der allc» Schule, Die verhältnismäßig geringe Popularitätt ihrer Werke (?) liefert einen anderen Beweis von den, Ruin des guten Grschmaeks und der Sitten, Wenn aber diese Süudflulh von Unkeuschbcit und Ruchlosigkeit uns mit Entsetzen erfüllt, so glauben wir nicht, daß wir von wesenlosen Schalten geäfft werden. Kein radikaler Freund ungczUgelker Preßfrei heit, Keiner von denen, welche behaupten, daß die öffentliche Meinung Königin der Welt, und die Druckcrprcssc ihr Premier - Mmisnr scy, — kann den innigen Zusammenhang volksthümlicher Literatur mit dem Charakter des Bölkes leugnen, mag man nun in der ersteren das Or gan des letztere», oder ein Werkzeug zu seiner Bildung, oder beides zu gleich sehen wollen. Besäße aber Jemand Kühnheit genug, um die Theorie dieser Behauptungen zu leugnen, so haben wir, leider! eine Ucberfülle von Lhalsachcm welche die praktische Wahrheit derselben außer Zweifel setzen, Auf dem Tische vor uns liegen über hundert Romane, die in den letzten fünf Jahren erschienen sind, und wir tonnen dreist behaupten, daß unter dieser großen Zahl kaum ein halbes Dutzend sich befindet, in denen ein weiblicher Sündensall nicht das vornehmste Ereignis! wäre. Nicht zehn Romane sind darunter, in welchen die Sünde einfach und kein Ehebruch ist, Oft kommen »och Blutschande und andere unna türliche Laster als Würze dazu, und ihre gewöhnlichen Folgen sind Mord und Selbstmord. Geben diese Romane ein falsches Zeugnis von der Gesellschaft? Dann muß ihre Wirkung die sehn, daß sic unschuldige Gcmütbrr ver giften. — Ist ihr Zeugnis wahr? Dann sind unsere schlimmsten Ah nungen in Erfüllung gegangen. Lesen wir die eigenen Bekenntnisse der Prediger dieser neuen Sekte, In einem sogenannten philosoph,schpbrsiologischcn Versuch übcr die Ehe sagt Balzac: ,,Jch habe gezeigt, das es einer verbeiralheien Frau fast unmöglich ist, in Frankreich tugendhaft zu bleiben." Madame Dude- va»t behauptet sogar: „Ein Ehe-Gesetz, welches die Sittlichkeit mit der Liebe vereinigen wollte, sep eben so unsinnig, eben so ohnmächtig, die Leidenschaft zu zügel», eben so lächerlich vor Gott, wie cs die sociale Ehe in unserer Zeit vor den Menschen seh," An einer anderen Stellc sagt sie: „Keine Theorie sollte unbedingt verworfen werde»; daher will ich auch die Theorie der ehelichen Treue gestaitcn — aber nur als Aus nahme von der allgemeinen Regel: „die große Mehrheit Hal an dere Bedürfnisse!" Gott behüte uns davor, solchen Behauptungen unbedingt Glaube» beizumcffcn; gcwis sind es vorsätzliche Ucbcrtreibungcn der SchristsicUer, die uns gern glauben machen, das ihre Fictionc» der Wirklichkeit ganz entsprechend scven; aber auf der anderen Seile muß man auch leider zugestehe», daß wenigstens keine Bcrlcumdung mit unterläuft. Der Unterschied zwischen Roman und Wirklichkeit ist in Frankreich nur ein gradueller °) (Huaol. Kor) Türkei. Der SeriaSker ChoSrew-Pascha. Nach der Russischen Darstellung des Konstantin Basili. CboSrew-Pascha ist übcr 80 Jahr alt; aber seine Purpur-Nase, das leuchtende Roth atif den Runzel» seines Gesichts, die nnstäte Leb haftigkeit seines Auges und der spitzzulaufcndc verwirrte Bart', mache», wenn man ihn ansieht, den unangenehmsten Eindruck. Er hinkt, sitzt äußerst unbeholfen zu Pferde, und zur Wachlparade fährt er gewöhnlich in einem Kolschi, einem Türkischen Wagen ohne Federn, und von außen mit rothcm Tuch beschlagen, in welchem Wagen gewöhnlich nur Frauen fahre» Wie man sagt, bringt er dem Golt Bacchus fleißige Opfer, was übrigens feine Gesichtsfarbe bestätigt. Er ist ein Grusier, im christlichen Glauben geboren, war in seiner Jugend Sklave im Serail, zusammen mit dem berühmten Hussein, mit dem er Freundschaft ge