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e« hat noch Niemand die Wahrheit über die eiserne Maske gesagt." Ein anderes Mas, als der erste Kammerdiener des Königs, Laborde, einen vertraulichen Augenblick benutzen mellte, um sich ohne Gefahr dies Geheimniß anzueignen, welches mehreren Personen das Leben gekostet halte, unterbrach Ludwig XV. ihn in seinen Mulhmaßungcn mit fol genden Worten, die eben so räthselhaft waren wie die eiserne Maske selbst: „Du möchtest gern, daß ich Dir etwas Uber die Sache sagte? Nun, so wisse denn so viel mehr, als die Anderen, daß durch die Ge fangenschaft jenes Unglücklichen Niemanden weiter ein Unrecht gethan wurde, als ihm." Unterdcß kam im Stillen eine neue Ansicht zum Vorschein, und mehrere sehr einsichtsvolle Leute waren geneigt, ihr den Vorzug zu ge ben. Der Ritter von Taulös, GesandschaslS-Secrelair in Konstanti nopel, sammelte im Geheimen an den Materialien zu dieser Auslegung, die darauf abzieltc, den aus Frankreich vertriebenen mkd überall wüihend verfolgten Jesuiten die Schuld an jener Gefangenschaft auszubürden. Man kann nicht wissen, welch' Gefühl, ob Klugheit oder Edclmuth, den Ritter verhinderte, seine Sammlung herauszugeben, die, wenn auch nur in der Handschrist vorhanden, schon in der literarischen Welt bekannt war. Duclos kam Herrn von Taulös zuvor und ließ drucken, cS habe ihm ein vornehmer Jesuit gestanden, „daß die eiserne Maske eine Thor- heit des Ordens sch, die man der Vergessenheit übergeben müsse." Diese Beschuldigung hatte damals keine weitere Folgen, und man forderte von der Gesellschaft Jesu, auf der so viele andere schwerere Anklagen lasteten, keine Rechenschaft über den maskirien Gefangenen. Unter den Trümmern der Bastille hoffte man die Beweise jener Ungerechtigkeit zu finden, und als das graue mittelalterliche Gcfängniß am 14. Juli 1789 unter den Hande» des Volks zusammenstürzte, war das erste Opfer, nach dem man in den dem Hellen Tageslichte der Ge rechtigkeit und der Menschlichkeit geöffneten Kerkern suchte, um wenig stens seinen noch in dieser Finsterniß gefangene» Name» zu befreie», der Mann mit der eisernen Maske! Bibliographie. Kventuros U'un roni'Z.U. (Beschreibung einer Reise in Marokko.) Bon H. Arnaud l-a batnillo Uv Liclcbnlm, nu i'mnour <l uno XnAlaise. — Histo rischer Roman von H. Grafen v. Krasinski. Erster Bd. H Fr. La conlessiou cl'nn enlänt siu siede. — Von Alfred Muffet. 2 Bde. äehanno 'l'hieloinnnt. ou le masvacro sic Vas»). — Von Victor Borean. 7) Fr. England. Kartons von Leonardo da Linci. „Welcher Kunstfreund", sagt der 8z>ect»lnr, „hätte nicht schon einmal jenes berühmte Abendmahl von Leonardo da Vinci gesehen, das uns in dem Kupferstiche von Rafael Morghen erhalten ist? Wer hätte nicht das Jmpofanle und das Grandiose jener Scene bewundert — die herrliche Gruppirung pcr Apostel, wie sie durch die prophetischen Worte ihres göttlichen Meisters: „Einer von Euch wird mich verralhen!" aus einmal außer Fassung gebracht werben — die verschiedenartige» Leiden schaften, die so lebhaft auf den Gesichter» der Einzelnen auSgedrückt sind, und endlich die göttliche Gestalt Christi, der bei Allem allein ruhig und heiler bleibt? Wenn aber schon ein unvollkommener, schwacher Miniatur-Abdruck von diesem großen majestätischen Gemälde eine solche Wirkung hervorbringcn kann, wie wunderbar mußte erst das Original selber auf den Geist einwirkcn? Dieses Original eMirt freilich nicht mehr, denn das Frcsco-Gemälde von da Vinci an der Wand des Do minikaner-Klosters zu Mailand ist durch die vielfachen Restaurationen, die damit vorgenommcn worden, bereits so entstellt, daß man höchstens nur noch den äußeren Umriß desselben als das Werk de« großen Meisters anschcil kann. Aber die Königliche Akademie in London besitzt eine vortreffliche Kopie davon"), und