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214 rin, und wenn er sagte: Steh ans! so stand cs eben so heiter ans. Morgens und Abends, aus der Ferne und in der Nahe, schweigend und laut, mit dem Herzen wie mit dem Munde sandte ihm das Kind seine Grüße. Bald wagte es, sich dem Strom zu vertrauen, der es schwim men lehrte, wie die jungen Hechte in seiner Flut, und schaukelnd auf seinen Wogen trug er es hin und her, dahin und dorthin, wo cS wollte; das waren Feste und Freuden ohne Ende und Aufhören, ein gegenseitig Vertrauen und eine Freundschaft, daß man hatte sagen können, dies Kind bade sich den Rhone zum Herrn gewählt. Bei alle dem kann der Rhone sehr boshaft und abscheulich seien; er ist voller Tücke und erlaubt sich manchmal gar schlechte Späße. Voller Launen wie er ist, nimmt er in Lvon und Vienne, jener Stadt, wo man Racine so schlecht verstand, daß man ihm Nägel statt Schwe- selhölzer und ein Kohlenbecken statt eines Nachtgeschirres brachte, so vortrefflich verstand man Französisch in Vienne! — der Rhone, sage ich, nimmt bei seinem Marsch durch diese Städte wie ein Dieb mit, was er kriegen kann, wol'l oder übel; einen Balken, einen Strohhalm, ein Stück Felsen, ein paar Dutzend Morgen Landes, die Ecke einer Mauer, Alles ist ihm recht und willkommen, und eines dient ihm zum Spielball wie das andere; er könnte eine ganze Stadt mit sich sortneh- men und würde eben so wenig dadurch inkommodirt werden, als durch den Splitter, der aus ihm hinschwimml. Hal er genug gespielt mit einem Dinge, so wirst er cs dann irgendwo ans Ufer oder rerscnkt es in den Grund seines Bettes. Dergleichen Anfänge von Inseln heißt man dann Anschwemmung (allnvin) — ein Gegenstand, worüber man sehr lange Kapitel in den Pandekten zu eigener Unterhaltung Nachlesen kann. Das Dorf nun, wo Ehavignv geboren wurde, ist auf solche Weise, durch Aufschwemmung, entstanden, und war zu gleicher Zeil der Ort auf der Well, wo man am meisten und auf alle nur erdenkliche Weise, durch Eitale, Kommentare, Eide, Gezänk, Geschimpfe und Prü gel, über das Gesetz sie alluvinnibus diskutirl hatte. Der Rhone also war die Vorsehung, die Regierung, die Opposition, das Ministerium und das politische Journal dieses Dorfes. Sobald der Rhone sah, daß Haß und Streit sich beschwichtigen wollten, warf er eine Insel ans User; wenn ich sage eine Insel, so ver stehe ich darunter ein oder zwei Bündclchen schwimmendes Stroh, zu denen sich ein paar Sandhauschcn herangefunden hallen und aus den Sand ein bischen Gras, das der Wind hcrangeweht, dann und wann auch wohl ein paar Hälmchen, die Häupter erhebend, wie der Wald von Lillipul. Gleich war das Dors in Aufruhr. — Wem gehört die Insel? — Die Insel ist mein! — Sie ist Lein! — Uns gehört sic! — Hier links an mein Ufer ist sie hcrangeschwommen! — Hier rechts an mei nes! — Ja — Nein! — Du bist ein Schurke! — Nichtswürdiger Du! — Die Mützen flogen von den Köpfen und die Haare bald nach! Man schlug sich herum, man plaidirte; nach allem Prügeln nnd Plai- diren kam der FiskuS und steckte die Insel in die Tasche von Rechts wegen, oder ösler noch hinter dem FiskuS kam der Rhone zurück, sich ins Fäustchen lachend, nahm die Insel, wie er sie gegeben hatte, wieder und trug sie ein zehn Meilen weiter zu neuem Zank und Streit und zu neuem Verdruß. Eine Insel auf dem Rhone oder ein Schloß in der Luft, das gewann für Prosper Ehavignv so ziemlich dieselbe Be deutung. Und doch, gestehen wir es nur, cs war vielleicht ein großer Vor- lheil in poetischer Beziehung für ein Gcmülh, beständig ein Luftschloß vor Augen zu haben, sip und fertig, was mit den Händen zu greifen war, und dessen Herr der alte Ehavignv stündlich werden konnte. Prosper selbst, wenn er am Ufer des Stromes daherwandelte, konnte er nicht eine Insel entdecken, deren Kolumbus er dann gewesen wäre? Ihni selber unvermerkt wurde dies vielleicht Quelle und Wurzel des fürchter lichen Ehrgeizes, der Prosper zn Grunde