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Wöchentlich erschemcu drei Nuninicrn. Prämimec.ttion« Prci« 22; Sgr. (j Thir.) »ierleliabriich, 3 Thlr. für das ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theil«» her Preußischen Monarchie. Magazin Man pränunieritt auf dieses Beiblatt der Allg. Pr. Staats- Zeitung in Berlin in der Expedition (Mohren - Straße Itr. 34); in der Propin, so wie im 'Auslande bei den Wohllöbl. Post-Aennern. Literatur des Auslandes. 6S. Bcrli«, Montag den 3V. Mai 1836 Frankreich. E»i Englisches Urtheil über die heutigen Französischen Romane. *) Paul dc Kock, Victor Hugo, Alex. Dumas, Balzac, Michel Raymond, Georges Sand. Da man den Verkauf des Giftes nicht verbieten kann, und da Federmann weih, daß cs in jedem Apotheker-Laden zu haben ist, so gebiete! uns der gesunde Menschenverstand, auf die Gefahr, die mit seinem Gebrauche verbunden ist, aufmerksam zu machen. Aus ähnlichem Grunde geben wir jetzt dem Publikum eine Charakteristik der modernen Romancnschriftstellcr Frankreichs, die, wie sich bald ausweisen wird, an Sittenlosigkeit und Unverschämtheit den Dramatikern dieses Landes noch überlrge» sind. Wäre unser Organ das einzige, da« von der Existenz dieser Werke Kunde ertheilcn könnte, so würden wir unter jeder Be dingung schweigen; allein es ist ja notorisch genug, daß man sie der ganzen Lefewelt auf alle erdenkliche Weise angezeigt hat — daß sie an den Fenstern der glänzendsten Buchläden prangen und in allen Leih bibliotheken zu haben sind! So hallen wir es denn fiir Pflicht, diesen gräulichen Produkten ein Brandmal anszudrücken, damit Jeder davor gewarnt werde, durch solche Leiter moralischer Ansteckung sein Haus verpesten zu lassen. Der Vulkan, der im Jahre 1793 mit seinen Ausbruche» die Welt erschütterte, versendet jetzt aus demselben Krater, wiewohl nicht mit so vielem Geräusch wie damals, doch eine noch weiter und verderblicher um sich greifende Lava. Wir beginnen mit Charles Paul de Kock, dessen Werke bereit« «k» Bände äuSmachen und größientheils von älterem Dalum sind, al« die Juli-Revolution. Jene älleren Werke d« Kork'« waren au« der Schule Pigaull le Brun"«: sie halten mehr einen rohen und leichtser- lige», als einen zügellosen Charakler; man koimle ihren Stil eher lustig als verbrecherisch nennen. Sein letzte« Werk aber: ^ii jamam ni tou- jaurs, tat die Farbe der Zeit angenommen und ist seiner schlechtesten Zeitgenossen vollkommen würdig. Es ist unmöglich, von der Treulosigkeit und Verrätherei, von der Lüderlichkcit und Spitzbüberei, mit der die Haupt- und Neben-Charak tere diese« Romanes auSgcstalict sind, eine Schilderung zu geben. Man sagt uns, Herr de Kock fasse nur die heitere Seite de« Leben« auf; und wirklich müssen wir ihm da« Zeugniß geben, daß er in seinem neuen Romane zwei herrliche Gelegenheiten zu Mord und Blutschande unbenutzt läßt, wie denn überhaupt in dem ganzen Werte nur Ein Selbstmord und zwei erwiesene Verbrechen vorkommen, obgleich Herr dc Kock Niemanden auf den Schauplatz bringt, der nicht wenigsicn« d»n Galgen verdient hätte. Die Romane Victor Hugo s sind (einen einzigen ausgenommen) aus früherer Fest, al« die skandalösen Dramen desselben Amor« Die Dcurtheilung"dieser Romane gehört nicht hierher,, weil sie »ich! für Bilder unserer Zeit gelten wollen. Han d'Jslande