schloffen balle. Als Hussein Capudan-Pascha ward, erinnerte er sich feines allen Gcfährlen und nahm ibn als Sccrelair zu sich. Bor lan ger als 40 Jabrc» war er Pascha von Aegyple», bekleidete dann immer Hobe Staal-amler und war bei Hose, während aller Umwälzungen, immer beliebt. Seinen Ruf verdankte er seiner liefdurchdachicn Politik. Un ter Mahmud war er 8 Jahre lang Capudan-Pascha; glücklicherweise für ihn, verlor er, kurz vor Ausbruch des Griechischen Krieges, durch die Ränke seiiier Feinde dieses gefährliche Amt, bei dcffe» Verwaltung er vielleicht durch K'anari'S Brander in die Luft gesprengt worden wäre. Er fiel einmal in Ungnade, erhielt aber dennoch das Paschalik von Trebisonde. AIS Mahmud seine Rcsorme» begann, umringte er seinen Thron mit erfahrenen und verständigen Männern; Cbosrew ward wieder zum Capudan-Pascha ernannt. DaS für Griechenlands Seeleute so ruhm volle Gefecht bei Samos hätte, wie es scheint, seinem kriegerischen Ruf schriftstellerische» Wirkens sevn,. doch steht allerdinas zu erwarten, das ihr Gemurb jetzt, von dem Alv einer unnatürlichen Tnrannci befreit, empfäng licher für eine würdige Auffassung der menschlichen Natur und einer wei sen göttlichen Wallung geworden sc». Diesem Artikel werden wir nächstens eine geistvolle Ansicht in Bezug auf die Französische Literatur aus der Feder eines Genfers folgen lassen, der, obwohl von demselben moralischen Gesichtspunkte ausgehend, wie der Engländer, doch weniger herb und darum überzeugender ist. schaden mässen; EhoSrew ersann aber ein Mittel, diesen wieder zu ge winnen: er stellte sich bei den Dardanellen aus imd führte aus seiner Floltc eine strenge Mannszuchl ei»; täglich wurden Menschen zu Tote gepeitscht, erwürgt und ins Meer versenkt, was die Türken dergestalt in Schrecken sctzlc, daß ihn Allc als cinen großen Admiral ansschriren. Der scharfblickende Chosrcw ahnte die Folgen dcs Londoner Verlrages, weil er Mahmud'S Hartnäckigkeit kannlc, und bat im Jahre 1827 den Sultan, ihn, wegen schwacher Gesundheit und hohen Alic-S, des Dien stes zu entlassen Die Türken, die wie bereits erwähnt, von Chosrcw'S kriegerischen Talenten die höchsten Begriffe hallen, schriebe» das Unglück bei Navarin dem Umstande zu, daß nicht Er die Flotte befehligte. Seitdem er den Poste» eines SeriaSkcrS oder Kriegs-Gouverneurs der Residenz und Ober-Befehlshabers der regulären Truppen bekleidet, erwies er sich stets als einen von jenen Männern, deren Tl'äligkcit mit den Jahren zunimml. Er zeichnet sich durch geniale Ideen auS, die unlcr den schwierigsten Umständen in seinem Haupt geboren werden. DaS Volk in Konstanlinopcl ward nnruhig und der Diwan sürchlelc eine Verschwörung ter Janilscharcn-Freundc. Der Scriaskcr ließ öffent lich bekannt mache», daß er Willcus sev, die vffenllichc» Ruhestörer zu züchtigen; gleich daraus erschien er selbst, rill durch die Straßen von Slambul, ließ an ZOO Menschen, dcrcn Phpfiognomicen ibm nicht gc- ficleii, ergreife», und sic ohne Auswahl, Anderen zum Beispiel, erwür gen. Was Freunde der Gercchligkcil hierzu sage» werden, weiß ich nicht; wollte man aber ChoSrew fragen, so würde er antworten, daß auf diese Weise die Ruhe ausrcchl erhallen und die Residenz vor den Greueln eines Volks-Anssiandcs geschützt worden sev. Des Seriasker'S Herz haben die Jahre versteinert und gleichgültig sieht er das Blut da hin strömen, ohne daß er es jedoch aus wilder Lust vergieß«, wie viele andere Pascha's; er lhnl cs nur, wenn es, seiner Meinung nach, Noth thut. Wie cs beißt, bat er Mahmnd'S brsondereS Wohlwollen durch seine angenehme UmgangSwcise und seine witzige Unterhaltung gewonnen; wenn der Sultan mit ihm allein ist, legt er die chcrne Blaske