gerichtet hat. Alles nm ibn her sprach nur von plötzlichem Glück, von Rcichtbümcrn und Herrlichkeiten, die vom Himmel fallen. Im Dorfe wurde von nichts Anderem geredet als von Inseln. Die Insel Varbe bei Lyon wurde cuirt, die aus vier Sandkörnern zu einer Stadl angewachsen ist. Bon solchen Reden und Erzählungen aufgeregt, ging Prosper auf die Entdeckung von Inseln aus, wie man in Amerika auf die Entdeckung von Gold-Minen auSgeht. Wenn er umherspazicrte, stand er alle Augenblicke auf den Zehen, ob er nicht die ersten Tannenwipfel einer schwimmenden Insel entdecken möchte — sein erster Blick Morgens, wenn er den Kops zum Fenster hinans- stcckle, war in die Ferne nach der ersehnten Insel. Uno sah er wieder nichts, so flossen seine Thränen, und seine Leidenschaft für rin erträum tes Glück wurde nur noch heißer und gieriger; alle Abenteuer zu Land und Meer machte er so früh gleichsam durch in seinem Gcmülh, das Getriebe aller jener heftigen Leidenschaften, in seinem abgeschiedenen Dörfchen — ganz ähnliche Bewegungen tobten in ibm, der Ehrgeiz eines Eortcz stachelte dies Kind — mit sieben Jahren balle es den Ruhm des Eroberers und das Glück des Wcltenldeckers im Traum ge nossen, mil sieben Jahren seine Leidenschaft für die Well gebabl! Der Unglückliche! Bibliographie. Inic^clnzx'ilic nnuveiiü, nu fliclimmaire zstiiinünziliinuo, sciculi- luzu«:, littirairo ct incluRrio!. I'ar unc «ncictc ne »avans ol flo litteratour», — Herausgegebcn von Leronr und Raynaud. (Jährlich erscheinen 12 Heslc, die zusammen 30 Fr. kosten) ^tis» zwur «vrvir ä i ctniln sic I'Iurckniro mnüorne sic I'Lurnue. 1818-1818. — Von Cb. Imbert de Moltelettes. In Fol. (Fünf Lieferungen, deren jede 18 Fr. kostet.) Goilcctinn «l Ilistoirc» cnmziicle» sie laus le» c'tat» curnzröensi I*ni>Iico »ous les ouüzncc» sie Ist. je haron sie Darante, Ist. Villem.nn el avee la eollahnration si,r siacteur sinün InnAarfl, >le HIN. I>n!ta, Hullen. Ouü.nn. 8nuz I:> siirectinn sic Ist. — Erster Band. Enthält Duham's Geschichte von Spanien liiid Ponugrt. h'ronee instoriguc et monumentale Ilislvire Keaerale «io bVanoe üezruis les lemzis los ->!us reoules jusgu'ä nos jnurs. iUuslrcc et exzckistnöe z>sr »es mannmcns etc. — Bon A. Hugo. 4. Wird aus vier Bänden bestehe». Italien. Jtaliänischer Nekrolog des Jahres 1838. Wir haben in Nr. 43 dieses Blattes eine Ucberstcht der literarisch berühmten, im vorigen Jahre gestorbene» Engländer miigetheilt und lassen nun hier auch eine ähnliche Ucberstcht der in demselben Zeitraum verstorbenen Italiäner folgen. Doch haben wir cs hier für zweckmäßig gehalten, neben den Schriftstellern auch einige in artistischer Beziehung ausgezeichnete Männer anzuführcn. Alessandro Visconti. Ein jüngerer Bruder des Ennio Qui- rmo, geboren zu Nom den 12. März 17.87. Sein Vater, Giambattista, war Direktor der Römischen Akademie der Altcrtbümcr. Man konsul- tirtc den Alessandro Vi-conti nicht bloß in den schwierigsten Materien der antiken Kunst nnd Literatur, sondern auch in Sachen der Medizin, von der er tüchtige Kenntnisse besaß, obgleich er nur zum Besten seiner Freunde und der Armen davon Gebrauch machte. Außer seinen gelehr ten Dissertationen in den Verhandlungen der Römischen Akademie der Alterthümrr schrieb er ein Journal der Numismatik, eine Beschreibung der antiken Münzen Pietro Bitali's Und eine Beschreibung der Kunst schätze der Villa Aldobrandini. Gaudenzio Princtti. Dieser tüchtige Maler und Plastiker wurde 1760 zu Novara geboren. Er bildete sich unter Ubaldo Gan- dolsi'S Leitung zu Bologna nnd empfing 1791 von der dortigen Aka demie cinc goldene Medaille als Belohnung für eine schöne Gruppe von Statuen. Nachmals batte er öfter Gelegenheit, von seinem Talent als Maler und Plastiker Proben abzulegen. Gegen Ende des litten Jahrhunderts kehrte er in seine Heimalb zurück, die manches Meister werk von Prineltis Hand besitzt. Er war in der Oel-, Fresko- und Pastell-Malerei theoretisch sehr