ist eine Nor wegische, und Bug Jargal eine Westindische Erzählung; Nolrc Dame dc Paris, im Ganzen eine schlechte Nachahmung Walter Scott«, au« der jedoch hin und wieder Blitze eines originellen Geiste« hervorsprühen, führt uns in die Zeiten Ludwig'« Xl. zurück. Nur sein Roman: „der letzte Tag eines Verurcheilten" spielt in der Gegenwart. Wir haben diesem Buche nicht« vorzuwerfen, den entarteten Geschmack ausgenommen, welchen sein Verfasser dadurch kund giebt, daß er den TodkSkampf eine« sterbende» Verbrechers zum Gegenstand eines ganzen Buche« macht. Die Vorreden und Prologe deS Herrn Hugo lassen uns muthmaßen, daß er selbst gegen die sanfteste» Streiche der Kritik etwa« empfindlich sey. Dem „lctzien Tag eine« Vkruriheilte»" geht eine dramatische Scene voran, betitelt: „Eine Komödie über deu Gegenstand einer Tragödie", worin eine Gesellschaft über das Verdienst des Autors und seiner Werke dilkulirt. Wir erwähne» dieses Prologs hauptsächlich darum, weil die, jenige Person, welche die Rolle de« erleuchteten Kritikers spielt, dem gehässige» Süsel des Buche« eine gar originelle Schutzrede hält. Der Apologet sagt: „da« Buch soll dazu Mitwirken, daß die Todesstrafe ab- geschafft werde." Da entgegnet ihm Jemand: „Ich sehe aber nicht ein, wie dieser Zweck in Erfüllung gehen soll; denn man erzählt un« ja von - Aus der Quarteri»-Review. Di« Art von summarikchrm Pro,es, d«r vier den Französischen Schriftstellern gemache wird, wird wohl kein billig- denkender Deutscher Leser unbedingt guthettjen Die Parteilichkeit des Ur- theil« liegt jedoch mehr in der Strenge al« in der Unwahrheit desselben, und der Unvarleksche wir» darum auch leicht das Richtige bcrausünden dem Manne nicht«, als daß er verurtbeill ist: wir erhallen keinen Wink darüber, ob er schuldig oder unschuldig gewesen; was für einen Rang er im Lebe» bekleide«; welchen Charakler er besessen; kurz man läßl uns kein Moliv durchschauen, das von unserer Seile ein Urlheil hinsichtlich der Zwcckmäßigkeil oder Gcrechligkeil der Strafe herbeisühren könnte." — „Gerade hierin (antwortet der Andere) liegt das Hauptverdienst de« Autor«. Solche Nebenumstände würden den Leser von dem abstrakten Prinzipe abgelenkt haben. Wenn der Vers, das Verbrechen des Verurtheilten groß oder klein und den Mann selbst schuldig oder un schuldig »eunle, so würde er die logische Bctrachlun^ der philosophi schen Theorie stören." Diese Methode, eine praktische Hragc zu erörtern, scheint uns in ihrer Art einzig; man müßte denn an deu ehrenwerlhen- Herrn Crambe denken, welcher sich zur abstrakten Idee «ine« Lord- Mayor« erhebt, indem er von dem wirklichen Lord-Mayor nicht bloß Kutsche, Pelzrock und goldene Kette, sondern auch den ganzen Körper abrechnet. So viel ist übrigen« gewiß, daß man in Herrn Hugo'« ganzem Buche keine Feile findet, die zu allgemeinen Gedanke» über den Gegen stand führen könnte: die Erzählung ist so voll von Schilderungen der Richter, der Geschworenen, der Gefangenen, der Kerkermeister, der Mit schuldige», der Karren, der Guillotine — daß uns noch niemals ein Bericht über die letzte» Augenblicke eines Verbrechers zu Gesicht ge kommen ist, der uns so wenig Stoff zum Nachdenken über die abstrakte Zweckmäßigkeit der Todesstrafe, wie eben der vorliegende, gegeben hätte. Ohne Zweifel war der Verfasser über