außerdem giebl es in England noch mehrere Fragmente von diesem großen Kunstwerke, nämlich acht Kartons, Köpsc von zehn Apostel», die Original-Studien des ansgezeichnelcii Künstlers, nach denen er das Fresco-Gemälde selbst auSgrführt. Sie sind seit einiger Zeit in der Gallerie der Herren Woodburn in London zum Verkauf ausgestellt, wo sie (im Fall sie nicht etwa schon verkauft sind) zusammen mit sechzig bis siebzig anderen Zeichnungen und Skizzen von demselben Meister für ISO0 Pfund Sterling — eine im Verhalt- niß zu den, Werthe der Kartons gewiß geringe Summe — losgeschlagen werden. Zwei von denselben mit den kleineren Skizzen hängen an den Wänden; die übrigen liegen auf dem Fußboden des Zimmers, wo man binknieen muß, uni sic näher ins Auge zu fassen. — Und mit Ehrfurcht knieet man hier auch nieder, und erstaunt vor der Einfachheit und Größe des apostolischen Werkes. Diese Karton« machen einen Theil einer Ausstellung in Masse aus und bilden die fünfte Serie der Lawrencc'sche» Sammlung. Außer den Kartons enthält dieselbe noch mehr als zwanzig Feder- und Pinsel-Skizze» von da Vinci. Unter ihnen befindet sich ein reizender Engclskopf, mit einem herrlichen Ausdrucke von Zartheit und Sansimutb; ei» edles Studium von einer gottähnlichen Iugcndschönbcii; mehrere feine Karrikalur-Skiz zen; Studie» von Gewändern, die in Hinsicht der Eleganz und der schönen Ausführnng in der Malerei da« sind, was die Gruppe der Par zen des Parthenon in der Skulptur; endlich noch eine Zeichnung eines ') Eine der imvvsantegen Koviem des Abendmahles von veomirbo da Vinci ist wohl die von Raiaeli aus Beseht Navoleon'S in Mosaik (29 F. breit und is F. hoch) auSgesiihrtc, die sich jeht in der sogenannten Ambra ser Sammlung in W en befindet 168 äußerst prächtigen Grabmals und die Abbildung eine« Springbrunnens von ausgezeichneter Schönheit, — dcnn unser großer Künstler war nicht nur Maler, sondern auch Bilcbaucr, Architekt, Maschinenbauer, Mecha niker, Mufikcr, Dichter und Gelehrter zugleich. Die anderen Zeichnun gen, die zu der interessanten Ausstellung gehören, sind von Giulio Ro mano und Pierino del Vaga, Schüler Raphael'«, und von Primaliccio, dem Schüler Giulio'«: allein so schön sic auch sind, so nehmen sie doch immer nur de» zweiten Rang ein in Vergleich mit den erhabenen Frag menten da Vinci « — ungefähr wie jene anderen Griechischen Skulp turen neben den Werken eine« Phidia«. Die Zeichnungen von Giulio Romano sind die Poesie der Kunst. Seine Skizzen für die FrcSco« im Palaste de« Herzog« von Mantua, so wie die von Primaliccio für den Palast von Fontainebleau beweisen, welch ein uncrtneßlicher Fond« von Geist in jenen Tagen für die Ausschmückung der Paläste der Großen aufgewandt wurde." Bibliographie. Lüe orizin ol tbe Dutch. (Die Abstammung des Holländischen, ncbst eincr Skizze der Holländifchen Sprache und Lncralur.) Von dem Geistlichen I. Bosworth, h Sh. Lilith ol Olamiuis. — Ein Schottischer Roman von Cuthbert Clut- tcrbuck von Kennagubair. 3 Bde. Mannigfaltiges. — Sir William Gell. Dieser ausgezcichuelc AlterthnmSsor- scher ist am 4. Fcbr. d. Z. in Neapel mit Tode abgegangen. Bereits im I. 1804 gab er seine „Topographie von Troja" heraus. Später erschienen von ihm: „Geographie und Alterthümcr von Ithaka"; „Z0- nerarium von Griechenland"; „Reisen in Morea" und die „Topogra phie von Rom." Besonders wäret, e« jedoch seine ..?omz>eiana", die seinen Namen über die ganze gelehrte Welt verbreitete». Seil dem I- 1820 lebte Sir William in Italic», u»d zwar abwecbscliid in Rom und in Neapel, doch hat er seit dem I. 1834 wegen bcständigcr Kränk lichkeit den letzteren Aufenthalt nicht mehr verlassen können. — König Franz I. und der Wahrsager. Adrien de Bou,1er«, ei» Zeitgenosse Franz l., erzählt von diesem Könige folgende Anekdote: „Als Franz aus dem Zuge nach