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232 schreit; ihm, der sich doch so viele Muhe gegeben, um Ludwig XVläl. wieder auf de» Thron zu bringen, und der sich selbsi keine der schwe ren Abgaben verdrießen hißt, um nur das Gluck der Franzosen begrün de» zu Helsen. Ich übergehe die sentimentale Promenade zu Montmo rency, die Uuvcrdaulichkciteu des Sohnes und des Baiers und endlich die fatale Enttäuschung der Mik Biddy, die ihren Vielgeliebten hinter einem Comptoir mit einer Elle statt des Zepters in der Hand erblickt. Thomas Moore hat vor kurzem die arme M ß Fudge wieder aus- erstchen lassen; er hat sic zur Frömmlerin umgeforml, und unter diesem neuen Kostüm hat er ihr, indem er sic, ihrem leiseren Alter und den bereits verschwundenen Ncizc» gemäß, wieder erscheinen laßt, gar vielen Erfolg zu verschaffen gewußt. Miß Biddy bat de» überschwenglichen reichen Bänderschmuck, so wie die Hüte mit Federn und Blumcnwcrk ausgcgcbcn; sie hat sich in den Schoß der Tugend und des Anstandes zurückgezogen und das romantische Feuer ihrer Iugendjahrc mit den, puritanischen Enthusiasmus vertauscht. Sic sehnt sich »ach einem Ehc- luanne, aber nach einem Manne, der eben so wie sic dcr herrschende» Kirche zugetba», ein Kampe dcr Orangistcn-Partci, cin Feind der ihr von Grund dcr Seele verhaßten Irländischen Katholiken und dcr lächcr- lich-kindischcn Toleranz ist. Ihre Ideen von F:ömmigk«t und Kolcl- tcrir, von protestantischer Vollkommenheit und ehelichem Glücke, durch kreuzen sich in ihrem Kopfe auf ganz bizarre Weife. In einem an deren Lande und zu eitler andere» Zeit hätte man Moore s Scherz als leichtfertig und unchrcrbietig bezeichne» müssen. Vergesset! wir jedoch nicht, daß er gegen eine Epoche gerichtet ist, in der die Anglikanische Kirche, die sich attgegrissen fühlt, kein Mittel unvcisucht laßt", um den Feuereifer ihrer Verthcidiger rege zu erhalten, und in dcr die Partei, mit mehreren vornehme» Frauen an dcr Spitze, keinen Anstand nimmt, Alles zu verdammen, was nicht zu ihrer Fabnc schwürt. Die gewag testen und mitunter sogar irreligiösen Stellen des Gedichts werden uns weniger in Erstaunen letzen, wenn wir bedenken, daß Moore, ei» Ka tholik von Geburt und ein skeptischer Sensualist in allen seine» Lebcns- verhältnisscn, hier als Sichter ausirilt, dcr sein Irländisches Vaterland gegen den Englischen Ultra-Protestantismus in Schutz nimmt. „Theure Freundin", so schreibt dic andächtige Heldin Thomas Moorc's, „ich habe nicht mehr Zeit, als diese wenigen Zeilen zur Post zu schicken, so beschäftigt bin ich! So viele Dinge abzuftrstgeu! Eine unglaubliche Verwirrung des Himmlische» und des Weltlichen! Mein armes schwaches Gehirn weiß nicht, was damit anjnfangtn; das Fleisch liche vermischt sich mit dem Geistige», und das Jenseitige mit dem Dies seitigen. Bete» Sie meinethalben zu Gott, daß ich mich au« dieser Ver kehrung des Himmlischen und Irdischen endlich einmal herausfinden möchte. Doch es wird schon kommen. Ich habe vor kurzem dic Ma gazine dcr Miß Gimp, cincr großen Künstlerin in Hüten und Roben, besucht; es ist eitle außerordentliche Frau! Ihre Aermcl ä la lull« haben alle Kopse hier in Bewegung gesetzt; ihr >>ou sie snio ist ei» köstlicher Stoff zu Hüten; ihre TüU-Haub«i machen Furore, und meine kleine sündige Figur ist äußerst zufrieden mit ihren Vandschlciscn, die mir gewiß zum Entzücken stehen. Wen» es dem allmächtige» und barmherzigen Herrn gefällt, so werde ich beule Abend auf dem Balle des heiligen Pairs von England, des gouesfürchligen Lord Bar uabas Wigram, eine solche Bandschleise um den Hals tragen. Die Gimp hat Seidcnzcug von einem wahrhaft engelgleichen Geschmack, auf Ebre; ich bi» mit ihr ganz zufrieden; schöne Prinzipien; ein bewundernswürdiger Schnitt; eine, Frömmigkeit, die mit ;cdcm Tage neu erstarkt, und viele Kühnheit und Ausdauer, um aus dem Wege des Heils soctzuwandcln. Nur ist sie «u wenig ibcuer. Ab! wenn doch die Kirchen-Reform nur dic iheuren Fakturen hätte resormiren lönncn! — Apropos, ich bedarf eines Domestiken und einer