die Wahl eines recht pikanten Gegenstandes in Verlegenheit und wählte darum die letzten Augenblicke eine« Verurtheilten; al« er aber sein Buch beendet hatte, fühlte er die Gebrechen seines neuen Geisteskindes, und wollte nun mit einer meta physischen Apologie Alles bemänteln und gut machen. Wir müssen jedoch Herrn Hugo zu seinem Ruhme nachsagen, daß, obgleich es der üiotro l)amo üo Ilaris nicht an schlüpfrigen Stellen fehlt, seine übri gen Romane und namentlich der „letzte Tag eines Verurtheilten" nicht« enthalten, was das sittliche Gefühl verletzen könnte. Alexander Dumas ist, gleich Victor Hugo, durch seine skanda lösen Dramen am meisten in Rus gekommen. Jetzt Hal er ein Bänd chen unzüchtiger Erzählungen, betitrit I-os Souvenirs clQVnton^ in die Welt geschickt und damit von neuem bewiesen, daß er der Kritik und Autorität mit gleicher Frechheit die Stirn zu bieten weiß. Diese 8ou- venirs sind allerdings seines Antony ganz würdig. Die erste Erzählung spielt in Neapel, während cs von den Fran zosen besetzt war. Man halte auf dc» Kopf eines Bandilen-Hänpllings, der die Umgegend verheerte, einen Preis gesetzt. Zwei Bauerknaben, gar liebenswürdige Kinder (sie werden durch die ganze Erzählung onlan« genannt), finden den Räuber schlafend; sie erinnern sich, wie sie einmal ein Schaaf schlachten gesehen, schneiden dem Schlafenden die Kehle ab und schleppen den Kopf in einem Taschentuchc nach der Stadt, wo Pe eine Belohnung von dreitausend Dukaten empfangen. Mit diesem Gelde in der Tasche, hallen sie ein lüchlige« Mahl, kaufe« sich Kleider und fangen dann eine Spieler-Karriere an. Lon dem Grübchcnspiel auf den Slraßen avancire» sie bald bis zur Faro-Bank, di« ihnen am Ende nur Stitt Dukale» übrig läßt. Zufällig sehe» st« eine schöne Dame in ein prächliges Hau« gehen. Sie lassen ihre Bewun derung laul werden. Ein Kuppler erbielet sich, ihnen die Gunst der Dame für SOO Dukalen zu verschaffen; sic sagen Topp! und loosen um di« banne kartune mit einander. Der Glückliche wird heimlich in da« Zimmer der Gräfin geführt. Diese scheint auf einen Besuch nicht vor- bereilet: sie streckt vor Bestürzung den Arm aus, um an der Klingel über ihrem Haupte zu ziehen; der Knabe springt aber voll wilder Lust Herz« und „nagelt ihre Hand mit seinem Dolche an die Mauer." Die Wunde raubl der Unglücklichen die Besinnung, und so erreicht der charmant« Knab« seinen Zweck. Dann entflieht er mit seinem Kameraden, und Beide enrotlirr» sich derselben Räuberbande, deren Hauptmann sie er mordet haben. Eine Belohnung wird demjenigen angeboren, der ihr«« Aufenthalt entdeckt; sie werden verralhen; der Eine büßt mit dem Le ben, der Andere aber rettet sich in Begleitung seiner Geliebten und ihre« Säugling« aus ein unzugängliches Felsen-Asyl. Dort werden st« von Truppe» umzingelt — der Hunger zwingt sie, di« Flucht zu wage« — das leiseste Geräusch kann ihnen verderblich seyn — der Säugling ächzt und wimmert — die Mutter reicht ihm den versiegten Quell ihrer Brust — jetzt schreit das Kind laut, da es keine Nahrung findet — der Vater packt c« in seiner Verzweiflung an einem Bein, schwingt e« über seinem Haupte und zerschmettert ihm den kleinen Schädel an einem Baume — di« Matter würgt ihren Kummer hinunter — die Rettung ist vollbracht! Sobald Mann und Weib »ach einem sicheren Orte-gs-