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250 Thier, dessen Nasenlöcher wir Vulkane, dessen Blut wir Lava und dessen Pulkschlage wir Erdbeben nennen. Der wahre Geolog Hiili sich nicht mit solchen Träumereien auf; er würdigt die kosmologischen un bekannten Kräfte nach ihren Wirkungen. Diese Wirkungen lhun dar, daß jene Kräfte unterirdisch und von ungeheurer Gewalt sind; ihnen ist es zuzuschreiben, daß das Schichtlagcr des Ocean sich, bald durch plötzlichen Stoß bald durch allmäligen Antrieb, erhoben; daß die Berg ketten zu solcher ungeheuren Höhe getrieben, und daß Riescnselscu ent wurzelt, zerschellt und von der Stelle geworfen wurden. Diese Kraft ist es auch, welche vulkanischen Ausbrüchen, heißen Quellen und vor züglich jener Irruptiou, oder besser Injektion, von unermeßlichen Granit- und Porphyradern die Entstehung gicbt, welche sich oft durch höhere Schichten mit unwiderstehlicher Gewalt Bahn brechen. Man stimmt auch darin überein, daß die Hitze die vorzüglichste Arbeiterin dieser Kraft ist. Die Hitze hat die Stinte unseres Planeten gehärtet, sie kocht die glühende Lava unter dem Vulkan, sie macht heiße Quellen sprudeln und glühende Dünste anshauchen. Je tiefer man in die Mi nen steigt, desto mehr nimmt man eine Zunahme der Wärme wahr, und überall endlich bemerkt man die von der Hitze bewirkten Sprengungen der Felsen. Von diesem Punkte läuft das Feld der Meinungs-Streitigkeiten in der geologischen Wissenschaft aus. Es ist eine Fenerkrast im Schoße Les Globus, wohl! aber welche Ursache bedingt ihr Daftvn, und welchen Begriff haben wir uns überhaupt vom Innern der Erde zu machen? Davy, der Verfasser der Theorie der Chemie, meint, der Kern der Erde sey durch sehr brennbare Metalle gebildet, wie etwa diejenigen, welche durch das Oridirrn die Pottasche erzeugen. Allein, da die wir kende Kraft, wie wir täglich sehen, von unten aufwärts strebt, so bars man nicht leicht behaupten, daß vulkanische Eruptionen durch die Lust, oder das Wasser, die sich naturwidrig in den Abgrund des Frucrs stür zen, erzeugt werden. Die Hypothese Davy's ist dennoch von den größ ten Gelehrten in Schutz genommen worden, z. B. von Rmpöre und Danbenv. Andere Geologen nehmen an, daß das Innere der Erde noch vollkommen slüssig und von einer glühenden Temperatur seh; daß diese Hitze aber durch das Aushauchen der Wärme durch Vulkane und heiße Quellen abgekühlt wurde; daß die allmälige Abkühlung des Innern eine Verkleinerung im Umfange des Globus und mehrere andere Phä nomene bewirkt. Dies ist die berühmte Theorie vom Centralfeuer, welche so beredt von Buffon auseinandergcsctzt und neuerlich von Cor dier und anderen Geologen, mit mehr philosophischem Geiste und durch eine Reihe von Tbatsachcn gestützt, wieder ausgenommen wurde. Herr Lyell neigt sich zu einem ganz entgegengesetzten Svstcme hin. Er nimmt a», daß unter der Oberfläche der Erde elektro-magnetische Ströme in schnellem Umlaufe sich befinden, nnd von diesen rühren alle Phänomene von Hitze u. dgl. her. Verlassen wir jetzt diese kosmogonischen Betrachtungen, welche eher der Roman der Wissenschaft, als ihre Geschichte genannt werden können, und wenden wir uns zu den positiveren Grundsätzen der Erperimental- Geologie. Herr Lyell theilt die Naturkräfte, wodurch nach ihm die geologischen Veränderungen der Vergangenheit entstanden sind, in zwei Klaffen: in die Wasserkraft und in die Feuerkraft. Seinen Versuchen, durch diese Eintheilnng die Naturerscheinungen zu erkläre», entlehnen wir ei» merkwürdiges Beispiel. Fu den größten geologischen Geheimnissen gehört da« Dasevu der Granit-, Porphyr-, Gneis- und anderer harten krystallirten Blöcke, die sich in ungeheuren Kugeln in den Ebenen des nördlichen Europa's finden, in den Thälern des Po sowohl, als in denen der Donau. Die Hvpolhesenmacher werden noch vollends dadurch in Verzweiflung ge bracht, daß man gewöhnlich findet, daß diese Blöcke, welche man in der geologischen Sprache Ulocs «rralnzues (Geschiebe) nennt, nur von Urgebirgen hervorkommen, welche aber von dem Lager der Blöcke durch ein weites Thal oder einen Meer-Arm getrennt sind. Nach Lpell's scharfsinniger Meinung ist cS.das Eis, welches