Kammerfrau. Ich bin um Beide gekommen, so wie um zwei große Bibeln, die sie mir sammt einer beträchtlichen Menge Tischzeugs und Silbergeschirrs ent nommen. Dcr junge Plan» batte sich zur strengen Sekte der Anabap tisten bekannt. Seine Predigten erhielten dic ganze Küche in gespann ter Ausmerksamkcit. Es hat mich einmal dreißig Puddings gekostet, die in Folge seiner Beredsamkeit durch dic Köchin vernachlässigt wurden. „„Mein Beruf ist entschieden!"" schrie er ohne Aufbören. Oj mein jun ger Mann, was für einen Beruf hattest du demnach für meine schönen Couverts ü IlleG! — Loudon ist eine köstliche und besonders heilige Stadt; die Spitzbuben selbst findet man hier auf himmlischen Wegen; dies beweist das Beispiel meiner zwei Leute, dic mit meinen Bibeln glücklich davongekommcn sind. llcbrigcnS sprechen auch zahlreiche Zri- Ittngs-Amienccn dafür. In dem LvanKolionl Nagar-ine finde ich "fol. gendes Gesuch um eine Stelle: „„Elisabeth Prudy verlangt als Lob» nichts, denn dic Freiheit, nach Herzenslust beten zu dürfem"" Neben dieser herrlichen Elisabeth, ter Perle dcr Dienstmädchen, die ich auch bestimmt zu mir nehmen werde, sucht cin Thürstcber cincn Laufburschen, der in der heiligen Schrift bewandert seh; ein Weinbändler kündigt sich als einen Beschützer des wahren orthodoxcii Glaubens an, und ein Pfandleiher erklärt, daß er auch in der Zukunft gegen cin halbes Pro zent auf werthvolle Sachen leihen werde, die ihm von guten Christ«! gebracht würden." Nicht« ist drolliger als das ewige Oscillircn dcr Miß Viddv zwischen der gottesfürchtigen Sphäre voll seraphischer Entzückungen und dem weltli che» Gebiete, das mit lauter fleischlichen Ideen, mit köstlichen Hüten, bewundernswürdigen Gazen und geschmackvollen Bänder» auSgeschmückl ist. Sic scbnt sich endlich nach einem eigenen Hausstande und sieht nicht ohne Vergnügen eine» gewissen Herr» Patrik Magan, cincn jun gen Irländer, den sie »ach seiner Meinung über die Erbsünde befragt, und der die Thorheil begehen konnte, die Unterhaltung und die Anwe- scnhcit dcr Famw Fudge, einer Nichte Biddv's, höchst angenehm zu siy- ten. Icnc ist noch cm Kind, cin Mädchen ohne Festigkeit und Kon ¬ sequenz; höchstens achtzehn Jahr alt, welch eine Idcc! Während sie, Biddy Fudge, um die Wiedergeburt des -schönen Magan besorgt, zu gleicher Zeit sein weltliches mid sei» geistiges Wohl befördern würdc! Unser Magan beharrt indeß hartnäckig darauf, die achtzehn Jahre mit dem geringen Wissen den achtunddrcißig Jahren mit dcr ausge dehntesten Erfahrung in göttlichen und menschlichen Dingen vorzuziehcn. Fanny Fudge ist hübsch, jung, lebhaft, geistreich und liebenswürdig, bis aus cincn einzigen Fehler. Sic ist nämlich cin Blaustrumpf; d. h. sic gchört unlcr dic Fahl jcncr Englischen Damen, dic ihre Na sen in Literatur und Poesie gesteckt, gleichwie ihrc Tante das Heer des weiblichen Mittelalters repräsentier, cin Heer, das von seraphischem Pu ritanismus ganz durchdrungen ist. Miß Fanny enthüllt diesen Charak ter in ihrer Korrespondenz mit cincr befreundclen Zrläiidcrin: sie sühlt sich glücklich, sie wird nächstens als Mitarbeiterin an einem Kccpsake auslrelcn und einen Roman hcrausgeben; sie macht elegische Verse, dic nichts sagcn wolle»; sie schreibt eine Ode an ihren eigen«, Schallen; sie lebt von Reimen, träumt von Stanzen, schlummert bei Couplets ein und wacht beim Refrain wieder cmf; wenn es ganz nach ihrem Willen ginge, so würdc ihr Leben damit hinfließcn, daß sie unaufhörlich glän zende und wohlklingende, aber leere Worte an einander reihte, sie aus- schmückte, ausputztc nud hcrausgäbe. Diese ganze lyrische Existenz, diese nichtssagende Vcrscmacherci, aus der das Wese» der modernen Taschen bücher beruht und dic den Tod dcr Englischen Poesie herbcigcsührl, alles dies ist von Thomas Moore vortrefflich geschildert. Dcr scherz haften Details finden sich sowohl in den Briefen dcr scheinheilig«, Biddy als in denen ihrer Nichte Fanny in großer Menge. Folgendes ist ein Bericht dcr Ersteren über die Forschriuc dcr protestantischen Missionen in Indien: „Meine Theure, ich habe zwanzig Psund Sterling bezahlt, um für die Ostindische Compagnie neue Christen zu schaffen. ES ist etwas thcuer; um so mehr, a>S die Ungläubigen, sobald sic den Rum und den Reis verschlungen, den wir mit unserem schweren Gclde für sie bezah len, mcisteniheits wieder zu ihren Götzen zurückkehrcn, denen sie mit geschmolzener Buller als Opfer auswarlcn. Wir haben zwar erst drei Christen zu Trevcndrum, sechs zu Durkohtschum und anderthalb zu Kurupadum; was jedoch dic Bewohner davon abhält, das Evangelium anzunchmcn, ist die fürchterliche Cvnspiraliou dcr Indischen Barbiere, dic um keinen Preis, weder für Gold, noch für Silber, einen christliche» Bart schere» wollen." Wir erwähuc» »ichlS vo» den literarische» Machwerken Fanny'«, von ihrem immer zlmchmendcn lyrischen Enthusiasmus, von dcr Ent führung, dic dcmsclbcn ein Ende macht, und von dem feierlichen Eide, den ihr Geliebter ihr abnimmt, alle ihrc Manuskriptc ins Feuer zu werfe». Weit possierlicher »och ist die Rolle Murtagh Mulligans, dcr aus einem Katholiken zum wuihcndcn Protestanten wird, um die Hand und das Vermögen dcr gottseligen Biddy zu erhalten. Sie läßt sich von dcr puritanischen Beredsamkeit Murlagh's überwinden; aber zum Unglück hinterläßt ihr Onkel fei» ganzes Vermögen nicht ihr, sondern ihrer Nichte. Unsere Enkel wrrden einst aus diesen leicht hmgcworsencn Pro- ductioncn des Dichters dic Kcnntniß dcr meisten Widcrwärtigkiiteu und Unglückssällc des heutigen Familienlebens schöpfen. Moore nähert sich weil mehr den Französischen mystifizirendcn Komikern des achtzehnten Jahrhunderts, als den Englischen Humoristen. Sein Scherz ist weniger beißend als geistreich, weniger tief als ergötzlich, fast kindisch in seinen Angriffen und nur oberflächlich mit dcu Dingen spielend. Es erscheint kein neues politisches Buch, cs geht keine neue Bill durch das Unterhalts, wäre es auch über die Gctraidc-Einfuhr oder über irgend cincn finanziellen Punkt, ohne daß der kleine Moore, wie ihn seine Feinde nennen, die Männer der Opposition mit seinem un versiegbaren Spotte verfolgte. Die radikale Opposition bat keinen po- pulaiiercn Dichter auszuweisen. ES sind jetzt beinahe dreißig Jahre, seitdem er diese Rolle spielt; er hat sich seil jener Zeit nicht verändert, wo dcr Prinz Regent zu einem seiner Hoslcutc sagte: „Er möge sich nur in Acht nehmen, dcr kleine drollige Mann!" — „„Werden Ew. Königl. Hoheit ihn verfolgen lassen?"" — „Nein, das nicht; aber wenn er sich wieder eimnal hcrauSwagt, so sperre ich ihn gewiß in den erste» besten Pokal ein." I» dcr That ist Moorc von sehr kleiner Statur. Trotz seines ziemlich vorgerückten Alters bat er indessen seine galante Lebensweise »och nicht ailfgegtbe»; wir könne» sicher darauf rechnen, ihn meistens auf seiner prächtigen Ottomane zu finden, wo er von zwei vornehmen Dame», ehemals berühmten Schönheiten, umgeben ist. Seine vielsei tige Bildung und Gelehrsamkeit, sein gewandter, glänzender Geist, seine Geschmeidigkeit und seine Anmuth stempeln ihn zu einem der ausge zeichnetsten Männer des heutigen England. (Paits ÜIsAarine.) Mannigfaltiges. — Port-Wein. Trotzdem, daß in England von diesem Gelrank so große Massen fabrizirl werden, belief sich doch im vorigen Jahre die Einfuhr au« Portugal auf 32,396 Pipe» Zu bemerkcu ist dabei, daß der ganze Wein-Ertrag Porlugals in derselben Feit 38,297 Pipe» betrug, daß also nur 8901 Pipen nicht nach England gingen. In Portugal selbst, wo man entweder sehr mäßig, oder, was noch viel wahr scheinlicher, zu arm ist, traiik man davon nur 331 Pipen; das Uebrigc wurde nach Nord-Amerika (2768 P.), nach Brasilien (720 P), nach Deutschland (Hamburg 720 P. Bremen 41 P.), nach Schweden (477 P.), nach Dänemark (182 P ), nach Holland (136 P.j, nach Rußland (366 P.), nach Newfoundland (NO P.j und nach verschiedene» anderen Ländern versandt. Am wenigsten ging nach Frankreich (22 P.), Spa nien (3 P.) und Italien (12 P.). Herausgegebcn von dcr Redaeüon der Allg. Preuß. Staals-Zeitung.- Redigirl von I. Lehmann. Gedruckt bei A. W. Hayn.