Italien, wo er die unglückliche Schlacht bei Pavia lieferte, durch Lho» kam, hörte er, daß sich hicr ein gewisser Ztaliäncr aushalte, der ein Geschäft daraus machte, künftige Ereignisse vorherzusageii. Der König erkundigle sich näher nach diesem Manne, und zwar nicht etwa, weil cr das citcle Begehren halte, -Gott seiner Attribute mit Hülfe de« Satans zu berauben, sondern lediglich um sich mit dem thöiichtcn Geschwätze de« ItaliäuerS zu unterhalten. Um dem selben also Gelegenheit zu verschaffen, seine angebliche Weisheit an den Tag zu legen, fragte ihn der König, welche« wohl dcr Erfolg seiner Relsc sehn würde, worauf dcr würdige Prophet anf Italiänisch antwortete: „^»starrte tornax le n»n .lacotv zncsn " Diese Worte hallen zwei Bedeutungen und wart» so doppelsinnig al« nur irgend ein Orakel des alten Apollo. Denn wenn der König siegreich in der Schlacht gewe sen wäre, so hätte der Italiäncr sich gerühmt, c« vorhergesagl zu haben, indem er die Worte folgeudermaße» trennte: ..^»siarete, tornarcto, non saretc zweso"; d. b. „Du gehst, kehrst zurück, wirst nicht gefan gen." Wenn dagegen das Glück den Franzosen nicht günstig war, so konnte dcr Italiäncr ebcnsalls sagen, daß cr c« dcm Könige prophezeit und ihn gewarnt habe, denn er trennte dann die Worte folgendermaßen: „t4näacele; tornarete? non! sarele zncso"; d. h. „Du gehst, kehrst Du zurück? „cin! Du wirst gefangen." — Der König aber, dessen Ur- theil über solche Täuschungen erhaben war, durchschaute diesen Kniff de« SatanSdiencr« sehr bald und sandte ibn fort, indem cr ihm Verach tung und Schande, statt dcr Belohnung, auf die jcncr gehofft batte, mit auf den Weg gab." (Xrcluves curicuso«, z,ar Oünbor ct ck'Xnjou.) — Indische Ehe-Disziplin. Ans unscrcr Reise durch Indien sahen wir eine« Tage« eine Frau, deren Hände rücklings au einen Psahl gebunden waren und die von einem Manne mit einem Bambus rohr aus die entblößlc» Schultern so derb gezüchtigt wurde, daß sic ein jämmerliches Geschrei erhob. Sic machte anfangs gar keine Miene, das Vergeltungsrecht auszuübcn, aber endlich, als ihr Thran» immer sonfuhr, sie zu züchtigt», trat sie ihm aus da« Bein und biß ihm mit den Zähnen so hcslig in den Arm, daß cr wie cm gereizter Löwe zu brüllen an- fiiig. Indcß sprang cr schncll aus die Seite, so daß sic ihn nicht mehr erreichen konnte, und versetzte ihr dann wieder so derbe Streiche mit dem Bambusrohr, daß ich dachte, er werde der Fran gewiß alle Knochen am Leibe enlzwcischlagen. E« standen mehrere Leute in dcr Nähe, die mit dcr größten Gleichgültigkcit zusahen; sie sagten mir, daß dcr Wülbc- rich hicr der Gatlc der Frau seh, die er wegen eines häuslichen Ver gebens, dessen sie sich schuldig gemacht, so unmcnschlich züchtigte. Da mich der Anblick de« wütbcnden Hindu« empörte, so schickte ich Einen von meiner eingebornen Dienerschaft ab, um den Mann wegen seiner ungebührlichen Strenge zurechtzuweisen. Aber in dem Augenblick, wo mein Abgesandter versuchte, sich in« Mittel zu legen, wußte sich die Frau von dcm Seile loSzumachcn, mit dem sie angebunden war, und nun stürzte sie über den unglücklichen Friedensboten her, stieß ibn mit allcr Kraft, die ihr zu Gebote stand, von sich und überhäufte ihn, weil er c« wagtc, sich in die Angelegenheiten eines fremden Ehepaars einzu- mischcn, mit einer Salve von Schmähreden, so daß ich ganz außer mir gericth, während jedoch die übrigen Anwcfciiden nur darüber lä chelten. Kaum hatte sie den Mann fortgcjagt, den ich als Friedens stifter abgcschickt, als sic sich auch schnell wieder an dcn Pfahl zurückbegab, an den ihr getreuer Ehemann sie wieder anband, nm sic nach bci'dcr- scitiger Herzenslust von neuem durchzuprügeln. (8cenes in Inch».) HerauSgezeben von der Nedacüon dcr Allg. Preuß. Staal«-Zeitung. Rcdigirt von I. Lehmann. Gedruckt bei A. W. Hayn.