diese zerstreuten Blöcke in Bewegung erhält. In Gebirgs-Gegenden und den nördlichen Breiten ist es nichts Ungewöhnliches, daß große Steinmaffcn durch Wasser fort gelrieben werden; im Lause hängt sich Eis an die Steine unk macht sic noch leichter schwimmbar. Die Gletscher, welche durch den dichten Alpen-Schnee sich am Fuße der Berge sammeln und oft mitten in grünen Thälern gesunden werden, und deren Durchmesser von 80 dis 000 Fuß wechselt, sind meist mit Sand und großen Steinen bedeckt, tie sich von den nahen Gebirgen ablöscn. Die Steine rollen dann von den Gletschern herab, sammeln sich um die Wurzel derselben und er zeugen jene Abdachungen, welche man in der Schweiz mnraines nennt. In kälteren Gegenden erhalten sich die Gletscher in den Thälern länger und werden ost durch reißende Flüsse bis an's Meer getrieben. Hier bespülen die Wellen ihre Seiten und lösen von den moraino» große Stücke ab, die von den Meeres-Strömungen in weite Entfernungen getragen werden. So sah Scoresby, der Nordpol-Fahrer, in einem Raume von 25 Lienes mehr als 500 solcher Eisberge, die sich einen bis 200 Fuß über die Mecrcsfläche erhoben und in ihrem Umfange von einigen bis zu lOOO Mrires variirten. Viele derselben waren mit dicken Lagern von Stein und Sand bedeckt, und manche halten ganze Schich ten von Fclssteinen, die nicht weniger als 5V bis 100 Tonnen wiegen konulcu. Sobald das Eis schmilzt, fallen die innraines auf den Meeresgrund; und so erklärt sich's, wie man in Meereslicsen und Thälern Blöcke von ganz fremden Felsen finden kann. Es ist übrigens gewiß, daß mau solche Eisberge schon von der Baffins-Bai bis zu den Azoren, nnd vom Südpol bis zum Vorgebirge der guten Hoffnung hat schwimmen sehen. Dit Veränderungen, welch? durch Las Wasser-Element hervorgebracht werden, genau zu betrachten, ist für die socialen Bedürsnissc von höchster Wichtigkeit, namentlich wegen des Einflusses der artesischen Brunnen. Diese sind nach Lvell's richtiger Ansicht richls als künstliche Quellen, die sich durch dieselben Ursachm erhalten, die den natürlichen Quel len Nahrung geben. Wenn man diese Brunnen vermehren will, darf man nicht aus dem Auge verlieren, daß die an tieferen Stellen gebohr ten den Quellen höherer Stellen eben so viel Wasser entziehen, als sie einem unterirdischen Wasserbehälter entziehen würden. „Die Quellen, aus welchen die kleinen Flüsse von Middlesex, Surrey und Essex ihr Wasser zngeführt bekommen, entspringen ans den Gewässern, die zwischen der Kreide- und Thonschicht um London sprudeln; in dem Maaße nun, als nach diesen Oessnungen hin Masser-Quantitäten gezogen werden, vermindert sich die Quantität, welche die Wasserbehälter aus der anderen Seite liefern konnten. Daher sind die Besitzer von Mühlen und Wie sen vorzüglich dabei interessirl, daß die Zahl der artesischen Brunnen nicht vermehrt, und das Wasser, welches die Fruchtbarkeit nnd den Werth ihrer Grundstücke bedingt, nach anderen Orten geleitet werde. Ueber die Feuerkräfte, die in der Geologie eine so große Nolle spielen, spricht Herr Lyell ausführlich; wir heben Folgendes heraus. Die Vulkane und Erdbeben sind die vorzüglichsten Instrumente, deren -sich die Natur bedient, um die Gestalt der Oberfläche der Erde zu verändern. Nach allen Nichlungcn hin laufen auf unserem Planeten Erdstriche, die den, Einflüsse vulkanischer Explosionen ausgesetzt sind, und mehr oder minder den Erschütterungen durch Erdbeben. Eine Reihe von Erdspal- tungen zeigen uns an, wie sich die unterirdische Kraft, sie heiße wie sie wolle, Bahn zu brechen weiß. Die merkwürdigste Wirkung dieser Kraft zeigt sich aus der Bergkette der Anden in Amerika. Sie durchschneidel die neue Welt nach ihrer ganzen Länge vom Süden nach dem Norden, vom Fenerlande bis Kalifornien, sogar bis zur Inselgruppe der Aleuten, wo sie sich mit einer neuen Reihe von vulkanischen Oessnungen ver bindet, die von Kamschaika südlich bis nach Japan, den Philippinen, den Molucken, nach Java und Sumatra läuft. Eben so ist der Stille Ocean fast ganz von einer vulkanischen Landkette umgürlet, während sich in der Mitte seiner Gewässer zahlreiche Korallen-Jnseln erheben, die durch ihre keilförmige Gestalt