erfahren; auch fehlt es seiner Farben gebung nicht an Harmonie, und seine Umrisse sind korrekt. In Rück sicht der künstlerischen Vollendung aber lassen Prineni's Gemälde viel zu wünschen übrig. Als Plastiker bat er wahrrS Verdienst. Die Sta tuen des „Taufsteins" können ein Meisterwerk heißen; die Büsten der Casa Milanesi haben etwas Großartiges, und von den Bildsäulen in San Gaudenzis rühmen die größten Kenner mehrere als höchst vollen det. Prinetti starb den 28. Januar an einem Schlagfluß. Giovanni Franzesco Bcfsa wurde im I. 1778 zu Cremona ge boren. Er studirlc Musik in dem berühmten Gonservatnrin zu Neapel Nachdem er in seine Vaterstadt zurückgekchrt und tcr wackere Arrigbi gestorben war, wurde Boffa Kapellmeister an der Kathedrale von Cre mona. Genährt von den Schöpfungen eines Pacsiello, Dnranti, Gonella lind Havdii, batte er von dem klassischen erhabenen Stil dieser Meister nicht wenig sich angeeignet. Von den verschiedenen Arlen der musika- lischcn Composttion war besonders die Kirchenmusik seiner Neigung zu sagend. Ec komponirte sehr viele Messen. Außerdem verdankt man ihi» viele Kanons und Fugen, die unübertrefflich sind. Boffa s Kirchen- Musik war einfach erhaben, ernst, rein und doch voll lieblicher Abwech selung. Sein herrliches Gcmülh machte ihn seinen Mitbürgern sehr theucr. Der Priester Girolamo Griscllini. Er war ans Schio ge bürtig und hatte den berühmten Natala balle Laste zum Lehrer. In seiner Jugend schmiedete er, dem Geiste des Zeitalters folgend, viele Gelegenheits-Gedichte. Später eröffnete er in seinem Hause ein Kolle gium; er wollte die jungen Leute während des Karnevals angenehm un terhalten und versuchte sich daher als dramatischer Schriftsteller. In der Folge schrieb er auch, trotz seines priesterlichen Staudes, für öffent liche Bühnen, weil er zum Unterhalt einer zahlreichen Familie Geld nöthig halte. Lon seinen cdirlen Bühnenstücken kennt man das komische Melodrama „die zweite Hochzeit der Dido" und die Tragödie „Dido"; von den unedirtcn aber „die Wittwe, deren Mann noch am Leben ist", eine Tragikomödie; „Murcm Sosi von Persien", ein heroisch-komisches Stück; „die Verschwörung des Fiesko", eine Lragökic; „der Bruder Lüderlich" (ii simsnlutu), ein Lustspiel, das großen Beifall fand. In reiferen Jahren schrieb er über Materien, die seinem geistlichen Berufe angemessener waren: so brachte er die bereits durch G. d. Giulio publi- zirien VegUe sti 8t. ^g»»tinn in reimlose Verse; auch Abhandlungen über Meral, Dogmatik, Ascclik u. s. w. flossen aus seiner Feder. Er starb am 13. Februar in seinem 84sicu Lebensjahre. Saverio Scrofani wurde um s Jahr 1780 in Mobica gebo ren. Er verließ als Jüngling sei» Vaterland nnd machte bedeutende Reisen durch Italien,'Frankreich, Griechenland, Kleinasien und Aegvp- ten. In Sicisten wurde er zum Direktor des statistischen Büreaus er nannt. Die erste Arbeit, welche ihn der literarischen Welt bekannt machte, war eine Schrift unler dem Titel: „Alle haben Unrecht, oder Ein Bries an meinen Oheim über die Französische Revolution." Dieses Schristchrn wurde in mehrere Sprachen übersetzt. Ei» anderes Werk „Ueber die Freiheit des Getraidchandels in Sicilicn" erwarb den Bei fall aller Gelehrten und batte die Ehre, dem 4lsten Bande des „Klas sischen Oekonvmen Italiens" cinvcrleibt zu werden. Nachdem er Mit glied der Französischen Akademie geworden war, schrieb er seinen „Ver such über den Handel Eurova'S im Allgemeinen", dem ein Anhang, be titelt: „Der aktive und passive Handel Sicilicns bis zum Jahre 1784" beigegcben ist. In Venedig erschien 1793 der erste Band eines anderen ökonomischen Werkes unter dem Titel: „Der wahre ökonomische Reich- tbum, oder Kursus der Agrikultur." ES enthält eine Vorrede über den Landbau im Allgemeinen, eine Abhandlung über die Art, wie man Haus- lbicre erziehen soll, u. s. w. Im Jahre 1798 erschien seine „Beschrei bung von Morea", und unmittelbar daraus seine „Reife nach Griechen-