der Snl- lanshoheit ab, und scherzt ungezwungen mit seinem allen SeriaSker, ter ihn durch scincn Verstand fessele, durch seine Ergebenbcil, durch seinen Eiser für seine Reformen, und wahrscheinlich noch mehr durch die hohe Meinung, welche die Türken von ihm habe», die sich darüber beschweren, daß man im Divan »ich! immer seiner Meinung folgt. ChoSrew hegt cinen cingewurzelicu, unverlilgbare» Haß gegen Mehmed Ali und gegen Ibrahim, und dieser Haß bindet ihn noch fester an den Sultan, und verdoppelt seine Thäligkcit unter den obwaltenden Umständen. Man versichert, er habe bereits mehrere Male und schon seit langer Zeil den Austrag gehabt, Mehmed aus die nämliche Weise sorlzuschaffcn, die er bei dem Mussellim von Smyrna, Kjattb-Oglu anwendele; cs seh ihm aber nicht geglückt, weil Mehmed Alt immer aus seiner Hut gewesen wäre. Dic Haupt-Lcidcnschast des SeriaSkcrS, die mit de» Jahren zu- nahm — ist ein uuersättlichcr Geiz. Der Sultan, ter cs weiß, machte sich vor nicht gar langer Zeil den Scherz mit ihm, ihm am Bospbor ein sehr schönes, schon längst von einem Armenier konfiszirteS, aber sehr verwahrlostes Haus zu schenken: der Scria-kcr ließ es auspntzcn, reich und geschmackvoll moblircn, am Abhänge des Berges neue Terrassen zu Gärten und Wasscrlrinmgen anlcgcn, Bäder und Springbrunnen erbauen, und als Alles in Ordnung war, lud er den Sultan zu sich ein, um ibm zu zeigen, welchen Werth er aus seine Geschenke setze, und baß er nichts bei diesem Hanse gespart habe, worüber der Sultan dermaßen entzückt war, daß er, unter voller Anerkennung dcs Geschmacks des allen Har- pagonS, das Haus für sich selbst in Besitz nahm. Der Scriaskcr empfing uns in seinem KioSk am BoSpbor. Ich glaubte, er würde von der alle» Türkische» Schlauheit Gebrauch machen, und erst nach uns ins Zimmer treten, um sich nicht vor ketzerischen Gästen zu erhebe»; er hinkte uns aber entgegen und anstatt eines stol zen Türkischen Magnaten sanden wir in ibm einen bessert», lebenslusti gen Greis, der die Nnlerhalttmz durch unaufhörliche Scherze belebte. Mannigfaltiges. — Die Wolga'schen Berge. Neber diese Berge tbciltcn wir knrzlich'cine kleine Notiz der „Nordischen Biene" mit, an deren Schluß es hieß: „Daß diese Berge auf keiner Landkarte zu finden sind, mögen die Geographen verantworten." Dic Hcrrc» Geographen glauben jedoch einer solche» Verantwortlichkeit überhöhen zu scyn, indem, wie wir von einigen Seile» aufmerksam gemacht worden, diese Berge allerdings aus mehreren Karten als „Wolga-Höhen" bezeichnet sind. Die uns vor- liegcndc Karle von Rußland in Slieler S Hand-Allas bal freilich keine Noliz davon genommen; auch ist die allgemeine Bezeichnung ohne spe ziellere Angabe der Höben in dem Sinne, in welchem der Rnssische Reisende an die Kattographe» appcllirt, jedenfalls wohl als unzureichend zu belrachlcn. — Eisenbahn »ach Gretna-Green. Durch die Eisenbahn zwischen Preston und Glasgow, die durch Erclna-Green führt, wird auch London mit diesem Orte, in welchem der weltbekannte, zur Verrich tung von Trauungen privilcgirle Schmidt wohnt, i» eine direkte Eisen bahn-Verbindung komme». Hiernach, meint ein Englisches Blatt, werde man des Morgens früh ei» jnnges Mädchen in London emführen und- sie schon Abends aus Gretna-Green als seine Frau nach der Haupt stadt zurückbringen können. Eine Einholung ist gar nicht möglich, da kein nachsetzcnder Dampswagcn dem früher abgegangencn gleich- oder wobl gar zuvorkomme» kann. Gewiß ist dies ein Vonbcil der Eisen bahnen und Dampswagcn, an de» bisher noch kein Untcenchmer dersel ben gedacht hat. HerauSzegeben von der Rebaetion der Allg. Preuß. StaatS-Zeitung. Redigirl von I. Lehmann. Gedruckt bei A. W. Hayn.