deutlich anzeigen, daß sie einen alten, jetzt von den Wogen verschlungenen Krater bedecken. Allein für uns, die wir die gemäßigten Zonen bewohnen, zeigt sich eine noch nähere vulkanische Region, es ist die, welche vom Oriente »ach dem Occidcnte, vom Kaspischen Meere bis zu den Azoren, durch Griechenland, das südliche Italien, Sicilien, das südliche Spanien und Portugal geht. Diese Region bietet folgende Eigenihümlichkcil dar: sic hat eine Central-Linie, in welcher die Erschütterungen sehr stark sind; auf beiden Seiten der Linie sind Parallel-Kclten, wo die Erschütterun gen zwar Vorkommen, allein bedeutend gemäßigter. Außer diesen Distrik ten findet man noch andere, wo sich die Erdbewegungen noch erhalten haben, die nach öfterer Wiederholung bedeutende Veränderungen her« Vorbringen; und endlich ist jedes Land mehr oder weniger leichten Stöße» der Erde bloßgestellt, die aber oft ganz unsühlbar sind. Ueber die Natur und den Charakter der Erdbeben sind die Geolo gen jetzt fast einig, daß sie die Folge von horizontalen, zuweilen wir belnden Schwingungen in den Erdschichten sind. Wahrscheinlich ist die Neigung der Hitze, sich auszudehnen, der Hauptgrund der Spaltung, welche die Erdbeben ost unter heftigem Getöse begleiten.") Die Natur der Erdbeben hängt genau mit der Natur der Vulkane zusammen. Die glühende Subsianz des Centralscuers bat sich jetzt in viele Heerde zn- sammengczogcn, die ohne Zweifel mit einander in Verbindung stehen und gewissermaßen die Function eines schützenden AbleitungSmittelS ge gen den AuSdehmmgSlricb des inneren allgemeinen Heerdes ansüben. Daher sehen wir den Vulkan zu Ischia im vollkommenen Zustande der Ruhe, seitdem der Vesuv in permanenter Thätigkcil ist. Wahrscheinlich hängen sie mit einander sowohl, als mit Leni inneren Heerde, durch eine große Ticse zusammen. So sind vom I5ttn bis Uten Jahrhundert Klein-Asien und Syrien ganz von Erdbeben verschont gewesen, während der Archipel nnd das südliche Italien schrecklich von ihnen litten; scildeni hat sich dies Verhältnis; wieder umgekehrt, die letzteren Gegenden sind ruhig, während Klein- und West-Asien täglich erschüttert werde» Nach diesen Erscheinungen kann man also schließen, daß Smien und Süd- Italien in unterirdischer Commnnicatioil stehen und die Thätigkeit der einen Stelle die Tl'äiigkeit der anderen aushebt. Wir können nicht leugnen, daß durch die drcisache Erscheinung der Vulkane, warmer Quellen und Erdbeben sich eine unaufhörliche Entladung der inneren Hitze der Erde zeigt; jede Unterbrechung ihrer Functionen kann die größten Zerstörungen anrichlen, und wahrscheinlich haben wir ihrer langsam fortdauernde» Thätigkeit es zu danken, daß die Oberfläche der Erde jetzt ruhig ist. Zu Neapel und in der Umgegend kann der Bewunderer der Natur am besten die vulkanische Natur studiren. Auf einem kleinen Raume befinden sich der Vesuv, Stromboli und der Aetna, und uni die Ge schichte ihrer Wirkungen im Allerthume zu studiren, haben wir zugleich das aus seinem Schutte wieder auferstandene Pompeji, Hcrculänum und Stabiae. Campanien vorzüglich liefert der Geologie die reichsten Schätze. Es bietet ein Beispiel der ausfallendsten Veränderungen und Fruchtbarkeit dar. Zweimal ist Ischia durch schreckliche Konvulsionen entvölkert wor den, und zweimal'lcckte seine Fruchtbarkeit neue Völker hin, während sich auf den Abhängen de« Vesuv immer neue Bewohner inmittcii der Lavaströme festsctzcn, die ihre Vorgänger verschlungen haben. Zn den überraschendsten Phänomenen der vulkanischen Thätigkeit gehört wohl die plötzliche Entstehung einer ephemeren Insel an' der Küste SicilicnS im Inli 1851, und zwar aus einer Meeres-Höhe, die Capitain Smith mehr als 100 Klafter tief sand. Nach drei Wochen langen vulkanischen Ausbrüchen kam eine runde Insel zum Vorschein, die .5000 Fuß im Umfang, 200 Fuß Höbe über der MccreSflächc und einen Krater im Mittelpunkte halte. Schaarcn von Naturforschern und Neugierigen ergossen sich, nach dem Aushören der Eruptionen, auf die Ueber Erdbeben und Vulkane beflsten wir eine sebr lehrreiche Abhand lung von Kries (eine gekrönte Preisichrick). Der Titel ig- Von den Ursachen der Erdbeben, yeiviig, tsrv